Protocol of the Session on November 14, 2018

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Dort, wo der Migrationshintergrund, kulturell bedingte Werte, die religiösen oder die ideologischen Überzeugungen für die Strafverfolgung und die Prävention von Bedeutung sind, werden sie einbezogen. In der PKS haben sie nichts zu suchen. Der Antrag verfolgt im Wesentlichen offensichtlich zwei Ziele. Erstens: Angstmacherei durch das Schüren von Zweifeln an der Effektivität der Arbeit von Strafverfolgungsbehörden. Zweitens: Verstärkung von Ressentiments gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen. Sie wollen diese Gesellschaft spalten, Sie bekämpfen die Art und Weise, wie wir zusammenleben. Das ist nicht unsere Politik, das machen wir nicht mit. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Das Wort erhält nun der Abgeordnete Gladiator für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Polizeiliche Kriminalstatistik ist zweifelsohne ein wichtiges Instrument zur Erfassung aller bekannt gewordenen Straftaten. Sie gibt damit einen Überblick über die Sicherheitslage in unserer Stadt, aber sie ist auch Grundlage für die Bekämpfung und Verhinderung von Straftaten. Damit das gelingt, sind möglichst konkrete Informationen über die Tatverdächtigen und ihre Taten erforderlich. Das heißt, diese Informationen sind grundsätzlich sinnvoll und wichtig, um gegen die Straftaten vorzugehen und das Dunkelfeld aufzuhellen. Deshalb werden jetzt bereits in der PKS neben dem Alter und dem Geschlecht auch die Staatsangehörigkeit und der Aufenthaltsstatus von Tatverdächtigen erfasst. Das ist auch richtig so. Ich glaube, so weit sind sich die meisten in diesem Hause auch einig. Die Aufnahme weiterer Daten in die PKS muss aber jeweils gut überlegt sein, und dabei gibt es auch einige Punkte zu bedenken.

Erstens: Die Zuständigkeit für die Erstellung der Kriminalstatistik liegt gemäß Paragraf 2 BKA-Gesetz beim Bundeskriminalamt. Zweitens: Die Erfassung der Daten durch die Polizeidienststellen wird durch bundeseinheitliche Richtlinien verbindlich geregelt. Das bedeutet auch, dass die Erfassung weiterer Daten bundesweit einheitlich geregelt werden muss. Drittens: Es muss eine systematische Erfassung möglich sein. Genau daran scheitert die

AfD mit ihrem Antrag. Denn nach der Definition des Statistischen Bundesamtes hat eine Person einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren ist. Die Angaben zur Staatsangehörigkeit der Eltern sind aber freiwillig. Es gibt keine gesetzliche Pflicht, diese Angaben machen zu müssen. Wenn Tatverdächtige nicht dazu verpflichtet sind, entsprechende Angaben zu machen, dann ist eben auch eine systematische Erfassung nicht möglich und dann fehlt auch die Aussagekraft.

(Dirk Nockemann AfD: Das kann man alles ändern!)

Das ist auch der Grund, warum die Innenministerkonferenz davon abgesehen hat, ihren Beschluss aus dem Jahr 2007 umzusetzen. Die Verantwortlichen wollten diesen Mehraufwand ohne konkreten Nutzen eben nicht Realität werden lassen, und auch die Innenministerkonferenz, die sich mit den Themen fortlaufend befasst, kommt da zu neuen Erkenntnissen, und deswegen ist dieser Beschluss zu Recht nicht umgesetzt worden.

Die Erfassung des Migrationshintergrundes in der PKS kann also nicht systematisch erfolgen und hat damit auch keinen praktischen Mehrwert; sie hat keine Aussagekraft. Das wäre aber das Mindeste, um über eine solche Datenerfassung nachzudenken, denn das Sammeln von Daten darf kein Selbstzweck sein. Ich will es so deutlich sagen: Auch das parteipolitisch motivierte Interesse einer Partei kann nicht Grundlage für eine solche Datenerhebung sein.

(Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜ- NEN und der FDP)

Zu Ihrem Beispiel, Herr Nockemann: Ob der Dschihadist, der Gefährder, einen deutschen Pass, die doppelte Staatsbürgerschaft oder welche Staatsangehörigkeit auch immer hat, ist zunächst völlig egal. Entscheidend ist, dass er als Gefährder auf dem Schirm der Sicherheitsbehörden ist und wir verhindern, dass er Straftaten oder Anschläge begehen kann. Das ist das Entscheidende, Herr Nockemann.

(Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜ- NEN und der FDP)

Ich will Ihnen auch sagen, warum die Polizeigewerkschaften unisono Ihren Vorschlag ablehnen. Ich habe mich heute noch einmal mit allen Gewerkschaften in Verbindung gesetzt und mich da rückversichert. Das hat einen guten Grund, den wir absolut teilen. Die zusätzliche Datenerfassung wäre mit einem unverhältnismäßigen Mehraufwand für die Polizei verbunden. Wir – und das unterscheidet uns, Herr Nockemann – wollen, dass sich unsere Polizisten darum kümmern, dass Hamburg sicherer wird, und sich nicht mit immer mehr Bürokratie in dieser Stadt befassen müssen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Der Antrag der AfD führt nicht zu mehr Sicherheit, er ist inhaltlich schlecht gemacht, und zudem würde er die Arbeit unserer Polizei erheblich erschweren. Deshalb lehnen wir diesen Antrag ab.

(Beifall bei der CDU – Sylvia Wowretzko SPD: Und sonst nicht?)

Das Wort erhält nun die Abgeordnete Möller von der GRÜNEN Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Nockemann, das war schon einmal fast etwas Lustiges in einem AfD-Antrag, dass Sie hier so nebenbei sagen, es gebe eine leichte Ungenauigkeit. Dieser Antrag ist schlicht und einfach so, wie Sie ihn geschrieben haben, völliger Nonsens, denn das, was Sie wollen, geht gar nicht. Herr Gladiator hat das eben schon gesagt, Herr Schumacher hat es gesagt, und ich gehe davon aus, dass Sie das genau wussten. Sie wollten nur noch einmal Ihr Sprüchlein hier aufsagen können und Ihren Text loswerden.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, der LIN- KEN und bei Dennis Gladiator CDU)

Aber es ist gut, wenn man dann auch noch einmal darüber redet. Deshalb möchte ich mir, auch wenn das nicht zu meinen Lieblingsaufgaben gehört, doch einmal die Antwort genauer angucken, die Ihr Abgeordneter Leif-Erik Holm im Bundestag bekommen hat und die Sie hier zum Teil, und zwar zu dem eher uninteressanten Teil, zitiert haben. Es hat nämlich aufgrund dieser Diskussion auf der Innenministerkonferenz sehr wohl einen Auftrag an eine sogenannte Kommission zur Weiterentwicklung des statistischen Systems der PKS gegeben. Diese Kommission ist schlicht und einfach zu der Erkenntnis gekommen, dass es keine Rechtsgrundlage für eine derartige Erweiterung gibt.

(Dirk Nockemann AfD: Kann man doch schaffen!)

Ja, das ist wahrscheinlich auch irgendwie politisch. Wollten Sie das sagen?

Es ist auf jeden Fall einfach noch einmal die Bestätigung dessen, was Herr Gladiator gesagt hat, was Herr Schumacher gesagt hat: Es gibt keine Rechtsgrundlage. Die PKS hat einen bestimmten Zweck, darüber kann man auch immer streiten.

(Dirk Nockemann AfD: Die würden Sie doch am liebsten auch abschaffen!)

Der Kern ist, das Anzeigeverhalten abzubilden. Danach setzen die Arbeit und die Aufgabe nicht nur von Staatsanwaltschaft und Ermittlungsbehörden ein, sondern eben auch von Sozialwissenschaft, von Kriminologie. Dann geht es um soziale,

(Dennis Gladiator)

ökonomische, familiäre, persönliche Umstände bei Straftaten. Das ist das, was vorgesehen ist in unserem Rechtsstaat, den ich für den richtigen halte. Ich möchte nicht, dass wir Ihrer Intention folgen, die besagt, es müsse doch Zusammenhänge zwischen Nationalität und den Straftaten geben. Sie selbst sagen in Ihrem Antrag, das sei nicht rassistisch.

(Zuruf von Dirk Nockemann AfD)

Sehen Sie nicht rassistisch.

Nein, ich sage es einmal anders. Man könnte sagen, durch diesen Antrag wabert ein sehr strenger Geruch des völkischen Denkens.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Das Wort erhält nun die Abgeordnete Schneider von der Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich finde es wirklich erstaunlich, welche Kreativität die AfD bei der Behandlung ihres Lieblingsthemas entwickelt. Die ist fast so groß wie die Kreativität, die die AfD bei der Parteienfinanzierung entwickelt.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Heute geht es Ihnen also darum, den Migrationshintergrund als distinktives Merkmal, also als bedeutungsunterscheidend, in die Kriminalstatistik aufnehmen zu lassen, weil Sie sich davon den Nachweis erwarten, dass Menschen ohne langen deutschen Stammbaum krimineller seien als solche mit einem solchen Stammbaum. Weil wir in der Aktuellen Stunde im Mai letzten Jahres schon einmal versucht haben, Ihnen zu erklären, was die Polizeiliche Kriminalstatistik leistet

(Dirk Nockemann AfD: Das ist Ihnen damals schon nicht gelungen!)

und was sie nicht leistet, welche Probleme zu beachten sind und so weiter, will ich mir das heute sparen. Richtig ist: Die PKS kennt neben den Angaben zur Alters- und Geschlechtsstruktur, die Sie unterschlagen haben, das Unterscheidungsmerkmal deutsch und nichtdeutsch. Schon vor Jahren, nämlich 2010, hat das Bundeskriminalamt ausdrücklich folgenden Warnhinweis gegeben, nämlich dass die Daten der PKS – ich zitiere –

"nicht mit der tatsächlichen Kriminalitätsentwicklung gleichgesetzt werden dürfen. Sie lassen auch keine vergleichende Bewertung der Kriminalitätsbelastung von Deutschen und Nichtdeutschen zu."

Hört, hört. Das gilt natürlich nicht weniger für die Unterscheidung mit und ohne langen deutschen Stammbaum. Auch in der kriminalwissenschaftlichen Forschung, die sich im Unterschied zu Ihrem Ansinnen seriös mit der Untersuchung von Migration und Kriminalität befasst, gibt es immer wieder den Hinweis, dass polizeiliche Statistiken für einen Vergleich der Kriminalität in verschiedenen Bevölkerungsgruppen nur sehr, sehr, sehr bedingt aussagekräftig sind. Tatsächlich macht die wissenschaftliche Forschung von Migration und Kriminalität wirklich Sinn – im Gegensatz zu Ihrem Antrag –, weil sie die Ursachen von Unterschieden und Abweichungen untersucht und weil sie die verschiedensten Faktoren einbezieht, die die PKS gar nicht einbeziehen kann.

Sie kommt dann auch zu ganz anderen Ergebnissen, als die AfD sie gern hätte, zum Beispiel zu dem Ergebnis – und das übrigens international –, dass sich das Kriminalitätsrisiko von Menschen mit Migrationsgeschichte bei vergleichbarer sozialer Lage vom Kriminalitätsrisiko von Menschen mit langem deutschem Stammbaum praktisch überhaupt nicht unterscheidet. Das gilt vor allem für die erste Generation von Migrantinnen und Migranten. Es gibt interessanterweise einen kleinen Einschnitt bei der zweiten Generation und gleicht sich ab der dritten Generation wieder vollständig an. Warum also soll Migrationshintergrund von Tatverdächtigen als distinktives Merkmal in die PKS aufgenommen werden? Warum nicht zum Beispiel Stadt/ Land-Bewohner oder Personenstand oder letzter Bildungsabschluss oder beruflicher Status, Arbeitslosigkeit und so weiter oder Führerschein und keiner? Das wäre ungefähr genauso aussagekräftig beziehungsweise trägt genauso wenig zur Erhellung bei. Aber nein, Sie wollen den Migrationshintergrund wissen, weil das, wie es im Antrag heißt – ich zitiere –,

"zu einer nachhaltigen Aufhellung bestimmter Kriminalitätsphänomene beitragen würde".

Angeblich, so behaupten Sie in Ihrer Pressemitteilung, würde durch die Ausblendung des Migrationshintergrundes die Realität verzerrt. Das widerlegt die wissenschaftliche Forschung, aber mit Fakten haben Sie es ja sowieso nicht so.

(Dirk Nockemann AfD: Das habe ich Ihnen doch vorhin dargelegt!)

Ich zitiere noch einmal aus Ihrem Antrag und Sie haben es eben auch gesagt:

"Die Skizzierung bestehender Korrelationen",

behaupten Sie,

"hat nichts mit Rassismus zu tun."

(Antje Möller)