Protocol of the Session on November 1, 2018

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Kollegen von der AfD, Ihr Antrag zeigt, wie wenig Sie selbst nach Lösungen suchen,

(Beifall bei der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

denn Ihr Antrag ist wortgleich – ich wiederhole, wortgleich – bereits im Landtag, man höre, von Mecklenburg-Vorpommern von der AfD, also von Ihrer Partei, gestellt worden, und er wurde abgelehnt.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Verehrte AfD-Kollegen, wir begrüßen an Ihrem Vorhaben einzig, dass Sie sich den Masterplan Migration unserer Bundesregierung zu Herzen genommen haben, der, wie Sie wissen, eine Fülle von erforderlichen Maßnahmen im Nachgang zur sogenannten Flüchtlingskrise beschreibt. Inhaltlich schießt Ihr Antrag jedoch über das Ziel hinaus und klingt so, als ob Sie am liebsten Internierungslager etablieren würden, in denen die Menschen von Wasser und Brot, am besten noch mit Gutscheinen leben müssen.

Fachlich gesehen beschränkt sich Ihre beziehungsweise die Initiative Ihrer Kollegen aus Mecklenburg-Vorpommern auf die Kooperation mit dem Bundesinnenministerium. Was die Asylbewerberleistungen angeht, müsste jedoch zumindest das Bundessozialministerium mit einbezogen werden. Den in unseren Augen zweckmäßigsten Passus des Abschnitts zu Asylbewerberleistungen im Masterplan Migration lassen Sie dabei außen vor, die Verlängerung des Leistungsbezugs nach Asylbewerberleistungsgesetz, bevor der Übergang in das SGB II erfolgt. Denn genau hiermit bewirkt man in der Tat, dass der Leistungsbezug an sich nicht interessant wird und gleichzeitig trotzdem niemand menschenunwürdig behandelt wird.

Letztlich bleibt mir nur zu sagen, dass Sie ein wichtiges Thema aufgreifen, Sie erreichen aber mit Ih

rem Antrag genau das Gegenteil von dem, was gewollt sein kann,

(Glocke)

nämlich eine reflexartige Ablehnung. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält nun die Abgeordnete Möller für die GRÜNE Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Einmal wieder geht es bei diesem Antrag vor allem um Kampfbegriffe, ohne jeden Beleg formulierte Unterstellungen, und alles haarscharf an der Verfassungsgemäßheit vorbei.

(Dirk Nockemann AfD: Nennen Sie doch mal ein Beispiel!)

Ja, das Beispiel ist doch klar, das haben Sie selbst genannt. Begriffe wie ausreisepflichtige Personen haben wir hier schon, ich weiß nicht wie oft, versucht Ihnen zu vermitteln.

(Dirk Nockemann AfD: Das sind Geduldete!)

Nein, das sind weit mehr als Geduldete. Und geduldet wird man aus vielen Gründen, Herr Nockemann.

Aber viel wichtiger ist vielleicht die klare Entscheidung, die das Bundesverfassungsgericht dazu gefällt hat. Viel wichtiger ist vielleicht auch, sich das Asylbewerberleistungsgesetz im Paragraf 3 genau anzusehen. Der Satz 2 sagt nämlich, dass anstelle von Geldleistungen Sachleistungen nicht einfach vereinbart werden können, sondern soweit es nach den Umständen erforderlich ist. Und das ist nicht Ihre Definition von Umständen, sondern das ist etwas, was rechtlich klar gefasst ist und was man auch so sehen sollte. Aus guten Gründen ist also dieser Punkt 39 im seehoferschen Masterplan nicht umgesetzt bisher und wird wahrscheinlich auch nicht umzusetzen sein.

Darüber hinaus ist der Punkt, den Sie noch erwähnt haben, die Einführung einer neuen Regelbedarfsstufe, ebenfalls vom Bundesverfassungsgericht als nicht zulässig eingeschätzt worden. Ich zitiere einmal aus der Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats des Bundestages:

"Ausländische Staatsangehörige verlieren den Geltungsanspruch als soziale Individuen nicht dadurch, dass sie ihre Heimat verlassen und sich in Deutschland nur vorrübergehend aufhalten. Die einheitlich zu verstehende menschenwürdige Existenz muss daher ab Beginn des Aufenthalts in Deutschland realisiert werden."

Davon sollten wir nicht abweichen.

(Kazim Abaci)

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Das Wort erhält nun die Abgeordnete Schneider für die Fraktion DIE LINKE.

Meine Damen und Herren! Es ist schon gesagt worden: Der Antrag ist aus Mecklenburg-Vorpommern übernommen. Ihnen geht wohl die Luft aus.

Der Antrag ist deshalb diskriminierend, weil er auf die Abschaffung beziehungsweise strengste Reglementierung des soziokulturellen Existenzminimums zielt. In Aufnahmeeinrichtungen erhalten Leistungsberechtigte nach Paragraf 3 Absatz 1 Asylbewerberleistungsgesetz im Wesentlichen eine Sachleistungsversorgung. Zur Deckung des notwendigen persönlichen Bedarfs aber erhalten sie zusätzlich ein Taschengeld beziehungsweise einen Barbetrag. Er soll Bedarfe an Verkehr, Nachrichtenübermittlung, Freizeit, Unterhaltung, Kultur, Bildung, Körperpflege und Ähnlichem decken. So gering dieser Barbetrag auch ist, er ermöglicht wenigstens prinzipiell die eigene Entscheidung, wofür die Leistungsberechtigten diesen Betrag im Einzelnen ausgeben, welche Bedürfnisse ihnen wichtiger, welche ihnen weniger wichtig sind.

Sie wollen dieses Minimum an freier Entscheidung abschaffen. Die Deckung persönlicher Bedarfe durch Sachleistungen ist schwierig. Das Bundesverfassungsgericht verlangt jedoch die Bedarfsorientierung von Leistungen. In einem Gutachten, Frau Möller hat es erwähnt, weist der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages ausdrücklich darauf hin, dass sich Sachleistungen nicht auf eine methodisch-empirisch fundierte Bedarfsmessung stützen, wie sie in zwei Urteilen des Bundesverfassungsgerichts – aber was interessiert Sie das Bundesverfassungsgericht – verlangt wird. Die Form der Sachleistung erlaube eben keinen internen Ausgleich, ermögliche nicht die Befriedigung individueller Bedürfnisse. Deshalb könne eine Unterversorgung nicht ausgeschlossen werden. Sachleistungen können den persönlichen Umständen einer Person nicht gerecht werden.

Wie gesagt, Sie wollen jede Entscheidungsfreiheit, jeden letzten Rest des Rechts, über die Befriedigung individueller Bedürfnisse selbst bestimmen zu können, liquidieren. Ihr Antrag richtet sich gegen die Menschenwürde. Wir lehnen ihn ab.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Das Wort erhält nun die Abgeordnete Nicolaysen für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Präsident, meine Damen und Herren! Wie immer wollen die Kollegen und Kolleginnen der AfD sich nicht auseinandersetzen mit dem Zugang zu Sprache, Zivilgesellschaft, Vereinen, Ausbildung, Arbeitsmarkt sowie der Stärkung des Ehrenamts,

(Dirk Nockemann AfD: Das machen Sie doch schon!)

der Beschaffung von Wohnraum, guter Integration in Kita und Schulen und so weiter für Menschen, die dauerhaft bei uns bleiben. Nein, wir debattieren wie bereits in vielen unserer Bürgerschaftssitzungen aufgrund der AfD über die globale Frage, ob wir Menschen von der Flucht abhalten, indem wir ihnen ein Taschengeld von maximal 140 Euro streichen.

Meine Damen und Herren! Die Ursachen für Flucht sind Krieg, Gewalt, Menschenrechtsverletzungen, Klimawandel und Hunger. Laut UNO-Flüchtlingshilfe sind weltweit Ende 2017 etwa 68 Millionen Menschen auf der Flucht. Ohne Zweifel erhoffen sich diese Menschen, die es bis nach Hamburg schaffen, ein besseres Leben.

(Beifall bei Martin Dolzer DIE LINKE)

Welche Lösungen gibt es für diese Lage? Aus liberaler Sicht müssen weltweit betrachtet die Fluchtursachen bekämpft werden. Europaweit betrachtet brauchen wir ein funktionierendes Verteilungssystem. Und was brauchen wir in Hamburg? Das habe ich eingangs gesagt: Die Befassung mit Integrationsthemen, nicht die Befassung mit Bundes-, EUund Weltpolitik.

(Dirk Nockemann AfD: Das ist doch ein Hamburger Thema, die Sachleistung!)

Dem vorgelegten Antrag werden wir, ebenso wie den vorhergehenden, wegen seiner Oberflächlichkeit wieder nicht zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort erhält nun der fraktionslose Abgeordnete Flocken.

(Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Hat der überhaupt noch Redezeit? – Milan Pein SPD: Das kann doch wohl nicht wahr sein!)

Sehr verehrter Herr Präsident, sehr verehrte Volksvertreter! Die Sache muss von vier verschiedenen Positionen angeschaut werden.

Da ist einmal die Sicht der Deutschtümler, also hier der Leute, die meinen, dass am deutschen Asylwesen die Welt genesen soll, die zum vierten Mal innerhalb von 120 Jahren meinen, dass wir im besten Deutschland aller Zeit leben, die einen ungehemmten Moralstolz vor sich hertragen und natürlich auch Menschen anlocken wollen für ihre Asyl

(Antje Möller)

industrie. Dazu gehören aber auch Leute wie zum Beispiel die FDP, die meint, wir könnten die Fluchtursachen auf der Welt beseitigen.

Die zweite Gruppe: Das sind die echten Flüchtlinge, die vor Lebensgefahr geflohen sind und die nichts als ihre Haut gerettet haben. Das sind diejenigen, die vor Dank den Boden küssen und uns mehr als dankbar sind, dass wir sie versorgen, und die es natürlich nicht als menschenunwürdig ansehen würden,

(Zuruf von Kazim Abaci SPD)

Sachleistungen zu bekommen. Vielleicht kennen Sie solche Leute ja gar nicht; ich kenne solche Leute.

Die dritte Gruppe: Das sind die Faschisten, die meinen, die Gaben, die sie bekommen, kämen gar nicht von uns. Wir geben sie ihnen vielleicht, weil wir dazu verpflichtet sind als Dhimmis, aber in Wirklichkeit kommen die Gaben von Allah und dem ist man auch zu Dank verpflichtet; für die Dhimmis ist es eine Pflicht, dass sie die Gaben abgeben müssen.

Und die vierte Position ist dann die beschriebene Situation von Seehofer und auch von der AfD aus Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel. Die ist weitgehend deckungsgleich mit der der echten Flüchtlinge, während die der Deutschtümler gleich ist mit der der Faschisten. – Vielen Dank.

Das Wort hat nun der Abgeordnete Nockemann für die AfD-Fraktion.