Protocol of the Session on April 25, 2018

rung der Energiewirtschaft macht die Energiewende erst möglich. Die Techniken dafür sind längst da.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Aber die neue Energiewelt ist verschlossen durch einen überholten Rechtsrahmen, der viele denkbare Projekte wirtschaftlich unmöglich macht. Darum hat die Bundesregierung vor einem Jahr zwar eine sogenannte Experimentierklausel erlassen, damit sich die Projektteilnehmer bis 2022 wirtschaftliche Nachteile erstatten lassen können, die ihnen in diesem Projekt entstehen, aber die Experimentierklausel ist viel zu schwerfällig und hat sich in der Praxis als nicht weitgehend genug erwiesen. Um hier Abhilfe zu schaffen, bitten SPD, CDU, GRÜNE und LINKE gemeinsam in dem vorliegenden interfraktionellen Antrag den Senat, sich auf Bundesebene für zusätzliche Spielräume durch eine entsprechende Anpassung der SINTEG-Verordnung einzusetzen, um die Anwendung von Geschäftsmodellen mit erneuerbaren Energien gegenüber fossilen Brennstoffen konkurrenzfähiger zu machen.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN)

Dieser Antrag liegt heute auch dem Landtag in Schleswig-Holstein vor. Landtag und Bürgerschaft folgen damit einer Empfehlung unseres gemeinsamen Ausschusses Hamburg und Schleswig-Holstein. Der gemeinsame Ausschuss hat sich damit also erneut bewährt, obwohl beide Bundesländer unterschiedlich zusammengesetzte Landesregierungen haben.

Interfraktionell und überregional, mehr geht nicht. Da der Antrag so breit getragen ist, fällt kaum ins Gewicht, dass die FDP hier nicht mitmacht, obwohl sie in Schleswig-Holstein an der Regierung beteiligt ist. Offenbar hat die FPD als einzige Fraktion in Schleswig-Holstein kein Interesse an der Energiewende. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN)

Das Wort bekommt Herr Gamm von der CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren! Ja, dieses Thema ist etwas weniger aufregend als das vorherige. Die Energiewende ist weit mehr, als ein Windrad aufzustellen oder eine Photovoltaikanlage zu installieren. Es ist auch weit mehr, als die sogenannte Sektorenkopplung und die Digitalisierung voranzutreiben. Denn ein wesentlicher und leider noch immer sehr weit verbreiteter Irrtum ist, dass es sich bei der Energiewende um ein rein ökologisch-technologisches Projekt handelt. Doch das stimmt nicht. Die Energiewende ist gleichermaßen

(Vizepräsidentin Christiane Schneider)

ein ökologisches wie auch ein wirtschaftliches Großvorhaben. Denn nur wenn das zukünftige Energiesystem in Deutschland insgesamt auch wirtschaftlich tragfähig ist, sind die Hoffnungen gerechtfertigt, zu einem späteren Zeitpunkt vollständig auf die konventionelle Energieerzeugung verzichten zu können.

(Dr. Monika Schaal SPD: Aha!)

Wenn das erreicht ist, könnte die Energiewende auch als Gesamtsystem anderen Ländern als Vorbild dienen und zu einem Exportschlager werden. Davon sind wir zum jetzigen Zeitpunkt aber noch weit entfernt. Hierfür gibt es zwei wesentliche Ursachen. Erstens: Noch fehlen uns zahlreiche innovative technologische und sektorenübergreifende Lösungen und Konzepte. Zweitens: Die starke Regulierung des gesamten Energiesektors in Deutschland erschwert die Entwicklung genau dieser Konzepte, die wir benötigen. Den Nachholbedarf bei der Entwicklung von technischen Innovationen hat auch das Bundeswirtschaftsministerium erkannt. Eine der Antworten des Ministeriums ist das sogenannte SINTEG-Programm, das für fünf Modellregionen in Deutschland umgesetzt werden soll. Das gesamte Programm wird mit rund 200 Millionen Euro gefördert, wovon sich die Fördersumme für das für uns besonders spannende Projekt in Norddeutschland NEW 4.0 zuzüglich der privaten Investitionen zwischen 90 bis 130 Millionen Euro beläuft. Mit diesem Programm sollen insbesondere folgende Ziele erreicht werden: Erstens soll der Netzbetrieb deutlich sicherer und effizienter erfolgen, obwohl es deutlich höhere Anteile an erneuerbaren Energien gibt, was natürlich zu stärkeren Fluktuationen führt. Dann sollen Effizienzund Flexibilitätspotenziale stärker ausgenutzt werden. Das Zusammenspiel der verschiedenen Akteure soll künftig besser organisiert werden. Es geht um eine effizientere Nutzung der vorhandenen Netzinfrastruktur und durch eine gezielte Vermeidung des Netzausbaubedarfs speziell auf der Verteilnetzebene.

Zusammenfassend können wir festhalten: SINTEG zielt primär darauf ab, in den Schaufensterregionen skalierbare, also breit einsetzbare Musterlösungen für eine sichere, wirtschaftliche und umweltverträgliche Energieversorgung aus Wind- und Sonnenenergie zu entwickeln und diese zu demonstrieren. Dabei sollen die gefundenen Lösungen insbesondere auch der breiten Umsetzung dienen.

Doch damit das gelingen kann, reichen Fördergelder allein eben nicht aus. Denn wir dürfen nicht aus dem Blick verlieren, dass der energiewirtschaftliche Sektor in Deutschland alles andere ist als ein normaler Markt, bei dem das freie Spiel der Kräfte weitgehend zur vollen Entfaltung kommen kann. Das Gegenteil ist der Fall. Der Energiesektor in Deutschland ist einer der am stärksten regulier

ten ökonomischen Handlungsfelder in unserem Land und ist geprägt von zahlreichen Umverteilungsinstrumenten. Und nur, um Ihnen einen kurzen Eindruck zu vermitteln, habe ich hier einmal die Gesetzeskarte der Energiewirtschaft in Deutschland. Die sieht nämlich so aus und beinhaltet für diesen Wirtschaftssektor: 26 Gesetze, 33 Verordnungen, 23 Richtlinien. Das sind weit mehr als über 10 000 Seiten zur Regulierung. Darüber hinaus gibt es noch eine intensive Interaktion mit der Bundesnetzagentur, dem Bundeskartellamt, aus dem eben auch entsprechende Berichtspflichten, Vorgaben, Leitfäden und so weiter entstehen.

Uns allen dürfte klar sein, dass das nicht die einfachsten Voraussetzungen für die Entwicklung und den Test neuer Technologien und energiewirtschaftlicher Konzepte sind. Bisher ist es immer noch so, dass zahlreiche ökologisch hochgradig sinnvolle Lösungen nicht entwickelt oder angewendet werden, weil sie aufgrund der zuvor beschriebenen Rahmenbedingungen wirtschaftlich nicht sinnvoll betrieben werden können. Diese Lücke soll nun mit diesem Antrag geschlossen werden und wird daher auch von der CDU-Fraktion entsprechend unterstützt.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Allerdings mache ich keinen Hehl daraus, dass ich mir diesen Antrag erstens deutlich früher gewünscht hätte, und zweitens, dass Aspekte wie die technologieoffene Unterstützung speziell von Speichertechnologie dort ein höheres Gewicht hat und dass wir eine stärkere Differenzierung der Rollen von Verteil- und Übertragungsnetzen aufgenommen hätten. Das ist nicht erfolgt, aber trotzdem widerspricht das jetzt nicht, dem Antrag zuzustimmen. Daher ist dieser Antrag zielführend aus unserer Sicht und wir werden ihm zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Sparr von der GRÜNEN Fraktion

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Jahr für Jahr werden viele Gigawattstunden Strom aus erneuerbaren Quellen abgeregelt, weil der Netzausbau nicht hinterherkommt. Mit Abstand am stärksten davon betroffen ist Schleswig-Holstein. Denn rein rechnerisch könnte das Land zwar mit seiner Produktion von 8,2 Gigawattstunden seinen Strombedarf aus eigener Kraft decken, aber es gibt halt Lastspitzen und Lastsenken und daher kann auch der Strom nicht immer gerade vor Ort verbraucht werden, der dort erzeugt wird. Und so kommt es zu dieser Absurdität, dass an der Leipziger Strombörse in mehr als 180 Stunden im Jahr Strom für weniger als 0 Cent, also zu negativen Preisen, angeboten wird. Das

(Stephan Gamm)

heißt, sie bekommen noch Geld dazu, wenn sie den Strom abnehmen. Solche Absurditäten müssen wir beenden,

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD und der LINKEN)

denn sie bremsen nicht nur den Ausbau der Erneuerbaren. Dieser Strom ist alles andere als überschüssig. Dieser Strom kann direkt bei uns im Norden genutzt werden. Dazu muss man Speichertechnologien entwickeln. Dazu brauchen wir die Umwandlung von Strom in Gas. Dazu brauchen wir smarte Anwendungen, die dafür sorgen, dass zum Beispiel die Schmelzöfen in der Aluminiumund Stahlindustrie in Hamburg bevorzugt dann laufen, wenn besonders viel Strom im Netz ist.

Wie diese Sektorkopplung, also die zeitliche Synchronisation von Erzeugung und Verbrauch, am besten funktioniert, wird im Projekt NEW 4.0 erforscht. Da bringen wir Wirtschaft und Wissenschaft zusammen. Ziel ist, bis 2035 die vollständige Versorgung von Hamburg und Schleswig-Holstein mit erneuerbarem Strom zu erreichen. Und genau damit lösen wir übrigens auch schon einen Teil der Probleme, die hier von der Opposition gerade angeführt wurden, um Erneuerbare in Misskredit zu bringen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Für Unternehmen, Forschung und Klima ergäbe sich daraus eigentlich ganz von selbst eine Winwin-Situation. Eigentlich. Doch das aktuelle System von Steuern, Abgaben und Umlagen steht dem im Wege, denn die regulatorischen Kosten sind hoch. Über 120 Euro pro Megawattstunde für EEG-Umlage, Netzentgelte, Stromsteuer. Das heißt, egal, was man aus diesem Strom macht, das Produkt kann eigentlich preislich nicht konkurrieren. Darüber sind wir uns mittlerweile auch mit der Bundesregierung einig. Der Bund hat dann für Projekte wie NEW 4.0 die SINTEG-Verordnung geschaffen – das wurde hier schon angesprochen –, und die soll es möglich machen, mit neuen Modellen zu experimentieren, ohne dass diese absurden Kosten anfallen. Leider ist, wie wir jetzt wissen, diese Verordnung auf halbem Weg stehengeblieben, denn die Hersteller müssen alle diese Kosten erst einmal zahlen. Sie können sie sich lediglich am Ende erstatten lassen, und auch das nicht immer. Hinzu kommt, dass sich in manchen Situationen die eigentlich zur Förderung der erneuerbaren Energien einmal eingeführte EEG-Umlage mittlerweile als Hemmschuh erweist. Wenn die Sektorkopplung und mit ihr die Energiewende gelingen soll, muss sich das ändern, und zwar dringend; das liegt übrigens auch im Interesse von Hamburg als Wirtschaftsmetropole.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wir profitieren dann direkt vom Windstrom, vor allem dann, wenn er reichlich vorhanden und preiswert ist.

Im gemeinsamen Ausschuss der Parlamente Schleswig-Holsteins und Hamburgs sind wir uns partei- und koalitionsübergreifend darin einig, dass die SINTEG-Verordnung so angepasst werden muss, dass sie die Sektorkopplung tatsächlich voranbringt. Das heißt, dass es für die Stromsteuer, die EEG-Umlage und die Netzentgelte Ausnahmen und Befreiungen geben muss. Das heißt, dass es den an NEW 4.0 beteiligten Firmen bei der Berechnung ihrer wirtschaftlichen Nachteile erlaubt sein muss, alle relevanten Kosten anzusetzen, auch die Investitionen. Das heißt, dass die Erstattungsverfahren so einfach sein müssen, dass auch kleine Firmen sie bewältigen können. Und es heißt letztlich auch, dass die Kosten, die durch die Erstattung bei den lokalen Netzbetreibern anfallen, auch nach oben auf die Übertragungsnetzbetreiber durchgereicht werden können. Denn die Energiewende ist eine bundesweite Aufgabe, von der am Ende alle profitieren.

Als Erwartung an die Zukunft möchte ich noch eines anfügen: Nach Abschluss der Experimentierphase muss die Regulierung des Strommarkts dauerhaft so angepasst werden, dass die Erneuerbaren konkurrenzfähig bleiben.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Damit rede ich nicht etwa neuen Subventionen das Wort. Es geht vielmehr um den Abbau von Subventionen. Denn vor allem subventionieren wir in Deutschland noch immer den Abbau und die Verfeuerung von Kohle mit 3,2 Milliarden Euro jährlich. Von der Reduktion der EEG-Ablage profitieren hingegen auch die Verbraucherinnen und Verbraucher. Ein erster Schritt in diese Richtung ist mit dem hier vorliegenden Antrag getan und ich freue mich, dass wir das parteiübergreifend tun können. Es ist ein positives Signal für den Klimaschutz und für die zeitgemäße Industrie und Arbeitsplätze. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das Wort bekommt Herr Jersch von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Vorsitzende, meine Damen und Herren! Vieles ist schon gesagt worden. Nicht umsonst waren die Vorrednerinnen und -redner – nein, es waren nur Rednerinnen, glaube ich – alle Mitantragsteller dieses Antrags.

(Michael Kruse FDP: Meinen Sie Herrn Gamm?)

Aber auf dem Hintergrund der Pariser Verträge, der Dekarbonisierung und unserer Klimaziele haben wir mit dem SINTEG-Programm ein wirklich

(Ulrike Sparr)

sinnvolles Programm seitens des Bundesministeriums zur Hand. Leider hat sich in der Tat herausgestellt, dass die Experimentierklausel schlicht und ergreifend viele Betriebe in ihren Ressourcen überfordert und das Programm an seine Grenzen bringt und daraus letztendlich wirtschaftliche Benachteiligungen resultieren.

Ich habe einmal kurz recherchiert, was denn so an Zahlen da ist, und habe beim Umweltbundesamt die Subventionszahlen für Kohle gefunden: 100 Millionen Euro für die Energiesteuer, 304 Millionen Euro für Braunkohlesubventionierung und 1,7 Milliarden Euro für Steinkohlesubventionen für das Jahr 2012 – von den Atomsubventionen wollen wir gar nicht erst reden. Dagegen wird SINTEG, ein wirklich wichtiges und sinnvolles Programm, gerade einmal mit 200 Millionen Euro staatlicher Gelder ausgestattet; 500 Millionen Euro sollen es dann inklusive privater Mittel werden.

Mehr als faire Bedingungen für die Energiewende sind hier gefordert, das heißt auch ein entsprechender Ausbau, eine entsprechende Erleichterung für den Ausgleich gegen die bestehenden Subventionen in anderen klassischen Energiesektoren. Ich denke, das Projekt selbst ist für den Forschungsstandort Hamburg unter anderem ein sehr wichtiger Baustein, denn hier haben wir einen Cluster, mit dem wir auch zukunftssicher aufgestellt sein können. Und wir sorgen damit dafür, dass mit viel Forschung letztendlich bezahlbare und sozialverträgliche Preise für Energie herauskommen werden. Wenn das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie selbst sagt, unsere Energiewende, sicher, sauber, bezahlbar, dann kann ich das an dieser Stelle nur unterstützen. Ich hätte leider auch noch ein zusätzliches Adjektiv, nämlich schnell, hintendran gehabt. Aber ich glaube, mit einer Ausweitung der Experimentierklausel können wir auch mehr Firmen an dem Projekt beteiligen und kommen schneller weiter mit der Wende in Hamburg. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Dr. Duwe von der FDP-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Dr. Schaal, ich muss Sie enttäuschen: Wir werden diesem Antrag zustimmen bis auf einen Punkt, wo wir uns enthalten werden. Und ich kann Ihnen genau sagen, warum wir nicht auf dem Antrag stehen. Schleswig-Holstein hat andere Voraussetzungen als Hamburg. Hamburg hat die Energienetze verstaatlicht, beziehungsweise großenteils, und da gibt es einen Punkt 7. Und da ist nicht aufgeführt, mit welchen Kosten da zu rechnen ist. Das sollte eigentlich in so einem Antrag mit drinstehen.

Zum anderen kann ich natürlich Herrn Gamm zustimmen: Es ist sehr, sehr kurzfristig gekommen. Eigentlich hätte so etwas zumindest hier in der Bürgerschaft oder im Ausschuss vorher schon einmal beredet werden müssen. Das bedeutet natürlich, dass wir ganz schnell reagieren mussten. Ich verstehe unsere Parteifreunde in Schleswig-Holstein, dass sie dem voll zugestimmt haben. Ich kann nur sagen: Als hanseatischer Kaufmann muss man auch darauf gucken, was es kosten könnte.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb: Wir werden dem zustimmen, bis auf einen Punkt, das ist eine Enthaltung. Das heißt also, im Prinzip eigentlich eine ganze … Aber wir wollten nicht auf diesen Antrag rauf, weil wir nicht alles hundertprozentig unterstützen.

Ein zweiter, ein ganz wichtiger Punkt, das finden wir auch sehr gut: dass wir die Lösungen als technologieoffen betrachten müssen, sodass nicht gleich wieder vorher etwas ausgeschlossen wird, weil man etwas nicht haben will. Das ist für uns ein sehr wichtiger Aspekt. Man sollte nicht vorher schon immer alles ausschließen. Dann wird das immer teurer und ineffizienter. – Vielen Dank.