Protocol of the Session on February 28, 2018

Drittens beschränkte sich der reformatorische Bildungsimpuls nicht auf Jungen und Männer, sondern schließt Frauen und Mädchen mit ein. Die Volksschule"

und auf einer solchen war ich auch –

(Mehmet Yildiz)

"sollte von Anbeginn an in der Tat Schule für alle sein. […] Bildungsteilhabe und Bildungsgerechtigkeit waren reformatorische Themen und schlossen explizit Frauen mit ein.

Viertens hat all dies aktuell zur Konsequenz, dass die Beteiligung von Frauen geradezu zu einem Kennzeichen der reformatorischen Kirche geworden ist."

Zitatende.

Um der Lebensrealität der Menschen zu entsprechen, bedarf es ständig Reformen, darüber diskutieren wir auch ständig und darüber streiten wir auch. Ein Tag der Reformation wird uns zum Nachdenken veranlassen, dass wir Teil eines gesamtgesellschaftlichen Prozesses sind, den wir aktiv gestalten können und auch gestalten müssen. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Birgit Stöver CDU)

Das Wort bekommt Frau Kammeyer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir Hamburgerinnen und Hamburger haben zwar bisher recht wenige gesetzliche Feiertage; dafür sind sie größtenteils männlich geprägt. So erinnern sie uns beispielsweise an die Geburt eines Mannes, an die Kreuzigung eines Mannes, an die Auferstehung eines Mannes,

(André Trepoll CDU: War immer der glei- che!)

an die Gründung der Kirche durch einen Mann und daran, dass ein Mann in den Himmel gefahren ist. Es war nicht der gleiche Mann, das stimmt.

(Beifall bei der SPD)

Gemeinsam haben Weihnachten, Ostern, Pfingsten und Himmelfahrt aber nicht nur ihren männlichen Bezug, sondern auch ihre religiöse Bedeutung. Ich begrüße sehr, dass wir Hamburgerinnen und Hamburger uns einen weiteren gesetzlichen Feiertag geben. Ich bin aber auch der Meinung, dass wir im 21. Jahrhundert keinen siebten Feiertag brauchen, der sich zumindest in der Wahrnehmung der Menschen in erster Linie mit einem christlichen Mann beschäftigt.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Martin Luthers und Johannes Bugenhagens Verdienste sind nicht nur für die Entwicklung der Kirche, sondern auch für unser Bildungssystem und unsere Sprache kaum zu überschätzen.

(André Trepoll CDU: Martin Luther?)

War Martin Luther seiner Zeit, was aufklärerisches Gedankengut angeht, in vielen Bereichen weit voraus, so gilt dies jedenfalls nicht für seine Einstellung zur Rolle der Frau. Um nur eines der vielen Zitate zu nennen:

"Die größte Ehre, die das Weib hat, ist allemal, dass die Männer durch sie geboren werden."

Ich plädiere dafür, dass wir nicht den Reformationstag, sondern den 8. März zum neuen Feiertag machen, der an die Errungenschaften der Frauenbewegung erinnert, die unter anderem darin bestehen, dass Frauen heute hier sitzen, stehen, Reden halten und auch am Ende dieser Debatte über diesen Feiertag mitentscheiden. Frauenrechte und die gleiche Teilhabe von Frauen an der Gesellschaft mussten immer gegen erbitterte Widerstände erkämpft werden. Erst vor 100 Jahren durften Frauen das erste Mal wählen, auf die erste weibliche Regierungschefin mussten wir bis 2005 warten.

(André Trepoll CDU: In Hamburg immer noch!)

Aber auch heute noch finden sich sehr wenige weibliche Straßennahmen im Stadtbild wieder. Mit einem neuen Feiertag sollte meiner Meinung nach in erster Linie ein politisches und gesellschaftliches Signal verknüpft sein. Der Weltfrauentag ist über gesellschaftliche Schichten und Religionen hinweg relevant. Er erinnert an die Errungenschaften der Frauenbewegung und mahnt uns zugleich, wie viel wir im Bereich der Gleichstellung noch zu tun haben. Der Weltfrauentag ist weltlich, aber grenzt keine Religion aus. Wir Hamburgerinnen und Hamburger sollten bei der Entscheidung über einen neuen Feiertag weniger nach links und rechts gucken, sondern mit hanseatischem Selbstbewusstsein voranschreiten und als erstes Bundesland den Weltfrauentag zum gesetzlichen Feiertag machen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Angesichts der 66 Antragstellerinnen und Antragsteller für den Reformationstag rechne ich am Ende der Debatte nicht mit einer Mehrheit für diesen Antrag. Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass der Großteil der Mitglieder dieses Hauses die immense Bedeutung des Weltfrauentages anerkennt, und hoffe darauf, dass wir ihm in zehn Tagen, aber vor allen in den nächsten Jahren eine größere Bedeutung beimessen können. Auch nach dem heutigen Tag haben wir im Vergleich zu Bayern tatsächlich noch ein paar Feiertage Rückstand. Vielleicht verkürzen wir diesen ja in den nächsten Jahren noch einmal und dann sollten wir wirklich überlegen, in Hamburg einen ersten Feiertag mit weiblichem Bezug einzuführen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

(Dora Heyenn)

Herr Stoberock bekommt das Wort für den Antrag Nummer 3.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vielleicht ist heute der wichtigste Abstimmungstag in dieser Legislatur.

(André Trepoll CDU: Ach, dachte, der kommt noch!)

Wir werden nicht nur den hoffentlich für Jahrzehnte finanziell folgenreichsten Entscheidungsprozess beginnen, wir werden auch für Generationen die Entscheidung für einen arbeitsfreien Tag treffen und auch darüber entscheiden, was jetzige und künftige Generationen mit diesem neuen Tag verbinden. Deshalb möchte ich einige Punkte nennen, die im Hinblick auf den 31. Oktober als Feiertag jedenfalls nachdenklich stimmen und die man bei der konkreten Ausgestaltung dieses Feiertages dann auch berücksichtigen sollte.

So kommt es bislang eindeutig zu kurz, dass Hamburg eine säkulare und weltlich geprägte Stadt ist, in der sehr viele Menschen nicht an ein göttliches Wesen glauben oder der Frage nach einem höheren Wesen schlicht keine große Bedeutung beimessen. Wahrscheinlich sind über die Hälfte der Menschen in unserer Stadt Atheisten oder Agnostiker und auch viele gläubige Menschen betrachten Religion darüber hinaus als eine private Sache und sehen im Übrigen auch mit Sorge, wie religiöse Fragen zunehmend den öffentlichen Diskurs bestimmen.

(Beifall bei der SPD und der AfD)

Auch wir Sozialdemokraten haben immer für einen weltanschaulich neutralen Staat gestanden und dazu ist es kein Widerspruch, dass wir in Hamburg neben dem Tag der Deutschen Einheit und dem Tag der Arbeit allein christliche Feiertage als gesetzliche Feiertage haben. Denn diese haben ihre Legitimität aus ihrer langjährigen Akzeptanz heraus und werden auch in unserer pluralistischen Gesellschaft als Familienfeste oder soziale Ereignisse zelebriert beziehungsweise als Zeiten der Ruhe genutzt.

Der 31. Oktober hingegen, der erstmals anhand des 500-jährigen Reformationsjubiläums als gesetzlicher Feiertag zelebriert wurde, kann nicht auf eine vergleichbare langjährige gesellschaftliche Akzeptanz und Übung zurückgreifen.

(André Trepoll CDU: Soll er ja auch gar nicht!)

Darüber hinaus, das wurde auch schon gesagt, kommt er aus seiner protestantischen Drehung, egal, wie man es dreht und wendet, nicht heraus. Und schließlich, auch das wurde schon gesagt, ist der 31. Oktober ein Tag zur Aufwertung der Person Martin Luthers, dessen Persönlichkeit bei allen historischen Verdiensten und dem hohen Respekt,

den viele Teile seines Denkens und Handelns auslösen, stark umstritten ist.

Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, dass die Einführung der Reformation in Hamburg auch mit der Einschränkung der Glaubensfreiheit anderer, insbesondere Katholiken, aber auch anderer Gruppen verbunden ist, die oft unter Zurücklassung ihres Besitzes vertrieben und deren Kirchen zerstört wurden. Auch dass es gleichzeitig eine Aufwertung des Halloween-Tages bedeutet, was ich als Vater von kleinen Kindern nur sachverständig bezeugen kann, wurde schon mehrfach gesagt. Ich würde deshalb darum bitten, dass man, falls es dazu kommt, gerade diesem säkularen Konzept einen stärkeren Stellenwert beimisst, und bitte auch noch einmal hinsichtlich unserer Ziffer 2, hinsichtlich des 23. Mai, um Ihre Unterstützung. – Danke.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und bei Dr. Jörn Kruse AfD)

Frau Dr. Ensslen bekommt jetzt das Wort für den Antrag Nummer 4.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir sprechen bei der Feiertagsdebatte auch über Zukunft und Vergangenheit. Es gibt Vergangenheit, die es zu bewahren gilt; dazu gehört der 8. Mai. Frau Schneider hat das für mich sehr ergreifend ausgeführt. Es gibt aber auch Vergangenheit, die einmal Zukunft war, es aber jetzt schon lange nicht mehr ist; das ist beim 31. Oktober der Fall. Die Antragstellerinnen haben dargelegt, dass es ein religionsgeschichtlicher Tag ist und dass es bei aller Kritik an der Person Luther auch Lobenswertes an ihm gibt, hatte er doch zu Recht die korrupte katholische Kirche mit ihrem Ablasshandel bekämpft. Die Reformation hat die Zeitenwende eingeläutet, die Aufklärung vorbereitet. Es ist auch schon von Bildung die Rede gewesen; allerdings beginnt hier meine Kritik. Dahinter steckte ein zweifelhafter Missionierungsdrang: Alle sollten die Bibel lesen können.

Meine eigentliche Kritik geht aber viel weiter. Wir verdanken Max Weber einen völlig anderen Blick auf die Reformation. Er schrieb über die protestantische Ethik und den Geist des Kapitalismus. Damit versuchte er, die Entstehung des Kapitalismus zu erklären. Das ging ungefähr so, dass überhöhtes Arbeitsethos und asketische Sparsamkeit das Wirtschaftswachstum und die Investitionen fördern. Natürlich gibt es an dieser simplen Kausalität heftige Kritik. Es fehlt zum Beispiel auch der für den Kapitalismus ebenso wichtige Faktor Konsum, den offenkundig auch die Antragstellerinnen und Antragsteller vergessen haben. Es war nicht sehr schlau, einen Feiertag im Nordverbund zu wählen. Damit wird der kleine Grenzverkehr zwischen den Bundesländern verhindert. Als gebürtige Südhes

sin erinnere ich mich noch an die besonders vollen Läden an manchen Alltagen: Es war mal wieder Feiertag in Bayern, ein wahres Konsumförderprogramm.

Aber zurück zu Max Weber. Spricht seine unzulängliche These die protestantische Ethik wirklich frei? Nur zum Teil. Das protestantische Leistungsprinzip steckt uns nämlich immer noch tief in den Knochen. Gerhard Schröder hat es sich zunutze gemacht. Eine solche Grundhaltung erleichtert es zu sagen: Wenn du keine Arbeit hast, bist du selbst schuld. Wer keine Arbeit hat, ist nichts wert, und wer schuldig und wertlos ist, muss nicht viel Förderung vom Staat bekommen. In Zeiten der Digitalisierung muss das der Vergangenheit angehören. Ich möchte deshalb, dass diese Auswüchse des Protestantismus nicht gefeiert werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe jetzt noch drei Wortmeldungen. Das sind Herr Wersich, Herr Gögge und Herr Rose. – Herr Wersich, Sie bekommen das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich wollte ich mich nicht zu Wort melden, weil ich fand, dass es viele, viele gute Gründe für die einzelnen Anträge gibt. Aber mich stört ein bisschen, und es bestätigt mich eigentlich in meinem Ansatz, wie teilweise gegen Anträge gesprochen wird, insbesondere hinsichtlich der Frage der historischen Einordnung.

Uns ist doch klar, dass kein geschichtliches Ereignis aus der Sicht unserer heutigen Maßstäbe als perfekt oder vorbildlich gelten kann. Wir würden uns doch alle etwas vormachen, wenn wir glauben würden, dass das, was wir heute tun, in der geschichtlichen Sicht der kommenden Jahrhunderte als perfekt gelten würde. Deshalb geht es doch bei der Betrachtung eines historischen Ereignisses nicht darum, aus heutiger Sicht zu sagen, ob man das jetzt gut oder schlecht fand. Vielmehr steht hinter diesem Satz, man müsse die Vergangenheit kennen, die Gegenwart verstehen, um die Zukunft zu gestalten, die Erkenntnis, dass man die Ereignisse, die geschichtlichen Linien verstehen muss. Um sie verstehen zu können, um verstehen zu können, wo und warum wir heute so sind, machen wir eine Bildung. Und niemand, wirklich niemand in diesem Hause und außerhalb setzt den Antisemitismus eines Martin Luther heute als gesellschaftsfähige Erkenntnis, im Gegenteil, ganz im Gegenteil.

(Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜ- NEN, der FDP und bei Dr. Alexander Wolf AfD)

Deswegen bitte ich darum, bei aller Argumentation, um diesen Feiertag zu begreifen, was wir heute auch erlebt haben, dass dieser Feiertag Anlass ist, über sehr viele Aspekte zu reden, dass die Vielfalt der Dinge, die in ihm steckt, kein Mangel an diesem Feiertag ist, sondern für die Gesellschaft und für jeden Einzelnen und jede Organisation eine Chance ist, einen Aspekt aus dieser gesamten Geschichte in den Vordergrund zu stellen und zum Beispiel im Rahmen von Veranstaltungen auch in der Stadt anzubieten und damit den gesellschaftlichen Diskurs zu beleben.

(Beifall bei der CDU, der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)