Es ist ein Kampftag für gleiches Recht für gleichwertige Arbeit, denn noch immer liegt die Entgeltungleichheit zwischen Frauen und Männern bei durchschnittlich 22 Prozent. Es ist ein Kampftag für die bessere Bezahlung von frauenspezifischen Berufen. Typische Frauenberufe im Handel oder in der Pflege, wo der Anteil der Frauen 80 bis 90 Prozent beträgt, werden wesentlich schlechter bezahlt als Tätigkeiten im produzierenden Gewerbe. Es ist aber auch ein Kampftag für die gerechte Verteilung der Tätigkeiten zwischen den Geschlechtern.
Mütter verwenden im Durchschnitt täglich etwa doppelt so viel Zeit für die Kinderbetreuung. Die Sorgearbeit, die Pflege und Fürsorge, wird vor allem von Frauen erledigt.
Ich komme zum Schluss. Jedes Jahr am 8. März, dem Internationalen Frauenkampftag, stehen weltweit Millionen Frauen, Mädchen und Männer gegen sexualisierte und patriarchalische Gewalt auf. Gerade in Zeiten, in denen rechte antifeministische Kräfte mühsam errungene Elemente der Gleichberechtigung infrage stellen und bekämpfen, wäre es ein starkes und ein ehrliches Zeichen, den 8. März als einen Feiertag einzuführen.
Wir kommen jetzt zum dritten Antrag, das ist die Drucksache 21/12155. Den Antragstellenden steht eine Redezeit von achteinhalb Minuten zur Verfügung und es beginnt Frau Arndt.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! 1848 beraten und beschließen die 831 Abgeordneten als Deutsche Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche unter dem durchsetzungsstarken Präsidenten Heinrich Freiherr von Gagern das Gesetz über die Grundrechte des deutschen Volkes, die Verfassung des Deutschen Reiches. Zum ersten Mal werden in
Deutschland Menschenrechte und Bürgerrechte verkündet und in Kraft gesetzt. Universelle Grundrechte, deren Kern die Gleichheit vor dem Gesetz ist, geschützt vor Staats- und Polizeiwillkür. Festgeschrieben werden die Freiheit der Person, Glaubens-, Meinungs-, Presse-, Versammlungs-, Niederlassungsfreiheit, Freiheit der Wohnung, das Briefgeheimnis, das Petitionsrecht. Nach dem zivilisatorischen Bruch, den der Erste Weltkrieg bedeutet, bezieht sich die Nationalversammlung 1919 unter Präsident Friedrich Ebert auf eben diese Grundrechte von 1848. Doch das dualistische parlamentarische wie präsidiale System scheitert an den antiparlamentarischen, verfassungsfeindlichen Kräften. Nach dem Zweiten Weltkrieg tritt, aufgefordert von den alliierten Westmächten, 1948 der Parlamentarische Rat in Bonn zusammen. Die 60 Männer und 4 Frauen werden zu den Vätern und Müttern des Grundgesetzes, die an die Paulskirchen-Verfassung und an die Weimarer Verfassung anknüpfen. Sie lassen sich von ihren Erfahrungen leiten und entscheiden sich für eine strikt repräsentative parlamentarische Demokratie, legitimiert durch Wahlen.
Mucksmäuschenstill wurde es, als mein Vater in den Achtzigerjahren im Rahmen des Klassentreffens des Kaiserin-Augusta-Gymnasiums zu Berlin das Wort ergriff. Er schilderte, was seiner Familie und ihm damals geschehen war. Plötzlich von den Nazis außerhalb des Rechts gestellt, hatten seine Klassenkameraden sich nicht gegen ihn gestellt; sie waren menschlich geblieben. Ihnen dafür seinen Dank auszusprechen war ihm ein tiefes Bedürfnis. Jene jungen Gymnasiasten damals konnten nicht ahnen, dass sowohl mein befreiter Großvater als auch mein Vater Verfassungsjuristen werden würden, leidenschaftliche Verfechter des am 23. Mai 1949 beschlossenen Grundgesetzes, jener Verfassung, die in 19 Artikeln die universellen Grundrechte verankert, beginnend mit dem abstrakten wie konkreten Satz:
absolute, unmittelbare, unzerstörbare, ewige Idee, Nucleus des Seins, des Menschseins in Freiheit, in der Welt, im Weltgeschehen. Wir können uns der historischen Verantwortung, diese Flamme der Freiheit am Brennen zu erhalten, nicht entziehen. Wir sind verantwortlich.
Am 23. Mai feiert unser Grundgesetz seinen 69. und zugleich seinen 170. Geburtstag. In tiefem Respekt vor Jean Jaurès, vor Otto Wels, vor den Vätern und Müttern des Grundgesetzes hoffe ich sehr, dass wir 2019 seinen jüngeren 70. Geburtstag als offiziellen Feiertag werden begehen kön
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mit dem Grundgesetz und dem Bekenntnis zu den unveräußerlichen Menschenrechten, dem Schutz des Individuums, zur Demokratie und der Geschlechtergerechtigkeit und künftig hoffentlich auch zum Schutz der Kinder haben wir eine Verfassung, die weltweit Beachtung findet und unsere Verantwortung für diese eine Welt betont. Das erscheint mir und meinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern – auch außerhalb der Bürgerschaft – ein guter Anlass für einen Feiertag des Grundgesetzes zu sein. Man mag sich eher wundern, warum es diesen nicht schon längstens gibt.
In der Vorbereitung auf meine Rede zum Tag des Grundgesetzes als neuen Feiertag stieß ich auf ein schönes Zitat von Willy Brandt:
"Ein guter Deutscher weiß, dass er sich einer europäischen Bestimmung nicht versagen kann. Durch Europa kehrt Deutschland heim zu sich selbst und den aufbauenden Kräften seiner Geschichte."
"[…] von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben."
Deutlicher kann man die Verantwortung für den von Deutschland ausgehenden Krieg und die Shoah nicht übernehmen. Und die Mütter und Väter des Grundgesetzes schrieben zudem fest – Zitat –:
"Der Bund kann […] in die Beschränkungen seiner Hoheitsrechte einwilligen, die eine friedliche und dauerhafte Ordnung in Europa […] herbeiführen […]."
Ein unglaublicher Weitblick, war man doch 1949 erst dabei, die eigene deutsche Souveränität aufzubauen.
Sie dann gleich nach Europa weiterzugeben ist, glaube ich, etwas, was wir auf jeden Fall feiern sollten.
Wie wirkungsmächtig der 500. Jahrestag der Reformation begangen wurde, zeigt sich auch in unserer heutigen Debatte, sagt aber wahrscheinlich mehr über unsere heutige Gesellschaft aus als über die Reformation. Wenn wir uns aber schon selbst versichern wollen, warum blicken wir dann nicht in die Zukunft, in eine Zukunft, die den Müttern und Vätern des Grundgesetzes so ungleich schwieriger erschien als unsere heutige? Würdigen wir doch den Weitblick und den Optimismus der Verfassungsgeber. Würdigen wir das Grundgesetz wie so viele Länder dieser Welt, die das Grundgesetz als Verfassungsgrundlage übernommen haben, und die vielen anderen, die gern an dessen Freiheitsoptimismus partizipieren würden. Würdigen wir unsere Verfassung mit einem Feiertag.
Schicken wir von Hamburg aus, dieser weltoffenen Freien und Hansestadt, die Botschaft in die Republik. Lassen Sie uns gemeinsam in Deutschland den 23. Mai 2019, den siebzigsten Jahrestag der Verkündigung des Grundgesetzes, als Feiertag begehen.
"Die Quelle all jener Werte, die unsere Heimat ausmacht, ist heute das Grundgesetz. Es garantiert Freiheit und Frieden, Vielfalt und Solidarität."
Als Nichtjurist würde ich gern ergänzen: Es sind die Menschen, die das Grundgesetz verteidigen, die es mit Leben erfüllen. Ein Feiertag des Grundgesetzes wäre somit ein Feiertag für alle Menschen in Deutschland, ein Feiertag, der von allen Bürgerinnen und Bürgern gleichermaßen begangen werden kann.
Das Grundgesetz schreibt die Gleichheit von Frauen und Männern vor dem Gesetz fest. Das Grundgesetz, Herr Dressel, wurde symbolisch am 8. Mai, dem Tag der Befreiung verabschiedet und atmet den Geist der Freiheit nach Diktatur und Shoah. Das Grundgesetz sichert Freiheitsrechte des Einzelnen gegenüber dem Staat, auch in Fragen der
Religion. Der Feiertag des Grundgesetzes vereinigt alle Aspekte der anderen Anträge in sich, vielleicht abgesehen von dem freien Eintritt in die Museen. Daher bitte ich Sie, meine Damen und Herren, stimmen Sie für den Tag des Grundgesetzes, für die Grundlage unserer freiheitlichen Gesellschaft, für die Zukunftsorientierung Deutschlands und Europas. – Vielen Dank.
Die Redezeit für die Einbringung dieses Antrages ist erschöpft. Wir kommen zur Vorstellung des vierten Antrages. Und das betrifft die Drucksache 21/12156. Den Antragstellenden steht dafür eine Redezeit von 8 Minuten zur Verfügung. – Das Wort bekommt Frau Schneider.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zweierlei vorwegschicken. Erstens: Die Initiative für einen neuen Feiertag kam aus der Mitte der Bürgerschaft – Herr Wersich hat es erwähnt. Die heutige Debatte, bei der zum ersten Mal in dieser Bürgerschaft Gruppenanträge vorliegen und quer über die Fraktionsgrenzen hinweg Argumente ausgetauscht werden, hatte einen langen Vorlauf. Vor diesem Hintergrund bedauern wir es, weil es gegenüber der gesetzgebenden Gewalt arrogant ist, dass die Regierungschefs von vier norddeutschen Ländern vor vier Wochen verkündet haben, sie hätten sich auf den Reformationstag als neuen Feiertag für Norddeutschland verständigt. Damit haben sie unserer Entscheidung öffentlich vorgegriffen und die heutige Debatte entwertet.
Zweitens: Es ist schade, dass wir unseren Vorschlag für den 8. Mai notgedrungen in Konkurrenz zu anderen Vorschlägen machen müssen. Es gibt auch bei uns Sympathien für andere Anträge, vor allem für den Vorschlag des 8. März, aber auch für den Vorschlag, der gerade von den SPD-Abgeordneten vorgestellt wurde, für den 23. Mai, den Tag des Grundgesetzes. Leider hat der Vorschlag einiger Bürgerinnen und Bürger für den 27. Januar die Fraktionen erst in der letzten Woche und damit zu spät erreicht. Es gäbe auch sehr gute Gründe, den Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus zu einem staatlichen Gedenktag zu machen.
Und nun komme ich zum 8. Mai. Der 8. Mai 1945, der den Sieg der Anti-Hitler-Koalition über das faschistische Deutschland besiegelte, beendete die furchtbarste Periode in der deutschen Geschichte. Der deutsche Faschismus bedeutete einen ungeheuerlichen Zivilisationsbruch, der in der Shoah, dem Völkermord an den europäischen Jüdinnen