Protocol of the Session on March 29, 2017

(Urs Tabbert SPD: Nicht am Verfassungsge- richt!)

Doch, Entschuldigung, Herr Tabbert, natürlich am Verfassungsgericht, aber Sie wissen doch, wie das meist ist. Das Verfassungsgericht sagt doch immer, wenn die europäischen Richter so entscheiden, dann sind wir doch am Ende. Das ist Ihr Europa. Und dieses Europa wollen wir nicht, wir wollen in der Tat unser eigenes Verfassungsgericht.

Den Franzosen ist vorgeworfen worden, sie hätten eine unpraktikable Regelung. Und, Herr Tabbert, ich glaube, Sie sagten, und jetzt gebe ich Sie richtig wieder, man könne doch den Burka tragenden Frauen nicht die Burka vom Leibe reißen. Das könnten nur totalitäre Staaten. Ist Frankreich ein totalitärer Staat? Frankreich hat das im Übrigen auch nicht gemacht, sondern die Franzosen agieren etwas anders. Wenn dort beispielsweise eine Burka tragende Frau mit Vollverschleierung zum Amt kommt, dann weist man sie darauf hin, dass sie bitte ihren Gesichtsschleier abnehmen mag. Und wenn sie das nicht tut, dann wird ihr Anliegen eben nicht behandelt. Klare Regelung. Und in Frankreich hat es in den letzten fünf Jahren circa 1 500 Bußgeldbescheide gegeben, dass sind ungefähr 300 Bußgeldbescheide im Jahr. Die richten sich eigentlich immer wieder an dieselben Adressaten, an dieselben Frauen. Ich finde, da ist nichts unverhältnismäßig, da ist nichts aufgebauscht. Insbesondere in Frankreich ist es so, dass nach den Anschlägen von 2015 immer mehr Kinos und Kaufhäuser Frauen in Vollverschleierung den Zugang verweigern aus Angst vor Terroranschlägen, durchaus verständlich.

Wie gesagt, Frankreich ist ein Land mit langer liberaler Rechtstradition, Verfassungstradition. Ich sehe überhaupt keinen Grund, warum wir es anders machen könnten.

Selbst wenn man einmal den Artikel 4 Grundgesetz heranzieht, so haben Experten festgestellt, dass das Burka-Tragen nicht zur ungestörten Religionsausübung gehört und nicht zur Freiheit des Glaubens. Das heißt, der Schutzbereich des Artikel 4 Grundgesetz ist jedoch überhaupt nicht erfüllt. Also reden Sie doch nicht davon, wir wollten die Verfassung beerdigen, wenn wir uns für ein Burka-Verbot aussprechen.

Und noch etwas zum Antrag der SPD und der GRÜNEN. Sie haben gesagt, in relevanten Bereichen der Verwaltung solle es ein Verschleierungsverbot geben. Ich sage Ihnen, es gibt keine irrelevanten Bereiche der Verwaltung.

(Glocke)

Sie halten sich hier nur ein Hintertürchen auf.

Herr Nockemann, Ihre Redezeit ist zu Ende.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort bekommt Herr Dr. Dressel von der SPDFraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Erst einmal will ich in dieser Debatte das Gemeinsame betonen, und das finde ich positiv. Es ist in einer Situation, in der durchaus aufgeheizt diskutiert wird, wichtig, dass wir uns eigentlich in der Ziffer 1 unseres Antrags, nämlich dass wir das ablehnen, einig sind in diesem Haus, und das, finde ich, ist in diesen Zeiten auch ein wichtiges Signal in die Stadt hinein: Wir lehnen Gesichtsverhüllung in diesen Bereichen der öffentlichen Verwaltung und in öffentlichen Situationen ab. Das ist ein klares Signal dieser Bürgerschaft.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und ver- einzelt bei der FDP)

Und wir geben damit der Verwaltung, den Behördenleitungen, all denen, die das zu bearbeiten haben, wenn es einmal in diesen wenigen Einzelfällen ein Problem gab, die Rückendeckung, die Regelungen, die es dazu schon bisher gab, so umzusetzen, dass dieses Ziel, das wir gemeinsam haben, auch in der Praxis umgesetzt wird. Und das, finde ich, ist ein wichtiges Zeichen in Richtung der Exekutive.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Überdies muss man sehen, dass sich dieser rechtliche Rahmen verändert. Und deswegen habe ich Folgendes nicht ganz verstanden, liebe Kollegin Prien: Gerade heute hat der Bundestagsinnenausschuss unseren gemeinsamen Gesetzentwurf als eine Beschlussempfehlung Richtung Bundestagsplenum weitergegeben, mit einer kleinen Änderung, die, glaube ich, jedenfalls zwischen der SPD und CDU, nicht richtig strittig sein sollte. Warum stellen Sie sich nicht positiv gegenüber diesem Gesetzentwurf? Er kam jetzt, glaube ich, nicht aus München, sondern wurde im Bundesinnenministerium gemeinsam mit dem Bundesjustizministerium erarbeitet. Das ist ein ausgewogener richtiger Entwurf, der genau an den Stellen, wo es notwendig ist, ansetzt. Und darauf könnte sich hier doch genauso positiv wie die SPD-Fraktion auch die CDU-Fraktion beziehen. Das können Sie gleich noch einmal klarstellen, liebe Kollegin Prien.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Zu- ruf von Karin Prien CDU)

Ja, Sie haben so viel zu dem bayerischen Entwurf gesagt und darauf, glaube ich, ist Frau von Treuenfels-Frowein auch schon eingegangen,

nämlich dass da Punkte enthalten sind, auch für Volksfeste und so weiter, bei denen man jetzt schon einmal schauen kann, ob das nicht irgendwie der typische CSU-überschießende Punkt ist. Also ein Punkt, bei dem man sagt, mein Gott, das muss jetzt nicht zwingend unbedingt in so einer landesrechtlichen Regelung sein.

Deswegen muss man immer in dieser schwierigen Debatte Maß und Mitte dabei halten, und dafür wollten wir hier noch einmal sehr deutlich plädieren. Es geht darum, dass wir in dieser Debatte unsere Stadt, unsere Gemeinschaft nicht auseinandertreiben, sondern zusammenhalten, das ist unsere gemeinsame Verpflichtung.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Und wo es natürlich dann noch Regelungsbedarf gibt, also zum Beispiel beim Wahlgesetz, Wahlausschüsse, Wahlvorstände, das kann logischerweise der Bundesgesetzgeber nicht regeln, das müssen wir ansehen. Dann gilt das natürlich unmittelbar für Beamte. Es kann nicht sein, dass das für Beamte gilt und für Tarifbeschäftigte nicht. Das sind so Fragestellungen, aber das sind sehr praktische Fragen, die man sorgfältig im Einzelnen prüft.

(Zuruf: Dann machen Sie das doch!)

Ja, aber die CDU hat keinen Gesetzentwurf vorgelegt.

(Dennis Gladiator CDU: Sie auch nicht! Stimmen Sie unserem Antrag doch zu!)

Wir sollten stattdessen sorgfältig in diesem sensiblen Bereich auch sagen, jede einzelne Behörde sollte schauen, wo was geregelt werden muss, und passgenau dazu eine Regelung machen, nicht mehr und nicht weniger.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vielleicht sollten wir noch einmal genau sehen, dass wir uns bei dem Thema nicht auseinandertreiben lassen. Hier wird im Trüben gefischt, das haben wir doch nun heute noch einmal von der Seite – wo sitzt Herr Flocken, da hinten – eindrücklich mitbekommen. Wenn die vielen Leute, die sich für Frauenrechte einsetzen, hier hören, wie die AfD meint, sich für Frauenrechte in dieser Stadt einzusetzen, dann ist das wirklich eine absurde, peinliche und abwegige Lachnummer.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Das Wort bekommt Frau Prien von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Lieber Herr Dressel, leider ist es doch so, dass weder Ihr noch mein Redebeitrag heute Gesetzescharakter hat. Gott sei Dank ist es so, und deshalb ist das mit der Rückendeckung eben so eine Sache. Die Lehrerin

(Dirk Nockemann)

nen und Lehrer an unseren Schulen wünschen sich etwas anderes, sie wünschen sich eine klare Regelung, und die gibt es nicht, und die müsste man landesrechtlich machen, aber davor drücken Sie sich leider. Und da kommen Sie heute aus der Debatte auch nicht heraus.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der AfD – Dr. Monika Schaal SPD: Wo ist denn das Problem?)

Zur Genese der Angelegenheit: Wir wissen es doch alle, es gab die Berliner Erklärung der Innenminister und innenpolitischen Sprecher der CDU/ CSU-Fraktion, das war Mitte August vergangenen Jahres, und infolgedessen gab es einen Vorstoß der bayerischen Landesregierung im Bundesrat, in dessen Folge dann dieses Gesetz auf den Weg gebracht wurde. Und dann gibt es einen ersten guten Vorschlag aus Bayern, der auf Hamburg angepasst werden muss.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Der bayerische Vorschlag wurde abgelehnt! – Farid Müller GRÜNE: Nichts mit Bayern!)

Entschuldigung, wenn Sie unser Petitum lesen würden, dann steht darin in dem Petitum von Bayern gar nichts, sondern wir haben Sie aufgefordert, für die erwähnten Bereiche einen Gesetzentwurf vorzulegen. Das wäre Ihr Job, aber Sie verweigern es, und das ist wirklich schade.

(Beifall bei der CDU)

Eine Bemerkung zu Ihnen, Herr Nockemann. Herr Nockemann, Sie verstehen doch durchaus etwas von der Sache, das weiß ich, und deshalb ist es auch so peinlich, was Sie hier vorbringen.

(Dirk Nockemann AfD: Es geht um den Europäischen Gerichtshof für Menschen- rechte!)

Sie verstehen durchaus etwas von Verfassungsrecht, deshalb ist es doch so peinlich, was Sie hier vortragen. Sie wissen doch, dass Frankreich eine völlig andere Verfassung hat, dass es sich da um einen streng laizistischen Staat handelt, und Sie wissen sehr genau, dass Religionsfreiheit bei uns anders behandelt wird. Und wenn Sie das ändern wollen, wenn Sie Artikel 4 des Grundgesetzes ändern wollen, dann sagen Sie es, und dann sagen Sie mir auch, wo Sie die Mehrheit finden, mit der Sie das machen wollen. Ich jedenfalls kenne sie nicht. Insofern ist das wirklich Pfeifen im Walde, was Sie hier machen.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Und schließlich, liebe Anna von Treuenfels, ich habe das heute so gehört, Sie wollen Burkas in Kindergärten dulden, Sie wollen Burkas in Schulen dulden, Sie wollen Burkas an Hochschulen dulden.

(Kazim Abaci SPD: Das hat sie nicht ge- sagt!)

Wenn das Ihre politische Meinung ist, dann stellen Sie sich dem Wähler mit dieser Auffassung, ich freue mich schon auf die Auseinandersetzung, wir jedenfalls wollen das nicht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Herr Dr. Tjarks von der GRÜNEN Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eigentlich hatte ich das Gefühl, dass der Kollege Dressel zu Recht so ein bisschen die Einigkeit des Hauses betont hat. Und man kann es natürlich dann auch wieder auflösen an der Frage. Ich möchte jetzt einmal etwas zur Genese sagen. Zur Genese, Frau Prien, ist es so, die Bayerische Staatsregierung hat einen Antrag im Bundesrat gestellt, dieser Antrag ist abgelehnt worden. Es ist vielmehr so, dass der Hamburger Justizsenator, den Sie sonst immer so kritisieren,

(Zuruf: Sie kritisieren ihn auch!)

aber Sie müssten ihn an dieser Stelle einmal ausdrücklich loben, einen Antrag gestellt hat, der zusammen mit Schleswig-Holstein eine Mehrheit im Bundesrat gefunden hat mit dem Appell an das Gericht, das Verfassungsgesetz zu ändern. Es besagt, dass wir wollen, dass solche Themen vor Gericht in Bezug auf Zeugen, in Bezug auf Richter, in Bezug auf Schöffen, eindeutig geregelt werden. Und das ist Ausschluss jetzt auch des Beamtenstatusgesetzes auf der Bundesebene. Vor diesem Hintergrund hat Hamburg hier eine führende Rolle übernommen. Wir kümmern uns um die Themen, auch wenn es zugegebenermaßen sehr, sehr wenige Fälle in Hamburg und in Deutschland gibt, die davon betroffen sind.

(Beifall bei der SPD)