"Vor Ort zeigt sich […], dass jetzt bei der zweiten Stufe der Integration, der Überführung der Kinder aus Willkommens-, Sprachlern-und Übergangsklassen in Regelschulen, massive Probleme und Defizite zu verzeichnen sind.
Aufgrund der vielen Rückmeldungen von betroffenen Lehrkräften und Schulleitungen müsse davon ausgegangen werden, dass die Sprachkenntnisse und Lernergebnisse der jetzt an die Regelschulen wechselnden Kinder oftmals nicht ausreichen, um dort problemlos Anschluss zu finden.
Es droht eine Gettoisierung im Schulsystem – die leider häufig die Vorstufe zu einer Gettoisierung in der Gesellschaft ist. "
Diese eindringliche Warnung und Zustandsbeschreibung hätte von uns kommen können; tatsächlich ausgesprochen hat sie vor wenigen Tagen der Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger. Meidinger bringt damit die bestehenden Probleme bei der schulischen Integration von Flüchtlingskindern auf den Punkt.
Zunächst einmal zur Klarstellung: Wir als AfDFraktion bejahen grundsätzlich eine gute Beschulung der Flüchtlingskinder in der Zeit ihres temporären Aufenthalts in Deutschland.
Das schließt auch den Unterricht in den Regelklassen ein. Was die Regelklassen angeht, sollten aber zwei Dinge sichergestellt werden. Erstens halten wir es für sinnvoll, dort Kinder mit einem geklärten Fluchthintergrund aufzunehmen, das heißt diejenigen, bei denen es eine Bleibeperspektive gibt. Hierzu werden wir in den kommenden Tagen einen gesonderten Antrag einbringen. Zweitens, und das ist das heutige Thema, muss sichergestellt werden, dass die Qualitätsstandards in den Regelklassen beibehalten werden und das Lernund Leistungsniveau durch die zusätzliche Aufnahme der Flüchtlingskinder nicht sinkt; das liegt gerade auch im Interesse der Stadtteilschulen. Nach der jetzigen Regelung ist es nämlich so, dass die Flüchtlingskinder regelmäßig nach exakt einem Jahr in den Internationalen Vorbereitungsklassen, den sogenannten IVK, automatisch und ohne weitere Leistungsnachweise in die deutschen Regelklassen übernommen werden. Gewisse Sprachkenntnisse werden vorausgesetzt, aber keine wei
teren Leistungsnachweise. Das halten wir für falsch. Das bedeutet Frust für die Migrantenkinder, die oft sowohl sprachlich als auch fachlich noch nicht genügend vorbereitet sind, und das bedeutet Frust für die einheimischen Schüler, die unter einem reduzierten Lerntempo und einer zu geringen Vertiefung des Lernstoffes leiden. Binnendifferenzierung, so das rot-grüne Dogma, stößt hier an ihre Grenzen. Eine stärkere äußere Differenzierung, gerade auch mit dem Mittel der Aufnahmetests, zur Steuerung des Leistungsniveaus in den Klassen wäre hier angebracht. Dazu mahnt doch der gesunde Menschenverstand.
Was sollte also konkret in der Hamburger Flüchtlingsbeschulung getan werden? Wir fordern erstens, dass die Sprachniveaus vor einem Übertritt in die Regelklassen erhöht werden. Diese sind derzeit zu niedrig angesetzt. Zweitens, das gibt es bislang nicht, fordern wir, dass Flüchtlingskinder in den IVK zusätzlich Mathematik-, Deutsch- und Englischunterricht erhalten und so auf die Niveaus ihrer Jahrgangsstufe besser vorbereitet werden. Das kann und wird auch bedeuten, dass der eine oder andere notfalls etwas länger in den IVK pauken muss, bevor ihm der Übergang gelingen wird. In anderen Ländern wie Finnland oder Kanada, übrigens Spitzenreiter in internationalen Bildungsvergleichstests, wird dieses Prinzip erfolgreich angewandt. Migrantenkinder werden dort erst in Regelklassen integriert, wenn auch mit dem Mittel von Leistungsüberprüfungen sichergestellt ist, dass sie dem Unterricht sprachlich und fachlich gewachsen sind. Eine gute Integration in unsere Leitkultur setzt schließlich eine sichere Beherrschung der deutschen Sprache und das Potenzial für das Erwerben eines Abschlusses an einer deutschen Schule voraus. Und schließlich geht es auch darum, unsere Werte ebenso wie unsere Mentalität von Leistungsbereitschaft und Disziplin zu vermitteln und ein klares Zeichen zu setzen, dass man sich, wenn man bei uns etwas erreichen möchte, besonders anstrengen muss. Wer dabei von Beginn an Abstriche macht oder auf windelweiche Kompromisse setzt, der schafft genau das, vor dem uns Herr Meidinger vom Philologenverband so klar warnt: gescheiterte Schullaufbahnen und eine Gettoisierung der Schulen als Vorstufe einer Gettoisierung der Gesellschaft.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Hat die AfD dazugelernt? Im Juli 2016 hat Dr. Wolf auf seiner Homepage noch gegen die – Zitat –
gewettert. Kinder von Asylsuchenden mit schlechter Bleibeperspektive wollte er noch im September 2016 in speziellen Schulungszentren auf die Rückkehr vorbereiten – und nun heute sein Sinneswandel. Eben gerade hat er noch einmal wiederholt, er bejahe grundsätzlich die Beschulung von Flüchtlingskindern während ihres temporären Aufenthalts in Deutschland und dies schließe auch den Unterricht in Regelklassen ein. Die AfD sorgt sich also vermeintlich nur noch um das Gelingen des Übergangs von den IVK in die Regelklassen und recycelt deshalb einen Antrag der CDU aus dem letzten Jahr, schreibt AfD darüber und lässt sich als Hüter des Niveaus an Hamburgs Schulen feiern. Diese Zweitverwertung von Antragsideen wäre zwar nicht die feine Art, soll in diesem Hause aber schon einmal vorgekommen sein. So ist es aber nicht. Mit dieser Lesart würde man den Kolleginnen und Kollegen der CDU Unrecht tun. Denn schaut man sich den AfD-Antrag näher an, so wird deutlich, dass es hier nach wie vor darum geht, die Flüchtlingskinder nach Möglichkeit dauerhaft von den Regelklassen fernzuhalten. Beispiel Sprachniveau: Wenn die CDU lediglich testen möchte, ob die Schülerinnen und Schüler das in den IVK angestrebte Sprachniveau A2 für Grundschulen oder B1 für Stadtteilschulen und Gymnasien erreicht haben, setzt die AfD die Sprachanforderung ohne weitere Begründung auf B2 in den Klassen 3 und 6 und C1 in den Stufen 7, 8 beziehungsweise IVK ESA oder IVK MSA herauf. Mit dem Sprachniveau C1 kann man in Deutschland ein Studium beginnen. Wer das als Eingangsvoraussetzung festsetzen will, der sollte sich ehrlich machen und gleich sagen, dass er diese Kinder in den Regelklassen nicht haben will.
Aber selbst dabei hat die AfD offenbar Angst, dass noch zu viele Flüchtlingskinder durch dieses Raster durchkommen könnten. Deshalb zusätzlich auch noch der Test unter anderem für Englisch. Dort soll getestet werden, ob die jahrgangsentsprechenden Mindestanforderungen vor Zugang zur Klasse erbracht werden. Mit dieser Maßnahme macht man die Chance auf den Schulzugang vom Herkunftsland der Kinder abhängig. Nur dann, wenn bereits im Herkunftsland ein ordentlicher Englischunterricht stattgefunden hat, besteht eine
realistische Chance darauf, das Lernniveau der Gleichaltrigen in Deutschland in kurzer Zeit zu erreichen. Im Falle Somalias, Eritreas und Afghanistans kann man das getrost ausschließen, im Fall Syriens wäre es stark abhängig von der gesellschaftlichen Schicht, aus der die Kinder stammen. Der Kern des AfD-Antrags ist also nach wie vor Ausgrenzung. Daran hat sich nichts geändert. Mit diesem Antrag soll nicht das Gelingen von Integration ermöglicht, sondern Integration aktiv verhindert werden und deshalb lehnen wir diesen Antrag ab.
Den Deutschen Philologenverband können Sie für diese Art der Politik übrigens nicht als Kronzeugen missbrauchen. Richtig ist, dass der Philologenverband darauf hinweist, dass die Integration der zahlreichen Flüchtlingskinder in das Schulsystem scheitern kann, wenn man nicht ausreichende personelle Ressourcen dafür bereitstellt und darauf achtet, eine Konzentration der Flüchtlingskinder auf wenige Schulen zu vermeiden. Der Philologenverband fordert aber gerade nicht, diese Kinder von den Regelklassen fernzuhalten oder gesondert zu beschulen, sondern im Gegenteil, er warnt vor einer Gettoisierung und fordert größere Anstrengungen zur Integration und Förderung in den Regelklassen, also genau das Gegenteil dessen, was Sie hier heute vorschlagen.
Vor diesem Hintergrund wundert es mich überhaupt nicht, dass die CDU einen Zusatzantrag gestellt hat, um klarzumachen, wo die Unterschiede zu dem AfD-Antrag liegen und dass diese Unterschiede keineswegs marginal sind. Einen gleichlautenden Antrag haben wir schon im April 2016 abgelehnt. Ich kann heute leider aus Zeitgründen nicht näher auf diesen Antrag eingehen. Nur so viel: Wir teilen sehr viele Ihrer Zielsetzungen, sind allerdings bezüglich der Mittel, die Sie vorschlagen, anderer Meinung und halten die Mittel, die momentan im Übergang von IVK zu Regelklassen in Hamburg zur Anwendung kommen, für besser geeignet.
Etwas erstaunt war ich allerdings, dass auch die LINKEN meinten, den AfD-Antrag durch einen Zusatzantrag aufwerten zu müssen. Auch diesen Antrag lehnen wir ab; dazu kann ich jetzt aber auch leider nichts mehr sagen.
Die Beschulung von Flüchtlingskindern ist eine zentrale und sicher keine einfache Aufgabe für gelingende Integration. Der Senat hat frühzeitig die Weichen für die Beschulung von Anfang an gestellt und ein funktionierendes System von den Lerngruppen über die IVK bis zur Integration in die Regelklassen und den Ganztag erstellt. Wir als SPD
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Giffei, viel brauche ich jetzt nicht mehr zu sagen, denn Sie haben die Intention unseres Antrages zutreffend wiedergegeben. Mir ist wichtig, Ihnen, Herr Dr. Wolf, zu sagen,
Sie sind auch nicht weniger fleißig oder weniger leistungsbereit. Ich habe mir sogar sagen lassen, dass viele von ihnen sogar sehr leistungsbereit sind. Insofern muss man bei dem, was man tatsächlich will, sehr genau hinschauen. Wir sind uns, hoffe ich, darin einig, dass wir gemeinsam dafür sorgen wollen, dass bei dieser sehr großen Herausforderung, die die Flüchtlingsbeschulung ohne jeden Zweifel bedeutet, jetzt in einer zweiten Phase, wo es wirklich um Integration geht, so gehandelt wird, dass man allen Schülerinnen und Schülern, denjenigen, die normal beschult werden, denjenigen, die inklusiv beschult und auch den Schülerinnen und Schülern, die aufgrund ihres Fluchthintergrundes als schulpflichtige Flüchtlinge beschult werden, gerecht wird. Allen muss man gerecht werden. Dazu halten wir es nach wie vor für erforderlich, das Sprachniveau vor dem Übergang in die Regelklassen zu testen, aber auch, und darauf würde ich gern meine restliche Redezeit verwenden, intensiv für die Potenzialanalyse zu werben, die in Baden-Württemberg von der dortigen schwarz-grünen Regierung vorgenommen wird. Das ist ein Projekt, das von der Bundesregierung gefördert und in Baden-Württemberg angewandt wird. Dabei geht es darum, nicht die schulpflichtigen Flüchtlinge in irgendeiner Weise auszugrenzen, egal, ob sie länger oder kürzer bleiben, denn das ist für die Frage der Schulausbildung aus unserer Sicht völlig unerheblich. Es geht vielmehr darum, zu prüfen, welche Schulform für die jeweiligen Schülerinnen und Schüler aufgrund ihres Kompetenzstandes die richtige ist. Das, denke ich, wäre etwas, das wir auch im Interesse der Schülerinnen und Schüler mit Fluchthintergrund tun sollten, denn auch ihnen wollen wir gerecht werden. Diese Potenzialanalyse ist ein inzwischen gut durchgetestetes Verfahren, mit dem man sehr ge
nau erkennen kann, wie es mit den Basiskompetenzen in Mathematik, Deutsch und Englisch aussieht, wie es aber auch mit anderen Fertigkeiten, die zum Beispiel in Syrien anerkanntermaßen gar nicht unterrichtet und gelehrt werden, aussieht, da es dort eben ein anderes Schulsystem gibt. Deshalb appelliere ich ausdrücklich, neben der Testung des Sprachniveaus auch diese Potenzialanalyse anzuwenden. Herr Dr. Wolf, Sie kommen einfach spät mit Ihrem Antrag.
Die meisten Schülerinnen und Schüler sind doch schon in den Regelklassen. Ich finde es gut, dass Sie über bestimmte Dinge nachdenken, aber tun Sie es doch bitte so, dass man das dann auch rechtzeitig zumindest in Erwägung ziehen kann. Im Übrigen kann ich nur noch einmal dafür werben, unseren Antrag zumindest an den Ausschuss zu überweisen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Im Paragraf 3 des Hamburgischen Schulgesetzes steht, dass die gemeinsame Erziehung und das gemeinsame Lernen von Kindern und Jugendlichen im größtmöglichen Ausmaß zu erfolgen hat. Der AfD-Antrag verstößt klar gegen das Hamburgische Schulgesetz, und das, finde ich, können wir nicht einfach unkommentiert stehen lassen.
Der AfD-Antrag atmet geradezu eine Forderung nach Exklusion so weit und so lange wie möglich, und er ignoriert vollständig die Tatsache, dass Kinder vor allem auch von anderen Kindern lernen. Sie brauchen Sprachvorbilder, sie brauchen auch Vorbilder im Verhalten, um in Deutschland anzukommen. Das kann man nicht untereinander tun. Deswegen ist unser Bestreben, in Hamburg so schnell wie möglich Kinder in die Regelklassen zu überführen. Ich finde, das ist der richtige Weg.
Angesichts dieses Antrags und dessen, was darin gefordert wird, frage ich mich, ob die AfD-Fraktion sich jemals darüber Gedanken gemacht hat, welche Fluchtgeschichten diese Kinder haben, welche Biografien sie haben, welche Schulbiografien sie haben, welche Biografien sie im Bereich der formalen Bildung haben. Das ist derartig welt- und realitätsfremd. Eigentlich darf es mich nicht mehr erstaunen, das ist wirklich beschämend.
Ich möchte betonen, dass diese Kinder, die bei uns angekommen sind, Erstaunliches leisten. Sie leisten Erstaunliches trotz allem, was sie erlebt haben, vielleicht auch gerade deswegen. Sie strengen sich an, sie wollen hier eine Zukunft haben, und genau das geben wir ihnen. Ich finde, dass das Hamburger System zeigt, wie leistungsfähig, menschlich und pädagogisch es ist, und das ist gut so.