Protocol of the Session on September 8, 2016

Frau von Treuenfels, einmal kurz in Klammern gesprochen, die Bildungspläne der Finnen – und die Finnen lagen lange, lange weit vor Deutschland in den PISA-Vergleichsstudien – passen fast auf einen Bierdeckel. Ich glaube, es geht nicht darum, wie viele Seiten ein Bildungsplan hat, sondern es geht darum, was er definiert und worum es dann am Ende wirklich geht und wie es im Unterricht umgesetzt wird. Da wissen wir zum Beispiel aus dem SINUS-Projekt, das in das alles»könner-Projekt gemündet ist: Die Schulen, die sich auf den Weg gemacht haben, individualisierten Unterricht anzubieten, die sich auf den Weg gemacht haben, sich jedes Kind anzuschauen und es da abzuholen, wo es ist, sind erfolgreich.

Frau von Berg hat vollkommen recht, es geht nicht um die Mathematik-Bildungspläne, sondern es geht um den Unterricht, und da muss ich sehr offen sagen, gerade auch am Gymnasium. Die Lehrerinnen und Lehrer müssen nämlich zunehmend auch an den Gymnasien lernen, dass sie keine Fächer unterrichten, sondern Kinder. Und da ist noch sehr viel Luft nach oben. Das muss ich auch einmal deutlich sagen.

(Beifall bei der LINKEN, vereinzelt bei der SPD und bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE und Nebahat Güçlü fraktionslos)

Dann möchte ich noch eines zum Schluss sagen: Ich habe es gar nicht nötig, diese Präsentationsprüfung zu verteidigen. Ich habe sie gerade bei meinem jüngsten Sohn miterlebt, und ich fand, das war ein sehr produktiver Prozess. Ich bin aber erstaunt, dass die FDP jetzt plötzlich bei 19-Jährigen

(Dr. Stefanie von Berg)

den Gedanken der sozialen Gerechtigkeit entdeckt. Das habe ich vermisst in der Grundschule, wenn Nachhilfe gegeben wird, in der weiterführenden Schule, wenn Nachhilfe gegeben wird. Unser ganzes deutsches Schulsystem und Bildungssystem ist darauf ausgebaut, dass die Elternhäuser mitmachen müssen. Und das ist die Frage, die wir hier immer stellen, wenn es um eine Schule für alle geht. Die Schulen müssen verantwortlich sein für alle Kinder. Und jetzt entdecken Sie das bei jungen Menschen, die sich für das Abitur vorbereiten. Ich meine, wie geht es denn im Studium weiter? Arbeitsgruppen sind gang und gäbe, es ist nicht mehr das Lernen im stillen Kämmerlein und jetzt wirst du geprügelt und musst dein Wissen wieder herausgeben. Sondern die Wirtschaft braucht junge Leute, die denken können, die recherchieren können, die Wissen verknüpfen können, die im Team arbeiten können, die soziale Kompetenzen entwickeln. Und da ist diese Präsentation super, kann ich wirklich nur sagen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN, ver- einzelt bei der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Von der AfD-Fraktion bekommt nun Herr Dr. Wolf das Wort.

Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kollegen! Ich begrüße den vorliegenden Antrag der FDP-Fraktion und meine Fraktion wird ihn unterstützen. Wir hatten für die nächste Bürgerschaftssitzung einen ähnlichen Antrag in Vorbereitung, deswegen fällt es besonders leicht, heute zuzustimmen.

Ich sprach schon gestern im Rahmen der Aktuellen Stunde mehrere hausgemachte Fehler der hamburgischen Schulpolitik an. Einer davon ist der, dass der Senat auf einem Vorrang von Kompetenzen vor der Vermittlung von Basiswissen besteht und soweit ideologisch fixiert ist. Beides hat seine Berechtigung, das muss ich auch zu der polemischen Kritik von links antworten, aber die Gewichtung heute stimmt eben nicht. Und die ideologische Vorrangigkeit der Kompetenzen sollte zu Recht gewichtet werden, dass nämlich Kompetenzen eine vorangehende solide Vermittlung von Basiswissen voraussetzen. Hier setzt auch schon der ähnliche Antrag der CDU vom 28. Mai 2015 an, den ich in meiner Rede an dieser Stelle unterstützte. Deswegen mache ich es heute kurz.

Interessant ist, dass Senator Rabe sich in den letzten Tagen eingehend zur Situation der Schulen äußerte. Und besonders markant ist das Zitat in Erinnerung geblieben, das nächste Hamburger Abitur werde unvergleichlich schwerer werden. Das zeigt doch, dass ihm selbst bewusst ist, dass hier etwas im Argen liegt, dass das Hamburger Abitur augenscheinlich bislang zu leicht zu erwerben ist und

dass die Anforderungen erhöht werden müssen. Das ist nicht zu bestreiten. Gleichzeitig muss der Senat sich jetzt daran messen lassen, ob den Aussagen und Versprechungen des Schulsenators nun auch Taten folgen, um die Qualität des Hamburger Abiturs zu verbessern. Ein wesentlicher Schritt ist für uns dabei, endlich von dem behaupteten Vorrang einer sogenannten Kompetenzvermittlung vor der Vermittlung von solidem Basiswissen loszukommen und diese wieder, das betone ich noch einmal, angemessen und vernünftig zu gewichten und in eine Beziehung zu setzen. Darauf lediglich mit ideologischen Begriffen wie rückwärtsgewandt zu reagieren, kann es nun wirklich nicht sein, meine lieben Kollegen von der LINKEN.

Auch die Abschaffung der sogenannten Präsentationsprüfung beim Abitur unterstützen wir mit der vorgetragenen Begründung von Frau von Treuenfels, die ich überzeugend finde.

Kurzum, der vorliegende Antrag spricht mehrere sinnvolle Punkte an. Wir unterstützen ihn und hoffen zugleich, dass die Regierungsfraktionen sich nicht hinter ideologischen Kampfbegriffen verstecken, wie DIE LINKE es tut, sondern ihn zumindest an den Schulausschuss überweisen, um dort zu diskutieren, wie wir den Worten des Schulsenators sinnvolle Taten folgen lassen können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Von der FDP-Fraktion bekommt nun Frau von Treuenfels-Frowein das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe noch zwei, drei Anmerkungen. Ich werde diesen Antrag jetzt nicht noch einmal verteidigen. Es gibt, glaube ich, einige, außer Frau von Berg, die mich einfach ein wenig missverstanden haben. Keiner von uns will Kompetenzen abschaffen, wo kämen wir denn da hin. Ich finde es toll, dass sich unsere Kinder nicht irgendwie stotternd, wie wir damals, hinter irgendwelchen Zetteln verstecken müssen und Referate wirklich toll halten können. Ich finde das alles super. Es ist so unglaublich einfach, auch an Frau Duden, immer zu sagen, das sei alles rückwärtsgewandt. Wissen Sie was? Ich habe das Gefühl, Sie setzen sich damit überhaupt nicht auseinander, das ist das Problem. Und ja, ich möchte, dass Jugendliche, die in die Welt hinausgehen, ein fundiertes Wissen haben, denn ich möchte gern, dass sie auf etwas zurückgreifen können. Ich möchte auch gern, dass sie sich damit verkaufen können. Ich möchte auch gern, dass sie interagieren können, selbstverständlich möchte ich das, wer will das nicht. Aber ich finde es wirklich verantwortungslos, und das meine ich sehr ernst und darüber kann ich mich auch aufregen, dass wir

(Sabine Boeddinghaus)

hier sitzen, das alles gelernt haben und alles können und unseren Kindern das einfach vorenthalten wollen und sagen, nein, die brauchen das nicht, Hauptsache, sie können sich irgendwie sozial gut vernetzt, sozial kompetent verhalten. Das ist das Erste.

Das Zweite ist, dass diese Kompetenzen ein sehr wichtiger Bestandteil sind, aber sehr wenig nützen, wenn man eben keine Inhalte mehr hat oder viel zu wenig vermittelt. Und das, was Frau Prien da sagt – mein Stiefsohn ist in derselben Klasse wie ihr Kind –, kann ich nur bestätigen. Unsere Kinder, nicht nur die, sondern auch viele andere Kinder, mit denen wir nämlich auch viel zu tun haben und die uns viel erzählen, langweilen sich da manchmal. Sie wollen nicht nur Präsentationsmappen basteln, sondern sie möchten auch gern ihren Wissenshunger befriedigt haben. Das wollen sie nun einmal einfach. Sie können sich vielleicht gar nicht vorstellen, dass es solche Kinder gibt, aber es gibt sie sehr wohl. Das ist das Zweite.

Das Dritte: Herr Rabe hat uns gesagt – ich weiß gar nicht, wann es war, ich glaube, es war letztes Jahr oder vorletztes Jahr, es war hier oder im Schulausschuss –, wir müssten an die Bildungspläne heran und wir müssten das Verhältnis wieder etwas besser machen. Ich verstehe gar nicht, Frau Duden, wie Sie als bildungspolitische Sprecherin derselben SPD hier sagen können, das sei doch alles Mumpitz.

(Wolfgang Rose SPD: Nun mal nicht so ar- rogant!)

Also entweder stimmen Sie sich da einmal ein bisschen ab oder wir können Herrn Rabe da leider keinen Glauben schenken. Ich hoffe, Letzteres ist nicht der Fall.

Zu dem, was DIE LINKE gesagt hat. Ich finde, ehrlich gesagt, da haben Sie auch recht. Ich finde es sehr gut, was Sie sagen, man muss Brücken bauen. Ich finde es aber total verkehrt, dass wir zum Beispiel so verstanden werden, dass wir Bildungsgerechtigkeit erst in Klasse 12 haben wollen. Was soll denn das?

(Zuruf von Sabine Boeddinghaus DIE LINKE)

Entschuldigen Sie einmal, erinnern Sie sich noch an das Thema Wissen und das Thema Hochbegabung, können Sie sich vielleicht an das Thema Rechtschreibung erinnern? Es ist genau dieser Aspekt. Ich würde niemals sagen, dass ich das nur unter diesem Aspekt sehe, aber ich sehe es sehr wohl immer mit unter dem Aspekt, dass genau die Kinder aus bildungsfernen Familien, deren Eltern ihnen nämlich nicht mit Diktaten helfen können oder deren Eltern sie gerade nicht unterstützen können, wenn sie zum Beispiel Schwierigkeiten haben, benachteiligt werden. Beim Thema Hochbegabung waren Sie noch nicht im Parlament,

aber vielleicht können Sie sich an Frau Heyenn erinnern, die hat damals mit uns mitgemacht. Und genau unter dem Aspekt haben wir das gesehen. Ich finde es ein bisschen schade, wenn Sie immer so die alten Klamotten herausholen und sagen, ach, die FDP kann doch nur Leistung, die hat mit Bildungsgerechtigkeit nichts zu tun. Dann können wir allerdings keine Brücken schlagen.

Brücken schlagen kann man nur dann, wenn man fragt – das ist nämlich das, was Sie gesagt haben, das finde ich sehr wohl richtig –, was wir eigentlich unter Bildung verstehen, mit was unsere Kinder aus der Schule gehen sollen. Wenn wir uns darüber einmal unterhalten könnten, dann fangen wir an, Brücken zu schlagen, aber nicht, wenn wir uns gegenseitig sagen, was wir denn mit unseren Anträgen wollen, wir wissen doch, dass eigentlich etwas anderes gemeint ist. Dann gibt es gar keine Brücke, über die man gehen kann, und dann werden wir uns hier alle immer nur bekriegen und aufregen oder irgendwelche Bildungsdebatten führen. Alle gehen hinaus, weil sie es nicht mehr hören können. Ich glaube, Herr Kruse könnte meine Rede hier auch schon halten, alle anderen aus meiner Fraktion ebenso. Das ist natürlich irgendwie langweilig. Lassen Sie uns doch stattdessen einmal dorthin kommen zu fragen, womit unsere Kinder nach draußen gehen sollen. Ich mache den Anfang, ich möchte gern, dass unsere Kinder sich draußen in der Welt behaupten können, dass sie wettbewerbsfähig sind und vor allen Dingen auch, dass sie ein fundiertes Wissen haben. Und davon werde ich keine Minute abrücken. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Von der CDU-Fraktion bekommt nun Frau Prien das Wort.

Meine Damen und Herren! Frau von Treuenfels hat das Notwendige gesagt. Es ist wirklich schade, dass wir in dieser Frage nicht zu einem vernünftigen, sachlichen Gespräch miteinander kommen. Niemand hat zu irgendeinem Zeitpunkt die Abschaffung der Kompetenzorientierung gefordert. Wir haben das gesagt, was Ihr Bildungssenator gesagt hat: Das Pendel ist zu stark von der Wissensvermittlung zur Kompetenzorientierung umgeschlagen, und wir müssen jetzt wieder ein Stück in die Mitte zurückkehren. Das ist unser Ansatz, das ist der Ansatz Ihres Bildungssenators und ich finde, es ist doch jetzt wirklich an der Zeit, dieses Thema endlich ernst zu nehmen. Und es ist auch tatsächlich eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Sie können schon glauben, dass die Kinder aus bildungsnahen Elternhäusern in der Lage sind, das, was Schule in Hamburg nicht leisten kann, zu kompensieren. Das ist bei Kindern aus bildungsfernen Schichten eben leider nicht der Fall. Und auch deshalb, meine Damen und Herren

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein)

von der LINKEN, sollten Sie sich diesen Überlegungen vielleicht doch einmal annähern.

Ich kann nur noch einmal an Sie appellieren: Nehmen Sie die Gelegenheit wahr, lassen Sie uns im Schulausschuss weiter über diese Frage sprechen. Und dann haben Hamburgs Schülerinnen und Schüler auch wieder eine Chance, mehr Wissen, mehr Kompetenzen und auch mehr Werte vermittelt zu bekommen und anzuwenden. Das wäre ein guter Schritt nach vorn. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Jetzt bekommt Frau Dr. von Berg von der GRÜNEN Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe nur einen sehr kurzen Tipp für alle Eltern, die meinen, in den Klassen ihrer Kinder würde nicht genug Lektüre gelesen oder nicht genug gelernt: Schauen Sie in die Bildungspläne. Wenn Sie Beschwerden haben, dann beschweren Sie sich nicht über die Arbeit des Senators, sondern beschweren Sie sich gern beim Elternrat oder bei den Lehrerinnen und Lehrern, dass die Bildungspläne nicht eingehalten werden. Die Bildungspläne sind in Ordnung, so wie sie sind. Schauen Sie vor Ort, lösen Sie die Probleme vor Ort und schieben Sie nicht immer alles auf das Handeln des Senats. Das ist einfach billig und falsch. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren! Jetzt liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit kommen wir zur Abstimmung.

Wer möchte nun zunächst die Drucksache 21/5701 in der Neufassung an den Schulausschuss überweisen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist diese Überweisung abgelehnt.

Wir stimmen dann über den FDP-Antrag aus der Drucksache 21/5701 in der Neufassung in der Sache ab.

Wer möchte sich diesem anschließen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 67, Drucksache 21/5515, Antrag der AfD-Fraktion: Eigentum statt Miete – Freistellung der Anschaffung selbstgenutzter Wohnimmobilien von der Grunderwerbssteuer.

[Antrag der AfD-Fraktion:

Eigentum statt Miete – Freistellung der Anschaffung selbstgenutzter Wohnimmobilien von der Grunderwerbssteuer – Drs 21/5515 –]

Diesen Antrag möchte die AfD-Fraktion an den Ausschuss für Wirtschaft, Innovation und Medien überweisen. Wer wünscht dazu das Wort? – Herr Ehlebracht von der AfD-Fraktion, Sie haben es.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Viele von Ihnen kennen vielleicht folgende Situation, entweder aus eigener Erfahrung oder vom Hörensagen: Da ist das Paar mit Nachwuchs, vielleicht erwartend oder schon da, das den großen Traum träumt, den Traum vom eigenen Heim mit ein bisschen Grün drum herum. Sie sind fleißige durchschnittliche Berufsverdiener. Sie schaffen es über einen relativ langen Zeitraum, sich 20 000, 25 000 Euro auf die hohe Kante zu legen, gehen dann zur Bank und stellen fest, dass dieses mühsam Ersparte gerade so eben ausreicht, um die Nebenerwerbskosten vielleicht zu decken, und dann haben sie noch keinen einzigen Ziegelstein gekauft. Diesen Umstand würden wir gern ändern.

(Glocke)

(unterbrechend) : Herr Ehlebracht, einen Moment bitte. Ich würde Ihnen gern mehr Aufmerksamkeit verschaffen. – Genau, es hat sich erledigt. Sie können fortfahren. Vielen Dank.

Ich hätte sonst gern auch noch Plätzchen gereicht. Gut, es geht weiter.

Diesen Umstand würden wir gern verändern wollen. In dem Antrag haben wir bereits deutlich gemacht, was wir mit dieser Initiative bezwecken wollen. Wir wollen Menschen mit geringem Einkommen den Erwerb einer Wohnimmobilie ermöglichen, die unter den jetzigen Bedingungen nicht oder nur schwer Wohneigentum erwerben könnten, indem wir, wie gesagt, die Nebenerwerbskosten beim Kauf einer Immobilie reduzieren.