Was mich jetzt bewegt, Herr Dressel, ist, dass wir darauf achten, wie stark die von Ihnen getroffene Vereinbarung juristisch belastbar ist. Ich kann Ihnen ein Beispiel aus einem Ausschuss der Bezirksversammlung gestern Abend in Altona nennen, wo Ihre Kolleginnen und Kollegen von SPD und GRÜNEN den Bürgerinnen und Bürgern in Othmarschen – dort gab es keine Bürgerinitiative; es gibt einen großen Unterschied zwischen den Stadtteilen, in denen es Initiativen gab und denen, wo es keine Initiativen gab – gestern mitgeteilt haben, dass die bisherige Planung sowohl für die dort geplante Erstaufnahme von 600 Menschen in der Paul-Ehrlich-Straße und für die Folgeunterkunft – Folgeunterkunft oder Perspektive Wohnen, das weiß man nicht so genau – 900 Menschen in unmittelbarer Nähe in der Bauerstraße vorsieht; selbstverständlich gilt die 300er-Regelung für diese beiden Standorte nicht. Das ist das, was Ihre beiden Fraktionen in Altona den Menschen in der Bauerstraße gestern gesagt haben. Wissen Sie, was diese dazu gesagt haben? Sie haben Folgendes dazu gesagt: Wir kennen die Vereinbarung, die der Senat beziehungsweise Rot-Grün mit der Initiative geschlossen hat, nicht. Wir sind nicht darin einbezogen gewesen und deshalb ist sie für uns auch nicht relevant.
Das ist die Aussage Ihrer eigenen Leute, die übrigens von Ihrem Verhandlungsprozess nicht begeistert sind. Das ist schlecht. Wir werden da sehr genau hingucken. Schon jetzt ist absehbar, dass die Formulierungen in der Vereinbarung zum Teil so unbestimmt und schwammig sind, dass man
daraus eine Menge machen kann. Man kann es zum Guten wenden für unsere Stadt. Man kann daraus etwas machen, sodass eine Unterbringungsverpflichtung für die Flüchtlinge, die hierher kommen, besteht. Frau Leonhard: Wer hat in dieser Stadt das jemals bestritten?
Es gibt in dem Vertrag eine Vielzahl von Auslegungsfragen, von Unklarheiten. Wir haben mit unserem Zusatzantrag, den Sie an den Sozialausschuss überweisen wollen, auf einen Aspekt hingewiesen – das finden wir gut. Wir würden uns freuen, wenn wir diesbezüglich im Nachgang zumindest eine hinreichende Bestimmtheit und damit auch mehr Rechtssicherheit für die Menschen etwa in Othmarschen in der Bauerstraße und in der Paul-Ehrlich-Straße erreichen könnten. Insgesamt ist es so – Frau Suding hat bereits darauf hingewiesen –, dass wir bisher nichts über die Frage der Finanzierung wissen, nichts darüber wissen, wie sich das Ganze auf den Haushalt auswirkt. Es sind eine Menge von Prüfaufträgen, von Absichtserklärungen in den Verträgen enthalten. Sie können eine Chance sein. Aber wir werden diese in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren überprüfen und Sie danach fragen, ob diese Zusagen belastbar
Ich kann Ihnen, meine Damen und Herren von der Initiative, an dieser Stelle Folgendes zusagen: Wir werden ein harter Controller sein für das, was dort vereinbart worden ist, und wir werden auch in der Umsetzung der Vereinbarungen der Bürgerverträge an Ihrer Seite sein. Wenn wir am 31. Dezember 2019 prüfen, was umgesetzt worden ist und wo tatsächlich kleinere Unterkünfte geschaffen wurden, werden wir beurteilen können, ob diese Vereinbarung ein Erfolg war.
Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! Ich habe der Debatte sehr aufmerksam zugehört, jedem Argument,
das gefallen ist, jeder Rede, die gehalten worden ist. Auch wenn man die Oppositionskollegen nicht direkt kritisieren soll, möchte ich es in diesem Fall doch tun. Ich habe nämlich viele Windungen und Wendungen gehört. Zu Recht hatten Sie gefordert, den Kompromiss mit der Volksinitiative zu finden. Sie haben recht, sagen Sie, wenn Sie dem gefundenen Kompromiss nicht zustimmen. Ich habe kein einziges Argument gehört, warum Sie ihm nicht zustimmen. Sie haben sich gewunden und kein Argument dafür vorgetragen. Ich wünsche mir für unsere Debatten mehr Ehrlichkeit.
Für uns war auch nicht immer alles leicht. Wir haben viele Forderungen der Volksinitiative unterstützt. Auch wir hatten Gespräche geführt und gesagt, wir unterstützen diese Volksinitiative nicht, weil wir nicht wollen, dass es zu einer vom Willen der Volksinitiative unabhängigen Rechtsmobilisierung kommt. Diesbezüglich haben wir von Ihnen Schelte eingesteckt. Aber wir haben gesagt, es hilft nichts, wir können nicht gegen unsere Prinzipien handeln. Deshalb haben wir die Volksinitiative nicht unterstützt und freuen uns jetzt in gewisser Weise über den Kompromiss, obwohl wir daran nicht mitgewirkt haben, auch wenn wir schon einige unserer Forderungen darin wiedergefunden haben.
Dafür, dass wir recht hatten, einen Volksentscheid nicht zu unterstützen, haben Sie von der AfD heute den Beweis geliefert. Sie wollten Honig daraus saugen, insbesondere im Wahlkampf für den Deutschen Bundestag. Sie wollten eine Frontlinie für oder gegen Flüchtlinge aufbauen. Dabei hat die Volksinitiative nicht mitgespielt und dabei wird auch die Bürgerschaft nicht mitspielen, indem wir den Vertrag heute verabschieden.
Ich möchte zu zwei Punkten etwas sagen, aber zuvor noch eine Bemerkung zu dem Zwischenruf machen – ich weiß gar nicht, wer ihn gemacht hat; ich habe ihn nur gehört. Insofern möchte ich jetzt gar nicht auf die Person, sondern auf den Zwischenruf "Gott sei Dank" eingehen, als meine Kollegin Cansu Özdemir von einem schmutzigen Deal mit der Türkei gesprochen hat. Wir wissen alle, dass wir mit diesem Vertrag mit der Türkei Erdogan freie Hand gegeben haben, um zum Beispiel Menschenrechtler extralegal hinzurichten, um Intellektuelle, Journalisten und Rechtsanwälte zu verhaften, um Zeitungen zu schließen und feindlich zu übernehmen. Vor allem haben wir ihm, wie wir wissen, freie Hand gegeben, kurdische Städte teilweise dem Erdboden gleichzumachen. Wir haben ihm
freie Hand gegeben für Gasangriffe auf Menschen, die im Keller eingeschlossen waren. Das alles ist passiert und die Bundesrepublik Deutschland hat dazu geschwiegen. Vielleicht sagen Sie, der Zweck heilige die Mittel. Schon das würde ich verurteilen. Aber dann noch "Gott sei Dank" zu sagen, ist ein Niveau, das der AfD, aber nicht der CDU würdig ist – tut mir wirklich leid.
Wir werden diesem Antrag zustimmen. Es war auch für uns überaus problematisch, denn wir haben den Antrag um 10 Uhr bekommen. Wir hatten zur Vorbereitung der Bürgerschaftssitzung ungefähr 24 Stunden Zeit. Wir hatten sie in großen Teilen fast vollständig genutzt. Wir hatten eine super Zusammenarbeit in unserer Fraktion, über die ich mich sehr gefreut habe. Sehr viele haben Hand in Hand gearbeitet und insofern konnten wir uns eine Meinung bilden.
Ich möchte noch einmal an den Aufruf der Verbände, der Kirchen, der Religionsgemeinschaften, der Wohlfahrtsverbände, der Patriotischen Gesellschaft und vieler anderer erinnern, die gesagt haben, man müsse den Zustand der Unruhe beenden, es dürfe keine Hängepartie geben. Wenn wir das jetzt verschieben, dann wird es wochenlang weitere Unruhen geben, dann werden einige versuchen, ihr Süppchen zu kochen.
Das ist doch völlig klar. Im Ernst: Ändern würde es nichts. Vielleicht würden Sie dann zustimmen, aber das könnten Sie heute auch schon.
Jetzt möchte ich unseren Antrag begründen und begründen, warum wir dem Anhang mit den Bürgerverträgen nicht zustimmen können und dafür plädieren, sie zur Kenntnis zu nehmen, aber nicht zum Bestandteil des Beschlusses zu machen. Erstens sind sie regional erarbeitet – sie sind ja auch regional. Zweitens haben wir ehrlich gesagt nicht alle durcharbeiten können; ich bin nicht einmal dazu gekommen, sie alle zu zählen. Ich habe mir aber einen herausgenommen, zufällig Poppenbüttel, und sah als Erstes, dass das demokratietheoretisch problematisch ist. Wodurch sind die Vertrauensleute des Bürgerbegehens "Wandsbek für gute Integration" und die der Bürgerinitiative "Gemeinsam in Poppenbüttel" legitimiert, einen einerseits sehr ins Detail gehenden, andererseits sehr weitreichenden Vertrag abzuschließen? Herr Dr. Dressel, Sie haben gesagt, sie seien es, weil sie das Bürgerbegehren gestartet haben. Aber das Bürgerbegehren ist unzulässig gewesen.
Darüber gibt es vielleicht einen Rechtsstreit, aber Sie haben die Unterschriften nicht zusammenbekommen.
Sie sind, anders als die Volksinitiative, nicht legitimiert. Es gibt in Poppenbüttel noch eine zweite, sehr große Bürgerinitiative. Sie heißt, glaube ich, "Poppenbüttel hilft" und engagiert sich seit Langem solidarisch und saß nicht am Tisch. Wieso kann die eine Bürgerinitiative einen weitreichenden Bürgervertrag abschließen und sich damit brüsten, man spreche für den Stadtteil, und die anderen, die die ganze Zeit fleißig Flüchtlinge unterstützt haben, sitzen nicht am Tisch und müssen sich vertreten lassen von jemandem, mit dem sie wahrscheinlich nicht ohne Grund nicht zusammengearbeitet haben?
Das Zweite, was mich in dem Vertrag sehr gestört hat, ist Folgendes: Der Bürgerinitiative ist es gelungen, ausdrücklich Kriterien festzuschreiben, gemäß derer die Geflüchteten für diesen Standort ausgesucht werden. Sie müssen nämlich nicht jeden nehmen, sondern haben festgeschrieben, dass bei den Geflüchteten, die in Poppenbüttel unterkommen, unter anderem ein dauerhafter Aufenthalt in Deutschland zu erwarten sein müsse und ihre Integration in den Ersten Arbeitsmarkt möglichst bereits erfolgt beziehungsweise eingeleitet sein müsse. Jetzt sagt der Senat, auch syrische Kriegsflüchtlinge, die nur subsidiären Schutz haben, würden als Personen mit einer guten Bleibeperspektive anerkannt. Also, sage ich einmal, diese fallen nicht darunter. Aber alle afghanischen Flüchtlinge zum Beispiel, um eine Gruppe zu nennen, fallen darunter. Sie brauchen jetzt keine Afghanen zu nehmen. Warum können die sich das aussuchen? Dann brauchen sie von denen, die sie bekommen, auch nur diejenigen zu nehmen, bei denen mindestens die Integration eingeleitet ist. Ich finde, das steht einer Bürgerinitiative überhaupt nicht zu. Es steht den Bürgerinnen und Bürgern nicht zu zu sagen, den Flüchtling nehmen wir und den anderen nicht.
Der dritte Punkt ist – wie gesagt, ich habe nicht alle gelesen, aber das war jetzt exemplarisch –, dass wir grundsätzlich ein großes Problem damit haben und es nicht akzeptabel finden, dass die Bürgerverträge gegenüber dem landesweiten Vertrag als vorrangig gelten – ich weiß nicht, ob es in allen steht, aber in etlichen habe ich es gesehen. Das heißt, wir sollen jetzt einen landesweiten Vertrag abschließen, beschließen aber gleichzeitig, dass, wenn die Bürgerverträge für diese Region oder für diesen Stadtteil etwas anderes sagen, diese gelten. Wer von uns, außer vielleicht Herr Dressel und Herr Tjarks, kann jetzt eigentlich sagen, wie sich
das auswirkt? Ich kann es nicht. Ich würde es Ende August 2016 nicht können, aber jetzt kann ich es jedenfalls auch nicht.
Es ist eine Symbolik, wenn wir jetzt sagen, sie würden Bestandteil des Beschlusses. Aber sie ist sinnlos, nämlich eine politische Vereinbarung, die die notwendige Befassung durch Senat, Bürgerschaft, Verwaltung und so weiter nicht ersetzt und deshalb auch keiner formalen Beschlussfassung bedarf. Das steht geschrieben, und zwar in der Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage der FDP.
Da steht es geschrieben. Warum sollen wir jetzt eine Beschlussfassung darüber vornehmen? Warum sagen wir nicht, wir nehmen sie zur Kenntnis, wir begleiten sie, aber wir beschließen sie nicht? – Schönen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst einmal sagen, dass wir als FDP-Fraktion auch sehen, was diese Volksinitiative geleistet hat, was sie repräsentativ für viele Hamburgerinnen und Hamburger erkämpft hat und dass sie gekämpft hat. Wir begrüßen natürlich, dass es zu einer Einigung gekommen ist, die dazu führt, dass wir weder ein Volksbegehren noch einen Volksentscheid zu diesem sehr sensiblen Thema haben werden. Dabei zollen wir unseren Respekt auch den Verhandlungspartnern.