Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst einmal sagen, dass wir als FDP-Fraktion auch sehen, was diese Volksinitiative geleistet hat, was sie repräsentativ für viele Hamburgerinnen und Hamburger erkämpft hat und dass sie gekämpft hat. Wir begrüßen natürlich, dass es zu einer Einigung gekommen ist, die dazu führt, dass wir weder ein Volksbegehren noch einen Volksentscheid zu diesem sehr sensiblen Thema haben werden. Dabei zollen wir unseren Respekt auch den Verhandlungspartnern.
Nun möchte ich auf ein paar Dinge eingehen: Herr Dr. Tjarks und der Sommer 2015 oder auch die von Herrn Dr. Dressel geforderten Vorschläge. Wenn man sich die Situation im letzten Jahr ansieht, muss man deutlich sagen, dass wir lange sehr viel Verständnis für das Chaos gehabt haben, das diese Zustromzahlen ausgelöst haben. Es wäre auch eine Möglichkeit gewesen, dass Sie auf uns zukommen und sagen, es gebe ein Problem in der Stadt, setzen wir uns zusammen und erringen als Bürgerschaft Hand in Hand eine Lösung, denn die Unterbringungskrise hat sich so entwickelt und mündete in der Volksinitiative. Aber die Volksinitiative war ja nicht zuerst da. Proaktiv ist von Ihnen nichts gekommen. Wir haben einen Flüchtlingsgipfel gefordert, um gemeinsame Lösungen zu finden. Sie sind die Fraktionen und die
Parteien gewesen, die diese Zusammenarbeit abgelehnt haben, um gemeinsam eine Lösung zu finden. Ich finde es wichtig, dies einmal zu erwähnen, denn Herr Dr. Dressel hat von einem Angebot an die Opposition gesprochen, das jetzt in Form dieses Antrags vorliegt, dem wir als Angebot zustimmen können. Angesichts der Art und Weise, wie hier künstlich Zeitdruck
geschaffen wird, muss der Eindruck entstehen, dass es Ihre ausdrückliche Absicht ist, dass es uns Abgeordneten damit unmöglich gemacht wird, dieses Papier vernünftig durchzuarbeiten und in seinen Resultaten und Auswirkungen entsprechend zu analysieren; das ist nicht erfolgt. Was Sie gestern als guten Tag für Hamburg gefeiert haben, ist leider für uns als Parlamentarier ein wirklich dunkler Tag in der parlamentarischen Demokratie.
Denn es ist kein Einzelfall, dass wir kritische, komplexe, sensible Themen haben, die von Ihnen kurzfristig als Zusatzantrag eingebracht werden
Wir reden nicht über eine Drucksache mit zwei, drei Seiten, sondern über eine Drucksache mit 134 Seiten, die uns dann auch noch in einer Neufassung vorgelegt wurde, und heute liegt schon wieder ein Änderungspapier auf dem Tisch. Da muss man auch einmal einräumen, dass es nicht möglich ist, die gesamte Komplexität so schnell zu erfassen. Sie zu lesen ist das eine, sie aber auch zu verstehen das andere.
Aber was ich damit sagen will und was eben bereits angeklungen ist, ist, dass es angesichts dieses Prozesses wirklich eine Unverschämtheit ist, dass Sie jetzt mit dem Finger auf uns zeigen und kritisieren, dass wir als FDP-Abgeordnete einen vernünftigen Meinungsbildungsprozess zu dem von Ihnen verhandelten Konsens durchlaufen wollen und nicht einfach einen komplexen Antrag abnicken, den zwei Abgeordnete als selbst ernannte Repräsentanten der Bürgerschaft,
Wenn Sie so viel Wert auf einen breiten Konsens legen, wie Sie vorgeben, hätten Sie doch wenigstens auch etwas dafür tun können, dass man überhaupt in die Lage zu einer Zustimmung versetzt wird.
Mag sein, dass Frau Prien dabeisaß; das vermag ich nicht zu beurteilen. Auf jeden Fall trifft es auf uns nicht zu.
Wir lehnen den Antrag nicht einfach nur ab, sondern haben einen Vorschlag in das Verfahren gebracht, der eine anständige Befassung, eine Ausschussberatung und eine Plenarberatung ermöglicht und im Zeitrahmen liegt. Wir haben bis Ende August Zeit. Es ist also dieses Mal an Ihnen zu zeigen, wie wichtig Ihnen die Einbindung der Bürgerschaft und die Erzielung eines Konsenses auch innerhalb des Plenums tatsächlich sind, auch wenn das zulasten Ihrer Sommerpause geht.
Wir haben uns so intensiv, wie es in der kurzen Zeit machbar war, mit den wesentlichen Aspekten dieses Antrags auseinandergesetzt. Das sind im Wesentlichen die Anteile, die für ganz Hamburg gelten sollen.
Wir finden vor allen Dingen den Charakter dieses Papiers, unabhängig von dem, was drinsteht, fraglich. Denn bei dieser Drucksache handelt es sich in erster Linie um Ersuchen an den Senat, und zwar in den wesentlichen Punkten. Wenn Sie im Lexikon unter Ersuchen nachschlagen, finden Sie Synonyme wie höfliche Bitte. Mit der vorliegenden Drucksache will Rot-Grün – mal wieder ohne auf Inhalte einzugehen – ein Anliegen verfolgen, das in den relevanten Petita den schwächsten Verbindlichkeitscharakter hat, den ein Anliegen, das die Bürgerschaft an den Senat heranträgt, überhaupt haben kann. Eine Einigung zur Abwehr eines Volksentscheids hätte aus unserer Sicht mehr Verbindlichkeit enthalten müssen als Bitten, Prüfaufträge, Absichtsbekundungen und Senatshandeln. Ich freue mich, dass die Senatorin erklärt hat, dass sie diese Einigung als verbindlich ansieht. Aber wir werden Sie auch daran messen, wie Sie das Ganze am Ende umsetzen.
Ich lasse einmal die Finanzen weg; dazu haben die Kolleginnen und Kollegen bereits recht viel gesagt.
Was in dem Antrag drinsteht, ist überwiegend schon beschlossen. Sie haben auf Ihr 25-PunktePapier verwiesen; dafür gibt es immer noch keine Finanzierung. Wir haben in der Senatsanhörung in der Präsentation der BASFI gesehen, dass sehr viele Punkte, die in der Drucksache ausformuliert sind, gerade was den Integrationsanteil angeht, offensichtlich längst Senatshandeln sind.
Was die kleinere Unterbringung angeht, ist das auch schon am 16. Juni 2016 in Ihrer Pressekonferenz zur Unterbringungsprognose kommuniziert worden. So neu ist das alles nicht, was in der vorliegenden Drucksache drinsteht, und deshalb fragt man sich natürlich, warum wir das alles jetzt beschließen sollen, wenn es doch ohnehin schon so gemacht wird.
Dann enthält der Antrag unverbindliche Bekundungen über Praktikabilitätsforderungen, die auf Antrag von Oppositionsfraktionen in diesem Hause zum Teil mehrfach von Rot-Grün abgelehnt und vom Senat als unrealistisch klassifiziert wurden. Da stellt sich für mich die Frage, ob es diesem Senat jetzt tatsächlich gelingt, über sich hinauszuwachsen und diese Punkte umzusetzen. Die unverbindlichen Formulierungen lassen leider wenig hoffen.
Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Meine Damen und Herren Kienscherf, Bekeris und Müller, Sie haben sicher etwas Wichtiges zu besprechen, aber dann bitte außerhalb des Plenarsaals. – Frau Dutschke, fahren Sie bitte fort.
Interessant wird es vor allen Dingen dann, wenn man sich anguckt, was aus dem Perspektive-Wohnen-Programm geworden ist, dem Expressbau, der aufgrund seiner Unverhältnismäßigkeit letzten Endes Ursache und Anlass für die Gründung so vieler Bürgerinitiativen war.
Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Ich sprach von außerhalb des Plenarsaals. – Fahren Sie bitte fort.
Zunächst einmal hat der Senat trotz Volksinitiative und Verhandlungen Tatsachen geschaffen, denn auf Basis des Paragrafen 246 Absatz 14 Baugesetzbuch wurde fleißig gebaut. Jetzt steht in der Drucksache, man wolle so schnell wie möglich Bebauungsplanverfahren anschieben. Das ist nichts Neues, denn es war von Anfang an die Idee, sozialen Wohnungsbau mithilfe des Flüchtlingsunterkunftsparagrafen in Gebieten zu realisieren, in denen es ansonsten vermutlich nicht möglich gewesen wäre. Auch dass die Bebauungspläne schnell geschaffen werden sollen, ist angesichts der zeitlichen Befristung der gesetzlichen Normen, nämlich datiert auf Dezember 2019, bekannt. Neu ist allerdings, dass jetzt gebaut wird und man erst dann entscheidet, ob es eine Flüchtlingsfolgeunterkunft wird oder sozialer Wohnungsbau bleibt. Sie schaffen also auf Basis einer Sonderregelung, die vom Gesetzgeber den Charakter hatte, auf die Bewältigung des Flüchtlingszustroms in Stadtstaaten hinzuwirken, Sozialwohnungen, in die möglicherweise aber nie Flüchtlinge einziehen werden. Das ist mit unserem Verständnis von Rechtsstaatlichkeit nicht zu vereinbaren.
Auch zu den Bürgerverträgen will ich kurz etwas sagen. Ich bin wirklich beeindruckt, wie gut ehrenamtliches Engagement innerhalb dieser Volksinitiative funktioniert hat. Es ist der Initiative gelungen, die örtlichen Bürgerinitiativen, die kein explizites Mandat zur Einigung in diesem Verfahren haben, allesamt einzubinden. Dieser Partizipationsprozess hat wirklich Vorbildcharakter. Davon sollten sich auch einmal diese Landesregierung und die verhandelnden Fraktionsvorsitzenden eine Scheibe abschneiden. Denn eines ist doch auffällig: Es ist weder dem Senat noch den Regierungsfraktionen gelungen, an keinem einzigen Standort die Bezirksversammlungen einzubeziehen, die ja eigentlich innerhalb der in ihrem Gebiet geschlossenen Verträge eingebunden werden sollten.
Wir hätten uns darüber gefreut, wenn diese Beratung auch auf Bezirksebene erfolgt wäre, denn letzten Endes sollten die Bezirksversammlungen entscheiden, was bei ihnen vor Ort passiert.