Protocol of the Session on June 15, 2016

tig – etwas abseits vom Thema – lehnen die Regierungsfraktionen in der Bürgerschaft Anträge der Opposition regelmäßig ab, weil diese teilweise Auswirkungen auf den direkt folgenden Doppelhaushalt haben. Hier wird mit zweierlei Maß gemessen und das rundet das Bild nicht gerade auf zufriedenstellende Art und Weise ab.

(Beifall bei der FDP – Dr. Andreas Dressel SPD: Und was wäre der Vorschlag?)

Mein Vorschlag wäre gewesen, Herr Dr. Dressel, dass Sie in diesem Kompromiss deutlich sagen, woher Sie das Geld für diesen Fonds genau nehmen wollen, und nicht einfach sagen …

(Zuruf von Dr. Anjes Tjarks GRÜNE)

Sie haben von 28 Punkten zwei mit einer Gegenfinanzierung hinterlegt. Für die anderen Punkte hätten Sie genauso gut sagen können, wie viel Geld dafür in die Hand genommen wird.

(Zuruf von Dr. Anjes Tjarks GRÜNE)

Sie machen etwas anderes. Sie sagen, der Doppelhaushalt 2020/2021 solle bemüht werden, damit dieser Fonds, den Sie jetzt aus Steuermehreinnahmen einmalig gefüllt haben, dann wieder nachträglich befüllt wird. Das heißt, Sie nehmen jetzt das Geld, dass Sie aufgrund der Steuermehreinnahmen haben, lassen aber völlig offen, aus welchen anderen Quellen nachher die anderen Punkte Ihres Antrags finanziert werden sollen.

(Beifall bei der FDP – Dr. Andreas Dressel SPD: Wie würden Sie es denn aus 2021 fi- nanzieren?)

Abschließend noch zu einem Element der Einigung, dem wir inhaltlich ablehnend gegenüberstehen. Wenn ich auch mahnend klingen mag, wir finden grundsätzlich gut, dass sich etwas bewegt hat; das habe ich eingangs gesagt. Aber an einer Stelle stehen wir der Einigung auch inhaltlich ablehnend gegenüber. Statt eine bessere Einbindung der Ganztagsschulkooperationspartner durch eine Einbindung in die Schulkonferenzen zu realisieren, wird nun extra diese Änderung des Schulgesetzes angestoßen, um an jeder einzelnen Schule in Hamburg ein neues Gremium, diesen sogenannten Ganztagsausschuss, zu schaffen. Hier wurde nicht nur das Ziel verfehlt, eine Einbindung auf Augenhöhe umzusetzen, es werden auch noch zusätzliche Prozesse, Bürokratie und Gremien geschaffen, die gar nicht notwendig gewesen wären.

Dennoch, alles in allem hat die Initiative es geschafft, Rot-Grün in die richtige Richtung zu bewegen, auch wenn wir nun nicht am Ende – auch das haben meine Vorredner schon gesagt –,

(Heike Sudmann DIE LINKE: Rednerinnen waren das!)

sondern am Anfang eines langen Prozesses für mehr Qualität im Hamburger Ganztag stehen. Wir

werden als Freie Demokraten diesen Prozess begleiten und uns dafür einsetzen, dass aus den vielen Absichtserklärungen des Kompromisses auch Taten folgen.

(Dr. Stefanie von Berg GRÜNE: Sie kritisie- ren die ganze Zeit!)

In der Konsequenz – Frau von Berg, Sie haben es gleich geschafft – werden wir den wesentlichen Punkten Ihrer Einigung, also römisch I und II, zustimmen. Die Gesetzesänderung zur Einführung des Ganztagsausschusses tragen wir nicht mit, weil wir uns hier eine echte Einbindung auf Augenhöhe gewünscht hätten.

(Dr. Stefanie von Berg GRÜNE: Das ist das, was die Initiative wollte! Das müssen Sie mal zur Kenntnis nehmen!)

Noch einen Nachtrag zu dem Überweisungsbegehren der CDU, das uns vorgelegt wurde. Das mutet dann doch etwas seltsam an. In der Presse hat Frau Prien, hat auch Herr Weinberg gejubelt, wie toll dieser Kompromiss sei, dass er gar ein Beispiel für ganz Deutschland sein solle und man das überall machen solle. Das kann man inhaltlich gern so sehen. Aber dann die Überweisung an den Schulausschuss zu beantragen, um diesen guten Kompromiss mit der Initiative über die Sommerferien im Schulausschuss zu parken, das erschließt sich mir nicht. Ich würde sogar sagen, das ist erklärungsbedürftig. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Als Nächstes erhält das Wort Herr Dr. Wolf von der AfD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kollegen! Nun haben sich Initiative und Senat verständigt und fünf Redner vor mir haben sich mit einer ganzen Reihe der Details auseinandergesetzt. Auch wir begrüßen eine Reihe von Punkten des Konsenses, auch wenn wir die Schaffung eines neuen Gremiums – da schließe ich mich Herrn Oetzel an – für überflüssig halten. Auf diese Details möchte ich jetzt allerdings nicht noch einmal eingehen. Ich erlaube mir vielmehr, hier einen Kontrapunkt zu setzen, um dem Eindruck entgegenzuwirken, Ganztag sei der alleinige Weg in die Zukunft

(Dr. Andreas Dressel SPD: Gut so! Zurück an den Herd!)

und der Weg zu immer mehr Verschulung, hin zu immer mehr staatlich beaufsichtigter Erziehung sei das allein Seligmachende, sei der Fortschritt. Das klingt mir zu sehr nach Zwangsbeglückung.

(Beifall bei Dr. Ludwig Flocken fraktionslos – Dr. Andreas Dressel SPD: Herr Flocken ist auch dafür!)

Ich möchte eine Lanze brechen für diejenigen Eltern, die ihre Kinder auch weiterhin gern intensiv selbst erziehen wollen und dafür auch Opfer bringen, und denen man ganz gewiss nicht absprechen kann, dass sie ihre Kinder nicht weniger liebevoll und engagiert oder nicht weniger erfolgreich erziehen.

(Gerhard Lein SPD: Das ist kein Zwangssys- tem!)

Das ergibt sich aus dem Ausgangsantrag der SPD, in dem der gesamte Grundtenor die Ganztagsschule als das allein Seligmachende und den Weg in die Zukunft erscheinen lässt.

(Zuruf von Gerhard Lein SPD)

Ich verstehe gut – und auch wir als AfD stehen dahinter, das sage ich in aller Deutlichkeit –

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Stimmen Sie zu?)

dass es Ganztagskonzepte als Angebot geben muss und – was man macht, das muss man gut machen – dass diese dann auch unterfüttert werden und qualitativ hochwertig sein müssen. Wie schon gesagt, eine ganze Reihe der Punkte, die von der Initiative erreicht wurden, sind sinnvoll und wir stehen hinter ihnen. Aber es gibt eben auch die anderen Eltern, und für deren Wahlfreiheit stehen wir als AfD. Daher an dieser Stelle ein paar kritische Anmerkungen zum Ganztagskonzept.

Erstens: Der Staat mischt sich allzu oft in die Erziehung ein. Der erzieherische Einfluss der Eltern auf ihr Kind nimmt damit zwangsläufig ab.

Zweitens: Die Kinder haben weniger Freizeit. Es bleibt weniger Zeit für Familie, Musikschule, Sportvereine et cetera, schon im Grundschulalter.

Drittens: Ganztagsangebote sind zumeist Gruppenangebote und weisen damit die gleichen Probleme wie Schulunterricht auf. Eine individualisierte Beschäftigung und Förderung ist oft kaum möglich. Genau dafür bedarf es aber Zeit zur wirklich freien Verfügung, also mehr Freizeit, in der die Kinder sich autark mit sich selbst und ihren Interessen beschäftigen können.

Viertens – auch das wird oft kaum gesehen –: Die zeitliche Ausdehnung der Anwesenheitspflicht von Lehrern schränkt die intensive und kreative Vorbereitung auf den Unterricht ein. Auch wenn den Lehrern die Stunden aus der Ganztagsbetreuung angerechnet werden, verschiebt sich für sie der Arbeitstag in den Abend hinein und die Vorbereitungszeit für den regulären Unterricht leidet.

Und schließlich ein fünfter Punkt: Als Nebeneffekt verabschieden sich immer mehr Eltern von der Erziehungstätigkeit und der Erziehungsverantwortung. Gerade dieses Problem kann durch staatliche Erziehungsangebote nicht kompensiert werden.

(Daniel Oetzel)

Daher sollte – und das ist unser Ansatz – neben der Förderung des Ganztags die Erziehung der Kinder durch die Eltern durch attraktive und staatlich geförderte Teilzeitmodelle ebenso gefördert und erleichtert werden, auch für Alleinerziehende. Nicht statt der Ganztagsschule, aber als zumindest gleichwertige Alternative dazu. – Vielen Dank.

(Beifall der der AfD und bei Dr. Ludwig Flocken fraktionslos)

Als Nächstes erhält das Wort Herr Senator Ties Rabe.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, es war nicht einfach, sich einander anzunähern; das ist dargestellt worden. Es war ein langes Gespräch zwischen den Regierungsfraktionen und der Initiative. Wir haben am Ende einen wirklich guten Kompromiss erzielt, einen Weg gewiesen, wie der Ganztag deutlich verbessert werden kann. Deswegen sage ich in Richtung Opposition: Ich kann verstehen, dass Sie sich darüber ärgern,

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Wieso ärgern?)

dass wir ein neues Feld ordentlich bestellt haben, aber heute ist ein Tag der Freude und kein Tag von Grantigkeit und Meckern. Ich glaube, das dürfen wir auch im Interesse der Schülerinnen und Schüler sagen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Vi- zepräsidentin Antje Möller übernimmt den Vorsitz.)

Und wenn die Opposition nicht müde wird zu sagen, mit welcher angeblichen – ich zitiere Sabine Boeddinghaus – Arroganz der Senat die Ganztagsschule eingeführt hat, dann möchte ich doch die frühere Parteikollegin Sabine daran erinnern: Die Ganztagsplanung, die du damals kritisiert hast, ist von uns nicht eingeführt worden. Es wird vielleicht in diesem Parlament etwas zügig übersehen, dass die alte Planung, die unter der Regierungszeit von Beust entstand, von der SPD genommen und erheblich verbessert wurde. In Worten und Zahlen: Statt 85 Millionen Euro für den GBS-Bereich haben wir 120 Millionen Euro investiert und damit die pädagogische Versorgung, die Betreuung und die Zahl der Erzieherinnen und Erzieher deutlich verbessert. Das ist nur ein Beispiel dafür, dass wir sehr wohl von Anfang an Wert auf eine gute Qualität im Ganztag gelegt haben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Es fällt auch dem Schulsenator nicht schwer einzuräumen, dass diese gewaltige Aufbauarbeit kein Pappenstiel war. Wir erinnern uns, zu Beginn meiner Amtszeit hatten 50 Grundschulen Ganztagsangebote. 25 Jahre haben Regierungen aller Farben

rote, grüne, gelbe und schwarze – gebraucht, um diese 50 Grundschulen zu Ganztagsschulen zu entwickeln. Nur drei Jahre danach waren aus diesen 50 Schulen 200 Schulen geworden. Und drei Jahre später waren 160 zusätzliche Kantinen gebaut worden. Das ist eine gewaltige Kraftanstrengung und sie war notwendig. Ich sage deshalb an dieser Stelle auch noch einmal einen ausdrücklichen Dank an die Schulwelt, an die vielen Beteiligten auch bei Schulbau Hamburg, die dazu beigetragen haben, diesen enormen Schritt nach vorn zu gehen. Er war richtig, er war anstrengend, aber er war erfolgreich.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Man kann an dieser Stelle auch daran erinnern – meine Kollegin Bärbel Duden hat es ausgeführt –, dass 80 Prozent der Eltern gesagt haben, wir machen mit. Und anders, Herr Wolf, als Sie in Ihrer Rede suggeriert haben, ist das eine freiwillige Entscheidung gewesen. Wir zwingen niemanden mitzumachen. Wenn das 80 Prozent tun, dann hat das einerseits eine Aussage, dass tatsächlich Betreuungsangebote dringend nötig sind, aber andererseits ist das auch ein großer Vertrauensbeweis von Eltern und Kindern dafür, dass dieses Angebot offensichtlich auch in der Qualität gut ist und die Eltern und Kinder sich dort gern anmelden. Das gilt es auch festzuhalten nach fünf Jahren Aufbauarbeit.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Aber ich sage klar, der Feind des Guten ist das Bessere. Wir können das in der Tat besser machen und da kann man auch noch mehr machen. Deswegen darf man an dieser Stelle auch als Regierung, ohne rot zu werden, sagen: Danke an die Eltern, die mit großer Energie dazu beigetragen haben, dass wir uns alle dieses Thema noch einmal genau angeschaut haben und auch gemeinsam mit der Initiative einen, wie ich finde, sehr vernünftigen Weg ausgelotet haben, wie wir jetzt mit weiterem Schwung diese bereits schwungvolle Aufbauarbeit zu einem großen Erfolg weiterführen können. Das darf man an dieser Stelle auch sagen: Danke an die engagierten Eltern, das war richtig.