Protocol of the Session on May 11, 2016

Noch einmal zum Antrag der CDU-Fraktion. Es wurde sehr oft gesagt, er sei extrem populistisch. Ja, ich finde auch, es ist extrem populistisch zu behaupten, dass es eine Generation Allah in Hamburg geben würde. Wir wissen aber, und auch die CDU weiß sehr genau, dass es diese Generation nicht gibt. Und nur, weil Ahmad Mansour einen arabischen Hintergrund hat, heißt es nicht, dass seine Thesen richtig sind. Sie glauben, dass es authentischer wirkt, wenn ein Herr Mansour statt eines Horst Seehofers in dieser Debatte zitiert wird. Das ist es aber nicht. Was Sie stattdessen mit diesem Antrag tun, ist, alle Muslime, die nicht am Schwimmunterricht teilnehmen, unter den Generalverdacht der Radikalisierung zu stellen. Das ist extrem populistisch und gefährlich und auch kontraproduktiv. Sie differenzieren nicht, Sie pauschalisieren.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Ich war vor zwei Wochen auf der Fachtagung von "Legato". Dort haben die Expertinnen und Experten sehr deutlich gesagt, es sei empirisch belegt, dass die meisten Radikalisierten aus nicht muslimischen oder religionsfernen Haushalten kommen. Sie haben aufgezählt, dass es quer durch die Gesellschaft gehe, arm, reich, christlich, nicht christlich, muslimisch, nicht muslimisch. Deshalb macht es keinen Sinn, nur bei muslimischen Kindern und Jugendlichen anzusetzen, und dies als Integrationsproblem darzustellen. Wir sollten Menschen, die sich nicht zugehörig fühlen oder sich im Identifikationsprozess befinden, viel mehr Identifikationsmöglichkeiten bieten. Deshalb hatten wir den Antrag auch letztes Mal gestellt. Sinnvoll wäre aus unserer Sicht, und daran halten wir auch fest, wenn es um Radikalisierung an Schulen geht, Lehrerinnen und Lehrer im Umgang mit sich radikalisierenden Schülerinnen und Schülern zu schulen. Das ist für uns ein wichtiger Punkt, der auch noch im Ausschuss diskutiert wird.

Zum Thema statistische Erfassung der Befreiung vom Schwimmunterricht: Das verursacht unnötige Kosten, ist zu aufwendig, aber vor allem auch absolut sinnbefreit; das macht unserer Auffassung nach keinen Sinn. Es gab auch auf der Fachtagung Kritik daran, dass die Politik reflexartige Reaktionen zeigt. Diese zwei Anträge sind meiner Meinung nach reflexartige und nicht durchdachte Reaktionen. Es sind falsche Ansätze, die nicht die Absicht haben, das Problem differenziert zu betrachten und zu lösen, und deshalb lehnen wir die Anträge ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Dr. Kruse von der AfD-Fraktion bekommt nun das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Im FDP-Antrag ist von Schulpflicht die Rede. Als ich mit sechs Jahren eingeschult werden sollte, was ich alles andere als toll fand, wurde mir von meinem Vater gesagt, es gebe die Schulpflicht und ich müsse. Das habe ich damals als einen miesen Trick des Staats empfunden, arme kleine Jungen und natürlich auch Mädchen 45-minutenweise zum Stillsitzen und Zuhören zu zwingen.

(André Trepoll CDU: Das waren noch Zei- ten!)

Das waren noch Zeiten.

Später habe ich verstanden, dass die im 19. Jahrhundert eingeführte Schulpflicht in Deutschland im Wesentlichen ein Schutz der Kinder vor ihren Eltern war. Die Eltern, insbesondere die auf dem Lande, brauchten ihre Kinder als Arbeitskräfte für diverse Dinge, vom Melken bis zur Erntehilfe. Sie verstanden gar nicht, warum Kinder überhaupt zur Schule gehen sollten, weil sie selbst nicht zur Schule gegangen waren und auch die Vorteile nicht gesehen haben. Die Schüler selbst wussten das natürlich auch nicht und haben es auch nicht immer toll gefunden. Man hat also mit der Schulpflicht auch die Kinder vor sich selbst geschützt.

Als Ökonom habe ich später gelernt, dass der Schulbesuch und die Ausbildung generell nicht nur ein sehr dominanter Treiber für das individuelle Einkommen einer Person für das gesamte Leben sind, sondern auch enorme, positive externe Effekte für die gesamte Volkswirtschaft erzeugen, also das, was wir Wohlstand nennen. Dies gilt auch für das Thema unserer Debatte, insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass es bei Schule nicht nur um das Lernen von Fakten und objektiven Zusammenhängen geht, sondern auch um die Sozialisation der Jungen und Mädchen, der jungen Frauen und jungen Männer, für einen sozialen Kontext und eine Gesellschaft, in der sie später einmal leben werden. Leben beziehe ich auf die Frauen, also dass sie nicht ausschließlich in der eigenen Wohnung zum Kochen, Putzen und Kinderkriegen für ihren Mann leben, sondern auch insgesamt an der Gesellschaft partizipieren und hier leben können.

Wenn man die Kinder von der Schule fernhält – und dazu gehören auch der Schwimmunterricht und die Klassenfahrten –, erschwert man ihre Sozialisation in unserer Gesellschaft mit gravierenden Folgen für die Kinder; dazu mein Beispiel vorhin. Analog zum Ausgangsbeispiel wissen die Eltern, die ihre Töchter dazu veranlassen oder zwingen, oft gar nicht, was sie ihren Töchtern damit antun, und dem Imam, der sie dazu anstiftet, ist das spätere Wohl dieser Frauen ohnehin egal. Die Töchter

(Cansu Özdemir)

selbst wissen natürlich nicht, was ihnen damit angetan wird, und wenn, hätten sie eh keine Wahl.

(Nebahat Güçlü fraktionslos: Woraus schlie- ßen Sie das denn?)

Auch hier ist es typisch, dass all das im Wesentlichen den Töchtern, also den Frauen, angetan wird. Das ist eine Parallele zu Kopfbedeckung und Kleidung. Ich möchte einmal wissen, wie lange die Burka als Frauenrepressionsinstrument überleben würde, wenn Männer ebenso wie Frauen diese Burka tragen müssten. Ich glaube, dann wäre es sehr schnell vorbei.

(Beifall bei der AfD – Karin Prien CDU: Das stimmt!)

Die schulrelevanten Elemente der Sozialisation junger Musliminnen in unserer Gesellschaft muss der Staat durchsetzen. Wenn es der Staat nicht tut, tut es niemand. Er muss es tun und darf nicht vor den Konflikten kneifen, die anfangs natürlich damit verbunden sind. Das sind wir den jungen Musliminnen und auch unserer Gesellschaft schuldig. Deshalb unterstützen wir den FDP-Antrag.

Jetzt komme ich zur CDU. Ich muss mich schon wundern, wie meine Vorrednerinnen und Vorredner Frau Prien behandelt haben. Ich finde es jämmerlich, was Frau Duden zu Frau Prien gesagt hat.

(Beifall bei der AfD und der CDU)

Frau Duden, ich bin sehr enttäuscht von Ihnen. Sie haben bei dem Antrag eigentlich nur Bezug genommen auf die Überschrift "Generation Allah", die eindeutig als Zitat gekennzeichnet ist. Sie haben aber fast nichts gesagt zu dem Petitum des CDUAntrags, den ich ausgesprochen sinnvoll und unterstützend empfinde.

(Cansu Özdemir DIE LINKE: Überraschung!)

Das Gleiche möchte ich jetzt auch zu Frau von Berg sagen. Das Meiste von dem, was Sie gesagt haben, geht an dem Antrag vorbei. Ich denke, wir sollten die CDU ausdrücklich dafür loben, das so formuliert zu haben. Wir sind natürlich auch für den CDU-Antrag, und ich hoffe, dass er im Schulausschuss diskutiert werden kann. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort bekommt nun Herr Senator Rabe.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Radikale religiöse Bewegungen stellen uns alle vor schwierige Aufgaben. Unsere Gesellschaft basiert auf dem friedlichen Miteinander aller Menschen, auf Demokratie und Gleichberechtigung, auf Gewaltenteilung, Freiheit des Glaubens und auf der Unantastbarkeit der menschlichen Würde. Diese Werte prägen unsere Gesellschaft, sie prägen deshalb auch unsere Er

ziehung und unsere Schulwelten. Diese Werte wollen und werden wir nicht preisgeben, weder in der Schule noch anderswo.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Glocke)

(unterbrechend) : Herr Senator, vielleicht reicht der Applaus. Ich wollte Ihnen etwas mehr Ruhe verschaffen. Bitte sehr.

Der Hamburger Senat nimmt die Entwicklung, insbesondere den gewaltbereiten Salafismus, deshalb sehr ernst, in der Schule genauso wie in allen anderen Bereichen des Lebens. Dafür brauchen wir eine ernsthafte Debatte, in der wir vernünftig und sachlich Probleme weder untertreiben noch übertreiben, und deswegen haben wir die Themen auch schon entsprechend für den Ausschuss vorgesehen. Aber es ist wichtig, dass wir die Debatte sorgfältig führen und dabei, wie gesagt, weder untertreiben noch übertreiben. Deswegen gehört es an den Anfang einer solchen Debatte, erst einmal grundsätzlich zu sagen, dass rund die Hälfte der Hamburger Schülerinnen und Schüler entweder selbst im Ausland geboren ist oder zumindest einen Elternteil hat, der im Ausland geboren ist. In unseren Schulen treffen also sehr viele Kulturen und Lebensentwürfe aufeinander. An den Anfang jeder Debatte gehört deshalb zuallererst die Feststellung, dass die Integration in Hamburg und in Hamburgs Schulen seit Jahren, ja, seit Jahrzehnten eine Selbstverständlichkeit ist und funktioniert, und zwar gut funktioniert. Hier leisten Hamburgs Schulen wirklich hervorragende Arbeit.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

In einzelnen Anträgen wird so getan, als ob wir viel von anderen Bundesländern lernen könnten. Das, was dort als Neuerung verkauft wird, wundert mich. Vieles davon ist seit Jahren in Hamburg gelebte Praxis. Der beschworene Burkini, den Schleswig-Holstein jetzt entdeckt, ist schon seit über einem Jahrzehnt bei uns geregelt und selbstverständlich erlaubt; das ist gar keine Neuigkeit. Ich kann nichts dafür, dass einige hier im Haus ihn jetzt entdeckt haben, aber es gibt ihn schon lange.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Sie haben nichts verstanden, Herr Ra- be!)

Deswegen gehört dazu, dass das schon seit langer Zeit gut funktioniert und dass Hamburgs Schulen darauf vorbereitet sind. Ich möchte in diesem Zusammenhang die Debatte ganz kurz an diesem einen, wie ich finde, schwierigen Wort von Frau Prien zuspitzen. Natürlich ist das ein Zitat mit der Generation Allah; das ist richtig. Aber es ist eine Frage, ob man so ein Zitat verwendet

(Barbara Duden SPD: Genau!)

(Dr. Jörn Kruse)

oder ob man es verwendet im Zusammenhang mit einer Diskussion über Hamburgs Schülerinnen und Schüler.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir haben schätzungsweise weit über 10 000 Schülerinnen und Schüler muslimischer Herkunft in unseren Schulen. Ich sage ganz offen, die große Mehrheit dieser Schülerinnen und Schüler, genau wie die große Mehrheit aller anderen Glaubensrichtungen und insbesondere die große Mehrheit derjenigen, die keine Glaubensrichtung haben, sie alle sehen sich als Teil einer gemeinsamen Stadtgesellschaft und teilen die grundlegenden Werte von Demokratie, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit und Gleichberechtigung. Ich hatte vor Kurzem ein Gespräch mit sechs Schülern der Hamburger Schülerkammer, die mir dort mit großem Engagement sagten, was ich alles richtig und was ich alles falsch mache und besser machen könne. Es waren drei Schülerinnen und Schüler dabei, deren Namen ich nicht aussprechen konnte und die ihre Hautfarbe sicherlich nicht in den letzten 500 Jahren im schönen Hamburg gewonnen haben. Am Ende des Gesprächs habe ich zu ihnen gesagt, ich fände es großartig – in einer völligen Selbstverständlichkeit, etwas, das zu meiner Zeit in der Schule gar nicht möglich war, weil es gar keine Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund gab –, wie sie miteinander umgingen. Das Besondere dabei war, dass sie mich wie ein Fossil aus einer anderen Welt ansahen, weil sie überhaupt nicht verstanden, worauf ich hinauswollte. Das zeigt, finde ich, dass hier Schülerinnen und Schüler aller Glaubensrichtungen, Hautfarben, Schattierungen und Kulturen zu einer Gemeinschaft zusammenwachsen. Da macht es keinen Sinn, mit einem Begriff wie Generation Allah zu arbeiten. Das fördert nicht die Integration, sondern schadet ihr.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

An die Adresse der LINKEN muss ich sagen: Das mit dem Schulschwänzen sehe ich anders. Schulschwänzen ist in Hamburg verboten. Es ist auch wichtig, dass das verboten ist, weil es ein Grundrecht auf Bildung gibt, weil Bildung über Lebenschancen entscheidet, weil Bildung über den weiteren Weg, die Zukunft entscheidet, und zwar völlig gleichgültig, ob bei Jungen oder Mädchen und welcher Herkunft auch immer. Sie alle haben ein Recht auf Bildung, und deswegen haben wir eine große Errungenschaft mit der Schulpflicht in Deutschland. Und wir werden energisch dafür sorgen, dass diese Schulpflicht von allen wahrgenommen wird. Das muss selbstverständlich sein.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Deswegen möchte ich zum Schluss meiner Rede klarstellen: Wir nehmen die Schulpflicht überaus ernst. Wir hatten gerade im Schulausschuss eine

Sitzung, in der wir Ihnen das alles erläutert haben. Wenn in der Grundschule ein Kind fehlt, muss noch in der ersten großen Pause desselben Schultags zu Hause angerufen werden. Lehrerinnen und Lehrer sind verpflichtet, zu dem Kind nach Hause zu gehen, zu klingeln und zu klopfen und die Schüler zu suchen. Wir haben Ihnen das statistisch genau aufgezeigt: 1 500 Mal haben Lehrerinnen und Lehrer in Hamburg das im letzten Jahr getan. In meiner Schulzeit war völlig undenkbar, dass ein Lehrer zum Elternhaus des Kindes geht und nach dem Kind fragt; aber das ist bei uns gelebte Praxis. Die Schulen engagieren sich sehr, um das sicherzustellen, und wir sollten nicht so tun, als wabere dies lax vor sich hin, sondern hier geben wir uns redlich Mühe. Wir finden das richtig und wichtig.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Dr. Jörn Kruse AfD: Sie wissen alle, dass die Lehrer das in Ihrer Freizeit tun!)

Deswegen möchte ich gern schließen mit einer Bemerkung zu Frau von Treuenfels, die sagt, wir sollten diese Anträge sammeln. Frau von Treuenfels, Sie haben die Antwort unserer Behörde nicht richtig verstanden. Die Antwort war nicht, dies interessiere uns nicht, sondern die Antwort war: Schulschwänzen, aus welchen Gründen auch immer, auch aus religiösen Gründen, ist schlicht verboten. Deswegen können wir auch keine verbotenen Anträge sammeln, weil es diese Anträge nicht geben soll. Und wenn ein solcher Antrag ankommt, dann hat die Schule ganz einfach die Pflicht, darauf zu schreiben: abgelehnt, zurück und ab in den Papierkorb. Das ist beinahe so, als ob Sie die Polizei auffordern würden, Anträge zu sammeln, die Autofahrer stellen, weil sie gern bei Rot über die Kreuzung fahren wollen. Auch das ist verboten, und deswegen machen wir das nicht mit dieser Antragssammelei. Ich will auch gar nicht erst das Signal senden, dass man sich aus religiösen Gründen befreien lassen könnte. Das ist verboten, und verbotene Anträge kann es deshalb nicht geben. Und wenn es so einen Antrag gibt, dann wird er postwendend zurückgeschickt. Daher brauchen wir hier keine Daten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das Wort bekommt nun Frau von Treuenfels-Frowein von der FDPFraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass die Erste, die auf meinen Antrag eingegangen ist, von der LINKEN kam. Allerdings hat sie darüber gesprochen, dass Gleichberechtigung wichtig sei beziehungsweise Mann und Frau gleich bezahlt werden sollten. Das war nun nicht Inhalt unseres Antrags. Ich finde, Sie haben unse

(Senator Ties Rabe)

ren Antrag ein bisschen benutzt, um über Gleichberechtigung zu sprechen.