Slime war von Beginn an nicht nur eine Punkband, sie war eine linke Punkband, die unterschiedliche Lebensgefühle und Haltungen ansprach und zum Ausdruck brachte: nonkonformistische, rebellische, anarchistische, antiautoritäre, libertäre. Ich kann schon nachvollziehen, dass Sie von Rechtsaußen Slime als Ausdruck all dessen sehen, was Sie nie
Die Band hat eine so wechselhafte Geschichte von Provokationen, Rebellionen, Auseinandersetzungen, Auflösungen, Reflexionen, dass sie, wie es auf laut.de heißt, längst als zeithistorisches Phänomen interessant ist. Egal, wie man – da sind wir sicher unterschiedlich – ihre Texte und ihre Musik im Einzelnen bewerten mag, sie spiegelten vor allem in den Achtziger- und Neunzigerjahren und teilweise natürlich bis heute das Lebensgefühl vieler, meist jüngerer Menschen wider. Ich habe mir von jemandem, der Ende der Achtziger-, Anfang der Neunzigerjahre in Volksdorf aufgewachsen ist, sagen lassen, dass man dort in der Schule mit Begeisterung die Slime-Songs gehört und gesungen habe.
In Volksdorf, also nicht nur in St. Pauli oder in der Schanze, nicht nur im Bauwagen oder im Stadion, sondern auch in Einfamilienhäusern. Die Songs von Slime sind Ausdruck gesellschaftlicher Konflikte und Auseinandersetzungen vor allem in den 1980er- und 1990er-Jahren, und sie verarbeiten diese Auseinandersetzung auf verfremdende, provokative, nicht selten grenzüberschreitende Weise, aber mit den Mitteln der Kunst.
Der AfD-Antrag führt für die Auftrittsverbotsforderung zwei Songs ins Feld. Einer stammt aus dem Jahr 1980. Es ist richtig, der Song wurde indiziert, und zwar im Jahr 2011. Zuvor hat es in den Achtzigerjahren und auch noch später einige Ermittlungsverfahren gegeben. Alle wurden eingestellt. Kein Gericht wollte es auf sich nehmen, ein Verbotsverfahren gegen den Song durch die Instanzen zu treiben, weil es eben immer auch um die Freiheit des künstlerischen Ausdrucks geht. Auf Gerichtsurteile können Sie sich also nicht stützen. Auch das müssen Sie zur Kenntnis nehmen.
Bandmitglieder – das ist schon gesagt worden – erklären diesen Song heute mit den Erfahrungen, die sie als Punks mit der Polizei hatten. Sie gestehen zu, dass es sich um einen Hass-Song gehandelt habe, und die Band gibt auf Facebook an, diesen Song heute nicht mehr zu spielen. Wollen Sie wirklich ein Auftrittsverbot heute mit einem 36 Jahre alten Song begründen? Das ist wirklich lächerlich.
Der andere Song, "Deutschland", entstand 1981. Er entstand im Zusammenhang mit der öffentlichen, sehr vehement geführten Auseinanderset
zung um den Kriegsklotz am Dammtor und seiner menschenverachtenden und kriegsverherrlichenden Inschrift "Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen". Die Auseinandersetzung um den Song, der die Parole "Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen" umkehrte, nämlich in "Deutschland muss sterben, damit wir leben können", erreichte, wie schon erwähnt wurde, das Bundesverfassungsgericht. In dem Zusammenhang ist es wirklich interessant, was das höchste Gericht im Urteil vom November 2000 ausführte. Ich zitiere etwas ausführlicher, denn wir haben dort alle unsere Stellen gefunden.
"Die kritische Absicht des Liedes ist unverkennbar. Deutlich, wenn auch undifferenziert und plakativ, werden etwa Missstände in den Bereichen Politik, Umweltverschmutzung, Kriegsgefahr […] sowie der rapide Wandel durch Neuerungen […] angeprangert. Verantwortlich gemacht für die heillosen Zustände wird der Staat 'Deutschland'. Dieser Aussagekern wird durch Vers, Reim und Melodie verfremdet und emotionalisiert. Mit der Refrain-Zeile 'Deutschland muss sterben, damit wir leben können' wird ein gängiges, dichterisches Stilmittel verwendet, mit dem ein Lebensgefühl von Fremdheit und Hoffnungslosigkeit in aggressiver Zuspitzung vermittelt werden soll."
"Um den Aussagekern des Liedes 'Deutschland muss sterben' in einer der Kunstfreiheit angemessenen Weise zu erkennen […]"
Das Bundesverfassungsgericht stellte unzweideutig fest, das Lied "Deutschland muss sterben" sei Kunst im Sinne des Grundrechts auf Kunstfreiheit. Und genau darum geht es hier: um Kunstfreiheit.
Es geht um die Verteidigung des Grundrechts auf Kunstfreiheit. Ihnen von der AfD und Ihnen von der CDU geht die politische Ausrichtung der Band und nicht zuletzt die vermutete politische Ausrichtung ihres Publikums auf den Senkel. Deshalb verlangen Sie ein Auftrittsverbot für Slime und womöglich weitere Gruppen, die Ihnen politisch nicht passen. Ich sage Ihnen einmal etwas: Das ist die Methode Erdogan.
(Karl-Heinz Warnholz CDU: Das Präsidium muss eingreifen! Ich lasse mich doch nicht mit einem Türken vergleichen!)
Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Herr Abgeordneter Warnholz, auch wenn Sie im Publikum sitzen, haben Sie sich parlamentarisch zu verhalten. – Fahren Sie bitte fort, Herr Abgeordneter.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Jetzt habe ich das Wort, Herr Warnholz, und nicht Sie. Der AfD-Antrag wirft ein Thema auf, das wir nicht zum ersten Mal und wahrscheinlich auch nicht zum letzten Mal debattieren werden. Immer wieder wird von rechts oder von links das Bestreben kommen, die jeweilig andere extreme Richtung zu verbieten. Verbote sind scheinbar der kleinste gemeinsame Nenner von Linken und Rechten. Darin sind sie sich einig. Aus Sicht eines Liberalen, der in der Mitte der Gesellschaft steht, sollten Verbote aber nur das letzte Mittel sein, wenn die Rechtsstaatlichkeit in Gefahr ist. Das sehe ich hier nicht.
Unsere Demokratie hält es aus, wenn die einen die Staatsmacht beschimpfen und andere gesellschaftliche Ängste schüren. Beides gefällt mir zwar gar nicht, aber verbieten muss man es deshalb nicht. Allerdings sollte auch nicht mit zweierlei Maß gemessen werden. Intoleranz ist grundsätzlich abzulehnen, egal von wem sie ausgeht und gegen wen sie sich richtet.
In Zeiten von Schmähkritik und der öffentlichen Debatte über die Frage, wie weit Kunst gehen dürfe, oder anders gesagt, wo die Geschmacksgrenzen erreicht seien, ist dieses Thema natürlich aktuell. Meine Antwort darauf ist sehr einfach: Kunst hat keine Grenzen, darf auch gar keine Grenzen haben, denn gerade das macht Kunst aus, dass sie Grenzen überwindet, Perspektiven verändert und Dinge auf den Kopf stellen kann und auch darf. Es bleibt die Frage nach dem Geschmack. Das scheint Geschmackssache zu sein, und die Geschmacksgrenzen sind offensichtlich individuell sehr unterschiedlich und werden vom Grundgesetz gerahmt, im Zweifel von Gerichten und nicht von Parlamenten entschieden. Im Fall der Band Slime haben sich Gerichte bereits mit den im AfD-Antrag zitierten Texten befasst. Somit ist die Sache eigentlich völlig klar. Alles, was nicht gesetzlich verboten ist, ist erlaubt, ob es einem nun gefällt oder nicht.
Es bleibt am Ende die Frage, ob ein Veranstalter, in diesem Fall die Freie und Hansestadt Hamburg, vertreten durch den Senat, gut beraten ist, sozusagen den Böhsen Onkelz der Musikszene eine Bühne zu geben oder anders gesagt den schlechten Geschmack aktiv zu verbreiten. Darüber möchten wir im Kulturausschuss reden und beantragen deshalb die Überweisung.
Eines ist aber völlig klar: Zustimmen werden wir dem AfD-Antrag nicht und lehnen ihn in der Sache ab. Den Zusatzantrag der CDU im Übrigen, den wir vor Monaten schon einmal auf der Tagesordnung hatten, werden wir ebenso wie damals ziffernweise abstimmen und der Ziffer 1 zustimmen, Ziffer 2 aber ablehnen. – Vielen Dank.
Meine Damen und Herren! Nach Beratung des Präsidiums sind wir zum Ergebnis gekommen, dass ich Herrn Warnholz einen Ordnungsruf erteile. – Ich erteile jetzt Herrn Dr. Wolf von der AfDFraktion das Wort.
Ich möchte zwei Dinge kurz ansprechen und richtigstellen. Das eine ist gerichtet an den Kollegen von der CDU, der unserem Antrag kritisch vorwarf, wir würden nicht weit genug greifen und uns zu eng begrenzt auf Slime konzentrieren.
Ich erinnere kurz daran, dass wir mit Antrag vom 27. Oktober letzten Jahres, Drucksache 21/2044, den Antrag stellten, dass jede Art von Extremismus gefährlich ist und auch Linksextremismus bekämpft werden muss. Wir haben dort einen ziemlich detaillierten Forderungskatalog für ein Programm und Kampf gegen Linksextremismus vorgestellt. Ihr Antrag scheint in einigen Punkten unserem damaligen Antrag durchaus ähnlich zu sein. Verwunderlich ist allerdings, dass Sie ihn damals mit der übrigen Mehrheit des Hauses abgelehnt haben. Das kurz als Entgegnung auf diesen Punkt, Herr Warnholz.
Der Kollege von der GRÜNEN Fraktion hat, wie mehrere andere Kollegen, Herrn Nockemann vorhin entweder nicht zugehört oder nicht verstanden, was er sagte. Denn es geht uns natürlich nicht um einen Angriff auf die Kunst und die Kunstfreiheit. Das ist in keiner Weise Thema der Debatte, und wer das zu suggerieren versucht, lenkt vom eigentlichen Thema ab. Es geht ausschließlich darum, ob der Staat, die Freie und Hansestadt Hamburg mit staatlichen Mitteln das Auftreten einer Band auf dem Hafengeburtstag, einem Familienfest, finanziert und unterstützt, die mit ihren Texten in einer
Es geht uns ausschließlich darum, dass die Freie und Hansestadt Hamburg für Derartiges keine Mittel verwendet.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte nur auf drei Punkte erwidern. Der eine ist – so wurde es schon angedeutet – unser Antrag, den wir im August letzten Jahres vorgelegt haben. Es ist ein Antrag, mit dem wir den Senat auffordern, ein umfassendes Konzept gegen Linksextremismus aufzulegen. Und ein Mosaiksteinchen darin ist auch, dass bei staatlich organisierten Veranstaltungen, bei Festivitäten, bei denen die Stadt als Veranstalter auftritt, auch Gedankengut und Lieder, die klar den Staat zum Feind haben und zu Gewalt aufrufen, keinen Platz haben.
Das ist ein Mosaiksteinchen dieses Antrags, mit dem wir uns bewusst dafür aussprechen, gegen alle Formen von Extremismus, ob von links, von rechts,