Protocol of the Session on January 20, 2016

laden deren Politiker extensiv in Talkshows ein und führen nette Interviews. Bei der Kanzlerin würde ich die Fragesteller – richtig wäre wohl Stichwortgeber – gelegentlich eher als devot bezeichnen.

(Beifall bei der AfD)

Kritischer Journalismus jedenfalls sieht anders aus. Bei den etablierten Politikern kann man sich übrigens auch beliebt machen, wenn man auf deren politische Konkurrenten draufhaut oder sie wahlweise auch ganz ignoriert. Das ist seit Langem so, und das weiß ich, weil ich mich vor mehr als zehn Jahren ökonomisch sehr intensiv mit diesen Zusammenhängen befasst habe. Die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten wissen sehr genau, warum sie das tun, nämlich um ihre eigenen Privilegien zu verteidigen, die von der Höhe des Rundfunkbeitrags abhängen und nicht am Markt erwirtschaftet werden müssen, wie es bei privaten Fernsehanstalten der Fall ist.

(Milan Pein SPD: Alles Weltverschwörung!)

Auch die Parteien wissen, warum sie das tun; das hatte ich schon gesagt. Wäre ich polemisch, würde ich dies Kumpanei zwischen öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten und etablierten Parteien nennen.

(Beifall bei der AfD)

Der teilweise Ersatz von kritischem Journalismus durch Volksbelehrung und Pädagogisierung, als wären die Bürger kleine Kinder, ist seit Langem gängige Praxis und im Laufe der Zeit immer schlimmer geworden. Dass sie allerdings so verantwortungslos Fakten unterdrücken – nicht generell, aber teilweise – und das Volk, das sie finanziert,

(Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)

beschwichtigen und belügen, wie bei dem Thema Zuwanderungskrise und speziell auch beim Thema Silvester in Köln, macht selbst mich fassungslos.

(Beifall bei der AfD)

(Michael Kruse)

Viele meiner Ökonomen-Kollegen, allesamt Liberale wie ich selbst

(Heiterkeit bei der SPD)

ich sage es noch einmal –, allesamt Neoliberale wie ich selbst,

(Michael Kruse FDP: Bei Ihren Urlaubsrege- lungen könnte man von liberal sprechen!)

sind der Auffassung, der Rundfunkbeitrag sei inzwischen als Folge des technischen Fortschritts obsolet und könne genauso wie der ganze öffentlich-rechtliche Rundfunk abgeschafft werden. Ich schließe mich dieser strikten und extremen Position ausdrücklich nicht an. Aber auf dem Prüfstand stehen auf jeden Fall die Höhe der Rundfunkgebühr und die Kriterien, nach denen sie festgelegt wird – dazu werde ich gleich noch ein paar Worte sagen.

Das Argument vieler Ökonomen ist, dass das Nichtausschlussprinzip, das früher einmal die zentrale ökonomische Begründung war, schon lange nicht mehr gilt. Diese Tatsache lässt sich auch überhaupt nicht bestreiten. Seit der Digitalisierung wäre es sogar für alle Distributionswege – also Kabel, Satellit, Terrestrik, Internet – problemlos möglich, das Ausschlussprinzip anzuwenden.

Weshalb ich persönlich nicht für eine Abschaffung des Rundfunkbeitrags und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bin – und das ist meine persönliche Meinung und nicht die aller Mitglieder meiner Fraktion und meiner Partei –, hängt damit zusammen, dass ich davon ausgehe, dass bei einem freien Marktwettbewerb zwischen dem direkt ausschlussfähigen Pay-TV und dem komplementär ausschlussfähigen werbefinanzierten Fernsehen der Zuschaueranteil von Letzterem riesig wäre und somit die Sendungen des normalen Fernsehens permanent durch Werbeunterbrechungen gestört würden. Wie Sie inzwischen wissen, bin ich häufig genug in den Vereinigten Staaten gewesen,

(Milan Pein SPD: Dass Sie sich das zu sa- gen trauen!)

um zu wissen, dass ich dieses Fernsehen nicht will. Und ich glaube, liebe Kollegen, dass die Deutschen in ihrer ganz überwiegenden Mehrheit das ganz bestimmt auch nicht wollen, wenn sie wüssten, wie die Alternativen sind. Das muss man einfach klar sehen.

Damit kommen wir zur Höhe des Rundfunkbeitrags und damit zum Erlös der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zurück. Diese bestimmen nämlich die Wettbewerbsfähigkeit und nicht, wie sonst üblich, umgekehrt. Das muss man wissen, wenn man über diese Zusammenhänge ökonomisch redet. Es stellt sich die Frage, welche Sendeinhalte so wichtig, wertvoll und unverzichtbar und sonst nicht oder nicht in dieser Qualität zu sehen sind, dass eine Zwangsfinanzierung über den Rundfunk

beitrag legitimiert ist. Diesen zentralen Punkt hat auch mein Vorredner, der den gleichen Namen trägt wie ich, schon richtigerweise hervorgehoben. Dies betrifft zum Beispiel grundsätzlich Sendungen über Kultur, Politik, Dokumentationen, und es betrifft weniger populäre und damit billigere Unterhaltungsinhalte, weniger populäre und damit billigere Sport-Events, zum Beispiel Randsportarten. Wenn wir einen so strengen Maßstab anlegen, dass wir nur diese im öffentlichen Rundfunk zeigen, könnten wir vermutlich den Rundfunkbeitrag halbieren oder dritteln und außerdem die Hälfte aller Haushalte ganz davon befreien. Auch bei einem weniger strengen Maßstab, also nur dem Nicht-Erwerb positionaler Input-Faktoren, die besonders teuer sind, wenn man also zum Beispiel auf Sportrechte für Bundesliga, Champions League und Weltmeisterschaften und auf die Rechte bestimmter TopSpielfilme, die besonders teuer sind und für die es nicht begründbar ist, dass sie mit Zwangsgebühren finanziert werden, verzichten würde, dann würden wir vermutlich immer noch in der Lage sein, dem Antrag der LINKEN ganz entgegenzukommen und vielleicht ungefähr die Hälfte aller Bürger von der Haushaltsabgabe vollständig zu befreien, ohne dass jemand mehr zahlen müsste.

Wäre das ökonomisch zu rechtfertigen? Ja, denn Fernsehen ist immer nicht rival, das heißt, die Grenzkosten, also die Inkrementalkosten pro Zuschauer, sind beim Fernsehen immer null, und die Fixkostendeckung nach Zahlungsbereitschaft ist auch für ganz normale marktwirtschaftliche Unternehmen mit Gewinnabsicht eine normale Preissetzungsmethode, vorausgesetzt, eine Preisdifferenzierung ist möglich.

Die Frage ist also: Sind wir nun für den Antrag der LINKEN? Die LINKEN fordern die Aussetzung der Zwangsvollstreckung für Nichtzahler, also bei den Leuten, die die geltenden Gesetze nicht beachten. Die AfD ist aber die Partei des Rechtsstaats,

(Beifall bei der AfD – Dirk Nockemann AfD: Jawohl!)

und wir würden uns wünschen, dass auch andere Politiker, speziell in Berlin, die geltenden Gesetze ernster nehmen würden. Und weil wir die Partei des Rechtsstaats sind, können wir diesem Antrag der LINKEN ganz bestimmt nicht zustimmen und werden ihn selbstverständlich ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort bekommt Herr Jersch von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nur ganz kurz auf die hier gegebenen Erwiderungen auf unseren Antrag und ganz be

(Dr. Jörn Kruse)

sonders zu den Kollegen Schmidt und Müller: Ich weiß nicht, welches Verständnis Sie vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben, wenn Sie der Meinung sind, dieser Antrag führe zu dessen Untergang. Ich halte ihn für das Beste, was wir im öffentlich-rechtlichen Rundfunk bisher zu bieten hatten.

(Farid Müller GRÜNE: Haben Sie erläutert!)

Sicher kann man sich – Herr Kruse, da gebe ich Ihnen recht – über die Ausgestaltung der Grundversorgung unterhalten. Vielleicht braucht man dafür Begriffsbestimmungen, aber ich sehe nicht, dass ein sozial gerechter öffentlich-rechtlicher Rundfunk dem Untergang geweiht ist.

(Beifall bei der LINKEN und bei Michael Kru- se FDP)

Das ist schlicht und ergreifend nicht richtig.

Und wenn ich hier die Verweise auf den 19. Rundfunkänderungsstaatsvertrag höre, der eine Art Offenbarung zu unserem Antrag sein soll, dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist das beste der Kriterien zu den einzelnen Punkten, die wir aufgeführt haben, noch die Bezeichnung "auf einem guten Wege". Aber wir wollen alles, nicht nur die Hälfte. Was in diesem Vertrag steht, ist nicht das, was wir uns vorstellen.

(Beifall bei der LINKEN)

Insofern sind zumindest Ihre hier vorgebrachten Redebeiträge für das Image des öffentlich-rechtlichen Rundfunks das Schlechteste, was passieren kann, und es tut mir fast schon leid, diese Diskussion angestoßen zu haben. Sie reden den öffentlich-rechtlichen Rundfunk richtig schlecht, und für das Thema soziale Gerechtigkeit in diesem Lande fehlt Ihnen anscheinend doch Empathie. Trotz alledem bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. – Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr. Dann können wir zur Abstimmung kommen.

Wer dem Antrag der LINKEN aus der Drucksache 21/2758 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.

Punkt 62 unserer heutigen Tagesordnung, Drucksache 21/2746, gemeinsamer Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP: Hamburgs Jugendvollzug auf Hamburger Gebiet belassen.

[Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP:

Hamburgs Jugendvollzug auf Hamburger Gebiet belassen – Drs 21/2746 –]

Diese Drucksache möchten die Fraktionen der CDU, LINKEN und FDP an den Ausschuss für Justiz und Datenschutz überweisen.

Wer wünscht das Wort? – Frau von TreuenfelsFrowein von der FDP-Fraktion, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Senator Steffen, im Juli 2009 haben Sie als Justizsenator der schwarz-grünen Koalition an diesem Pult gestanden und das neue Jugendstrafvollzugsgesetz begründet. Ich zitiere:

"Die erfolgreiche Resozialisierung ist der beste Schutz vor neuen Straftaten, weil die Gefangenen von heute die Entlass[enen] von morgen sind."

Und weiter heißt es – eigentlich ziemlich sinnvoll, finde ich –, man schreibe die – Zitat –

"[…] Orientierung an der individuellen Situation des einzelnen Gefangenen […]"

fort. Ich wiederhole das noch einmal: die Orientierung an der individuellen Situation des einzelnen Gefangenen. Sie sei ein ganz wichtiges Instrument bei der Resozialisierung. Das haben Sie damals hier gesagt. Heute, sechseinhalb Jahre später, machen Sie mit der Zerschlagung des Hamburger Jugendstrafvollzugs das genaue Gegenteil. Der geschlossene Jugendstrafvollzug soll nach Schleswig-Holstein, die Jugenduntersuchungshaftanstalt soll nach Billwerder und der offene Jugendvollzug nach Fuhlsbüttel. Ich sage Ihnen schon jetzt, dass in diesem Bermudadreieck der grünen Justizpolitik jegliche Chancen zur Resozialisierung verschwinden.