Protocol of the Session on November 11, 2015

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Der dritte Punkt ist ein besonderer, Frau Prien. Wenn Sie immer auf Bayern und andere Bundesländer verweisen, dann bitte ich Sie, einmal ganz genau hinzuschauen. Viele Bundesländer machen nämlich etwas, was ich in Hamburg ablehne. Sie machen diese besonderen Schulangebote nur für diejenigen, die einen gesicherten Aufenthaltsstatus haben. Das bedeutet, dass wir drei Viertel, manchmal vier Fünftel, über 80 Prozent, in Hamburg schlicht von solch einer Schulbildung ausschließen würden. Deswegen haben wir uns mit diesem Modell entschieden zu sagen, egal wie der Aufenthaltsstatus ist, wir möchten allen jungen Menschen die Hand reichen und ihnen die Chance geben, sich gut ausbilden zu lassen, weil wir ihnen allen die Möglichkeit geben wollen und weil wir verhindern wollen, dass in Hamburg eine große Gruppe überhaupt nicht in den Arbeitsmarkt integriert werden kann. Das ist viel schwieriger, viel teurer, auch gesellschaftlich viel problematischer, und deswegen ist hier die dritte Besonderheit: Jeder, der in Hamburg angekommen ist, nimmt an dieser Maßnahme teil, ausnahmslos. Das ist etwas Besonderes, was wir nur in wenigen Bundesländern finden.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Der eigentliche, vierte Punkt ist angesprochen worden, und ich will ihn noch einmal deutlich machen. Wir sagen nicht nur, dass diese jungen Menschen zur Schule gehen sollen, sondern sie sollen auch in den Betrieben lernen, und das geht so: Nach einer mehrwöchigen reinen Schulzeit am Anfang, während der die deutsche Sprache zumindest einigermaßen gelernt wird, lernen diese jungen Menschen jede Woche zwei oder drei Tage in einem echten Betrieb. Das hat aus meiner Sicht enorme Vorteile. Zwei bis drei Tage in der Woche in der Schule, zwei bis drei Tage im Betrieb. Sie haben die Chance, gleich Praxiserfahrung zu sammeln. Sie können auch in die Berufswelt hineinwachsen. Sie können dabei sozial lernen, wie das im Betrieb und in der Gesellschaft funktioniert, und das heißt auch Kontakt nicht nur mit Lehrerinnen und Lehrern, sondern mit echten Ausbildern, mit echten Angestellten und mit Arbeiterinnen und Arbeitern, die dort alle im Betrieb tätig sind. Ich glaube, das trägt ganz enorm zur Integration bei und hat einen weiteren Vorteil. Neben den Lehrern gewinnen wir nämlich eine weitere Kraft, die uns bei der Integration hilft: diese vielen Menschen in den Betrieben, die Ausbilder, die das gut können. Ich glaube, das ist ein ganz zentrales Moment, dass diese jungen

(Senator Ties Rabe)

Menschen eben nicht nur abstrakt die Schulbank drücken, sondern dass sie gleich in der Gesellschaft und im Leben ankommen durch dieses regelmäßige betriebliche Praktikum.

Ich bin der Wirtschaft sehr dankbar, dass sie in den vielen Gesprächen, die wir dazu geführt haben, schon signalisiert hat, man werde die 2 000 Praktikumsplätze, und das ist kein Pappenstiel, gemeinsam finden, um dieses besondere Angebot möglich zu machen. Dieser vierte Punkt, die Integration gleichzeitig im Rahmen der Schule mit einem betrieblichen Praktikum, ist aus unserer Sicht ein ganz entscheidender Schritt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Damit komme ich zum Schluss. Ich glaube, es ist tatsächlich viel, viel Arbeit nötig, um über 6 000 Kinder mit Zuwanderungshintergrund hier zu integrieren und ihnen Chancen zu geben. Das ist nicht einfach, und da wird es Schwierigkeiten geben, das ist wahr. Aber ich erinnere auch einmal daran, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass das gelingen kann. Dass es gelingen kann, zeigen Hamburgs Schulen. Hamburgs Schulen haben zurzeit fast 50 Prozent Kinder, die entweder selbst aus dem Ausland zugewandert sind oder deren Eltern zugewandert sind – 50 Prozent. Wenn man sich das anschaut, dann kann man wirklich sagen, dass hier in den letzten 30, 40 Jahren von den Schulen Enormes geleistet worden ist, was uns mutig machen sollte, diese Aufgabe anzugehen. Ich bin zuversichtlich, dass das gelingen wird, und das wird unsere Hansestadt reicher machen und voranbringen. – Vielen Dank für die Unterstützung.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Dann bekommt Frau Prien von der CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Senator, wenn Sie uns vorwerfen, wir hätten mehr dazu sagen sollen, wie das denn gehe mit einer Verbesserung der Flüchtlingsbeschulung, dann kann ich Ihnen nur die Lektüre unseres Antrags empfehlen, da können Sie das nämlich nachlesen. Bei unserer Kritik am Verfahren geht es gerade darum, dass Sie beziehungsweise die Regierungsfraktionen eben nicht bereit sind, auf Grundlage unseres Antrags die Frage einer besseren Flüchtlingsbeschulung in Hamburg zu beraten.

Frau von Berg, das ist schon eine ziemliche Kahlheit: Um 14.31 Uhr bekomme ich von Ihnen eine SMS, nachdem Ihnen die "taz" – wirklich keine Zeitung, die normalerweise unsere Position unterstützt – heute gerade Trickserei in Sachen Flüchtlingsbeschulung vorgeworfen hat und Ihnen bescheinigt hat, dass Sie aus unseren Anträgen ab

schreiben, um sie dann hinterher im Parlament wieder vorzulegen. Dann kommen Sie um 14.31 Uhr und bieten eine Selbstbefassung an. Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst. Wir haben Anträge, auf deren Grundlage wir beraten können. Diese Anträge können Sie an den Ausschuss überweisen, und auf der Grundlage können wir dann beraten. Ihre Selbstbefassung jedenfalls brauchen wir nicht.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Joachim Körner AfD)

Herr Senator, offensichtlich kennen Sie sich mit dem, was in anderen Bundesländern läuft, einfach nicht richtig aus. Tatsache ist, dass die Bayern seit Anfang dieses Schuljahres sämtliche jugendlichen Flüchtlinge unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus, gerade wegen der Überlegungen, die ich Ihnen vorhin zu der Triple-Win-Strategie vorgetragen habe, selbstverständlich in die BAF-Klassen übernehmen. Es entspricht einfach nicht der Wahrheit, was Sie hier vorgetragen haben, und es wäre schön, wenn Sie künftig dann auch in diesen Sachfragen bei der Wahrheit bleiben würden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau von Berg von der GRÜNEN Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Okay, dann brauchen wir keine Selbstbefassung nach Auskunft der CDU. Das ist einmal eine interessante Information, dass jetzt auch keine Selbstbefassungen mehr gebraucht werden, wenn Anträge nicht überwiesen werden. Das hat für mich nichts mit sachlich-fachlichem Auseinandersetzen im Ausschuss zu tun, das ist komisches parlamentarisches Gebaren.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Ich habe mich aber eigentlich gemeldet, weil es hier tatsächlich, worauf Herr Senator Rabe ganz richtig hingewiesen hat, um die Sache geht. Wir reden nämlich in dieser Debatte, anders als in der übernächsten Debatte, über die Beschulung von 16- bis 18-Jährigen. Warum ich mich gemeldet habe, ist der Vorwurf von zwei Fraktionen, dass es kein Konzept gebe. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie vielleicht einmal im Internet nachschauen und sich das Pilotprojekt AvM anschauen, das nämlich Pate ist für unseren Antrag, über den Sie jetzt abstimmen sollen. Da ist sehr genau dargelegt, wie dieses Projekt aussieht. Es gibt ein wunderbares Konzept, es ist alles hinterlegt, das ist auch schon ausprobiert, und da hätte ich mir ein bisschen mehr Vorbereitung gewünscht.

Aber ich freue mich darauf, im Ausschuss auch über die Bedenken von Frau Heyenn zu sprechen,

(Senator Ties Rabe)

über die wir tatsächlich gern noch einmal reden wollen, sehr sachlich, unaufgeregt und wie es der Sache dient, denn wir alle oder die allermeisten von uns möchten doch, dass die jungen Migrantinnen und Migranten in dieser Stadt ankommen, eine Perspektive haben und wir gemeinsam zu einer multi-ethnischen Gesellschaft zusammenwachsen. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt Frau Boeddinghaus von der Fraktion DIE LINKE.

Ich finde eigentlich, dass dem Senator, der SPD und den GRÜNEN etwas mehr Demut gut zu Gesicht stehen würde angesichts der realen Situation in Hamburgs Schulen. Ich finde es wirklich eine Zumutung, Herr Senator Rabe, wenn Sie formulieren: "Die spannende Frage, die uns alle bewegen sollte, ist …", und dann kommt das mit der gelingenden Integration. Das ist die spannende Frage, die uns in der Tat alle bewegt. Deswegen haben wir uns viel Mühe gemacht, haben uns oft mit den Lehrerinnen und Lehrern getroffen und haben diese Anträge geschrieben. Diese dann wegzustimmen und zu sagen, wir würden uns nur an Verfahrensfragen aufhängen und uns eigentlich um die Sache an sich nicht kümmern, ist gelinde gesagt – was würde jetzt hier zutreffen? – nicht in Ordnung.

(Beifall bei der LINKEN, der FDP und bei Karin Prien CDU – Kazim Abaci SPD: Das wurde schon mal gesagt!)

Man muss es aber noch einmal sagen.

Es ist nicht Sache eines Senators, dies zu bewerten. Er sagt dann auch, wir sollten hier konkreter werden. Wir wären sehr gern konkret geworden, wenn Sie unsere Anträge im Ausschuss beraten würden.

(Zuruf von Kazim Abaci SPD)

Herr Abaci, ich sage es aber, sooft ich es sagen will, denn es ist nicht in Ordnung, wie SPD und GRÜNE sich der Opposition gegenüber verhalten.

(Farid Müller GRÜNE: Wir überweisen doch Anträge!)

Dass die Halbtagsangebote in Ganztagsangebote übernommen werden, ist eine super Sache. Dann frage ich Sie aber allen Ernstes, warum Sie denn unsere Forderung, dass die Beschulung der Flüchtlingskinder auch ganztägig erfolgen soll, abgelehnt haben. Das begreife ich überhaupt nicht. Sie sind überhaupt nicht konsistent in Ihrer eigenen Aussage. Klassengröße, Aufenthaltsstatus, Praxiserfahrung, das ist doch alles richtig, und das

unterstützen wir doch auch in der Sache. Aber wo ist denn eigentlich Ihre Fähigkeit, auch einmal unsere Kritik und die Kritik aus den Schulen aufzunehmen, die sagen: Ist das AV-Dual denn der richtige Rahmen dafür? Da könnten Sie vielleicht wenigstens einmal zuhören und die Praktiker vor Ort ernst nehmen und überlegen, ob es Sinn machen würde, darüber einmal ernsthaft nachzudenken. Ich hoffe, dass Sie bis zum Ausschuss diese Fähigkeit vielleicht noch ein bisschen entwickeln und dass wir dann wirklich zu einer guten, sachlichen Debatte kommen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Frau von Treuenfels von der FDP-Fraktion.

Vielen Dank. – Ich habe gerade aus den Reihen der SPD gehört, man würde das so gern in den Ausschüssen beraten und ich solle jetzt einmal nichts mehr sagen. Aber solange wir nichts zu beraten haben, weil nichts überwiesen wird, solange können wir es doch hier tun, nicht wahr, Herr Pein?

(Beifall bei Karin Prien CDU)

Ich habe noch etwas, Herr Rabe. Und zwar haben Sie uns gerade gesagt, wir würden so wenig über die Inhalte und die Verfahren sprechen. Die Opposition hat hier schon sehr deutlich gemacht, warum wir das tun. Das ist auch ein Zeichen dafür, wie wenig Sie involviert sind, gerade in Sachen Berufsschule. Jetzt haben Sie einmal einen guten Antrag vorgelegt, aber nun damit zu prahlen, können Sie sich ehrlich gesagt überhaupt nicht erlauben. Bis vor Kurzem wussten Sie noch nicht einmal, dass aus den Berufsschulen jedes Jahr eine gute Zahl – 200 bis 300 – jugendliche Migranten mit unbekanntem Abschluss abgeht. Das wussten Sie überhaupt nicht, und nur weil wir die Berufsmaßnahmen abgefragt haben, ist das herausgekommen. Davon hatten Sie keine Ahnung. Und dann wollen Sie uns sagen, dass Sie die Sache im Griff haben? Da kann ich echt nur lachen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Alexander Wolf AfD)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr, dann können wir zu einer Reihe von Abstimmungen kommen.

Wer zunächst einer Überweisung des CDU-Zusatzantrags, der Drucksache 21/2165, an den Schulausschuss zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit Mehrheit passiert.

Wer nun auch die Drucksache 21/1953 an den Schulausschuss überweisen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Ent

(Dr. Stefanie von Berg)

haltungen? – Das Überweisungsbegehren ist abgelehnt.

Wir kommen dann zur Abstimmung in der Sache über den gemeinsamen Antrag der Fraktionen der SPD und der GRÜNEN aus der Drucksache 21/ 1953.

Wer sich diesem anschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit großer Mehrheit passiert.

Die Fraktionen der SPD und der GRÜNEN möchten die Drucksache 21/1953 nun nachträglich an den Schulausschuss überweisen.

Wer so verfahren möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das nachträgliche Überweisungsbegehren ist angenommen.

Bevor wir den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufen, haben wir noch ein paar Wahlergebnisse.