Protocol of the Session on September 16, 2015

(Farid Müller GRÜNE: Sie wissen, dass es so nicht ist!)

Doch, ich weiß, dass es so ist. Sonst hätten Sie in der Mehrbedarfsdrucksache die entsprechenden Ausgaben für 2017 und 2018 ausgewiesen. Das steht in den Tabellen aber nicht.

(Dr. Andreas Dressel SPD: 17/18 ist der nächste Haushalt!)

Das weiß ich.

Sie behaupten das ins Blaue hinein, aber es ist nicht wahr, und ich finde es, ehrlich gesagt, eine ziemliche Unverschämtheit, Herr Müller, wenn Sie behaupten, wir würden wirtschaftliche Interessen gegen die der Flüchtlinge ausspielen.

(Beifall bei der CDU)

Das ist nicht der Fall, sondern wir müssen alle ein Interesse daran haben, die wirtschaftliche Leistungskraft unserer Stadt zu erhalten, damit wir die immensen Aufgaben und die Folgekosten, die angesichts dieser Herausforderung auf uns zukommen, gemeinsam wuppen können. Dazu sind wir nach wie vor bereit. Aber das gemeinsame An-einem-Strang-Ziehen kann sich nicht darin erschöpfen, dass wir Ihnen regelmäßig Blankoschecks erteilen. Wenn Sie mit uns gemeinsam Flüchtlingspolitik in Hamburg machen wollen, dann müssen Sie sich auch mit uns gemeinsam an einen Tisch setzen. Wir sind dann gern bereit, mit Ihnen zusammen über die notwendigen Maßnahmen zu beraten. Blankoschecks werden Sie von uns nicht bekommen. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Prien. – Das Wort hat Frau Möller von der GRÜNEN Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wie führt man eine Debatte zu dieser Mehrbedarfsdrucksache? Man kann das mit Blick auf die Menschen tun, über die wir reden, die Geflüchteten, die bei uns angekommen sind. Man kann sehr deutlich die Notwendigkeiten beschreiben, denen der Senat und die Behörden gegenüberstehen. Man kann den großartigen Einsatz der Menschen beschreiben, die freiwillig sehr viel tun, den Einsatz der Betriebe, der Initiativen, großer Teile dieser Gesellschaft, die helfen und sich seit zwei Wochen Tag und Nacht um die Angekommenen kümmern. Und man kann natürlich auch das tun, was Sie getan haben, Frau Prien. Man kann sagen, dass Bilder, die den Einsatz von Tränengas gegen Flüchtlinge zeigen, unerträglich sind – das haben alle beklatscht –, und dann mit einer Legendenbildung anfangen. Aber das sollten wir sein lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Denn das, was den europäischen Weg in der Flüchtlings- und Asylpolitik maßgeblich bestimmt hat, ist natürlich bundesrepublikanische Politik gewesen, und daran hat die CDU einen Anteil. Alle, die wir in der Bundesrepublik in den letzten 20, 25 Jahren gemeinsam Politik gemacht haben, haben einen Anteil daran. Wir sind aber hier und heute in der Situation, ganz konkret Menschen, die hier sind, helfen zu müssen. Das realisieren wir. Dafür geben wir dem Senat das Geld.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Die Drucksache ist so konkret, wie sie es im Moment sein kann. Natürlich könnte es konkreter sein, und es wird auch immer konkreter werden. Das wird nicht unsere letzte Debatte sein. Wir werden uns immer wieder zu konkreten Flächen- und Hilfsanforderungen verhalten müssen. Deshalb ist das eine gute und die Situation konkret genug darstellende Arbeitsgrundlage, und die ist wichtig. Sie zu erstellen, hat lange gedauert, aber es musste auch so lange dauern, damit sie anwendbar und händelbar ist.

(Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und Beifall bei der SPD)

Zu Ihrem Forderungskatalog im Hinblick auf den Bund, verehrte Kollegin. Sie sollten das mit Ihren Fraktionen diskutieren. Dass Rot-Grün sich damit auseinandersetzt, Rot-Grün in Hamburg sich maßgeblich einbringt, zustimmt, sich streitet und Kompromisse sucht, dürften Sie wissen, es ist unnötig, uns in Ihrem Antrag noch einmal darauf hinzuweisen. Deswegen, Frau Bekeris hat es schon gesagt, gibt es eine Ablehnung Ihres Antrags. Er passt auch nicht zu der tatsächlichen Notwendigkeit, über die wir heute reden, denn dabei geht es ganz konkret um die Situation in Hamburg.

Wir haben, ich will es einmal sehr klar sagen, vier Aufgaben: Es kommen Menschen an, sie müssen aufgenommen werden, sie müssen betreut werden, sie brauchen Perspektiven in dieser Stadt. Alle Elemente, die sich um diese vier Themen ranken, sind in der Mehrbedarfsdrucksache enthalten und müssen weiterentwickelt werden. Frau Bekeris hat viele Beispiele genannt, die ich jetzt nicht alle noch einmal aufzähle. Wir steigen ganz konkret in verschiedene Dinge ein, die gar nicht alle in dieser Drucksache stehen – müssen sie auch gar nicht, weil wir sie an anderer Stelle schon diskutiert haben und immer wieder diskutieren werden. Wir werden sie im Flüchtlingsforum diskutieren, und wir werden sie anhand einzelner Anträge, Arbeitsmarktanträge und anderer, immer weiter diskutieren.

(Glocke)

(Karin Prien)

Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Warnholz?

Frau Möller, Sie haben eben vier Punkte aufgezählt. Soweit kann ich persönlich Ihnen folgen. Aber wir bei der CDU haben noch einen fünften Punkt. Könnten Sie sich vorstellen, dass Sie diesem auch folgen können? Es muss solide finanziert werden.

Es ist solide finanziert, Herr Warnholz.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Und wenn es nicht solide finanziert ist, dann werden wir uns wieder damit befassen, das ist doch ganz klar. Das ist unser Job als Parlamentarier.

Das große Ziel dabei ist doch eines, das wir schon seit Monaten umzusetzen versuchen, was aber durch die Entwicklung der Situation in den letzten 14 Tagen einerseits noch viel schwieriger zu erreichen, andererseits aber umso dringlicher geworden ist. Das große Ziel ist, dass alle, ob auf der Seite der Behörde, auf der Seite der Politik oder auf Seiten der Freiwilligen, herauskommen aus dem Notfallmodus, der uns jeden Abend, jede Nacht, jeden Morgen erwartet, weil es wieder einen Zug mit Flüchtlingen gegeben hat, die genau die gleiche Unterstützung und Hilfe brauchen, die wir denjenigen gegeben haben, die am Tag oder in der Woche zuvor gekommen sind. Diese Drucksache ist eine gute Grundlage, um aus diesem Notfallmodus herauszukommen – wie groß der Notfall jeden Tag ist, muss man nicht dazuschreiben –, das wird sich in der Flexibilität zeigen, mit der wir die Behörde jetzt ausstatten.

Ich mag mir einfach auch nicht immer wieder anhören müssen, dass Sie jede Debatte noch einmal dazu nutzen zu sagen: Und dann gibt es aber welche, die haben ganz sicher einen Anspruch, und andere nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD – Karin Prien CDU: Aber so ist es nun mal! – Zuruf von André Trepoll CDU)

Wir reden hier und heute über diejenigen, die schon hier sind, darüber, was sie an Unterstützung brauchen und was wir tun können. Das ist hier und heute die absolute Notwendigkeit. Dafür ist diese Drucksache die richtige und eine gute Grundlage.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Möller. – Das Wort hat Frau Özdemir von der Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist ein Fortschritt, dass nun mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden. Aber problematisch an dieser Drucksache ist, dass sie keinerlei Auskünfte darüber gibt, ob diese 570 Millionen Euro angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen ausreichen werden.

(Jan Quast SPD: Was meinen Sie denn?)

Es handelt sich, das kann man sagen, lediglich um eine Einschätzung des Senats,

(Zurufe von der SPD)

aber wenn Sie sich die Situation in Ungarn, in Österreich anschauen, dann kann man doch deutlich sehen, dass diese Summe nicht ausreichen wird, weil noch mehr Menschen hierherkommen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Eines ist klar, diese Drucksache ist intransparent, und wir sind nicht die einzigen, die das sagen. Es ist überhaupt nicht erkennbar, wofür die Gelder im Einzelnen verwendet werden. Senator Tschentscher konnte auf der Pressekonferenz noch nicht einmal sagen, welches der größte Posten sein wird, er konnte nur raten – vielleicht die HzE, vielleicht auch ein anderer Posten. Sie hatten als Senat aber die Aufgabe, die Bedarfe vorausschauend festzustellen und transparent darzustellen, und das haben Sie nicht getan. Das zeigt wiederum, wie chaotisch Sie die Situation verwalten und dass hinter dieser Flüchtlingspolitik wieder einmal kein Konzept steckt.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich kann mir vorstellen, dass der Senat sich nach einem Jahr wieder hier hinstellt und sagt, er habe nicht vorhersehen können, wie viele Flüchtlinge kommen werden, obwohl heute schon deutlich ist, dass die Zahlen sich immer weiter erhöhen werden.

(Zurufe von der SPD)

Schauen wir uns die Situation an, wir können doch einschätzen, wie sich das entwickeln wird. Mein Gott, das konnten wir schon 2011 sehen.

(Glocke)

Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Meine Damen und Herren! Es redet zunächst einmal nur Frau Özdemir, aber ich frage Sie, ob Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schwieger zulassen.

Frau Özdemir, können Sie mir sagen, wie viele Flüchtlinge kommen werden?

Das kann ich Ihnen nicht sagen.

(Zurufe von der SPD)

Ich kann Ihnen keine konkrete Zahl nennen.

(Jens-Peter Schwieger SPD: Aber das ver- langen Sie von uns!)

Aber der Senat muss sich darauf einstellen, dass es eine höhere Zahl sein wird. Schauen Sie sich die Flüchtlinge an, die jeden Tag am Hauptbahnhof ankommen, daran wird es doch schon deutlich. Schauen Sie sich die Situation auf der Welt an. Ein Blick nach Syrien, ein Blick nach Irak, ein Blick in die Türkei zeigt doch, dass sich die Zahlen noch einmal steigern werden. Darauf müssen Sie sich einstellen