Protocol of the Session on September 16, 2015

Der eine oder andere wird auch mit Geschehnissen konfrontiert werden, die Menschen auf der Flucht erlebt haben und ihnen dann erzählen. Dann ist es wichtig, dass sie das Gefühl haben und wissen, dass sie nicht allein gelassen werden,

(Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg)

sondern dass die ganze Stadt mit ihrer Hilfe, die sie leistet, hinter ihnen steht.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir uns die Berichterstattung mit den Bildern von den Menschen anschauen, die hier zu Fuß auch teilweise über die Autobahn gehen, dann mag man das Gefühl haben, dass die Welt aus den Fugen geraten ist. Und das ist auch so. Wenn wir nach Syrien, Afghanistan, Eritrea und an viele andere Stellen der Welt schauen, dann ist die Welt dort für die Menschen aus den Fugen geraten, und wir selbst müssen auch ehrlich uns gegenüber sein, dass unser Wohlstand und unsere Sicherheit in Europa auch etwas mit diesen Konflikten auf der Welt zu tun haben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Deshalb ist es wichtig, dass wir unsere Verantwortung hier übernehmen und die Herausforderung stemmen. Ich weiß, wir können das, wenn alle weiter mithelfen, und ich bin mir auch sicher, dass die Hamburgerinnen und Hamburger das wollen.

Meine Damen und Herren, wir haben die Aufstockung der Haushaltsmittel für die Flüchtlingshilfe gemeinsam gründlich beraten. Wir waren uns weitestgehend einig, dass die beantragten Finanzmittel in Höhe von über einer halben Milliarde Euro für dieses und nächstes Jahr sowohl in der beantragten Form als auch in der Höhe angesichts der Herausforderung angemessen sind.

Zu dem Zusatzantrag der CDU möchte ich jetzt nur Folgendes sagen: Mich wundert schon, dass Sie offenbar nicht der Versuchung widerstehen konnten, Ihre Forderungen doch noch mit einigen polemischen Seitenhieben zu versehen, die mit der Herausforderung, vor der wir stehen, nun wirklich gar nichts zu tun haben. Wir werden Ihren Antrag deshalb ablehnen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich bitte Sie, der einstimmigen Empfehlung des Haushaltsausschusses zu folgen und die beantragten Mittel zur Verfügung zu stellen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Bekeris. – Das Wort hat Frau Prien von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bilder, die uns zur Stunde von der ungarischen Grenze erreichen, sind unerträglich, und ich darf im Namen meiner Fraktion sagen, dass das keine Politik ist, die in Europa beispielgebend sein darf.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Dennoch müssen wir heute das tun, was Udo Di Fabio in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" diesen Montag zu Recht gefordert hat. Wir müssen trotz allen Mitgefühls eine nüchterne und sachliche Debatte führen. Frau Bekeris, wir als Union haben in den Jahrzehnten der Bundesrepublik die Debatten über Asyl und Zuwanderung immer verantwortlich geführt.

(Kazim Abaci SPD: Das kann ja anders wer- den!)

Unter Konrad Adenauer sind rund 12 Millionen Heimatvertriebene in die deutsche Gesellschaft integriert worden. Adenauer und Kohl sind die Väter der europäischen Binnenmigration, und auch die Aufnahme der Boatpeople hat ein CDU-Politiker, Ernst Albrecht, vorangebracht. Wir haben auch immer die Risiken der Zuwanderung, vor allem der Zuwanderung in Parallelgesellschaften, betont. Hier und heute werden wir dieser Verantwortung gerecht werden. Das heißt aber nicht, dass wir Ihnen für alles, was Sie tun, einen Blankoscheck ausstellen. Das würde aus meiner Sicht einem demokratischen Miteinander nicht gerecht werden.

Wir haben monatelang auf Ihre Mehrbedarfsdrucksache gewartet. Sie war ursprünglich sehr viel länger; ursprünglich waren konkrete Bedarfe in der Drucksache beschrieben. Als wir sie dann endlich bekamen, waren wir doch ein wenig konsterniert über die Dürftigkeit, insbesondere was die Beschreibung des Maßnahmenkatalogs angeht. Ja, Frau Bekeris, wir haben im Haushalts- und im Sozialausschuss beraten. Es waren aber relativ kurze Beratungen, weil es nicht so schrecklich viel zu beraten gab. Am Ende des Tages kann ich nur wiederholen, was ich im Haushaltsausschuss gesagt habe: Sie hätten in die gleiche Drucksache schreiben können, Sie bräuchten 300 Millionen Euro mehr oder 800 Millionen Euro mehr. Es hätte gar keinen Unterschied gemacht, Sie hätten sie mit der gleichen Begründung vorlegen können.

(Beifall bei der CDU)

Das macht es für uns auch so schwierig und, ich will es gleich vorweg sagen, es macht es für uns unmöglich, dieser Drucksache zuzustimmen.

Ich will kurz sagen, warum wir das nicht können, gerade im Hinblick auf die humanitären Maßnahmen, die – Sie haben es beschrieben – dringend erforderlich sind. Wir haben im Augenblick nicht den Eindruck, dass es Ihnen gelungen ist, Herr Senator Scheele – und ich weiß, wie sehr Sie sich bemühen –, Strukturen in der Stadt zu schaffen, die uns in die Lage versetzten, mit dieser Herausforderung der humanitären Unterbringung wirklich angemessen umzugehen.

(Zuruf von Wolfgang Rose SPD)

Wir haben nicht den Eindruck, dass die Lenkungsgruppe in einer Weise aufgestellt ist, dass sie in

(Ksenija Bekeris)

der Lage wäre, die notwendigen Flächen in der notwendigen Zeit zu beschaffen. Und wir haben auch nicht den Eindruck, dass Sie endlich die Notwendigkeit ernst nähmen, die großen Hilfsorganisationen und die Träger der freien Wohlfahrtspflege stärker in die Pflicht zu nehmen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Stimmt doch gar nicht!)

Sie stehen bereit, auch in größerem Umfang als bisher einzelne Unterkünfte zu betreiben. Diesen Ansatz, nämlich zu glauben, die Stadt könne und müsse das alles selbst kontrollieren und bewältigen, finden wir falsch. Sie müssen mehr Verantwortung auf mehr Schultern verteilen, und wir können Sie nur dringend dazu auffordern, dies endlich anzugehen.

(Beifall bei der CDU)

Darüber hinaus haben wir noch weitere erhebliche Bedenken gegen Ihre Drucksache. Es gibt nämlich einen anderen wichtigen Teil, den die Flüchtlingspolitik leisten muss, und zwar, die Anreize für Menschen, die in Deutschland voraussichtlich keinen Flüchtlingsstatus und kein Asyl erhalten werden, zu reduzieren. Und dazu gehört eben auch, ehrlich zu sagen, dass bestimmte Gruppen, insbesondere Menschen aus Ländern, die in der Klassifikation bereits sichere Herkunftsstaaten sind oder die es aus unserer Sicht werden müssen, bei uns nicht werden bleiben können. Deshalb müssen wir sie recht deutlich darauf aufmerksam machen, dass sie gar nicht erst kommen sollen, und wenn sie kommen, müssen wir ihnen deutlich machen, dass sie schnell wieder in ihre Heimatländer zurückkehren müssen.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Ludwig Flocken AfD)

Diesen Ansatz, Herr Dressel, könnten Sie ohne Weiteres unterstützen, indem Sie im Bundesrat der Klassifizierung etwa des Kosovo, Albaniens oder Montenegros als sichere Herkunftsländer zustimmen. Dazu fordern wir Sie auf. Sie sind dazu als rot-grüne Koalition nach wie vor nicht bereit. Solange Sie nicht bereit sind, in dieser Frage konsequent zu handeln, handeln Sie nicht gut und nicht verantwortungsvoll für unsere Stadt.

(Beifall bei der CDU)

Darüber hinaus sind wir der Auffassung, dass Sie auch in Hamburg selbst für diese Gruppe von Flüchtlingen, die keine Bleibeperspektive haben, eine gesonderte Erstaufnahmeeinrichtung schaffen sollten, damit dort die schnellere Bearbeitung der Asylanträge und eine abschließende rechtliche Bearbeitung dieser Anträge möglich ist.

Meine Damen und Herren! Wir müssen das Signal nach außen senden, dass wir bereit sind, konsequent den Menschen zu helfen, die wirklich in Not sind, dass andererseits aber diejenigen, die es

nicht sind, sondern mit dem Wunsch nach einem besseren Leben zu uns kommen, nicht bei uns bleiben können.

(Beifall bei der CDU und der AfD)

Herr Dressel, ich finde es immer wieder süß, wie genüsslich Sie uns die 15,9 Prozent vorhalten. Soll ich Ihnen die 13 Prozent aus Sachsen vorhalten, die Sie heute kassiert haben, übrigens genauso viel wie die AfD? Und für die NPD gab es noch 5 Prozent obendrauf.

(Kazim Abaci SPD: Das hat mit unserem Thema nichts zu tun! – Dr. Andreas Dressel SPD: Sachsen ist ein Sonderfall!)

Sachsen ist schwierig, aber nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass die Gefahr, dass Rechtspopulisten und Rechtsradikale in unserem Land Boden gewinnen, nicht an den Haaren herbeigezogen ist.

(Beifall bei der CDU)

Glauben Sie denn wirklich, dass wir in Deutschland das moralisch überlegene Volk in Europa sind? So ist es nicht, meine Damen und Herren. Und deshalb ist es zwingend …

(Zurufe)

Ach, aber Sie haben ein Konzept? Na, wunderbar. Und weil Sie ein Konzept haben, müssen wir die Menschen jetzt den Winter über in beheizten Zelten unterbringen.

(Jan Quast SPD: Das ist billig!)

Was das Konzept betrifft, finde ich, sollten Sie sich ein bisschen zurückhalten.

(Beifall bei der CDU)

Sofern Sie diesem Hause konkrete Vorschläge unterbreiten, die uns sinnvoll erscheinen, etwa im Zusammenhang mit dem Flüchtlingsforum und der Freiwilligenhilfe – das ist Teil der Maßnahmen, die in der Drucksache vorgeschlagen werden –, werden wir diese selbstverständlich weiter unterstützen; Blankoschecks werden Sie von uns nicht erhalten.

(Beifall bei der CDU)

Ich will noch zwei Sätze zum Thema Finanzierung sagen. Wir halten es für einen Kardinalfehler, die Finanzierung dieses in der Größenordnung unbestrittenen Mehrbedarfs zu einem erheblichen Teil über den Haushalt der Wirtschafts- und Verkehrsbehörde finanzieren zu wollen. Wir müssen doch gerade die Leistungsfähigkeit unserer hamburgischen Wirtschaft erhalten, um diese Mehrausgaben – und die 500 Millionen Euro werden nicht die letzten gewesen sein – …

(Farid Müller GRÜNE: Sie wissen, dass es so nicht ist!)