Protocol of the Session on August 14, 2019

Globalisierung und technischer Fortschritt machen schlicht und ergreifend auch im Bereich der Gefahrenabwehr und bei Straftaten natürlich nicht halt. Immer mehr Straftaten werden im oder mithilfe des Internets begangen, und immer mehr Straftäter agieren international. Wir dürfen es nicht zulassen, dass Kriminelle, die im Internet unterwegs sind, der Polizei oft und meistens einen Schritt voraus sind. Die Polizei muss mit den kriminellen Methoden im digitalen Raum endlich mithalten können, und wenn man sich IP-Telefonie, Messenger-Dienste oder das jetzt kommende 5G-Netz anschaut, dann stellen sie die Polizei ebenso wie die drohende Terrorgefahr vor weitere, noch größere Herausforderungen.

(Sören Schumacher SPD: Das ist ja auch al- les geregelt!)

Wenn das alles geregelt ist, dann möchte ich daran erinnern, Herr Schumacher, dass wir heute erst den Entwurf eines Gesetzes debattieren und wir, Kollege Jarchow hat es betont – die FDP war gegen eine Vorwegüberweisung, wir nicht –, im Innenausschuss sicherlich noch strittig diskutieren und insbesondere die zugesagte Expertenanhörung haben werden, aus der sich dann an der einen oder anderen Stelle Diskussions- oder Streitpunkte erst ergeben werden.

Bislang orientieren sich jedenfalls die gesetzlichen Befugnisse aus unserer Sicht noch zu sehr an der analogen Welt. Wir wissen auch, dass bundesweit im Bereich der Strafgesetzgebung – StGB und StPO – noch deutlich mehr gemacht werden muss, aber gerade im Bereich der Gefahrenabwehr ist es dringend notwendig, dass auf Landesebene das PolDVG ebenso wie das SOG einer entsprechenden Novellierung zu unterziehen ist. Dies ist neben den Bedarfen in der Praxis auch wichtig, um den europarechtlichen und bundesverfassungsrechtlichen Vorschriften und Vorgaben gerecht zu werden. Hamburgs Polizei muss in die Lage versetzt werden, unsere Freiheit und unsere Sicherheit tatsächlich schützen zu können.

(Beifall bei der CDU)

Der Gesetzentwurf, Herr Senator, sieht einige Regelungen vor, auf die Hamburgs Polizei, mit Verlaub, schon lange gewartet hat. So ist es sinnvoll, dass Gewalttäter und Terrorverdächtige künftig mit einer elektronischen Fußfessel überwacht werden können. Ebenso ist es sinnvoll, die Fristen für personenbezogene Daten zu vereinheitlichen. Und natürlich ist auch die Anerkennung von gerichtlichen Entscheidungen anderer Bundesländer zur Durchführung präventiv-polizeilicher Maßnahmen richtig und vor allem notwendig.

Aber dem Entwurf, und da gehen wir nicht mit Ihnen konform und auch nicht mit den Kollegen der FDP, fehlt es an weiteren wichtigen Befugnissen, das wird sicherlich auch die strittige Diskussion bei der Expertenanhörung noch verdeutlichen. Ich nenne als Beispiel die Onlinedurchsuchung und in diesem Zusammenhang natürlich auch die Quellen-TKÜ und eine Ausweitung des Präventivgewahrsams. Und ich darf Ihnen an dieser Stelle gerade zum Thema Onlinedurchsuchung sagen: Ob es Niedersachsen ist – Sie greifen natürlich immer gern Bayern heraus –, Rheinland-Pfalz oder aber auch Hessen, wo die GRÜNEN mit regieren, überall dort ist die Onlinedurchsuchung im Gesetz mit der Quellen-TKÜ entsprechend verankert.

Lassen Sie mich zum Schluss noch eines sagen, wenn Sie, Kollege Schumacher, darauf hinweisen, Sie als SPD wollten auf keinen Fall in den Wettbewerb eintreten, das härteste Polizeigesetz

Deutschlands zu verabschieden. Das wollen wir im Übrigen auch nicht; wir als CDU brauchen keinen Wettbewerb um das härteste und schärfste Polizeirecht. Aber was wir brauchen, meine Damen und Herren, und das deutlich an die Regierungsfraktionen: Wir müssen ein Instrumentarium für unsere Polizei schaffen, damit sie auf Augenhöhe gegen Kriminelle agieren kann und letztendlich an dieser Stelle gewinnt und nicht verliert. Das ist unser Ansatz.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Lenders. – Als Nächste erhält das Wort Antje Möller für die GRÜNE Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Lenders zuerst. Es ist ja so: Wenn die Automobilindustrie zum Diesel-Skandal redet, dann denkt man immer: Vielleicht sollte man nicht nur als Lobbyist oder Lobbyistin denken. Vielleicht sollte man die parlamentarische Aufgabe, die wir haben, auch noch einmal ein bisschen anders angehen.

(Beifall bei Ulrike Sparr GRÜNE und bei der der LINKEN)

Deswegen hätte ich mich gefreut, wenn Herr Gladiator geredet hätte, ehrlich gesagt. Aber das ist die Entscheidung der Fraktion.

(Zuruf)

Ja, zum Glück.

Herr Jarchow, Sie haben recht damit, dass es vor dreieinhalb Jahren das entscheidende Urteil auf der Bundesebene gab, und Sie haben recht damit, dass es lange gedauert hat, bis der Senat die Novellierungsentwürfe dieser beiden Gesetze vorlegen konnte. Ich glaube aber, dass man jetzt schon sagen kann: Die Zeit hat es eben gebraucht. Sie war nötig, und das Ergebnis ist eins, über das wir gut in die Diskussion geraten können zwischen den Fraktionen, von dem wir als Koalition in diesem Bundesland aber sagen können – Herr Schumacher sprach es schon an –, dass es ein Gesetz ist, das für diese Koalition tragbar ist. Es wahrt nämlich die Verhältnismäßigkeit bei notwendigen präventiven Eingriffen in die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger. Und das ist das Hauptziel. Denn alles andere, was Herr Lenders zum Beispiel zitiert hat … Teilweise war das das ja fast schon das, was Herr Maaßen gern sagt, andererseits habe ich auch Überschriften erkannt von verschiedenen Polizeigewerkschaften. Es geht aber nicht darum, möglichst schlagwortartig darüber zu reden, was die Polizei braucht, sondern wir brauchen eine gesetzliche Grundlage, die tatsächlich gerichtsfest ist und die das, was möglich ist, und das, was nötig ist, gut gegeneinander abwägt.

(Joachim Lenders)

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Es muss eine solide Arbeitsgrundlage für uns alle sein, für die Polizistinnen und Polizisten, für den Senator, für uns als Parlamentarierinnen und Parlamentarier, und es muss den Herausforderungen in Bezug auf die öffentliche Sicherheit in dieser Stadt, die uns alle begegnen, etwas Solides gegenüberstellen.

Natürlich gibt es Punkte, die zu kritisieren sind; dem einen fehlt etwas, dem anderen ist etwas zu viel. Ich glaube, dass wir die Themen – elektronische Fußfessel zum Beispiel – sehr unterschiedlich ansehen und diskutieren werden. Das Thema "Die wirken bei Terror" ist, glaube ich, durch. Wir haben hier den Opferschutz bei Beziehungstaten im Fokus. Es geht darum, den Schutz von Frauen – in der Regel sind es Frauen – zu stärken, wenn die Wegweisung nicht mehr reicht; aus unserer Sicht ein wichtiges Element, Herr Schumacher hat es schon gesagt.

Thema zusätzliche Datensammlung, so hat es, glaube ich, Herr Jarchow genannt in Bezug auf die Lichtbilder bei der Gefangenensammelstelle. Ja, das muss man diskutieren. Was aber vielleicht nicht unwichtig ist: dass diese Bilder tatsächlich wieder gelöscht werden, sobald die betroffenen Personen die Gesa verlassen.

Ebenso aus unserer Sicht ein schwieriges, aber wichtiges Thema: Die Möglichkeit, durch automatisierte Datenanalyse das sogenannte Predictive Policing in Gang zu setzen. Dazu werden wir hoffentlich eine interessante Expertinnen- und Expertenanhörung haben. Es bedeutet aber tatsächlich nicht, dass wir hier eine neue Norm schaffen zur Erhebung von neuen personenbezogenen Daten. Es gibt weitere Punkte, unter anderem die Befugnisse des Hamburger Datenschutzbeauftragten. Auch das werden wir sicherlich ausführlich diskutieren.

Wichtig ist, dass dieses Gesetz nicht die beliebten Füll- und Schlagwörter enthält, mit denen die konservative politische Seite dieser Republik sehr viel Werbung macht,

(Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)

also das Stichwort Gefährder, das Stichwort Präventivhaft. Das brauchen wir in Hamburg zur Sicherstellung der öffentlichen Sicherheit tatsächlich nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ansonsten: Wir treffen uns noch mehrfach in der Diskussion um die Details, kommen dann hoffentlich weg von den politischen Schlagworten und gehen tatsächlich in die fachlich-sachliche Diskussion im Ausschuss. Wir werden uns dafür die notwendige Zeit nehmen, und dann treffen wir uns danach

vielleicht hier erneut im Plenum und gucken einmal, ob wir ein anderes Fazit haben

(Glocke)

oder ob wir weitergekommen sind. – Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das Wort bekommt Herr Nockemann von der AfD-Fraktion.

(Zurufe: Nein, Frau Schneider!)

Ich habe vom Kollegen eben einen Zettel übernommen, bei dem Frau Schneider schon mit einem Haken versehen ist; Entschuldigung. Das Wort bekommt Frau Schneider.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vorweg das Positive. Der Gesetzentwurf enthält Regelungen, die die Polizei stärker binden und die Grundrechte stärken, zum Beispiel die Einführung des Richtervorbehalts bei der Observation, die Konkretisierung des Datenschutzes, die Erweiterung der Berichtspflichten an die Legislative und damit eine Stärkung ihrer ja sehr bescheidenen Kontrollmöglichkeiten. Aber diese eindeutigen Verbesserungen gehen eben nicht auf die Initiative des Senats zurück, sondern sind unmittelbare Folge aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum BKA-Gesetz von 2016 sowie der Übertragung der EU-Datenschutzrichtlinie. Mit der Umsetzung des BKA-Urteils haben Sie sich allerdings Zeit gelassen. Sie haben, Herr Senator, in der Innenausschusssitzung im Juni 2016, als wir den Richtervorbehalt für verdeckte Ermittlerinnen und Ermittler beschlossen haben, angekündigt, dass die Umsetzung der übrigen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in Arbeit sei und wahrscheinlich in Herbst 2016 beraten werden sollte – also vor knapp drei Jahren. Das ist kein Ruhmesblatt für die Behörde.

Das Lob, mit dem sich jetzt die SPD selbst überschüttet, ist aber auch aus anderen Gründen unangebracht. Richtig ist, Sie haben in dem Gesetzentwurf auf den mehr als problematischen Begriff der drohenden Gefahr verzichtet; das begrüßen wir, ebenso den Verzicht auf den Staatstrojaner. Aber: Hamburg hatte seit 2005 und bis zur Verabschiedung des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes, Herr Lenders, das schärfste Polizeigesetz aller Bundesländer, und Sie haben sich dessen immer gerühmt.

(Joachim Lenders CDU: Ich?)

Manches, was andere Länder zuletzt in ihren Polizeigesetzen einfügten, hat die Polizei hier schon seit Jahren im Besteckkasten. Seit 2005 verfügt sie über den Taser, den NRW, Niedersachsen und

(Antje Möller)

Bayern jüngst erst eingeführt haben. Bodycams wurden hier 2015 eingeführt, in sieben anderen Bundesländern erst 2018. Die Quellen-TKÜ, von NRW, Bayern und Baden-Württemberg neu eingeführt, gibt es in Hamburg längst. Seit 2012 nämlich kann die Polizei – dank der SPD – Handys und Computer infizieren und verschlüsselte E-Mails und Chats ausleiten. In Hamburg ist seit 2005 Präventivhaft möglich, erst waren es 14 Tage, seit 2012 sind es zehn Tage. Damit liegt Hamburg aber heute immer noch im Ländervergleich im oberen Bereich.

Zusammengefasst: Alle problematischen Maßnahmen, zum Beispiel Präventivhaft oder das Instrument der gefährlichen Orte, wurden beibehalten. Bis auf die Regelungen, die durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise die EU-Datenschutzrichtlinie notwendig wurden, bedeuten alle neuen Regelungen eine Verschlechterung, schränken alle neuen Regelungen die Grund- und Bürgerrechte weiter ein. Die Gesetzesvorlage von Rot-Grün ist nicht grundrechtsfreundlich, sie ermöglicht vielmehr weitere Eingriffe.

Die ausführliche Diskussion der in unseren Augen problematischen Maßnahmen ist dem Innenausschuss vorbehalten. Zwei der besonders problematischen Neuregelungen will ich aber kurz ansprechen. Neu und ein weitreichender Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen ist die permanente Aufenthaltsüberwachung durch Fußfessel. Angesichts der hohen Eingriffsintensität sind die Eingriffsvoraussetzungen sehr niedrig. Dabei kann die Fußfessel nicht erst bei islamistischen Gefährdern, terroristischen Gefährdern oder gewalttätigen Ehemännern eingesetzt werden, sondern, wenn Sie den Gesetzestext lesen, im Prinzip bereits, wenn die Gefahr einer Körperverletzung besteht. Der Nutzen ist gering, denn die Fußfessel kann Straftaten nicht verhindern.

Einen weiteren Eingriff will ich besonders hervorheben. Bekanntermaßen liegt der Datenschutzbeauftragte derzeit im Rechtsstreit mit der Innenbehörde. Er hat eine rechtsverbindliche Anordnung zur Löschung der biometrischen Datenbank zum Gesichtsabgleich im Zuge der G20-Ermittlungen erlassen. Begründung: Es gebe für diesen Eingriff in die Rechte und Freiheiten einer Vielzahl Betroffener, die unterschieds- und anlasslos biometrisch erfasst werden, keine Rechtsgrundlage. Die Behörde kann dagegen klagen, und sie hat es getan. Bis zur Entscheidung kann sie die Datenbank weiter nutzen, so ist das Verfahren. Die Behörde reagiert nun auf den Streit damit, dass sie die Anordnungsbefugnis des Datenschutzbeauftragten aus dem Gesetz streichen will. Ich finde es mehr als bedenklich, wenn die Innenbehörde, deren Handeln auf dem Gebiet der Datenverarbeitung durch den Datenschutzbeauftragten kontrolliert wird, nun seine Kontrollbefugnisse beschneiden will, wenn sie der kontrollierenden Behörde sozusagen die Zäh

ne ziehen will. Ich finde es auch bedenklich, dass die Justizbehörde, aus welchen Gründen auch immer, dem offensichtlich zugestimmt hat und dabei die mögliche Verletzung von Europarecht in Kauf nimmt.

Wir haben also viel Stoff für die weitere Debatte, und wir sind dazu bereit. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun bekommt das Wort Herr Nockemann von der AfD-Fraktion.

Verehrtes Präsidium, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Schumacher, es macht schon einen gewaltigen Unterschied, ob jemand von der Opposition eine Forderung erhebt oder ob das jemand von den Regierungsfraktionen tut. Als der Kollege Gladiator und ich vor einigen Monaten hier die Einführung einer elektronischen Fußfessel forderten, da hieß es, das sei ein völlig untaugliches Mittel – und heute wird die Einführung einer Fußfessel als das Mittel schlechthin gefeiert. Das soll mir jemand erklären.

Frau Möller, Sie wandten sich vorhin an den Kollegen Lenders mit der Aufforderung, er möge doch bitte nicht als Lobbyist der Polizei auftreten, sondern man müsse das schon vor einem anderen parlamentarischen Hintergrund sehen. Und ich sage Ihnen, wer passgenauere Gesetze für die Polizei fordert, vielleicht sogar schärfere Gesetze, der gibt der Polizei die Maßnahmen an die Hand, die sie braucht, um Sicherheit für die Bevölkerung zu gewährleisten. Und genau das ist auch, was die Bevölkerung händeringend sucht: mehr Sicherheit in diesem Land. Wer also der Polizei bessere Gesetze an die Hand gibt, der ist ein Lobbyist der Bevölkerung und nicht ein Lobbyist der Polizei.