Protocol of the Session on December 14, 2016

Es hieß, wenn über 50 % der Flüchtlinge eine Schutzquote haben, dass diese als Flüchtlinge mit einer guten Bleibeperspektive betrachtet werden sollen. Im Falle von Afgha

nistan sind das bereinigt sogar 60,4 %. Gemäß Geschäftsstatistik des BAMF haben die Menschen aus Afghanistan eine über 60-prozentige Schutzquote. Theoretisch gesehen, müssten diese Menschen dann zur Gruppe mit einer guten Bleibeperspektive gehören und für die Integrations- und Sprachkurse zugelassen werden. Dies werden sie heute aber nicht. Warum? – Weil man politisch ein Exempel statuieren will, weil man politisch die humanitäre Frage außer Acht lässt. Deswegen können Sie sich nicht auf der einen Seite hinter dem Recht verstecken, auf der anderen Seite aber politisch rechtliche Vorgaben brechen. Das ist nicht konsequent. Das ist inhuman. Diesen Vorwurf müssen Sie sich gefallen lassen.

Ich möchte daher gern von Herrn Innenminister Beuth wissen: Sind afghanische Asylbewerber in dieser Sammelabschiebung dabei, ja oder nein? Als Parlament haben wir den Anspruch, dies erfahren zu dürfen und uns diese Information nicht auf irgendeinem anderen Wege besorgen zu müssen. Daher möchte ich wissen: Sind Hessen dabei? Ich hoffe, Sie antworten hierauf. – Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN – Armin Schwarz (CDU): Das ist keine Fragestunde!)

Danke, Frau Kollegin Öztürk. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Herr Kollege Merz. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidenten, meine Damen und Herren! Ich will zu der einzelfallbezogenen Argumentation zwei Dinge sagen:

Erstens. Ich kann mir beim allerbesten Willen nicht vorstellen, dass jemand, der 21 Jahre lang in der Bundesrepublik Deutschland gelebt hat, nicht in der Lage gewesen sein soll, einen Aufenthaltstitel zu erlangen. – Ich sehe, dass Sie dies nicht wissen. Ich wäre aber sehr daran interessiert, die Umstände dieses Einzelfalls zu erfahren. Nach allem, was ich weiß, und das ist nicht ganz wenig, kann ich mir diese Konstellation nicht wirklich vorstellen; es sei denn, es gäbe hier ganz besondere Umstände, bezogen auf den Einzelfall.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ich kann es mir auch nicht vorstellen!)

Zweitens. Frau Kollegin Öztürk, die Tatsache, dass Flüchtlinge aus einem bestimmten Land als Flüchtlinge mit einer guten Bleibeperspektive eingeschätzt werden, sagt über die Entscheidungen im Einzelfall noch gar nichts aus. Das kann man bedauern; ich würde dies im Falle der Flüchtlinge aus Afghanistan auch in vielen Fällen tun, es besteht zwischen dem einen und dem anderen aber kein innerer Zusammenhang. Wir haben es nun einmal – das habe ich vorhin schon gesagt – mit Fällen zu tun, deren Verfahren mehr oder weniger abgelaufen ist, und zwar in allen Stadien. Ich weiß, dass es manche Bundesländer gibt, wo die Petition im Landtag keinen Abschiebeschutz verleiht. Das ist in Hessen anders; das soll auch so bleiben.

Aber ich habe mich eigentlich herausgefordert gefühlt, noch einmal ans Rednerpult zu gehen, weil Kollegin Wissler eine grundsätzliche Frage aufgeworfen hat, nämlich die Frage nach der Berechtigung zivilen Ungehorsams.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ja!)

Ich habe lange genug in Amerika gelebt und in einer Organisation mitgearbeitet, die sich genau auf diese historische Tradition – diese war damals noch sehr aktuell – berufen hat. Ich glaube, davon ein wenig zu verstehen. Ich will aber schon darauf hinweisen, Frau Kollegin, dass gerade das Beispiel Rosa Parks und insbesondere die amerikanische Bürgerrechtsbewegung mit Martin Luther King als Vorbild, wobei dessen Vorbild Mahatma Gandhi war, historisch vielleicht doch etwas anders gelagert sind als das, was wir hier vor uns liegen haben.

(Beifall bei der SPD, der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer Rasse ist so offenkundig menschenrechts- und bürgerrechtswidrig, dass die Notwendigkeit und Legitimität von zivilem Ungehorsam offen zutage liegt und dann in der Tat zu der rechtlichen Veränderung in Amerika geführt hat. Das gilt auch für das Beispiel des Richters bzw. des Falles von Homosexualität, den Sie angesprochen haben. Es ist offenkundig menschenrechts- und bürgerrechtswidrig, Leute wegen ihrer sexuellen Orientierung zu diskriminieren.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Deshalb haben wir Beispiele aus Deutschland gebracht!)

Frau Kollegin, nein, hier liegt der Fall anders. Der Fall liegt hier historisch anders. Er liegt auch aktuell anders.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Es geht um die Herkunft!)

Ein historischer Vergleich ist deswegen immer nützlich, er ist aber nicht nützlich dafür, die Dinge immer gleichzusetzen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das habe ich doch gar nicht gemacht!)

Doch, das haben Sie schon getan.

(Beifall bei der SPD, der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zuruf der Abg. Ja- nine Wissler (DIE LINKE))

Entschuldigung, es wäre ganz gut, wenn Sie mich ohne Zwischenrufe ausreden lassen und mich versuchen lassen würden, auf eine ernsthafte Frage eine ernsthafte vorläufige Antwort zu geben. Vielleicht wäre das jetzt einmal angemessen.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Ich würde von Ihnen und Ihrer Partei gerne ein einziges Mal hören, worin denn die Änderung der rechtlichen Voraussetzungen für Zuwanderung in diesem Land bestehen soll. Ich höre sehr viel, was nicht geschehen soll. Wie stellen Sie sich, unter der Voraussetzung, dass es das Asylrecht nach Art. 16a gibt – dessen Einschränkung, da sind wir ganz einer Meinung, ich beklagt und bekämpft habe –, dass es die Flüchtlingskonvention gibt, die in Deutschland geltendes Recht ist, und dass es die Bedeutung des subsidiären Schutzes gibt, Rechtsinstitute vor,

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Freizügigkeit!)

die ein Bleiberecht für alle in dieses Land Geflüchteten oder aus anderen Gründen Gekommenen garantieren sollen? Wie soll das rechtlich möglich sein? – Sie haben eine rechtliche Argumentation aufgemacht.

Herr Kollege, Sie müssten bitte zum Ende kommen.

Frau Präsidentin, ich bin gleich am Ende. – Sie haben das Ziel, die ungerechten Gesetze zu ändern.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Immanuel Kant!)

Machen Sie bitte einen Vorschlag dafür, und machen Sie einen Vorschlag für ein Einwanderungsgesetz, das dem gerecht wird.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Vielen Dank, Herr Kollege Merz. – Herr Staatsminister Beuth möchte antworten, und das von seinem Platz aus.

Ich wollte der Kollegin Öztürk antworten: Hessen beteiligt sich neben einigen anderen Ländern mit einem kleinen Personenkreis an der Sammelabschiebung.

(Zuruf von der LINKEN: Wie viele?)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

(Wortmeldung des Abg. Hermann Schaus (DIE LIN- KE))

Bitte schön, Herr Kollege Schaus, zur Geschäftsordnung.

Frau Präsidentin, wir bitten, unseren Antrag direkt abzustimmen.

Dann gehe ich davon aus, dass alle Anträge direkt abgestimmt werden.

Dann lasse ich zuerst über Tagesordnungspunkt 20 abstimmen, Antrag der Fraktion DIE LINKE, Drucks. 19/4271. Wer ihm zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Fraktion DIE LINKE und Frau Kollegin Öztürk. Wer stimmt dagegen? – Das ist das restliche Haus. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Dann lasse ich über Tagesordnungspunkt 40 abstimmen, Dringlicher Entschließungsantrag, Drucks. 19/4321. Wer ihm zustimmen möchte, den bitte ich um Zustimmung. – Das sind die Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP. Wer stimmt dagegen? – Die Fraktionen der SPD und DIE LINKE und Frau Öztürk. Damit ist dieser Dringliche Entschließungsantrag angenommen worden.

(Wortmeldung des Abg. René Rock (FDP))

Bitte schön, Herr Kollege Rock, zur Geschäftsordnung.

Ich möchte darum bitten, bei dem Antrag der SPD-Fraktion die Ziffern 1 und 2 gemeinsam und Ziffer 3 separat abstimmen zu lassen.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

So machen wir das. – Ich lasse über den Antrag der SPDFraktion abstimmen, Drucks. 19/4323.

Zunächst lasse ich über die Ziffern 1 und 2 gemeinsam abstimmen. Wer diesen Ziffern zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von SPD und FDP. Wer stimmt dagegen? – CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und Frau Kollegin Öztürk. Damit sind die Ziffern 1 und 2 abgelehnt worden.

Dann lasse ich über Ziffer 3 des Antrags abstimmen. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – SPD, DIE LINKE und Kollegin Öztürk. Wer stimmt dagegen? – CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP. Damit ist die Ziffer 3 abgelehnt worden. Somit ist der Antrag in Gänze abgelehnt worden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion DIE LINKE für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Kinderund Jugendhilfegesetzbuches (HKJGB) – Drucks. 19/4263 –

Eingebracht wird der Gesetzentwurf von Frau Kollegin Schott von der Fraktion DIE LINKE. – Meine Damen und Herren, ich bitte um etwas mehr Ruhe. – Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.