auch weil wir aus den Gesprächen mit so vielen dieser privaten, ehrenamtlich geführten Initiativen wissen, dass es ein immer größeres Problem sein wird, Spenden oder Sponsoringtätigkeiten zu akquirieren.
Frau Kollegin Wissler, ich bin da, ehrlich gesagt, völlig anders unterwegs als Sie. Ich glaube, dass die meisten, die über Spenden oder Sponsoringbeiträge Kunst und Kultur gerader kleinerer Initiativen fördern, nicht nur darauf schauen, ob sich das rechnet,
sondern wissen, dass das für eine Gesellschaft unglaublich wichtig ist. Letztendlich kommen wir aber allein aufgrund immer weiterer Verschärfungen steuerrechtlicher und anderer Reglementierungen dazu, solche Aktivitäten nahezu abzuschaffen, weil es durch die damit verbundenen Umstände und die Unterstellungen quasi im Hinblick auf Steuerschlupflöcher oder anderes unattraktiv wird, sich als Privater noch in diesem Maße mit Spenden oder Sponsoring zu engagieren. Herr Minister, das wäre ein Ansatzpunkt, wie Sie die Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur in unserem Land verbessern könnten, ohne einen einzigen Steuereuro ausgeben zu müssen.
Genauso habe ich es schmerzlich vermisst, dass Sie sich im Rahmen des Kulturgutschutzgesetzes nicht auch für den Kunsthandel und die damit zusammenhängende Nachwuchsförderung eingesetzt haben – oder auch, wie Sie bei der Mehrwertsteuerdebatte Ihrem Kollegen Finanzminister in den Arm fallen, der ein Gesetz, das definitiv zur Frage der Pauschalbesteuerung gemacht worden ist, jetzt wissentlich ganz anders auslegt, um an mehr Mehrwertsteuereinnahmen zu kommen. Herr Minister, das sind keine Ansätze, um Kunst und Kultur in unserem Land zu stärken.
Kolleginnen und Kollegen, wir wissen doch, dass Kunst und Kultur auch wichtige Standortfaktoren sind. Ich spreche nicht nur davon, dass wir über 20.000 Unternehmen in Hessen haben, die einen Umsatz von 8,2 % aller umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen in Hessen erwirtschaften, dass wir über 120.000 Erwerbstätige haben, die in der Kul
tur- und Kreativwirtschaft in Hessen tätig sind, sondern insbesondere davon, dass wir eine ausgesprochen interessante Wertschöpfungskette haben. Jeder einzelne Euro – sei er privat oder aus Steuergeldern finanziert –, den wir in den Bereich von Kunst und Kultur investieren, ist von daher etwas, was doch das Augenmerk darauf richten sollte, wie breit und segensreich dieser Bereich ist, selbst wenn man sich – wie Sie es auch heute wieder in Ihrem Vortrag getan haben – mehr auf die pekuniäre Seite beschränkt. Lassen Sie mich anfügen, dass es in diesem Zusammenhang sicherlich auch sinnvoll ist, die wirtschaftliche Kulturförderung, wie sie im Rahmen der Filmförderung in Hessen vor einigen Jahren unter liberaler Verantwortung mit eingeführt worden ist, nicht aus dem Blick zu nehmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, das Kaleidoskop, das ich aufgemacht habe, zeigt schon, wie wichtig all diese Investitionen in den Bereichen von Kunst und Kultur sind. Es sind mannigfaltige Investitionen in die ganze Breite unserer Gesellschaft, und sie betreffen die Bereiche der Bildung genauso wie die Wirtschafts- und Standortförderung sowie den Bereich des Sozialen oder der Jugend- und Integrationsarbeit.
Ich möchte doch einmal eine Lanze dafür brechen, ein stärkeres Augenmerk auf das private und ehrenamtliche Engagement als wirklich wichtige Ergänzung zur staatlichen oder auch kommunalen Förderung im Kulturbereich zu richten, Herr Minister, und zwar deswegen, weil wir es in der Hand hätten, nicht nur über die öffentliche Anerkennung für ein solches Engagement, sondern auch über den Abbau bürokratischer Hindernisse noch weit mehr zu tun als nur – das sage ich an dieser Stelle ganz bewusst – über die Steigerung von Haushaltsansätzen.
Es geht darum, eine stärkere Netzwerkbildung zu unterstützen. Es geht darum, die Beantragung von Fördermitteln zu vereinfachen, transparenter zu machen, zu bündeln und Förderrichtlinien weiterzuentwickeln. Gleichwohl glaube ich manchmal, dass es schon schwer genug zu sein scheint, einen einheitlichen Ansprechpartner im Wissenschaftsund Kunstministerium für den Kulturbereich zu finden. Diese Stelle wird demnächst wieder verwaist sein.
Ich weise auch deshalb so penetrant auf privates und ehrenamtliches Engagement hin, weil dies nicht nur in den Ballungsräumen, sondern überall in unserem Land stattfindet. Ja, Frankfurt ist eine Stiftungshochburg und auch eine Hochburg im kulturellen Bereich. Kunst und Kultur leben aber gerade im ländlichen Raum vielfach von kleinen und ehrenamtlich getragenen Initiativen, Aktionen und Angeboten. Herr Minister, dies bereichert unsere Kulturlandschaft. Dies schafft Lebendigkeit quer durch die Fläche und könnte mit dazu beitragen, den Zuzug nur in die Ballungsräume zu stoppen und den ländlichen Raum als lebenswerten und lebendigen Lebensraum zu erhalten.
Daher ist es gut, auf diese Art und Weise und weitaus stärker als in der Vergangenheit nicht nur Kultur für alle, sondern – was uns Freien Demokraten immer sehr wichtig ist – auch Kultur von allen und mit allen zu ermöglichen.
Lassen Sie mich zum Schluss unseren Bundespräsidenten a. D. Theodor Heuss zitieren, der darauf aufmerksam gemacht hat, dass sich die äußere Freiheit der vielen aus der inneren Freiheit der Einzelnen ableitet. Herr Minister, Kunst und Kultur sind hierfür nicht nur Nährboden, sondern Triebfeder. Genau deswegen sollten Sie sich weitaus vertiefter mit der Materie auseinandersetzen. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Als Nächste hat Frau Abg. Wolff für die Fraktion der CDU das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, dass Kultur für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft heute so wichtig ist wie schon lange nicht mehr.
Ich glaube, dass das ein wesentlicher Ansatz für eine Debatte sein muss. Das ist auch eine gute Grundlage für vieles, was der Minister an praktischer Politik aufgezeigt hat. Für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft ist Kultur eine wesentliche Selbstvergewisserung. Ich glaube, dass Kultur auch für jeden Einzelnen ein Stück Beheimatung ist. Jeder Einzelne in unserem Land, woher auch immer er kommt, muss sich zurechtfinden in einer Heimat, in einer Umgebung, die seine eigene ist und die eine Kultur hat, in der er sich zu Hause fühlen soll. Das heißt, kulturelles Lernen bedeutet, in eine Gesellschaft, in ein Zusammenleben, in eine Lebenswelt hineinzuwachsen, hineinerzogen zu werden, hineingeführt zu werden und dann einen Standpunkt zu finden. Das ist kein einheitliches Geschehen. Auf dem Weg dorthin gibt es Brüche und Widerstand. Das ist aber der Weg, einen Standpunkt in seinem persönlichen Leben und im Leben der Gemeinschaft zu finden.
Meine Damen und Herren, ich glaube, dass es gerade im Zeitalter der Globalisierung von ungeheurer Bedeutung ist, dass der Mensch eine Beheimatung hat.
Ich glaube, je mehr wir von internationalen Anfälligkeiten und von internationalen Krisen sprechen, umso wichtiger ist es, dass der Mensch Wurzeln hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Geschichtsbewusstsein, ein Bewusstsein dafür, woher ich komme, ist die beste Basis dafür, zu wissen, wo ich stehe und wohin ich will.
Meine Damen und Herren, ein Geschichtsbewusstsein ist nichts nach hinten Gerichtetes und auch nichts Statisches, sondern ein Geschichtsbewusstsein ist auch Neugier und Lust auf Gestaltung. Es geht darum, die Dinge in die Hand
zu nehmen und selbst eine Lösung zu finden. Das ist das, was aus kulturellem Geschichtsbewusstsein entsteht.
Je mehr kulturelle Beheimatung wir haben, umso mehr Kraft haben wir auch zur Auseinandersetzung. Je mehr wir von einem Standpunkt ausgehen, umso mehr Kraft haben wir zum Streit, zur Suche nach dem richtigen Weg, zur Suche nach den richtigen Lösungen, zur Auseinandersetzung in unserer Gesellschaft, für den Wettbewerb um die besten Lösungen und für einen produktiven Streit. Ich glaube, man kann sagen: Kultur ist ein Diskursgenerator, und das gehört zur Freiheit, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Deswegen möchte ich eine Textstelle von Herrn Bundestagspräsidenten Norbert Lammert zitieren, und zwar im Vorwort zu dem Abschlussbericht der Enquetekommission „Kultur in Deutschland“. Herr Lammert sagte wörtlich:
Der Staat ist nach unserem Staats- und unserem Kulturverständnis nicht für Kunst und Kultur zuständig, sondern für die Bedingungen, unter denen sie stattfinden. Er hat keine materielle Zuständigkeit für die Inhalte und Formen, in denen sich Kunst und Kultur in einer Gesellschaft entfalten. Aber er hat eine kulturpolitische Verantwortung für die Rahmenbedingungen, die eine solche Entfaltung überhaupt möglichen.
Zugleich aber ist der größte Kulturförderer der Bürger selbst, nicht allein als Steuerzahler, sondern vor allem als kultureller Akteur, der mit großem bürgerschaftlichen Engagement Kunst und Kultur in dieser weltweit einzigartigen Breite und Dichte erst ermöglicht, sei es durch seine finanzielle Spende für die Fördervereine der Theater, Museen und Opern oder durch seine ehrenamtliche Zeitspende in den unzähligen Laienspielgruppen, den 48.500 Chören oder 29.500 Ensembles der instrumentalen Laienmusik.
Meine Damen und Herren, das ist das Zusammenspiel kulturellen Lebens in unserem Land, von dem wir zehren und dem wir verpflichtet sind, es weiter zu fördern und die Rahmenbedingungen zu schaffen.
Meine Damen und Herren, insofern ist der Begriff der „Kultur für alle“, der bereits zitiert worden ist, ein durchaus richtiger Begriff. Hilmar Hoffmann hat seinen kongenialen Partner gefunden zunächst in Walter Wallmann und dann in Petra Roth. Mit diesen dreien zusammen ist in Frankfurt ein kulturelles Tableau entstanden, das seinesgleichen sucht. Deshalb bleibt das, was er unter dem Stichwort „Kultur für alle“ verstand, richtig und wichtig.
Zugleich ist aber auch richtig, dass es um Kultur durch alle geht, meine sehr verehrten Damen und Herren. Deswegen müssen wir meines Erachtens auf die Akteure schauen. Das ist der Punkt, an dem Kultur ermöglicht werden muss. Das beginnt im Elternhaus. Das will ich sehr deutlich sagen. Kulturelle Einbettung findet selbstverständlich im Elternhaus statt. Entscheidend ist, ob Eltern Kinder in kulturelle Einrichtungen mitnehmen oder nicht mitnehmen. Das
Da wird eine Grundlage geschaffen. Dies wird in der Schule fortgesetzt. Dies wird selbstverständlich fortgesetzt durch die zusätzlichen Angebote, die wir in den Schulen haben, sei es durch „Schulen musizieren“, durch Bläserklassen, Streicherklassen usw. Dort werden kulturelles Engagement und kulturelle Ausübung eingeübt, und zwar insbesondere für die Kinder und Jugendlichen, die das nicht unbedingt von zu Hause mitbringen, die nicht bereits in der Musikschule mit den entsprechenden Grundlagen ausgestattet worden sind, sondern die ihre Begeisterung dort entwickeln.
Kultur durch alle heißt eben auch, dass wir alles anschauen, das Malen, das Musizieren, das Lesen und das Schreiben, das Besuchen des Theaters, aber auch das Spielen im Theater, also das Erleben und Spielen selbst, das Sammeln und Präsentieren in Ausstellungen und Museen. Die Kulturtreibenden selbst sind die Akteure, und das sind sie Gott sei Dank in sehr großer Trägervielfalt, auf die wir stolz sein können, die wir pflegen können und der wir auch Gutes tun müssen.
Deswegen ist es auch gut – Frau Kollegin Feldmayer und der Minister sind beide darauf eingegangen –, dass wir außerhalb der staatlichen Ordnung der großen Flaggschiffe eben auch die vielen kleinen Theater haben, dass wir ganz bewusst Ja sagen zur stärkeren Förderung der Soziokultur und der dortigen zum Teil kleinen Träger – teilweise hauptamtlich, teilweise ehrenamtlich –, dass wir diese Trägervielfalt pflegen und ihr Raum geben. Dies geschieht im Gegensatz zu manch anderem, der noch immer diese Gegenüberstellung und Gegensatzpaare von Staatstheater und Szenetheater aufmacht, gemeinsam. Unsere Staatstheater sind mittlerweile längst darüber hinaus und suchen vielmehr die Zusammenarbeit und Kooperationsmodelle mit kleineren Theatern an unterschiedlichen Spielorten. Deswegen ist Trägervielfalt das, was wir brauchen. Das Gegeneinander-Ausspielen muss doch langsam wirklich vorbei sein. Die Staatstheater, die Soziokultur und die freien Kulturen sind kein Gegensatz.
(Janine Wissler (DIE LINKE): Wer hat das denn gemacht? Das hat doch niemand getan! – Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken übernimmt den Vorsitz.)
Natürlich, da müssen Sie nachher die Reden noch einmal nachlesen. – Es gibt auch keinen Gegensatz zwischen Breiten- und Spitzenkultur, sondern sie gehen vielfach miteinander Hand in Hand. Im Übrigen gibt es auch keinen richtigen Gegensatz mehr zwischen E- und U-Musik. Das ist im Wesentlichen aufgebrochen.
Meine Damen und Herren, dennoch können und müssen wir von „Ankern“ in unserer kulturellen Landschaft sprechen. „Anker“ heißt eben auch, dass man etwas Herausragendes ist, sowohl in seinem Eigenwert als auch in seiner Funktion für andere mit. Natürlich wird dort viel Geld für eine Einrichtung ausgegeben, aber auch die Hand ausgestreckt, um mit anderen Einrichtungen einen Verbund zu bilden. Das ist durchaus etwas, was nach mehr Mitteleinsatz verlangt.
Lassen Sie mich dazu noch einmal zwei Beispiele aus der Rede des Ministers aufgreifen, die ich für wichtig halte.
Die Museumslandschaft in Kassel: Wo gibt es so etwas zum zweiten Mal, dass nicht nur ein Landesmuseum – eines in den klassischen drei Sitzstädten – nach Renovierung wiedereröffnet wird, sondern dass dieses Landesmuseum mit insgesamt zehn großen kultur- und kunstgeschichtlichen Sammlungen in einem ganzen Ensemble an fünf verschiedenen Standorten zusammenwirkt, und das noch in Kombination mit drei historischen Parkanlagen? Meine Damen und Herren, das ist ein riesiger Schatz, das ist ein Flaggschiff, an das andere andocken können, das aber auch seinen Wert in sich selbst hat.
Da haben Sie die ganze Spannungsbreite. Sie können anfangen bei Rembrandts „Jakob segnet mit Ephraim und Manasse“ und aufhören bei der documenta mit ihren durchaus auch vorhandenen Provokationen – nicht in jedem Jahr gleich, aber doch vorhanden. Deswegen ist es auch wichtig, dass wir hier auf das Bezug nehmen können, was gerade bevorsteht, nämlich die endgültige Etablierung des neuen Bausteins in Form des Museums für Raumkunst.