Protocol of the Session on April 2, 2014

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Kolleginnen und Kollegen, vor etwa einem Jahr gab es eine ähnliche Diskussion wie heute. Damals hatte Umweltminister Altmaier die Strompreisbremse vorgeschlagen. Er hat Gesetzesänderungen vorgeschlagen. All dies ist dann in Berlin untergegangen. Es gab unterschiedliche Reaktionen

und unterschiedliche Positionierungen. Keinem hat es gepasst. Kaum einer hat mitgemacht.

Herr Gremmels, an Ihre Adresse gerichtet, sage ich: Daran war die SPD gravierend beteiligt. Ziehen Sie sich da nicht zurück. Die Strategie der SPD, in der Opposition dagegen zu sein und in der Regierung dafür, kennen Sie recht gut. Ich meine, da sollten alle, die dabei waren, sagen: Es war politisch nicht machbar.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Zum Zweiten. Es gab dann Bundestagswahlen. Es gab auch Landtagswahlen. Nun haben wir in Berlin eine schwarz-rote Koalition statt einer schwarz-gelben, in Wiesbaden eine schwarz-grüne statt einer schwarz-gelben. Die Frage einer Strompreisbremse und das Problem der Strompreissteigerung sind geblieben. Aus diesem Grunde gibt es jetzt den erneuten Versuch, das Energieeinspeisegesetz zu novellieren.

Bis gestern Abend bestand die gleiche Situation wie vor einem Jahr: Die Lobbyisten sind Sturm gelaufen, die Kampflinien gingen nicht entlang von Parteien, sie gingen nicht entlang der Länder, sie gingen kreuz und quer. Aber seit gestern Abend können wir sagen, dass es einen Durchbruch gibt. Der einzige Unterschied zwischen der Situation damals und heute ist, dass die Farbe Gelb in der Diskussion keine Rolle mehr spielt. Die FDP ist nicht mehr in der Verantwortung,

(Demonstrativer Beifall des Abg. Timon Gremmels (SPD) – Norbert Schmitt (SPD): Gelb oder Geld?)

und sie hat sich inhaltlich verabschiedet, weil sie sich jetzt gerade auch in Hessen völlig auf die Seite derjenigen schlägt, die gegen die Windenergie und gegen die Energiewende sind. Politisch ist sie aus dem Rennen, weil sie einfach nicht mehr so stark vertreten ist.

Kolleginnen und Kollegen, für uns in Hessen müssen bei der Reform insgesamt zwei Dinge im Vordergrund stehen:

Erstens. Wir wollen die im Energiegipfel und im schwarzgrünen Koalitionsvertrag vereinbarten Eckpunkte der Energiewende umsetzen. Das sind im Wesentlichen die Verdoppelung des Anteils des regenerativen Stroms in Hessen bis 2019, die nachhaltige Nutzung von Biomasse, die grundlegende Überarbeitung des Erneuerbare-EnergienGesetzes mit dem Ziel, die Förderung marktwirtschaftlicher zu gestalten, die Stromversorgung verlässlicher und bezahlbar zu gestalten und ein umfassendes Gesamtsystem zu haben. Die EEG-Befreiungen soll es für stromintensive, im internationalen Wettbewerb stehende Unternehmen weiterhin geben. – So weit der Koalitionsvertrag.

Zweitens. Wir brauchen in Deutschland insgesamt eine nachhaltige, sichere, akzeptierte und bezahlbare Energieversorgung. Das gilt für Bürgerinnen und Bürger, aber es gilt vor allem für Unternehmen. Das ist das Credo der Energiewende an sich. Wir müssen dafür sorgen, dass die einschneidenden Veränderungen dieser Energiewende von den Bürgerinnen und Bürgern und von den Unternehmen akzeptiert werden. Dazu gehören – sie sind ganz wichtig – die Fragen des Strompreises und der Strompreisbremse.

Lassen Sie mich kurz auf den Antrag der FDP eingehen. Wir stimmen mit der FDP nicht überein, wenn es darum geht, das EEG abzuschaffen. Wir wollen das EEG erhalten. Wir stimmen mit der FDP nicht überein, wenn es darum geht, mit einem Referenzmodell auch noch Windkraftanla

gen an windschwächeren Standorten wie bei uns hier in Hessen zu ermöglichen. Wir stimmen mit der FDP darin überein, dass die Industrieunternehmen, dass die Arbeitsplätze in Hessen zu erhalten sind und dass die Stromkosten ein ganz wichtiger Standortfaktor sind. Wir sind uns bewusst, dass die wirtschaftliche Stärke unseres Landes von unserer Industrie, von den Unternehmen, abhängt, vor allem von den Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen. Eine gesicherte, eine niemals unterbrochene Stromversorgung ist wichtig für Deutschland. Eine niemals unterbrochene Stromversorgung ist ein deutlicher Standortvorteil für uns.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Torsten Warnecke (SPD))

Der Strompreis darf nicht zum Standortnachteil werden. Da sind wir uns mit der FDP auch einig. Derzeit zahlt der durchschnittliche Stromverbraucher 1,35 Cent pro Kilowattstunde für die Befreiungen, die unsere Industrieunternehmen haben. Das sollten wir hier einmal festhalten. Und – ich denke, darin sind wir uns auch einig mit der FDP – wir glauben nicht, dass diese Befreiungen unerlaubte Beihilfen sind.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Wir müssen allerdings auch konstatieren, dass es für ein Unternehmen neben der Strompreissteigerung auch andere Preissteigerungen gibt: der Personalkosten, der Einkaufspreise, anderer Energien. Nun ist es zwar wünschenswert, zu sagen, der Strompreis dürfe für die Unternehmen nicht steigen; aber seien wir realistisch: Er muss in einem Maße steigen, wie es international verkraftbar ist.

Was wir wollen, ist also kein Wegfall der Befreiung, allerdings eine angemessene Beteiligung auch der Unternehmen an den Belastungen, die sich aus dem EEG ergeben. Von daher ist es generell notwendig, dass die Befreiungstatbestände kritisch überprüft werden. Aber warten wir einfach ab, was uns die EU später einmal vorschreibt und was uns die EU ins Gebetbuch schreibt; denn auf diesem Spielfeld spielen nicht mehr nur Rot, Grün und Schwarz, sondern da spielt plötzlich Blau, da spielt die EU, eine deutliche Rolle.

Kolleginnen und Kollegen, Frau Merkel und die Ministerpräsidenten haben sich gestern getroffen. Sie haben in wesentlichen Fragen für ein neues EEG Einigkeit hergestellt. Die Presse schreibt heute Morgen, überraschend hätten sich Bund und Länder bei dem umstrittenen Reformwerk geeinigt. Die Einschnitte bei der Windenergie seien geringer, und die Industrie komme ungeschorener davon. Wenn wir die Ergebnisse aus hessischer Sicht werten – die Inhalte hat Volker Bouffier dargestellt –, dann müssen wir zum Ersten feststellen und uns dafür bedanken, dass unser Ministerpräsident, aber auch der Energieminister unsere Interessen in Berlin erfolgreich vertreten haben.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Daran führt kein Weg vorbei. Und wenn der rote Energieminister Gabriel sagt, er sei auch zufrieden, dann, so denke ich, ist es doch eine vernünftige Lösung.

Jetzt könnte ich wieder einen Einschub machen. Haben wir die Lösung jetzt gefunden, weil die Farbe Gelb auf dem Spielfeld nicht mehr mit dabei ist? Das mag so sein. Es wäre gut, wenn sich die Farbe Gelb, wenn sich die FDP an der Energiewende wieder aktiv beteiligte.

Das gestrige Ergebnis für Hessen lautet: Es gibt keinen Ausbaudeckel Windenergie für die Repoweringanlagen. Das spielt ja für uns eine Rolle. Repowering wird nicht zusätzlich angerechnet. Der Förderdeckel pro Jahr, der eingezogen ist, sorgt dafür, dass kein überproportionales Wachstum entsteht, aber er bewegt sich in der Höhe, wie bisher auch zugebaut worden ist. Das verbesserte Referenzmodell ist wichtig, eines der wichtigsten Elemente für Hessen. Wir sind nicht die windstärkste Region; aber auch wir in Hessen wollen die Energiewende mit Windstrom gestalten. Von daher ist dies eine ganz wichtige Maßnahme.

Zu nennen sind auch die Landwirte in Hessen. Wir wissen, dass die Biomasse einen wesentlichen Teil der regenerativen Energien in Hessen ausmacht. Auch insoweit sind Schutzmechanismen eingezogen worden, der Förderdeckel beispielsweise, sodass neue Anlagen nicht mehr in dem Maße zugebaut werden dürfen. Der Schutz der bestehenden Anlagen ist enorm wichtig. Für die Biodiversität, die ja auch im Zusammenhang mit den regenerativen Energien in unserem Koalitionspapier genannt wird, ist es enorm wichtig, dass der Maisanbau zugunsten der Reststoffverwertung zurückgefahren werden soll.

Über die Eigenstromprivilegierung ist gesprochen worden. Wichtig ist aus meiner Sicht: Private Haushalte sind bei zusätzlichen Belastungen außen vor.

Wo es tatsächlich noch zu kämpfen gilt – darin besteht, glaube ich, eine recht große Einigkeit in diesem Hause –, ist in der Frage der Industrierabatte. Da müssen wir bei der EU einiges erreichen. Minister Gabriel ist in Brüssel, und ich drücke ihm die Daumen, dass er dort einiges erreicht. Wir müssen erreichen, dass die 65 Branchen, die momentan freigestellt werden sollen, tatsächlich auch freigestellt werden. Wir müssen aber auch erreichen, dass beispielsweise auch die Rechenzentren in Hessen, die international, die global tätig sind, die ihren Standort hier haben und die 40 % ihrer Kosten für Strom, für Energien ausgeben, in die Vergünstigungen des EEG gelangen, in die Privilegierung hineinkommen; denn hierbei geht es um Arbeitsplätze, die sich relativ schnell verlagern lassen. Volker Bouffier hat es angesprochen. Wir müssen uns auch darum kümmern, dass dort, wo Unternehmen aus einer Privilegierung herausfallen, Mechanismen eingebaut werden, dass das stufenweise, dass das abgedämpft und abgestimmt und nicht von null auf hundert erfolgt; denn an dieser Stelle geht es um unsere erfolgreiche Industrie, und es geht vor allem auch um Arbeitsplätze für unsere Menschen.

Das Unbefriedigende der Stichtagsregelung ist angesprochen worden. Ich weise aber auch darauf hin, dass wir bei der Fotovoltaik oft erlebt haben, dass es kurz vor einem neuen Stichtag eine Explosion neu angemeldeter Anlagen gab. Sie kennen alle den Birnchentest bei den Fotovoltaikanlagen: Einmal 3 Volt aus der Anlage heraus; dann erhält man die Förderung, obwohl die Anlagen teilweise erst ein halbes Jahr später Strom produziert haben. Das muss vermieden werden. Aber wir brauchen Vertrauensschutz für die Investoren.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Die Steigerung der Strompreise um 0,2 Cent bis 2020 durch die gestrigen Beschlüsse, wie sie Herr Gabriel vorhersagt, ist, so meine ich, vernünftig, ist verlässlich. Wir haben nun einen verlässlichen Ausbaupfad für die regenerativen Energien. Wir können unser Ziel, die Verdoppelung der Stromerzeugung in Hessen, erreichen. Insgesamt

sage ich es einmal so: Die Risiken der Energiewende sind mit diesen Entscheidungen reduziert und die Chancen sind erhöht worden. Mit einer gemeinsamen Positionierung der wichtigsten politischen Kräfte in unserer Republik, der CDU, der SPD und der GRÜNEN, sind entscheidende Schritte gelungen. Ich lade auch die anderen ein, sich an der Energiewende konstruktiv, nach vorne schauend, zu beteiligen. Die Chancen sind groß. Wir müssen die Zeit, bis diese Maßnahmen richtig wirken, adäquat überbrücken. Dazu gehört es, verlässliche Pfade für die Energiewende und bezahlbare Strompreise zu haben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Als Nächste hat Frau Kollegin Wissler von der LINKEN das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In dieser Woche hat der UN-Klimarat seinen neuen Bericht vorgestellt. Er fällt ziemlich verheerend aus. Gletscher und Polkappen schmelzen, die Zahl der Naturkatastrophen nimmt zu, fruchtbares Land verdorrt, und Hungermigration und Kriege um Nahrung werden vorhergesagt.

Um diese Kettenreaktion zu bremsen, ist es dringend notwendig, jetzt und schnell umzusteuern. Meine Damen und Herren, deswegen muss die Energiewende beschleunigt und nicht gebremst werden.

(Beifall bei der LINKEN – Vizepräsidentin Ursula Hammann übernimmt den Vorsitz.)

Weder Kohle noch Atom und schon gar nicht Fracking sind die Antwort auf die Energiefragen der Zukunft. Ich halte es wirklich für verwerflich, dass Mitglieder der Unionsparteien jetzt gerade die Krim-Krise zum Anlass nehmen, um ein Revival für die Atomenergie einzuläuten. Das wollen wir nicht. Atomkraft muss Geschichte sein. Wir wollen keinen erneuten Ausstieg aus dem Ausstieg.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt sprechen wir schon zum zweiten Mal in dieser noch recht jungen Legislaturperiode über einen Antrag der FDPFraktion, der das Erneuerbare-Energien-Gesetz gerne zu Grabe tragen würde. Da wird dann vom Strompreis gesprochen, von der Belastung für Industrie und Verbraucher. Das EEG sei schuld an allem, und der Markt würde das ohnehin viel besser regeln.

Zuerst einmal will ich feststellen: In der Geschichte hatten Strom und Markt noch nie besonders viel miteinander zu tun.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Michael Siebel und Timon Gremmels (SPD))

Jahrzehntelang hatten wir die Gebietsmonopole. Jahrzehntelang haben wir Subventionen für diesen Bereich gehabt. Dass die großen Vier heute eine solch große Macht haben, hat etwas mit diesen vermachteten Strukturen, mit der Geschichte der Gebietsmonopole zu tun.

(Michael Siebel (SPD): So viel zur Historie!)

In Ihrem Antrag schreiben Sie, man solle auf die „preiswertesten Techniken“ zur Stromerzeugung setzen. Liebe FDP, das ist wirklich ein Witz – wenn man jahrelang die Subventionen für die Atomwirtschaft verteidigt hat, jetzt zu sagen, man solle auf die preiswertesten Techniken setzen. Sie haben immer die Energieform vorgezogen, die furchtbar teuer ist – nicht nur beim Abbau von Uran, beim Transport und der Lagerung. Es ist die teuerste Energieform, die Sie in den letzten Jahren präferiert haben.

Wir sagen: Wer eine preiswerte Technik ohne teure Folgekosten will, der muss auf Energie aus Sonne und Wind setzen.

In Ihrem Antrag beschwören Sie wieder das Gespenst der Deindustrialisierung, auf das sich – das muss ich leider sagen – auch Bundeswirtschaftsminister Gabriel gerne beruft. Ich will es hier nochmals deutlich sagen: Die Energiewende birgt in erster Linie sehr große Chancen für die Wirtschaft, für neue Arbeitsplätze, gerade für den ländlichen Raum. Wenn etwas zur Deindustrialisierung führt, dann ist das der Klimawandel, und zwar auf sehr drastische Art und Weise, sicher aber nicht die Energiewende. Die Energiewende kann ein riesiges Konjunkturprogramm für dieses Land sein, wenn man sie endlich richtig umsetzt.

Deswegen warne ich davor, immer wieder Ängste und Sorgen mit Blick auf die Energiewende zu schüren. Stattdessen müssen wir über die Chancen reden und darüber, wie wir sie sinnvoll umsetzen können.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Timon Gremmels (SPD))

An dieser Stelle will ich klar sagen: Ja, die Energiepreise sind ein Problem – für die Privathaushalte. Für die deutsche Industrie ist der Strom derzeit so billig wie seit zehn Jahren nicht.

Leider steht das nicht im Antrag der FDP. Dort ist die Rede von einer Preisspirale, die sich immer weiter nach oben dreht.

(Florian Rentsch (FDP): So ist es!)