Protocol of the Session on September 15, 2016

Ich muss nach anderen Wegen suchen, um finanzschwache Kommunen zu unterstützen, wenn der Anteil der einkommensschwachen Familien so hoch ist, dass es den kommunalen Haushalt überwiegend belastet. Aber das bedeutet nicht eine pauschale Gebührenfreiheit an dieser Stelle, sondern das bedarf einer differenzierten Betrachtung und keiner Pauschalisierung.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insofern geht damit auch das Thema Gleichheit der Lebensverhältnisse einher.

(Gerhard Merz (SPD): Ja!)

Meinen Sie die in Deutschland oder die in Hessen?

(Gerhard Merz (SPD): Sowohl als auch! – Holger Bellino (CDU): Weltweit! – Janine Wissler (DIE LINKE): Global denken, lokal handeln!)

Sowohl als auch, gut. – Insofern bin ich Ihnen dankbar, dass Sie als Sozialdemokraten die Novellierung des Kommunalen Finanzausgleichs mit unterstützt und beschlossen haben, der genau eine solche Gleichheit der Lebensverhältnisse versucht auf den Weg zu bringen, indem einkommensstärkeren Kommunen etwas genommen wird und einkommensschwächeren Kommunen etwas gegeben wird.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Länderfinanzausgleich!)

Ich weiß aber nicht so genau, ob das auch mit dem Abstimmungsverhalten bei Ihnen verbunden gewesen ist, dass Sie an genau dieser Gleichheit der Lebensverhältnisse mitgewirkt haben. Ich kann mich daran erinnern, dass Sie massiv dagegen waren – unabhängig von der Höhe des Kommunalen Finanzausgleichs, der extrem hoch war. Das kann es also nicht sein. Es geht also um die Gleichheit der Lebensverhältnisse in Deutschland. Ja, ich erwarte Ihre massive Unterstützung bei den Bestrebungen des Landes Hessen, für einen vernünftigen Länderfinanzausgleich zu sorgen, der die Gleichheit der Lebensverhältnisse darstellt, aber nicht zulasten des Landes Hessen.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Sie haben in der Haushaltsdebatte vom Finanzminister gehört, was wir im ersten Quartal oder in diesem Jahr überhaupt schon an Zahlungen geleistet haben, um die Gleichheit der Lebensverhältnisse darzustellen. Ich muss schon sagen: Wir könnten uns über vieles unterhalten, auch was das Land Hessen anbelangt, und zwar über viele Bereiche, die wünschenswert sind, wenn wir das, was wir in unserem Land erwirtschaftet haben, auch tatsächlich in unserem Land einsetzen könnten und nicht dafür, unterschiedliche Prioritätensetzungen in anderen Ländern finanzieren zu müssen.

Ich darf Sie an die Redezeit erinnern.

Danke, Herr Präsident. – Insofern glaube ich, dass diese Debatte schon spannend wird. Denn Sie haben einen massiven Erklärungsbedarf, wie Sie mit einer pauschalen Antwort die Frage beantworten wollen, die wir ernsthaft diskutieren müssen, wie wir es an der Grenze der Einkommenssituation schaffen, es zu vermeiden, dass wegen der Kosten der Kinderbetreuung Eltern oder Familien in eine Situation hineinrutschen, in der sie nicht mehr in der Lage sind, ihren eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Das ist die spannende Frage.

Aber ich muss Ihnen ehrlicherweise sagen: Über diejenigen, die es sich leisten können, auch für die Kinderbetreuung eine Gebühr zu zahlen, von der wir wissen, dass sie nie kostendeckend ist – da kommen wir wieder auf die 435 Millionen €, die das Land im Jahr dazugibt –, so glaube ich, müssen wir uns keine Gedanken machen. Diese Kinder haben eine richtig gute Chance, in der Zwischenzeit in Kinderbetreuungseinrichtungen, die nicht mehr allein der Betreuung das Wort reden – sondern das sind Bildungseinrichtungen –, auch tatsächlich einen gesunden Start in ihr weiteres Leben zu erfahren – und das mithilfe der Eltern.

Auch da sind wir wieder an einem wichtigen Punkt. Die Eltern sind in einer wesentlichen Pflicht. Die Eltern haben

auch eine Mitwirkungspflicht und nicht allein die Kindertagesstätten. Aber das ist gut. Bei einer Besuchsquote von über 90 % der über Dreijährigen wissen wir, dass wir mit unseren Maßnahmen richtig liegen. Auf diesem Weg werden wir auch weitergehen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Abg. Merz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Man soll eine Debatte führen, wenn es sich lohnt, sie zu führen. Herr Minister, es lohnt sich, sie mit Ihnen zu führen, schon allein deswegen, weil Sie immerhin nicht von „Freibier für alle“ gesprochen haben wie meine ansonsten sehr geschätzte Kollegin Wiesmann.

(Zuruf des Ministers Stefan Grüttner)

Sie hat nämlich vergessen, zu erklären, warum eigentlich „Freibier für alle“ im letzten Kindergarten Jahr in Ordnung ist, im vorletzten Kindergartenjahr aber nicht. Ich will jetzt einmal bei der Historie des beitragsfreien letzten Kindergartenjahres bleiben. Ich habe darauf hingewiesen, dass ich schon damals die Prämisse nicht gekauft habe, dass damit eine Anreizfunktion verbunden sei. Schon damals, bei der Einführung für das letzte Kindergartenjahr, waren wir bei einer Besuchsquote von über 90 %, jedenfalls in weiten Teilen des Landes und in weiten Teilen der Bundesrepublik Deutschland. Das heißt, das Anreizargument war schon damals ein ziemlich schiefes. Ich habe zu dem, was das zweite Kindergartenjahr angeht, wie es unser Gesetzentwurf vorsieht, in meinem ersten Beitrag hinreichend etwas gesagt. Ich habe gesagt: Unter diesem Aspekt müssten wir eigentlich in den Bereich U 3 gehen. – Aber wir sind in der Logik geblieben. Das Argument stimmt also nur teilweise.

Herr Minister, auch ist Ihr Argument widersprüchlich, dass mit einer pauschalen Beitragsfestsetzung sozusagen die falschen Leute subventioniert würden. Wenn man es isoliert betrachtet, wäre das zumindest teilweise richtig. Es ist ein Argument, mit dem ich mich sehr lange auseinandergesetzt habe.

(Minister Stefan Grüttner: Das rechne ich Ihnen auch an!)

Ich gehöre nicht zu denen, die sozusagen, auf beiden Beinen stehend, schon seit zehn Jahren Hurra schreien, was die Beitragsfreiheit angeht. Aber die Debatte hat sich weiterentwickelt. Sie hat sich von der Anreizfrage hin zu einer Frage der finanziellen Entlastung weiterentwickelt, zu einer Frage der sozialen Gerechtigkeit. Deswegen habe ich auf diesen Punkt so viel Wert gelegt. Ich habe aber auch die anderen Probleme nicht verschwiegen.

Jetzt kommen wir einmal zur pauschalen Entlastung. Wir haben die vollständige Kostenfreiheit in der Schule, zumindest die Gebührenfreiheit, denn kostenlos ist der Schulbesuch bei Weitem leider nicht. Wir wissen, wir haben die Gebührenfreiheit auch in der Hochschule. Wir wissen, dass die Bildungsfinanzierung, die Subventionierung von Bildungsangeboten für Kinder, auf dem Kopf steht. Wir wis

sen, dass ein Student natürlich ein Vielfaches von dem kostet, was ein Kind im ersten, zweiten oder dritten Kindergartenjahr kostet. Das gilt um ein Vielfaches bereits für die Gymnasiasten, insbesondere für diejenigen in der Oberstufe. Auch wissen wir, dass Schüler mehr kosten als Kinder im Kindergarten. Wenn wir also von pauschalen Subventionierungen reden, dann müsste man logischerweise – das haben Sie mit den Studiengebühren ja auch einmal versucht – über diesen Bereich reden. Insofern ist Ihr Argument in sich nicht stimmig.

(Minister Stefan Grüttner: Doch, das ist es!)

Nein, es ist nicht stimmig, Herr Minister.

Ich will einen letzten Punkt nennen; wir können das hier nicht alles ausdiskutieren. Ich habe schon Frau Wiesmann gefragt, ob sie bereit sei, in eine Debatte über die Deckelung von Kindertagesstättengebühren einzutreten, und ob sie bereit sei, in eine Debatte über eine differenzierte Sozialstaffelung durch landesgesetzliche Regelungen einzutreten. Herr Minister, Ihr Beitrag war zu verstehen als ein eindringliches Plädoyer genau hierfür.

(Beifall bei der SPD)

Ich biete Ihnen nun an: Lassen Sie uns in die Diskussion darüber eintreten, wie weit wir als Landesgesetzgeber kommen, dafür zu sorgen, dass diejenigen tatsächlich entlastet werden, von denen Sie eingangs gesagt haben – das habe ich gern gehört, und das habe ich gut gehört –, dass sie entlastet werden müssten, sowie eine differenzierte Lösung zu finden. Sind Sie bereit, diesen Weg zu gehen? Das frage ich auch Frau Wiesmann, und dann diskutieren wir hierüber. Ansonsten bleiben wir im Grundsatz bei der Auffassung, dass an der Gebührenfreiheit in ihrer Gänze kein Weg vorbeiführt.

Aber eines wollte ich Ihnen noch sagen: Ich wollte Ihnen danken für den Hinweis zur Übertragbarkeit der Kostenberechnung für das letzte auf das vorletzte Jahr. Da ist in der Tat eine Unschärfe drin. Da schauen wir noch einmal nach. Ansonsten herzlichen Dank für diese sachliche Auseinandersetzung. Es lohnt sich, weiter zu diskutieren.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die zweite Lesung durchgeführt, und wir kommen zur Abstimmung.

Wer diesem Gesetzentwurf der Fraktion der SPD für ein Erstes Gesetz zur Förderung von Chancengleichheit in der frühkindlichen Bildung seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD, FDP und LINKE. Wer ist dagegen? – CDU und GRÜNE. Wer enthält sich der Stimme? – Dann stelle ich fest, dass der Gesetzentwurf mit den Gegenstimmen von CDU und GRÜNEN im Hause mehrheitlich abgelehnt worden ist.

Zur Geschäftsordnung hat sich Herr Abg. Rock gemeldet. Bitte schön.

Herr Präsident, ich möchte beantragen, dass wir Tagesordnungspunkt 48 wegen seiner Aktualität noch heute, am Ende der Tagesordnung, beraten.

Herr Bellino, zur Geschäftsordnung.

Herr Präsident, wir bedauern, dass das erst jetzt beantragt wird. Wir hatten das heute Morgen auf die Tagesordnung genommen. Wir sind davon ausgegangen, dass es sich normal einreiht und dann in der nächsten Plenarrunde diskutiert wird. Aus Gründen der Kollegialität machen wir das so, aber ich weise schon darauf hin, dass dies etwas ungewöhnlich ist, wenn man eineinhalb Stunden vor dem Debattenbeginn mitteilt, dass man diesen Tagesordnungspunkt dann doch noch beraten möchte. Wir machen das. Wir bitten die Opposition aber auch darum, wenn uns einmal ein Lapsus passiert, nicht in höhnisches Gelächter zu verfallen, wie wir das hier kennen, sondern uns vielleicht mit der gleichen Kollegialität zu begegnen.

Weitere Wortmeldungen zur Geschäftsordnung? – Dann stelle ich fest: Es ist mehrheitlich beschlossen, dies am Ende der Tagesordnung aufzurufen. Dann verfahren wir so.

Wir machen jetzt aber mit Tagesordnungspunkt 11 weiter:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Drittes Gesetz zur Änderung des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Wasserverbandsgesetz – Drucks. 19/3735 zu Drucks. 19/3562 –

Berichterstatter ist Herr Kollege Gremmels. Er hat das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zum Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Drittes Gesetz zur Änderung des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Wasserverbandsgesetz, Drucks. 19/3562.

Beschlussempfehlung: Der Ausschuss für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen der CDU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN bei Enthaltung der FDP, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung mit folgender Änderung – die geänderte Fassung ist der Beschlussempfehlung beigefügt – anzunehmen: In Art. 1 Nr. 1 werden in § 2 Abs. 1 Nr. 3 die Wörter „der Verbandsvorstand“ durch die Wörter „die Verbandsvorsteherin oder der Verbandsvorsteher“ ersetzt. – Das war es.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Gremmels, herzlichen Dank. – Eine Aussprache wird nicht gewünscht. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer dem Gesetzentwurf in zweiter Lesung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. CDU, GRÜNE, SPD, LINKE. Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Die FDP-Fraktion. Dann stelle ich fest, dass der Gesetzentwurf

in zweiter Lesung angenommen worden ist und zum Gesetz erhoben wird.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Hessisches Ausführungsgesetz zum Gesetz über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren (PsychPbGHAG) – Drucks. 19/3737 zu Drucks. 19/3470 –

Frau Kollegin Hofmann ist die Berichterstatterin. Sie haben das Wort. – Nein, es kommt Kollege Rudolph.