Von verlässlichen Lärmpausen kann überhaupt keine Rede sein. Das hat der Minister auch selbst eingeräumt. Letztlich ist es vom Wetter und vom Wind abhängig. Denn wir wissen alle, dass die Lärmpause nur bei einer Windrichtung, also bei Westwind, funktioniert. Es ist abhängig davon, ob irgendwo gestreikt wird und ob irgendwo Engpässe entstehen. Von solchen Faktoren ist abhängig, ob die Lärmpause überhaupt eingehalten werden kann. Wind und Wetter sind bekanntlich nicht planbar. Bei unbeständigem Wetter – das sehen wir immer wieder – gibt es größte Probleme, die Lärmpause überhaupt einzuhalten.
Deshalb können sich die Menschen dann quasi abends im Internet informieren, ob sie voraussichtlich eine Stunde früher ins Bett gehen können, ohne aus dem Schlaf gerissen zu werden. Sie können auch schon einmal nachschauen, ob sie voraussichtlich etwas länger schlafen können, sodass sie nicht um 5, sondern erst um 6 Uhr aus dem Schlaf gerissen werden. Aber selbst das ist keine Garantie, und darauf können sie sich nicht verlassen. Deswegen fühlen sich die betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner zu Recht veralbert, wenn man sich einmal anschaut, in welchem Verhältnis die politische Inszenierung dieser Lärmpausen zum mageren Ergebnis steht.
Die Lärmverschiebung rund um den Frankfurter Flughafen bleibt eine politische Verzweiflungstat. Sie versucht, Aktionismus gegen Fluglärm zu demonstrieren, ohne aber auch nur einen Flieger weniger fliegen zu lassen. Deswegen hat das Bündnis der Bürgerinitiativen die Lärmpausen zu Recht als reine PR-Aktion bezeichnet.
Auch die betroffenen Kommunen sind keineswegs überzeugt. Der Bürgermeister von Mühlheim am Main hat beispielsweise noch einmal erklärt, die Lärmpausen seien nicht zielführend und eine klare Mogelpackung. Deswegen habe er gegen den Regelbetrieb votiert. Auch die kürzlich vorgelegte wissenschaftliche Evaluierung samt einer repräsentativen Befragung der Menschen hat Zweifel aufgeworfen. Die Messungen haben erwartungsgemäß aufgezeigt, dass es an verschiedenen Stellen teilweise leiser und teilweise lauter geworden ist und dass über 90 % der Befragten durch den Probebetrieb überhaupt keine Verbesserungen in ihrem Alltag wahrnehmen. Das Zehntel, das eine Veränderung überhaupt wahrgenommen hat, hat sogar festgestellt, dass es bei den morgendlichen Lärmpausen schlechter ist als vorher. Das haben die Befragten mehrheitlich festgestellt.
Deswegen ist also das Lärmpausenmodell eine Mogelpackung. Spätestens dann, wenn sich die Zahl der Flugbewegungen in den sogenannten Nachtrandstunden den genehmigten durchschnittlich 133 Flügen nähert, sind die Lärmpausen auch faktisch nicht mehr realisierbar. Das Lärmpausenmodell basiert komplett auf Freiwilligkeit. Die Fraport und auch die Fluggesellschaften werden dieses Lärmpausenmodell genau so lange hinnehmen, wie sie die Kapazitäten, die dadurch nicht genutzt werden können, noch nicht zu Geld machen können. Das hat Herr Kasseckert eben in seiner Rede auch gesagt. Er hat von Lärmschutz, solange er ökonomisch vertretbar ist, gesprochen. Da haben wir eine grundsätzlich andere Position. Wir sagen: Die Gesundheit und die Lebensqualität der Menschen in der Region müssen Vorrang haben vor den Profitinteressen der Fraport und der Fluggesellschaften.
Das ist genau das Problem, dass der Ausbau weitergeht. Herr Kaufmann hat eben den Lärmteppich beschrieben, und er hat auch beschrieben, welche Auswirkungen das auf die Anwohnerinnen und Anwohner hat, die eben ihre Fenster nicht mehr öffnen können und aus dem Schlaf gerissen werden, auf Kinder, die dadurch massiv beeinträchtigt sind. Aber der Ausbau ist keineswegs gestoppt, sondern es geht noch weiter.
Da will ich schon noch einmal kurz etwas zum Terminal 3 sagen. Denn damit werden neue Kapazitäten geschaffen, von denen sich zumindest Fraport verspricht, dass es wachsende Passagierzahlen geben wird. Dieses Passagierwachstum hat die Fraport in den letzten Jahren durch immer größere und besser ausgelastete Flugzeuge erreicht. Aber wenn dieses Potenzial ausgeschöpft ist, dann wird die Zahl der Flugbewegungen eben auch steigen.
Auch beim Terminal 3 haben die GRÜNEN mächtig rumgeeiert. Alle Maßnahmen, die den Bau tatsächlich noch hätten verhindern können, wurden gemieden. Die schwarzgrüne Stadtregierung in Frankfurt hatte die Baugenehmigung schon erteilt, als der grüne Verkehrsminister auf Landesebene noch angekündigt hat, den Bedarf noch einmal zu prüfen. Wir wissen alle, was bei dieser Bedarfsprüfung herauskam: Das war ein entschiedenes „Na ja, überlegt es euch doch noch einmal“. Das ging in Richtung Fraport. Das war verbunden mit dem Satz des Ministers „Baurecht ist keine Baupflicht“ – als würde ein börsennotiertes und gewinnorientiertes Unternehmen wie die Fraport auf Wachstumsmöglichkeiten verzichten, wenn sie ihm erlaubt
werden. So funktioniert unser Wirtschaftssystem eben nicht. Unternehmen nehmen leider wenig Rücksicht auf den Schutz der Menschen, wenn sie ihren Gewinn maximieren können. Deswegen ist es nicht Aufgabe der Politik, an das Gewissen oder die Vernunft der Unternehmen zu appellieren, sondern es ist Aufgabe des Gesetzgebers, diesem Wachstumsstreben Grenzen aufzuzeigen und deutlich zu sagen: „Bis hierher und nicht weiter“.
Deswegen brauchen wir auch verbindliche gesetzliche Regelungen und nicht das nächste Modell, das auf Freiwilligkeit und Goodwill von Fraport und den Fluggesellschaften setzt und das einfach nicht mehr funktionieren wird, sobald die Zahl der Flugbewegungen steigen wird.
Wirklich leiser würde es nur dann werden, wenn die Zahl der Flüge am Frankfurter Flughafen reduziert und gedeckelt würde. Das war eine Forderung, die die GRÜNEN bis vor Kurzem auch noch gestellt haben. Wir brauchen ein echtes achtstündiges Nachtflugverbot von 22 Uhr bis 6 Uhr und nicht die Verschiebung von Lärm in den sogenannten Nachtrandstunden. Wir sind der Meinung, wir bräuchten endlich so etwas wie ein deutschlandweites oder gar europaweites Flughafenkonzept. Denn es ist doch ein Problem, dass ein Flughafen nach dem anderen ausgebaut wird, dass völlig unsinnige Regionalflughäfen aus dem Boden schießen – darüber reden wir morgen – und dass es überall Überkapazitäten gibt. Gerade in Zeiten des Klimawandels wäre es doch dringend notwendig, sich anzuschauen, welche Flughäfen wir wirklich brauchen und welcher Flughafen welche Rolle spielen kann. Deswegen wäre es viel sinnvoller, hier endlich einmal zu einem übergeordneten Konzept zu kommen.
Notwendig wäre es auch, Kurzstreckenflüge stärker auf die Schiene zu verlagern. Eine Kleine Anfrage unserer Bundestagsfraktion hat erst vor wenigen Wochen ergeben, dass in Frankfurt im vergangenen Jahr über 125.000 Flüge mit einer Streckenlänge von unter 600 km starteten. Das ist mehr als jeder vierte Flug, nämlich 27 % der Flüge. Dass mehrfach vom Frankfurter Flughafen aus nach Stuttgart geflogen wird, ist, so finde ich, durchaus eine Frage, die man diskutieren kann und wo die Verlagerung von Flügen auf die Bahn eine ganz entscheidende Rolle spielen kann.
Deswegen brauchen wir ein Umsteuern in der Flughafenpolitik. Ein Flughafen inmitten eines Ballungsraumes kann nicht immer weiter wachsen. Die Fraport wird eben nicht freiwillig auf Wachstum verzichten, wenn ihr keine Grenzen aufgezeigt werden. Ich will auch noch einmal darauf hinweisen, dass es bei der ganzen Debatte eben nicht nur um Lärm geht, auch wenn wir hier in allererster Linie immer über Lärm reden. Aber es geht auch um die Schadstoffbelastung der Region, und es geht eben auch um die Klimapolitik des Landes. Natürlich läuft es allen klimapolitischen Absichtserklärungen des Landes zuwider, wenn man immer weiter auf wachsenden Flugverkehr setzt.
Deswegen sage ich: SPD, CDU und FDP haben damals den Bau der Nordwestlandebahn durchgesetzt. Das war ein schwerer Fehler. Statt das zu korrigieren und jetzt wirklich Korrekturen durchzusetzen, gehen Sie, Herr Al-Wazir, diesen Weg faktisch weiter. Das ist das Problem. Jetzt entsteht das Terminal 3, und dem Wachstumsstreben der Luftfahrt
industrie wird nichts entgegengesetzt. Diese schwarz-grüne Landesregierung hat sich leider als eine weitere Flughafenausbauregierung erwiesen. Davon soll ein Placebo namens Lärmpausen ablenken. Um nichts anderes geht es hier. Ich finde, dass das die Menschen in der Region, die unter dem Fluglärm leiden, nicht verdient haben, in einer solchen Art und Weise auch noch verschaukelt zu werden. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Was haben wir uns in den letzten zwei Jahren nicht alles anhören müssen, auch in diesem Plenarsaal, als es um die Lärmpausen ging. Ich stelle fest, die siebenstündigen Lärmpausen am Frankfurter Flughafen haben den Praxistest mit Bravour bestanden.
Die Wirksamkeit konnte nach über einem Jahr Probebetrieb nachgewiesen werden. Der Lärm in der Stunde vor und in der Stunde nach dem Nachtflugverbot ist messbar weniger geworden, und im Ergebnis erhalten Zehntausende Menschen im Rhein-Main-Gebiet durch eine intelligentere Bahnennutzung seit über einem Jahr eine zusätzliche Stunde Ruhe. Meine Damen und Herren, weil das ein Erfolg ist, haben wir im letzten Monat die Lärmpausen in den Regelbetrieb überführt, und das ist auch gut so.
Wenn ich ein bisschen zurückblicke, fällt mir ein, was wir uns auch in diesem Bereich nicht alles haben anhören müssen – das hat teilweise der Kollege Weiß in seinem Redebeitrag immer noch gemacht, obwohl er von der Wirklichkeit widerlegt worden ist –; am Anfang hieß es: Das geht betrieblich gar nicht. Das ist im laufenden Betrieb unmöglich umzusetzen. Die Kapazität reicht nicht. Auch die Instabilität hat er wieder genannt.
Ich stelle einfach einmal fest: 23. April 2015 – Beginn des Probebetriebs. Wir haben über ein ganzes Jahr hinweg, von Ende April 2015 bis Ende Mai 2016, eine Anwendungsquote bei Westbetrieb in den Nachtrandstunden von morgens 96 % und abends 92 %. Also: Die Wirklichkeit hat gezeigt, es funktioniert.
Natürlich gab es einmal – Stichwort: Wetterereignisse – eine schlechte Quote. Wir haben im Juni dieses Jahres eine schlechte Quote. Aber da frage ich Sie, Herr Kollege Weiß: Haben Sie in den letzten zwei Wochen einmal rausgeschaut, was da draußen los ist?
(Zurufe der Abg. Michael Boddenberg und Horst Klee (CDU) – Weitere Zurufe von der CDU – Gegenruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))
Dass ich jetzt von Ihnen auch noch dafür verantwortlich gemacht werde, dass es Gewitter und Starkregenereignisse gibt, finde ich toll. Aber so viel Kraft habe ich nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Anhaltende Zurufe von der SPD und der LINKEN – Glockenzeichen der Präsidentin)
Dann gibt es den Vorwurf von SPD und LINKEN, es sei gar keine Lärmreduzierung; es sei nur eine Lärmverschiebung. Da will ich Ihnen ausdrücklich sagen, wir haben im Rhein-Main-Gebiet eine Menge an Messstationen, die den Lärm messen. Diese werden betrieben von der Fraport, vom Umwelt- und Nachbarschaftshaus und teilweise auch von Privaten. Das Ergebnis des Monitorings ist schlicht, dass wir unter dem Strich eine deutliche Lärmreduzierung in diesen beiden Stunden haben.
Wir haben abends unter der Anflugroute der Landebahn Nordwest eine Reduzierung von bis zu 10 dB. Das muss man einmal sagen, wie viel das ist. Das heißt, faktisch ist es in dieser Stunde weg. Natürlich landet das, was nicht dort landet, auf der anderen Bahn, also im Süden. Dann schauen wir uns die Messergebnisse aus Neu-Isenburg an. Wir haben dort abends eine zusätzliche Belastung von 4,5 dB, aber morgens eine Entlastung von 6 dB. Das heißt, unter dem Strich ist es eine Lärmreduzierung. Was kann man eigentlich dagegen haben, meine sehr verehrten Damen und Herren?
Die Bürgerinnen und Bürger wollen, dass wir weitermachen. Das war übrigens die erste Maßnahme des aktiven Lärmschutzes, die von einem Monitoring begleitet worden ist, das nicht nur Fokusgruppen sondern auch repräsentative Umfragen einbezogen hat, um zu wissen, wie es bei den Leuten ankommt, wie es wahrgenommen wird und welche Veränderungsvorschläge es gibt. 71 % der Befragten haben gesagt, sie wollen, dass dieses Modell weitergeführt wird, und genau das tun wir jetzt, meine sehr verehrten Damen und Herren. Auch die Fluglärmkommission hatte sich dafür ausgesprochen. Diese war am Anfang noch sehr skeptisch aber am Ende auch von den faktischen Ergebnissen überzeugt, und genau deswegen machen wir das jetzt.
Es gab am Ende zwar auch Leute, die gesagt haben, es habe ihr Alltagsleben nicht verändert; es ist aber natürlich eine hohe Hürde, das Alltagsleben zu verändern.
Wir haben gefragt, weil wir interessiert daran sind, was die Menschen spüren, weil wir interessiert daran sind, was die Menschen wahrnehmen, und weil wir weiter daran arbeiten, dass wir andere und nächste Lärmschutzmaßnahmen machen, die genau auf die Bedürfnisse der Menschen eingehen. Wenn Sie nicht wissen wollen, was die Leute wollen, weil Sie nur Ihre eigenen Parolen nachbeten, dann ist das Ihr Problem. Wir arbeiten kontinuierlich weiter an der Reduzierung des Lärms.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe der Abg. Janine Wissler und Hermann Schaus (DIE LINKE) – Glockenzeichen der Präsidentin)
Deswegen will ich Ihnen ausdrücklich sagen – das haben wir von Anfang an gesagt –: Die Lärmpausen sind kein Allheilmittel gegen den Fluglärm in der Region. Mir ist sehr bewusst, dass manche Gebiete mehr und andere Gebiete weniger profitieren. Wir wissen, dass wir noch an anderen und weiteren Maßnahmen arbeiten müssen.
Herr Lenders, natürlich. Sagen Sie doch nicht: „Aha“. – Wir werden an anderen Maßnahmen des aktiven Schallschutzes arbeiten, weil wir um jedes Dezibel kämpfen, insbesondere in den sensiblen Nachtrandstunden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will, dass der Frankfurter Flughafen Vorreiter dafür ist, wie man einen großen internationalen Flughafen möglichst lärmarm betreibt, ohne dabei die Wettbewerbsfähigkeit des Flughafens zu gefährden. Beides gehört zusammen. Man muss nur die richtige Balance finden.
Wir arbeiten gerade an einem Vorschlag, wie Lärmobergrenzen in die Tat umgesetzt werden können – Lärmobergrenzen, die übrigens schon in der Mediation versprochen wurden. Wir arbeiten jetzt an genau einem solchen Vorschlag, und ich bin gespannt, ob jenseits der Kritik, die auf jeden Fall kommt, auch irgendeine eigene Vorstellung der Oppositionsfraktionen davon kommt, wie es denn besser gehen könnte. Ich freue mich schon heute darauf.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))
Wir sind gerade dabei, das zweite Maßnahmenpaket für aktiven Schallschutz des Forums Flughafen und Region mit zu erarbeiten, das voraussichtlich 2017 mit vier Säulen vorgestellt werden soll: Optimierung bereits vorhandener Maßnahmen, Neueinführung kurzund mittelfristiger Maßnahmen, Erforschung und Entwicklung perspektivischer Maßnahmen und natürlich Veränderungen von Rahmenbedingungen und Anreizinstrumenten, um aktiven Schallschutz zu fördern. Wir unterstützen das.