Protocol of the Session on September 23, 2015

Lieber Kollege Boddenberg, wir haben den Start in das neue Schuljahr erstmals seit mehreren Jahren mit deutlichen Stellenkürzungen, insbesondere zulasten der gymnasialen Bildung sowie der Grundschulen.

(Michael Boddenberg (CDU): Wieso habe ich eigentlich keinen einzigen Beschwerdebrief bekommen?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lieber Herr Kollege Boddenberg, gerade der viel gerühmte Ganztagsbetrieb ist eine Mogelpackung.

(Beifall bei der FDP – Michael Boddenberg (CDU): Ich habe keinen Beschwerdebrief bekommen! – Unruhe – Glockenzeichen der Präsidentin)

Werte Kolleginnen und Kollegen, es hat doch gar keinen Sinn, in dieser Debatte irgendetwas schönzureden, was eben dummerweise so ist. Sie haben tatsächlich 150 Grundschullehrer aus dem Unterricht abgezogen. Diese 150 Grundschullehrer verschieben Sie in die Ganztagsbetreuung. Das ist eine Mogelpackung, nicht mehr und nicht weniger.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Wenn ich sehe, dass Sie den Gymnasien 160 Lehrerstellen allein im Bereich der Oberstufe genommen haben, dann kann ich nur sagen: Insbesondere die Gymnasien haben von dieser Regierung Schlimmes zu erwarten.

Das Beispiel Frankfurt zeigt im Übrigen, wie das schon in der Vergangenheit funktioniert hat. Die GRÜNEN sind dabei, durch die Hintertür – weil es direkt nicht funktioniert – ihre Angriffe auf das Gymnasium zum Erfolg zu führen, und die CDU hält den Steigbügel dafür. Das ist doch das Grundproblem.

(Beifall bei der FDP – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Deshalb gründen wir auch neue Gymnasien in Frankfurt!)

Nehmen wir das Beispiel Frankfurt. Dort haben Sie seit Jahren die Schulpolitik und damit auch die Gymnasialpolitik zu verantworten. Was ist dort passiert? 500 Schüler, die meisten davon mit Gymnasialempfehlung, konnten nicht an den Gymnasien aufgenommen werden, die sie angesteuert hatten. Die CDU lässt Frau Sorge gewähren. Seit Jahren wurde nichts getan. Die gymnasiale Bildung ist in Frankfurt in der Tat zu einem Steinbruch geworden, an dem sich die GRÜNEN austoben.

(Beifall bei der FDP – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Deshalb gründen wir ja auch neue Gymnasien!)

Herr Wagner, das ist zum Schaden der Stadt, das ist zum Schaden der Schulen, das ist zum Schaden der Eltern und nicht zuletzt zum Schaden der Schüler. Das ist das Schlimmste. Sie versündigen sich an der nächsten Generation.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Frau Kollegin Wiesmann, dabei hilft es auch nicht, wenn die Frankfurter CDU unter Ihrer, wie ich vermute, tatkräftigen Initiative entsprechende Papiere verfasst, in denen die Forderungen der FDP weitgehend aufgegriffen werden. Frau Wiesmann, Sie müssen hier in Wiesbaden Farbe bekennen.

(Beifall bei der FDP)

Sie müssen sich in Ihrer Fraktion durchsetzen. Stehen Sie zu Ihrer besseren Einsicht gegen die willfährige Mehrheit in Ihrer Fraktion.

Zurück zur Landespolitik. Der Kultusminister hat verkündet: Keiner bekommt weniger Unterricht. – Herr Kollege Schwarz war es, der hier einmal gesagt hat: „Wenn ein Schüler mehr im Kurs ist, ist das doch kein Problem.“ Das ist aber nicht die Realität. Sie haben das selbst gehört, denn Sie haben in der gleichen Schule an der gleichen Diskussion wie ich teilgenommen. Es ist nicht so, dass linear oder statistisch durchschnittlich irgendetwas ausfällt, sondern es fallen ganze Kurse weg, Kurse können nicht mehr angeboten werden, Kursangebote werden insgesamt reduziert, kleinere Kurse entfallen, und Pflichtkurse quellen über – gerade in den MINT-Fächern, bei denen wir uns einig waren, dass dort besonders viel geschehen muss. Nein, meine Damen und Herren, es ist nicht mit ein bisschen Statistik getan, denn Sie nehmen Lehrer weg und nehmen den Schülern damit ihre Bildungschancen.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kultusminister, ich kann Sie nur dringend bitten: Nehmen Sie die Proteste der Schülerinnen und Schüler, der Lehrerinnen und Lehrer und der Eltern ernst. Ich nehme die Herderschule in Kassel als Beispiel; es wurde eben schon gestreift. Der Kollege Schwarz und ich waren am vergangenen Dienstag dort. Ich habe mir sagen lassen, dass auch Sie, Herr Minister, schon in dieser Schule waren. Die Herderschule ist ein reines Oberstufengymnasium, insofern ein Musterbeispiel für das, was Sie hier tun. An dieser Schule gab es zu Zeiten, als eine gute Lehrerversorgung in Hessen an der Tagesordnung war, 43 Stellen.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Lieber Holger Bellino, wir können ja zusammen einmal ein bisschen rechnen. Wenn man von 43 Lehrerstellen 2,5 Stellen wegnimmt, wie viel Prozent sind das? Das bedeutet eine um 6 % geringere Lehrerversorgung an der Herderschule in Kassel.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Manche wären über 6 % froh!)

Diese Kürzung ist ein Zeichen dafür, dass Sie nicht nur Ihr Versprechen gebrochen haben, es bei einer im Durchschnitt 104-prozentigen Lehrerversorgung zu belassen, sondern auch dafür, dass Sie diesem reinen Oberstufengymnasien nach der Umsetzung Ihres Planes eine Lehrer

versorgung mit weniger als 100 % zumuten. Vertuschung und Schönrederei hilft da überhaupt nicht.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Dass Sie das Ganze nicht gerne hören und gerne ein bisschen zur Seite schieben möchten, wundert mich nicht. Auf der anderen Seite müssen natürlich die Fakten auf den Tisch. Deswegen haben wir vor den Sommerferien, vor mittlerweile über neun Wochen, Kleine Anfragen eingebracht, in denen wir wissen wollen, wie es flächendeckend an den einzelnen Schulen aussieht. Wie viel nehmen Sie jeder einzelnen Schule an jedem einzelnen Ort weg? Wir tun das, damit die Bürger erfahren, was da los ist. Es war wie üblich: Zum Ende der Beantwortungsfrist von sechs Wochen kam die Mitteilung, das Ministerium müsse leider noch recherchieren. Ungeschrieben stand dabei: Zum Schuljahresbeginn wollen wir nicht mit schlechten Nachrichten nach draußen gehen. – Das kann ich ein Stück weit verstehen.

(Beifall bei der FDP)

Das ist aber keine ordentliche Politik. Das macht es nicht besser. Ich kann Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Koalition, nur sagen: Nehmen Sie sich ein Herz, korrigieren Sie Ihre Fehler, und zwingen Sie Ihren Minister, nachdem er einen missglückten Bildungsgipfel durchführen musste, nicht auch noch, weiterhin wider besseres Wissen Politik gegen die Gymnasien zu machen. Erlauben Sie ihm, die Ankündigung einer weiteren Reduzierung des Oberstufenfaktors sofort zurückzunehmen und den Gymnasien die zweckentfremdeten Stellen wieder zurückzugeben.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir haben zum Glück noch eine zweite große Runde. Wir hätten die Debatte auch zusammenfassen können. Wir kommen aber noch zu dem zweiten Thema.

(Zurufe von der CDU)

Woran das liegt, ist mir völlig egal. Das macht ja auch nichts. Dann machen wir es eben in zwei Tagesordnungspunkten. Ich werde Ihnen auch nachher etwas zu sagen haben, insbesondere zu Ihrer verfehlten Politik hinsichtlich der Unterrichtung von Flüchtlingen.

Ich will hier nur kurz Folgendes andeuten. Wir haben uns gestern ausgiebig mit der Flüchtlingsthematik beschäftigt. Ich habe durchaus gehört, dass offensichtlich auch in der Koalition die Erkenntnis wächst, dass mehr getan werden muss, dass insbesondere auch im Bildungsbereich mehr getan werden muss. Ich habe noch sehr gut im Ohr, dass der Kultusminister vor der jüngsten Entwicklung erklärte: „Wenn es ein paar Flüchtlinge mehr werden, dann werden wir weiter umverteilen müssen, dann werden wir nicht mehr Stellen in das System geben können.“ – Das hat nicht funktioniert. Herr Kollege Bauer hat vorhin, als Herr Degen gesprochen und mehr Lehrer für diesen Bereich gefordert hat, dazwischengerufen: „Mehr ist immer gut! Aber wo sollen die denn herkommen?“

(Alexander Bauer (CDU): So ist es!)

Das kann ich Ihnen relativ einfach beantworten, Herr Kollege Bauer. Das Land bekommt vom Bund zusätzlich 300 Millionen € zur Bewältigung der Flüchtlingsproblematik. Das wurde schon vor der jüngsten Entwicklung entschieden; schauen wir einmal, was dabei herauskommt. Es kann

doch nicht sein, dass dieses Geld nur in Unterkünften und sonst wo versickert. Wir müssen vielmehr die Kernaufgaben lösen, und dabei müssen wir auch dafür sorgen, dass es entsprechende Mittel für die Ausbildung gibt.

(Beifall bei der FDP – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Geld „versickert“ in der Unterbringung von Flüchtlingen? Das ist doch wohl nicht wahr! – Angela Dorn (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist ekelerregend, was Sie sagen! – Weitere Zurufe von der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Wagner, deshalb fordern wir mindestens – –

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst, Herr Greilich! Dass wir das Geld an die Kommunen weitergeben, finden Sie falsch? Wenn ja, dann sagen Sie das doch! – Weitere Zurufe von der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Glockenzeichen der Präsidentin)

Kollege Greilich, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schork?

Ich gestatte keine Zwischenfrage. Bei nur noch 30 Sekunden verbleibender Redezeit kann ich nur sagen: Es tut mir leid, wenn Sie das aufregt,

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das regt mich wirklich auf!)

aber Tatsache ist – bei all den schönen Worten, die wir gestern gehört haben –: Ohne mehr Geld wird es auch bei der Betreuung der Flüchtlinge nicht gehen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb sage ich in aller Ruhe und Sachlichkeit – damit bin ich am Ende dieses Redebeitrags –: 10 % der Gelder, die vom Bund kommen, müssen für die Bildung eingesetzt werden. Daran wird nichts vorbeiführen.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. – Als Nächster hat Kollege Schork für eine Kurzintervention das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Greilich, Sie haben in Ihren Ausführungen gesagt, dass wir vom Bund 300 Millionen € bekommen und dass wir diese Mittel nach Ihrer Auffassung für zusätzliche Stellen und zusätzliche Maßnahmen an den Schulen einsetzen können.

Mich würde interessieren, wie Sie auf diese 300 Millionen € kommen und auf welches Programm des Bundes Sie sich beziehen. Zurzeit ist ein Betrag von 3 Milliarden € in der Diskussion. Das ist ein Betrag, der vom Bund mögli

cherweise zur Verfügung gestellt wird. Es gibt allerdings nach meinem Kenntnisstand bisher keine Zusagen des Bundes, die über zwei mal 500 Millionen € hinausgehen. Die auf das Land Hessen entfallenden 38 Millionen € werden an die Kommunen weitergeleitet und sind im Landeshaushalt verfügbar.

Geben Sie mir bitte eine Antwort darauf, wo Sie die Information herhaben, dass Hessen 300 Millionen € bekommt, und aus welchem Bundesprogramm dieser Betrag zugesagt und verfügbar ist.