Kolleginnen und Kollegen, in der Schule kann man auch nur etwas lernen, wenn man zuhört. Ich bitte Sie, doch dem Redner zuzuhören.
Danke sehr. – An großen Oberstufengymnasien fallen bis zu vier Stellen weg. Jetzt erklären Sie mir einmal, wie man mit vier weggefallenen Stellen einen Schüler pro Kurs kompensiert. Da fallen ganze Kurse weg. Das Angebot wird eingeschränkt, und schließlich sparen Sie damit beim Abitur.
Wenn Sie das wenigstens ehrlich tun würden. Aber wenn die Berechnungsgrundlage für die Lehrerzuweisung einfach geändert wird und Sie das, was früher als 100 % galt, jetzt mit einer Kürzung wieder als 100 % verkaufen, dann ist das nicht fair. Meine Damen und Herren, hier arbeiten Sie mit Tricks. In der Schule würde das bedeuten: durchgefallen wegen Täuschungsversuchs.
Es ist doch nicht so, dass das nur die Oberstufen und die berüchtigten Gymnasien trifft – es trifft genauso die Grundschulen. Dort sind es 147 Stellen, die wegfallen. Sie kürzen Förderstunden weg – und das an den Grundschulen, wo sich gerade die Inklusion immerhin zu verfestigen und zu etablieren beginnt. Genau dort, wo die Lehrkräfte ohnehin schon die meisten Überlastungsanzeigen schicken und sagen, sie sind am Ende ihrer Belastungsfähigkeit – dort kürzen Sie weiter: dort, wo die Grundlagen gelegt werden.
Der dritte Bereich schließlich, bei dem gekürzt wird, sind die Intensivklassen. Dort hatten wir einmal eine Stundenzuweisung von 28 Wochenstunden. Sie wurde auf 25 reduziert, und jetzt sind wir bei 22 Wochenstunden pro Klasse.
Ich weiß, dann wird wieder erzählt – und das hat sich für mich auch erst einmal ganz sinnvoll angehört –, dass die Schülerinnen und Schüler vor allem in den sprachintensiven Fächern in Intensivklassen sind, und dort, wo es um Musik, Sport oder Kunst geht und die Sprache nicht eine so große Rolle spielt, in der Regelklasse.
Meine Damen und Herren, dann aber habe ich einmal mit den Praktikern gesprochen. Vor Ort funktioniert das keineswegs so, dass alle Klassen gleichzeitig, in der gleichen Stunde, Kunst, Musik oder Sport haben. Vielmehr wird es am Ende so sein, dass die Schüler möglicherweise im Physikunterricht oder im Mathematikunterricht in der Regelklasse sitzen müssen, wo sie nichts mitbekommen und eben nur 22 Stunden in Intensivklassen unterrichtet werden.
Meine Damen und Herren, Sie kürzen bei den Schwächsten. Sie kürzen dort, wo der Unterricht ganz wichtig wäre, denn gerade die Sprache ist der Schlüssel zur Integration.
Ich bin mir ganz sicher, dass der Zuwachs an den Schulen durch die Flüchtlingskinder erst einmal kein Problem ist. Das ist eine Herausforderung. Diese Herausforderung können wir meistern, wenn wir die Stunden in geeigneter Weise in die Klassen geben und an den Schulen Bedingungen schaffen, um das zu meistern. Meine Damen und Herren, dann kann diese Herausforderung zu einer Chance werden. Gerade wenn man sich mit dem demografischen Wandel beschäftigt, stößt man immer wieder auf die Aussage, auch der sei kein Problem, sondern wir müssen gerade durch Zuwanderung und Qualifizierung neue Chancen schaffen, um durch die Schulen genügend viele gut ausgebildete Menschen zu erhalten.
Schon jetzt sage ich Ihnen: In naher Zukunft werden wir wirklich darüber reden müssen, ob es nicht sinnvoll ist, die Schulpflicht auf mindestens 25 Jahre zu erhöhen, vielleicht gar auf 27 Jahre – um eben den Schülerinnen und Schülern, die hierher kommen und noch keine neun Jahre Schule absolviert haben, die Möglichkeit zu geben, hier einen wirklich guten Bildungsabschluss zu erlangen und die Schule auch noch dann zu besuchen, wenn sie schon älter sind. Meine Damen und Herren, das halten wir für dringend notwendig.
Gerade diese aktuelle Entwicklung, rund um die Flüchtlinge, ist nach meiner Meinung das beste Beispiel dafür, dass allein der Anspruch, keine Lehrerstelle zu kürzen, ungenügend ist. Meine Damen und Herren, wir brauchen mehr Lehrerstellen. Dafür ist nun wirklich der Zeitpunkt gekommen.
Das sieht nicht nur die SPD so – selbst die grüne Schuldezernentin in Frankfurt wird damit zitiert, man brauche eben mehr Lehrer für diese Klassen.
Angesichts dieser Thematik und der Herausforderung, die wir haben, halte ich es auch für angemessen, darüber zu reden, ob es nicht notwendig ist, das Kooperationsverbot im Grundgesetz, das für die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern besteht, nicht endlich wieder infrage zu stellen.
Wesentlich für die bessere Integration der Flüchtlingskinder sind auch Ganztagsschulen – nicht nur, aber auch sie können einen wesentlichen Beitrag dazu leisten. Auch hier ist Hessen nach wie vor ziemlich weit hinten, auch wenn es jetzt nicht mehr fünf, sondern sechs oder vielleicht gar sieben Grundschulen sind, die in Hessen nach dem Profil 3 arbeiten. Nach wie vor haben wir 1.170 Grundschulen, und da ist diese geringe Zahl einfach nur lächerlich. Wir müssen mehr echte Ganztagsschulen schaffen, vor allem im Bereich der Grundschule.
Zur inklusiven Beschulung habe ich schon etwas gesagt. Nach über 30 Jahren Erfahrung mit gemeinsamem Unterricht in Hessen stehen wir nach wie vor dort, wo es heißt, das sei eine schrittweise und langfristige Umsetzung, ein komplexes gesamtgesellschaftliches Vorhaben. Meine Damen und Herren, vor über 30 Jahren war Hessen einmal Vorreiter beim gemeinsamen Unterricht, und jetzt haben
wir die rote Laterne und sind beim Ausbau inklusiver Bildung in Deutschland ganz hinten. Hier muss sich dringend etwas tun. Wir brauchen einen Masterplan mit klaren Schritten, wie es vorangehen soll – nicht nur hier und da ein paar Stunden mehr.
51 Schülerinnen und Schüler wurden auch im vergangenen Jahr wieder in die Förderschulen gezwungen. Von Wahlfreiheit kann da nach wie vor keine Rede sein. Eine echte Wahlfreiheit braucht angemessene Ressourcen und eine angemessene Ausstattung. Das bedeutet mindestens einmal, dass der Ressourcenvorbehalt aus dem Schulgesetz gestrichen wird.
Meine Damen und Herren, dieses Schuljahr ist eines, in dem sich in Hessen erstmalig seit Langem das Land nicht mehr an der Schulsozialarbeit beteiligt. Sie haben diese Verträge zum 31.07. gekündigt. Ich weiß aber: Auch wenn immer wieder einmal vorgegaukelt wird, die USF sei eine Ersatzmaßnahme, so weiß ich: Das ist sie nicht. Das sind andere Tätigkeiten. Das Land Hessen hat sich aus der Schulsozialarbeit zurückgezogen.
Herr Kollege Degen, gestatten Sie eine Zwischenfrage? – Außerdem darf ich darauf hinweisen, dass die Redezeit zu Ende ist.
In Anbetracht der Redezeit möchte ich die Frage jetzt nicht annehmen. Wir haben doch nachher die Möglichkeit, noch miteinander zu reden.
Ich möchte gerne noch zum letzten Punkt kommen: die mehr als 122 Überlastungsanzeigen. Meine Damen und Herren, die Lehrkräfte sind am Ende, am Ende ihrer Belastung.
Hier muss sich dringend etwas tun. Nullrunden tragen im Übrigen nicht dazu bei, die Motivation zu steigern. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dieser Rede des Kollegen Degen und den Reaktionen insbesondere aus der CDU-Fraktion muss ich mich etwas
wundern. Offensichtlich meinen Sie, mit viel Getöse und Zwischenrufen könne man die Tatsache wegdiskutieren,
dass Sie dieses Schuljahr mit der Eröffnung des Steinbruchs „Gymnasiale Bildung und Grundschulen“ begonnen haben. Was wir hier vor kurzer Frist erlebt haben, ist der schlechteste Schuljahresbeginn seit sechs Jahren.
Herr Kollege Bauer, da Sie in der Schulpolitik einmal zugange waren, kennen Sie sich dort durchaus aus. Dann erinnern Sie sich auch daran: In den letzten fünf Jahren gab es in unseren Schulen Jahr für Jahr mehr Lehrer, eine bessere Lehrerversorgung. Und was haben wir in diesem Jahr?
Lieber Kollege Boddenberg, wir haben den Start in das neue Schuljahr erstmals seit mehreren Jahren mit deutlichen Stellenkürzungen, insbesondere zulasten der gymnasialen Bildung sowie der Grundschulen.