Protocol of the Session on July 22, 2015

Zweitens. Die wirtschaftliche Lage und die hohe Jugendarbeitslosigkeit besonders im Kosovo erfüllen auch uns mit Sorge. Die Verwendung des Wortes „Wirtschaftsflüchtling“ mit einem abschätzigen Unterton ist in unseren Augen nicht angemessen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE)). Ehe Sie von den LINKEN wieder dazwischenrufen, sage ich Ihnen: Uns ist das Schicksal von Albanern und Kosovaren nicht egal. (Willi van Ooyen (DIE LINKE): Deshalb ist die Bundeswehr ja da!)

Die Kosovaren waren die ersten Opfer der Aggressionspolitik von Milošević, der während des Jugoslawienkrieges von Ihrem Führer, Herrn Gregor Gysi, noch hofiert worden ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): Was? Erstens ist er nicht unser „Führer“, und zweitens hat er ihn nicht hofiert! – Gegenruf des Abg. Manfred Pentz (CDU): Das wollt ihr nicht hören! – Weitere Zurufe)

Die Albaner haben mehrere Generationen lang am Steinzeitkommunismus gelitten und wurden dadurch um Generationen zurückgeworfen.

(Beifall und Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, das Schicksal dieser Menschen ist uns nicht egal, und wir sind da glaubwürdiger als Sie. Davon bin ich fest überzeugt.

(Beifall bei der CDU)

Ich wiederhole: Die Verwendung des Wortes „Wirtschaftsflüchtling“ ist in diesem Zusammenhang nicht angemessen, und ich halte das nicht für richtig. Die Verbesserung der Lage der Menschen ist nur im Land selbst, aber mit europäischer Hilfe, erreichbar. Die jüngste Pressekonferenz unserer Bundeskanzlerin Merkel und des kosovarischen Ministerpräsidenten Mustafa in Berlin setzte hier Zeichen. Die Gespräche über ein Assoziierungsabkommen mit der EU werden intensiviert. Die Zusammenarbeit in der Landwirtschaft und in der Energiewirtschaft wird konkretisiert. Die Gespräche über die Einrichtung einer dualen Berufsausbildung im Kosovo werden eingeleitet. Das ist praktische Hilfe vor Ort.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das macht dort die Bundeswehr!)

Diese Pressekonferenz stand inhaltlich und zeitlich im Zusammenhang mit der Balkanreise unserer Bundeskanzlerin, die die Botschaft hatte: Die Menschen in den Staaten auf dem Balkan müssen ihre Perspektive in der Europäischen Gemeinschaft erhalten bzw. bekommen.

Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang soll auch das Engagement karitativer Verbände im Kosovo und in Albanien gewürdigt werden. Dafür gibt es viele Beispiele. Eines möchte ich nennen.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Die Bundeswehr! – Gegenruf des Abg. Horst Klee (CDU))

Nein, nicht die Bundeswehr.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): 850 Mann stehen da noch! – Gegenrufe von der CDU)

Hören Sie einmal zu. Ich wollte jetzt gerade das Engagement eines karitativen Verbandes loben,

(Glockenzeichen der Präsidentin)

wenn Sie das interessieren sollte. – Es geht um das langjährige Engagement des Caritas-Verbandes – hier ist besonders der Gießener Verband engagiert – in Albanien, der sich um Jugendliche kümmert, die vom Land in die Ballungszentren zogen und dort erhebliche Probleme haben. Das soll auch in dieser Debatte einmal genannt werden und unser besonderes Lob und unsere Anerkennung finden.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Abschließend: Wir unterstützen die Landesregierung bei ihren Anstrengungen, weitere Erstaufnahmeeinrichtungen aufzubauen. Wir streben an, dass Unterkünfte in Zelten die Ausnahme bleiben – perspektivisch wollen wir sie wieder abbauen. Dafür einen Zeitpunkt zu nennen, wäre angesichts der Zahlen aber unseriös. Seriöse Aussagen und seriöses politisches Handeln sind aber Voraussetzungen dafür, dass unsere Flüchtlingspolitik die erfreuliche Akzeptanz in der Gesellschaft behält. Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten des Nahen und Mittleren Ostens und des Horns von Afrika sind in Hessen willkommen, und im Rahmen des Verteilungsschlüssels der Bundesländer und der internationalen Abkommen gilt dies auch unbegrenzt. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Manfred Pentz (CDU): Eine sehr gute Rede!)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Kollege Rock, FDPFraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute reden wir über Flüchtlingspolitik in Hessen. Wir reden davon, wie viele Flüchtlinge in Hessen untergebracht werden, und wir reden über die Art der Unterbringung. Und natürlich reden wir auch darüber, wer sich wie in der Flüchtlingspolitik in Hessen engagiert.

Zumindest hier im Hessischen Landtag kann ich feststellen: Die größte Enttäuschung für mich persönlich im Hessischen Landtag in der Flüchtlingspolitik ist die Fraktion der GRÜNEN.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ja!)

Es ist unglaublich, wie Sie sich hier darstellen. Herr Kollege Bocklet, wir haben das heute Morgen schon einmal beim Kollegen Wagner gehört: Sie ersetzen Argumente durch lautes Rufen, durch – ich will nicht sagen: Geschrei, aber – lautes Auftreten mit Ihrer Mehrheit, aber inhaltlich haben Sie überhaupt nichts mehr an Argumenten vorzutragen. Das ist für Sie von den GRÜNEN eine Armutserklärung.

(Beifall bei der FDP und der LINKEN)

Herr Kollege Bocklet, wenn Sie hier davon sprechen, dass „kein größerer Komfort“ in der Unterkunft in Gießen möglich wäre, dann bitte ich Sie, künftig doch besser auf Ihren Sprachgebrauch zu achten und das vielleicht auch nochmals im Protokoll nachzulesen. Das ist so etwas von unpassend

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ja!)

und deplatziert, und das sollten Sie bitte hier im Hessischen Landtag unterlassen.

(Beifall bei der FDP und der LINKEN sowie bei Ab- geordneten der SPD)

Dass sich die Kollegen der Union mit der Flüchtlingsproblematik schwertun, ist nicht neu. Ich erinnere mich sehr gut daran, dass es die Union war, die verhindert hat, dass

Kinder und Jugendliche, die keinen festen Aufenthaltsstatus hatten, hessische Schulen besuchen konnten. Ich weiß noch genau, wie sehr Sie mit dem Begriff Willkommenskultur in Hessen gekämpft haben, liebe Freunde von der Union, und ich weiß auch, dass Sie nicht immer so gehandelt haben, wie Sie hier gesprochen haben. Ihre Sonntagsreden sind bekannt. Es ist bekannt, wie Sie in der Schulpolitik mit Jugendlichen und Schülern umgehen. Darüber haben wir hier schon mehr als einmal diskutiert. Ich will nur an die Regelung zur Beschulung Jugendlicher unter 18 Jahren und an die Senkung der Zuweisungsquote für Flüchtlingskinder an den Schulen erinnern. Das ist Ausfluss der Politik, die Schwarz-Grün zu vertreten hat. Daran sieht man, wie das, was Sie sagen, und Ihr Handeln in diesem Land auseinanderfallen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Das zeigt sich auch bei anderen Themen. Es zeigt sich, dass das nicht nur ein Problem der hessischen Union, sondern ein Thema der Union in Deutschland ist. Wenn ich mir die Regelungen zur Arbeitsaufnahme anschaue, die Sie in Berlin getroffen haben, muss ich sagen: Die CDU ist die einzige Partei in Deutschland, die immer noch nicht erkannt hat, dass wir ein Zuwanderungsgesetz brauchen. All das zeigt, dass Sie in Fragen der Willkommenskultur, der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen und der Verabschiedung eines Zuwanderungsgesetzes noch ein Stück Weges hinter sich zu bringen haben – in Hessen wie in Deutschland. Sie sollten sich hier deutlich mehr bewegen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Vielleicht ist all das für die Bürgerinnen und Bürger in dem kurzen Videoclip visualisiert worden, den wir und Millionen von Bürgerinnen und Bürgern im Internet gesehen haben. Da ist ein Schreibtischmensch auf das reale Leben getroffen, als unsere Bundeskanzlerin Merkel die Rechtslage vorgetragen hat und das weinende Kind sie relativ sprachlos gemacht hat. Ich glaube, das sagt viel aus.

(Günter Schork (CDU): Das ist unglaublich! Was hat das Kind hinterher zu dem Vorgang gesagt?)

Ich habe mir das Video angeschaut. Sie haben sich das Video angeschaut. Viele Millionen Bürgerinnen und Bürger haben es angeschaut. Jeder kann seinen eigenen Schluss daraus ziehen.

(Zurufe von der CDU)

Ich habe meinen Schluss daraus gezogen. Das mögen Sie an der Stelle kritisieren. Für mich war das ein deutlicher Ausdruck von Hilflosigkeit, ein deutlicher Ausdruck dafür, dass über die Frage der Zuwanderung in Deutschland in der Union noch intensiver diskutiert werden muss, und ein Zeichen dafür, dass Sie einen Schritt auf die anderen demokratischen Parteien zugehen müssen, die in dieser Frage bereits einen Konsens gefunden haben.

(Beifall bei der FDP – Holger Bellino (CDU): Was leisten wir denn im internationalen Vergleich? – Weitere Zurufe von der CDU)

Ich habe das Wort, ich habe das Mikrofon. Meine Worte werden ins Protokoll aufgenommen. Sie können sie nachlesen. Sie können auch einen blauen Zettel abgeben; dann kann ich noch einmal ein paar Minuten reden.

Es ist eindeutig so, dass die Union die Partei ist, die bei den Themen Zuwanderung und Zuwanderungsgesetz noch

Handlungsbedarf hat. Damit stehen Sie im demokratischen Spektrum Deutschlands alleine. Sie stehen alleine mit Ihrer Auffassung, dass man Migranten in Deutschland 15 Monate lang nicht arbeiten lassen soll. Sie stehen alleine mit der Auffassung, wie man mit Flüchtlingskindern hinsichtlich ihrer Beschulung umgeht. Auch wenn Herr Dr. Bartelt, ein sehr sympathischer Kollege, hier sehr deutlich und glaubhaft für sich persönlich Ausführungen macht: Die momentane Beschlusslage der Union steht dem entgegen.

Ich will noch einmal auf das Thema Unterbringung der Flüchtlinge in Zeltunterkünften, in Zeltstädten eingehen. Ich denke, der Herr Minister wird uns eine klare und deutliche Argumentation vortragen, warum das zurzeit nicht anders zu machen ist, warum wir zurzeit nicht anders handeln können. Ich habe da ein gewisses Vertrauen, weil ich glaube, dass die Menschen, die an der Front stehen, die die Arbeit vor Ort machen, das größte Interesse daran haben, dass die Flüchtlinge vernünftig untergebracht werden. Eine auf einen Ort konzentrierte Unterbringung ist nämlich für alle eine Belastung, ganz besonders für die Flüchtlinge, aber auch für die Menschen, die sie betreuen. Von daher kann und will ich mir nicht vorstellen, dass die Unterbringung in Zelten willkürlich, unbegründet und vorsätzlich erfolgt. Das traue ich keinem Mitglied der Landesregierung zu.

(Beifall bei der FDP)

Ich möchte trotzdem auf ein Versagen des Landes Hessen hinweisen. Der Herr Ministerpräsident hat vor gut einem Jahr in einer Äußerung gegenüber dem Hessischen Rundfunk deutlich gemacht, wie wichtig es ihm ist, dass Flüchtlinge nicht in Zeltstädten untergebracht werden, und dass er eine Initiative startet, dass ihre Unterbringung – zumindest übergangsweise – in Gewerbegebieten möglich ist. Damit war er erfolgreich. Ich gratuliere ihm an dieser Stelle noch einmal zu diesem Erfolg. Ich kann mir vorstellen, dass das nicht einfach war. Was ist aber passiert? Da frage ich wieder einmal meine Freunde von den GRÜNEN. Die Union hat sich für eine pragmatische Lösung eingesetzt. Was macht der grüne Wirtschaftsminister? Er schreibt die Kommunen an und teilt ihnen mit: Das dürft ihr aber nur fünf Jahre lang machen. – Damit konterkariert er all das, was der Ministerpräsident möglich gemacht hat.

(Zuruf des Ministers Tarek Al-Wazir)

Herr Al-Wazir, Sie sagen, das sei eine gesetzliche Regelung. Das zeigt, dass Sie von dem Sachverhalt überhaupt keine Ahnung haben.

(Beifall bei der FDP – Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)