Protocol of the Session on July 22, 2015

Vielen Dank. – Für eine Kurzintervention erteile ich Herrn Abg. Wilken für die Fraktion DIE LINKE das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bocklet, Sie können hier doch nicht ernsthaft behaupten, dass Sie, die Landesregierung oder die die Landesregierung tragenden Fraktionen davon überrascht wurden, dass wir sehr viele Flüchtlinge haben, die nach Hessen kommen. Sie können doch nicht so tun, als hätten Sie über Nacht Unterkünfte schaffen müssen. Lesen Sie keine Zeitung?

(Armin Schwarz (CDU): Das ist eine Unverschämtheit!)

Bekommen Sie nicht mit, was es an Migrationsbewegungen, Flüchtlingsbewegungen und Asylantenbewegungen gibt? Warum gehen Sie denn nicht auf die von Frau Cárdenas hier angeprangerten menschenunwürdigen Zustände in den Massenunterkünften ein, die Sie gerade eben auch noch verteidigt haben?

(Alexander Bauer (CDU): Was ist denn die Alternative?)

Wir haben das Problem, dass wir keine getrenntgeschlechtliche Unterbringung haben. Wir haben das Problem, dass wir keine Privatsphäre haben. Darüber sollten Sie sich nicht überrascht zeigen. Sie sollten auf gar keinen Fall versuchen, das hier jetzt auch noch zu rechtfertigen. – Danke sehr.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe – Glockenzeichen der Präsidentin)

Es spricht Herr Kollege Bocklet zur Erwiderung.

Herr Dr. Wilken, es bleibt dabei: Es gibt in diesem Saal niemanden, der sagen würde, es sei nicht zu ahnen gewesen, dass mehr Menschen kommen würden. Natürlich verfolgen wir das. Es gibt Prognosen, die auch im Haushalt abgebildet sind, die besagen, wie die Flüchtlingszahlen ansteigen werden. Das gibt es auch für das Jahr 2016. Insofern war Ihre These, dass niemand überrascht ist, für eine gedachte Sekunde zutreffend.

Dennoch wissen Sie nicht, zu welcher Stunde, an welchem Tag und in welcher Woche wie viele Tausend Menschen bei Ihnen vor der Tür stehen. Trotzdem ist es richtig, dass die Landesregierung damit angefangen hat. Noch vor drei Jahren hatten wir eine Erstaufnahmeeinrichtung und eine Einrichtung in Frankfurt, die sich um die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge gekümmert hat. Innerhalb von eineinhalb Jahren wurden es nahezu sechs oder sieben. Da können Sie doch nicht behaupten, das hätte niemand gesehen und darauf hätte sich niemand eingestellt. Herr Dr. Wilken, das ist doch ein kompletter Realitätsverlust.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich frage Sie wirklich ernsthaft: Wie wollen Sie in Ihren Träumen als zukünftiger Ministerpräsident Dr. Wilken des Landes Hessen die Häuser und Gebäude bitte herzaubern? Wie wollen Sie das machen? – Ich will niemanden traumatisieren.

(Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Herr Bocklet, Sie reden über Realitätsverlust! – Heiterkeit bei der LINKEN)

Ich lasse mich auf diesen Realitätsverlust jetzt einmal ein. Wir stellen uns für eine Sekunde einmal vor, DIE LINKE würde hier die absolute Mehrheit stellen. Woher würden Sie die Gebäude zaubern? Woher bekämen Sie die Gemeinden, die bereit wären, die Menschen aufzunehmen? Sie müssen Gespräche führen. Sie müssen langfristig zähe Gespräche führen. Sie müssen das mit Geld unterfüttern. Sie müssen Überzeugungsarbeit leisten. Das ist mühevoll und muss jeden Tag gemacht werden.

Sie stellen sich hin und sagen, Sie wollten keine Zelte. Aber welche Lösung bieten Sie denn an? Wollen Sie die Leute in den Rhein schubsen, oder was?

(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Als Nächster spricht Herr Kollege Dr. Bartelt für die CDUFraktion.

Verehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Hessen sorgt für neue Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge. Hessen ist im Vergleich der Bundesländer vorbildlich. Das muss hier erneut ausgeführt werden, weil der Entschließungsantrag der LINKEN die Wirklichkeit völlig verzerrt darstellt.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das ist die Realität!)

Angesichts der dramatischen Zahl der 8.000 Menschen in den Erstaufnahmeeinrichtungen ist das, was Sie hier machen, unverantwortlich. Sie spalten die Gesellschaft.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Nein, nein!)

Das ist kein guter Dienst an den verfolgten Flüchtlingen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie brauchen mich also nicht zu reizen. Ich könnte Ihnen sonst sagen, dass die Linkspartei in der Vergangenheit ei

gentlich eher für die Erzeugung der Flüchtlinge verantwortlich war

(Janine Wissler (DIE LINKE): Wie bitte?)

als für die Aufnahme und die Pflege Verfolgter.

(Beifall bei der CDU – Manfred Pentz (CDU): Das ist die Wahrheit!)

Der aktuelle Erfolg, Plätze für die Erstaufnahme zu schaffen, ist die Alheimer-Kaserne in Rotenburg.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Wer liefert denn Waffen in alle Welt?)

Hier können kurzfristig 600 Personen vorübergehend wohnen.

(Holger Bellino (CDU): Ihr Honecker hat die Leute eingesperrt! – Weitere Zurufe – Glockenzeichen der Präsidentin)

Ab Februar 2016 wird die volle Kapazität für 900 Menschen zur Verfügung stehen.

Unser Sozialminister Grüttner und unser Staatssekretär Dr. Dippel führen zum Teil schwierige Gespräche mit dem Bundesverteidigungsministerium, damit die Plätze zügig zur Verfügung gestellt werden können. Unsere Landesregierung stellt sich zusammen mit den Bürgermeistern in den Bürgerversammlungen den Fragen in den Standortgemeinden. Das ist praktische Politik, damit unsere Gesellschaft nicht auseinanderdriftet und ihren Aufgaben gerecht wird.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Wir auch, Herr Dr. Bartelt!)

In diesem Jahr werden in der ehemaligen Armstrong-Kaserne in Büdingen 800 neue Erstaufnahmeplätze bezugsfertig. Ebenfalls 800 Flüchtlinge können noch im Jahr 2015 in die ehemalige Ernst-Moritz-Arndt-Kaserne in Neustadt, Kreis Marburg-Biedenkopf, einziehen. Weiterhin bestehen gute Aussichten, in Kassel-Niederzwehren Erstaufnahmeplätze zu schaffen. Hessen ist in seinen Gesprächen mit den Besitzern geeigneter Anlagen und der kommunalen Ebene engagiert und erfolgreich. Schon frühzeitig, im Jahr 2012, haben unser Sozialminister und der Regierungspräsident die Notwendigkeit der Einrichtung neuer Erstaufnahmeplätze erkannt und das US-Depot in Gießen angemietet.

Die Schaffung neuer Erstaufnahmeeinrichtungen ist die Grundlage, den ganz überwiegenden Anteil der Flüchtlinge in Gebäuden unterzubringen und bei der Zuteilung der Wohneinheiten sensibel zu verfahren. Meine Damen und Herren, hierfür ist der Landesregierung und den verantwortlichen Kommunalpolitikern zu danken. Der Antrag der LINKEN geht hier in die völlig falsche Richtung und erschwert Gespräche zur Schaffung weiterer Erstaufnahmeeinrichtungen.

An dieser Stelle danken wir auch gerne den Leitungen und allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Erstaufnahmeeinrichtungen für ihre Einsätze.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir vergessen nicht, dass sie spätabends Busse mit Flüchtlingen aufnahmen, die in Dortmund vor verschlossenen Türen standen. Jeder, der die Einrichtung in Gießen besucht hat, weiß, dass die Einrichtungsleitung bei der Bele

gung der Zimmer einfühlsam vorgeht und die Herkunft der Flüchtlinge berücksichtigt.

Wenn DIE LINKE schon nicht bereit ist, Minister, Staatssekretär und Regierungspräsident angemessen zu würdigen, dann sollte sie wenigstens die Leitungen in den Erstaufnahmeeinrichtungen anerkennen. Stattdessen fordert DIE LINKE im Antrag wörtlich „geschultes Personal“ und kurzfristige Besuchsmöglichkeiten für Abgeordnete und Journalisten. So wird der völlig falsche und zum Teil auch wirklich beleidigende Eindruck erweckt, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien unqualifiziert und unerfahren, und Journalisten und Abgeordnete würden nicht freundlich und diskussionsbereit empfangen werden. Meine Damen und Herren, das ist eine Unverschämtheit.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der CDU: Uner- hört! Das ist eine Unverschämtheit! – Gegenrufe der Abg. Janine Wissler und Willi van Ooyen (Die LIN- KE))

Neben der Einrichtung neuer Erstaufnahmeplätze muss die Verweildauer reduziert werden. Dafür müssen die Anträge schneller bearbeitet werden. Insbesondere müssen Anträge ohne Erfolgsaussicht kurzfristig beschieden werden, um aufenthaltsbeendende Maßnahmen einzuleiten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wir begrüßen daher die Vereinbarung der Innenminister von Bund und Ländern, die Zahl der Bediensteten im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – BAMF – deutlich zu erhöhen und insbesondere Anträge von Kosovaren und Albanern schnellstmöglich abzuschließen. In diesem Zusammenhang sind auch deutsche Hilfen zur Kontrolle der EU-Außengrenze zu Ungarn und bei der Unterstützung von serbischen Behörden bei der Aufdeckung von Dokumentenfälschungen zielführend.

Es ist hervorzuheben, dass es sich bei den neuen Erstaufnahmeeinrichtungen in Hessen um echte selbstständige Einrichtungen und nicht um Nebenstellen handelt. So ist garantiert, dass das BAMF an jedem Standort präsent ist, um die Anträge zügig zu bearbeiten.

(Willi von Ooyen (DIE LINKE): Das hätte man auch schon vorher machen können!)

An potenzielle Flüchtlinge aus dem Kosovo und Albanien müssen differenzierte Signale gesendet werden. Wir wissen, dass diese durch die modernen Kommunikationsmittel und persönliche Kontakte auch empfangen werden.

Erstens. Verschenken Sie kein Geld an Schleuserorganisationen. Ihr Asylantrag hat in Deutschland und in der gesamten EU keine Chance. Sie werden in kurzer Zeit in das Herkunftsland zurückkehren müssen.

Zweitens. Die wirtschaftliche Lage und die hohe Jugendarbeitslosigkeit besonders im Kosovo erfüllen auch uns mit Sorge. Die Verwendung des Wortes „Wirtschaftsflüchtling“ mit einem abschätzigen Unterton ist in unseren Augen nicht angemessen.