Es gibt massive Versäumnisse in Berlin. Wenn ich mir überlege, wie lange das mit der Gesundheitskarte dauert, dann ist das auch nicht mehr nachvollziehbar. Was wird da nicht umgesetzt, oder wird dieses Thema nicht ernst genug genommen?
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, wie man zwischen Anspruch und Wirklichkeit, wie man zwischen dem, was Sie noch vor einem Jahr zu dem Thema erklärt haben, und dem, mit was Sie sich in dieser Koalition zu der Frage der Flüchtlinge haben abspeisen lassen, überhaupt noch aufrecht stehen kann, das ist Ihr Thema.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Zuruf der Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Ich möchte aber auch auf Hessen schauen. Wir hatten in Hessen immer eine hervorragende Betreuung der unbegleiteten Minderjährigen. Auch die droht unter dem Druck, unter dem wir stehen, völlig dahinzuschwinden. Bis heute ist im Kultusministerium noch nicht geregelt, wie es mit der Beschulung dieser jungen Menschen ist. Das könnte man als Verordnung machen. Da wird seit einem Dreivierteljahr diskutiert. Da geht es nicht um Geld, sondern um die Frage: Will ich es machen, oder will ich es nicht machen?
Dann höre ich immer wieder von der Pauschale. Ja, Sie haben die Pauschale um 15 % erhöht. Das ist gut und schön. Aber kann hier vorne einer sagen, die Pauschale wäre irgendwo in Hessen kostendeckend? – Nein, das kann er nicht, weil es nicht so ist.
Einen Moment, bitte. – An der Regierungsbank bitte etwas mehr Ruhe. Führen Sie die Gespräche bitte außerhalb des Plenarsaals. Vielen Dank. – Herr Kollege.
Danke, Frau Präsidentin. – Ich glaube, das Thema ist wichtig, sodass man zuhören sollte. Das ist dem Hessischen Landtag geschuldet.
Ich möchte ganz deutlich sagen: Wer hier und an anderer Stelle in Sonntagsreden bedauert, dass die Menschen irgendwo sterben, dass sie ertrinken, der muss das bisschen, was in seiner Regelungsmacht steht, auch regeln. Aber das findet nicht statt.
Das irritiert mich und verärgert mich. – Da können Sie etwas dazwischenrufen, gerade die Kollegen von der CDU, das ist unerträglich.
Sie stellen die Bundeskanzlerin dieses Landes. Das ist die einflussreichste Politikerin in Europa. Die schafft es nicht, die Dinge durchzusetzen. Sie stellen den Innenminister im Bund. Sie stellen den Finanzminister im Bund. Sie stellen den Ministerpräsidenten in Hessen. Sie regieren fast bis zum Bürgermeister durch, aber Sie schaffen es nicht, dieses Thema zu bewältigen.
(Lebhafter Beifall bei der FDP – Beifall bei der SPD und der LINKEN – Michael Boddenberg (CDU): Ei, ei, ei!)
Es sind, wie gesagt, einfache Regelungen. Wie kann man sagen, die Flüchtlinge dürfen nach drei Monaten Arbeit aufnehmen, und dann sagen, es findet zwölf Monate eine Vorrangprüfung statt? Dann wissen Sie, dass das weiterhin zwölf Monate Arbeitsverbot für jeden Flüchtling sind, weil nachgeprüft werden muss, ob irgendjemand in Europa diese Tätigkeit auch machen könnte. Da dauert die Prüfung allein ein Jahr. Von daher sind die Scheinlösungen, die Sie anbieten, unerträglich.
Seit einem Jahr versuchen wir hier, gemeinsam vernünftige Lösungen hinzubekommen. Seit einem Jahr werden wir vertröstet, und seit einem Jahr haben wir nicht den Eindruck, dass Sie die Debatte führen wollen. Jetzt komme ich hierher und habe vorher Reden gehört: Da gibt es eine Landesregierung, die so ist und es anders macht, der Bund müsste mehr tun. – Dieses Schwarzer-Peter-Spiel nützt niemandem.
Ich möchte Ihnen einmal sagen, wer momentan die Lasten der Flüchtlingsaufnahme trägt: Das sind die Bürgerinnen und Bürger vor Ort. Das ist nicht der Bürgermeister und auch nicht die Sozialarbeiterstelle, die 140 bis 150 Flüchtlinge betreut. Das sind die 50 oder 70 Freiwilligen, die es dem Sozialarbeiter überhaupt erst ermöglichen, seiner Aufgabe nachkommen zu können. Diese Menschen tragen momentan die Last der Flüchtlingsaufnahme in diesem Land.
Ich bin dem Kollegen Merz und der SPD-Fraktion wirklich dankbar, dass sie diesen Entwurf gemacht hat, der als Diskussionsgrundlage dienen kann. Ich bin ihm auch dankbar, dass er nicht alles hineingeschrieben hat, was die Liga fordert. Denn es muss irgendwo umsetzbar bleiben. Wir müssen auch wissen, dass wir, wenn wir zu hohe Standards bei der Flüchtlingshilfe setzen, am Ende vielleicht die Bürgerinnen und Bürger ausschließen, die dort helfen wollen.
Es muss weiterhin möglich sein, dass die Menschen mit Herzblut dabei sind. Sie müssen auch weiterhin helfen dürfen, ohne Sozialarbeiter zu sein. Sie müssen weiterhin in die Flüchtlingsunterkünfte gehen dürfen, ohne Sozialarbeiter zu sein. Denn wenn wir für zehn Flüchtlinge einen So
Das ist in diesem Land auch nicht notwendig. Denn es gibt viele Bürgerinnen und Bürger aus dem kirchlichen Bereich und aus anderen Bereichen, die gerne und mit vollem Herzen helfen.
Dazu kann ich nur sagen: Liebe Kollegen der Landespolitik und liebe Freunde in Berlin, kommen Sie Ihrer Aufgabe nach. Machen Sie die Gesetze wenigstens so, dass die Menschen helfen können. Machen Sie die Gesetze wenigstens so, dass die Kommunen die Menschen vernünftig unterbringen können. Wenn Sie noch ein bisschen an sich selbst und an das glauben, was Sie in den Sonntagsreden gesagt haben, dann erhöhen Sie die Zuweisung an die Kommunen, damit die das Geld haben, um das vernünftig auf den Weg zu bringen.
Wir wissen doch alle, dass das Engagement der Bürgerinnen und Bürger vor Ort der beste Botschafter ist, um das zu verhindern, was wir in den Neunzigerjahren erlebt haben. Diese Bürgerinnen und Bürger vor Ort sind unsere größten Verbündeten in dieser Diskussion.
Wenn Sie schon nicht die Mitglieder der Oppositionsfraktionen ernst nehmen, dann nehmen Sie bitte diese Bürgerinnen und Bürger vor Ort ernst. Lassen Sie sie für unsere Gesellschaft nicht verloren gehen. Denn die Menschen vor Ort sind das Wichtigste, was wir haben. Die Menschen vor Ort integrieren die Flüchtlinge. Sie nehmen die Flüchtlinge auf und sagen an der einen oder anderen Stelle auch einmal: Das muss man jetzt aber einmal anders machen. Da müsst ihr euch einmal selbst stärker einbringen. – Diese Menschen bringen sich vor Ort mit gutem Blick für die Situation ein. Sie müssen sehen, dass die Politik sie ernst nimmt und unterstützt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, weil wir überlastete Sammelunterkünfte oder Erstaufnahmeeinrichtungen haben, werden die Flüchtlinge kurz registriert und dann in die Kommunen geschickt. Vor Ort entsteht deutlich mehr Arbeit, und es müssen deutlich mehr Ressourcen aufgewendet werden, um die Situation zu lösen, und das nur, weil ich nicht in der Lage bin, meine Unterkünfte in dem Maß zu erweitern, wie es notwendig gewesen wäre. Jeder hier im Raum weiß, dass das nicht so einfach ist. Jeder hier weiß auch, dass das Zeit kostet.
Aber bitte versuchen Sie, die Umstände zu vermeiden, die die Menschen vor Ort in einer gewissen Weise auch frustrieren, weil sie sich um Flüchtlinge kümmern, die nicht dauerhaft oder zumindest für längere Zeit bei uns bleiben werden. Vielmehr kümmern sie sich um Flüchtlinge, von denen alle wissen, dass sie nach kürzester Zeit abgeschoben werden. Sie müssen das verhindern, was die Leute vor Ort – ich sage das jetzt einmal so – demotiviert. Wenn die Menschen Zeit, Energie und – ich sage das einmal so – Liebe investieren, dann darf das nicht verpuffen, sondern dann muss das auch Erfolg haben.
Ich habe das oft an dieser Stelle gesagt: Lasst uns gemeinsam daran arbeiten, wie wir das in Hessen verbessern können. Der Antrag der SPD-Fraktion ist eine gute Grundlage
dafür. Schauanträge brauchen wir hier nicht. Wir brauchen jetzt Handlungen und Entscheidungen. Meiner Ansicht nach haben wir mittlerweile ein Jahr verschwendet. Das müssen wir wieder hereinholen. Wir sind bereit, auf der Grundlage des Antrags der SPD-Fraktion mitzuarbeiten. – Vielen Dank.
Herr Kollege Rock, vielen Dank. – Als nächster Redner spricht Herr Kollege Bartelt für die CDU-Fraktion. Herr Kollege, bitte schön, Sie haben das Wort.
Verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Hessen heißt Flüchtlinge willkommen, bringt sie menschenwürdig unter und leitet eine nachhaltige Integration ein. Das sind die Kernpunkte der Regierungsfraktionen.
Auch wir begrüßen den Teil des Antrags der SPD-Fraktion, in dem die Bereitschaft der Bevölkerung gewürdigt wird, die verfolgten Menschen in ihrer Nachbarschaft aufzunehmen. Auch wir danken allen ehrenamtlichen Helfern. Der besondere Dank an die Kommunen bei der Bewältigung dieser Aufgabe wird in dem Dringlichen Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen und dem Antrag der SPD-Fraktion hervorgehoben. Das ist zunächst einmal ein gutes Signal dieses Landtags.
Wir stimmen auch Ihren einleitenden Ausführungen zu, dass die Belastungen der Nachbarländer der Krisenherde ungleich höher als in Europa sind. Innerhalb Europas nehmen aber Deutschland und Schweden bei der Aufnahme der Flüchtlinge eine Spitzenposition ein.
Wir stimmen aber nicht der Aussage des Antrags der SPDFraktion zu, dass das Engagement der Landesregierung nicht auskömmlich sei. Das Gegenteil ist sogar der Fall. Der Einsatz dieser Landesregierung und besonders der des Sozialministers Grüttner ist herausragend.
Wir stimmen auch nicht den Teilen Ihres Antrags zu, mit dem Sie sogenannte Standards fordern, die von den Kommunen nicht geleistet werden können. Das ist bei Weitem nicht nur aus finanziellen Gründen so, sondern auch aus Gründen der Baulichkeiten und des Geländes. Sie werden in den Ländern mit sozialdemokratischen Ministerpräsidenten nicht eingehalten. In keinem einzigen Land gibt es Standards, wie Sie sie in Ihrem Antrag verlangen.
Ich möchte auf die Punkte im Einzelnen zu sprechen kommen. Hessen engagiert sich 2015 mit 380 Millionen € für die Aufnahme, Unterbringung und Eingliederung der Flüchtlinge. Hessen hat die Pauschale, die das Land pro Flüchtling an die Kreise und die kreisfreien Städte überweist, rückwirkend zum 1. Januar 2015 um 15 % erhöht. Diese Erhöhung kostet 30 Millionen €. Damit werden zwi
schen 7.200 € und 8.700 € pro Jahr und Flüchtling bezahlt. Die Aufwendungen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge werden zudem spitz abgerechnet, also vollständig übernommen.
Zum Vergleich seien hier einmal die Pauschalen großer Länder mit sozialdemokratischen Ministerpräsidenten genannt. In Niedersachsachsen sind es 5.932 €, in RheinlandPfalz 5.892 € und in Nordrhein-Westfalen 3.920 €. Hessen ist Partner der Kommunen.