Protocol of the Session on April 29, 2015

(Lachen des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Im Gegensatz zu diesen drei genannten Ländern lassen wir sie nicht im Stich.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Diese Landesregierung befindet sich im ständigen Dialog mit der kommunalen Familie. Es ist durchaus denkbar, dass die Pauschale in einem weiteren Schritt angepasst wird. Wir handeln. Sie von der Opposition halten Sonntagsreden.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Hessen nimmt überdurchschnittlich viele Flüchtlinge in den Erstaufnahmeeinrichtungen in Gießen und ihren Nebenstellen auf. Wir haben durchaus in Erinnerung, dass spät abends Flüchtlinge empfangen wurden, nachdem die Einrichtung in Dortmund dazu nicht in der Lage war. Wir haben das nicht vergessen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Wir auch nicht!)

Es ist jetzt auch gelungen, zwei weitere Einrichtungen in Büdingen und Neustadt, Landkreis Marburg-Biedenkopf, mit einer Kapazität für insgesamt 1.500 Menschen zur Verfügung zu stellen. Hessen setzt sich in Berlin besonders dafür ein, den Bund zu einer stärkeren finanziellen Beteiligung zu bewegen. Hessen profitiert davon mit knapp 37 Millionen € in diesem Jahr.

Die Auszahlung ist natürlich von einem Gesetz in Berlin abhängig. Das ist noch nicht da.

(René Rock (FDP): Warum?)

Die Landesregierung wird sofort handeln, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind.

Dennoch: Wir verlangen vom Bund mehr Engagement, z. B. bei der medizinischen Versorgung. Wir setzen uns dafür kraftvoll ein.

Die SPD-Fraktion fordert in ihrem Antrag einheitliche Standards für die Unterbringung. Sie schreibt:

Massenquartiere mit Lagercharakter, wohnortferne Unterkünfte in Industriegebieten … provozieren Ignoranz … und Ablehnung durch die … Bevölkerung.

Auch wenn ich diese Formulierung für sich genommen durchaus teilen würde, wird doch im Kontext dieses Antrages die Wirklichkeit völlig verzerrt dargestellt. Es wird ein völlig falscher Eindruck vermittelt. Das Engagement, das diese Gesellschaft leistet, wird schlechtgemacht. Das sollten wir nicht tun.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zudem ist zu beachten: Das ist eine Absetzbewegung der SPD Hessen von den Beschlüssen der auch sozialdemokratisch regierten Bundesländer, Flüchtlingsunterkünfte notfalls auch in Gewerbegebieten einrichten zu dürfen. Diese Änderung des Bebauungsrechts erfolgte am 06.11.2014 durch Beschluss des Bundestages nach einer Bundesratsinitiative. Ich zitiere aus den Mitteilungen des Bundestages:

Mit dem Gesetz unterstütze der Bund Städte und Gemeinden bei ihren Bemühungen, Flüchtlinge angemessen unterzubringen, sagte Bundesbauministerin … Hendricks, SPD,...

Als Vertreterin der Länder erläuterte Jutta Senatorin Blankau-Rosenfeldt, SPD, Stadtentwicklungssenatorin in Hamburg, den dringenden Bedarf für Planungserleichterungen.

Wäre diese Planungserleichterung nicht ermöglicht, wären viele Einrichtungen überhaupt nicht möglich gewesen. Die Arbeitskreise Petitionen der Regierungsfraktionen haben eine neu eingerichtete Unterkunft für 260 Menschen im Gewerbegebiet Wiesbaden-Biebrich besucht. Bürgermeister Goßmann, SPD, hat uns die Anlage gezeigt. Wir hatten von den Wohnungen der Anlage einen ausgezeichneten Eindruck. Die Fragen nach Verkehrsanbindung und nach der Erreichbarkeit sozialer Infrastruktur wurden uns zur vollsten Zufriedenheit beantwortet.

Wir wollen doch keinem Bürgermeister, keinem Sozialdezernenten unterstellen, er baue Flüchtlingsunterkünfte in Gewerbegebieten, um Menschen abzusondern. Nein, sie werden dort in geeigneten Gebieten errichtet, weil sonst gar keine Unterkünfte geschaffen werden würden.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich wissen wir auch, dass die Unterkunft in einer freien Wohnung im innerstädtischen Bereich vorzuziehen wäre. Da stimmen wir doch überein. Priorität hat aber doch die schnelle Unterbringung in den Kommunen, damit dann auch die Integration in unsere Gesellschaft beginnen kann. Das ist doch unser Ziel. Wir gehen von der Praxis aus – was machbar ist.

Weiterhin fordert der Antragsteller einen gesetzlich vorgeschriebenen Betreuungsschlüssel von Sozialarbeitern von 1 : 90. Wir glauben, die Einrichtungen vor Ort können selbst entscheiden, wie viele Betreuer mit welcher Qualifikation erforderlich sind. Diese Meinung teilen offensichtlich auch folgende Bundesländer mit sozialdemokratischen Regierungschefs, in denen es auch keine staatlichen Vorgaben hinsichtlich eines Betreuungsschlüssels gibt. Ich zähle sie auf: Berlin, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein.

Insgesamt sollten Sie bei Ihrem Forderungskatalog bedenken, dass es in den meisten Ländern, in denen Sie regieren, weder vorgeschriebene Standards gibt,

(Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))

noch die Pauschalen annähernd so hoch sind wie die in Hessen.

(Manfred Pentz (CDU): Die schlichte Wahrheit!)

Damit fallen Ihre Forderungen wie ein Kartenhaus zusammen. Sie sind schlichtweg nicht praxistauglich,

(Widerspruch bei der SPD)

und sie dienen nicht den Menschen, um die es hier geht.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen die Landesregierung auf ihrem Weg unterstützen, mit den Kreisen und kreisfreien Städten eine Einigung über eine Pauschale zu erzielen, und vertrauen den Kommunen, dass sie sich selbst Standards für die Qualität der Unterbringung und Integrationsbegleitung setzen.

Wir wissen, dass die Menschen aus dem Nahen und dem Mittleren Osten, aus dem Horn von Afrika bei uns bleiben, dauerhaft bei uns bleiben, dass ihre Kinder bei uns heranwachsen werden und dass auch sie einmal unsere Politik von heute bewerten werden. Dabei werden sie von der Praxis ausgehen.

Zudem wissen wir aber auch, dass die positive Einstellung unserer Bevölkerung gepflegt werden muss, damit sie erhalten bleibt.

Wir wollen diese Herausforderungen annehmen. – Besten Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Bartelt. – Für die Landesregierung spricht nun Staatsminister Grüttner. Bitte schön, Herr Minister, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist gut, dass diese Debatte heute mit einem Rückblick sowohl auf die gestrige Regierungserklärung – in der dies Thema gewesen ist – als auch mit einem Blick auf das unermessliche Leid begonnen wurde, das viele Menschen bei der Flucht aus Afrika, insbesondere nach Europa, erleben. Wenn man diejenigen sieht, die zu uns kommen und Schutz suchen, dann wissen wir, dass dahinter sehr viele unterschiedliche Geschichten und Schicksale verborgen sind. Deswegen müssen wir solche Debatten immer sehr differenziert führen.

Auf der einen Seite brauchen wir die Emotion. Die ist notwendig. Auf der anderen Seite brauchen wir aber auch kühlen Verstand, um gewissen Dingen begegnen zu können. Deswegen gibt es auch keine einfachen Lösungen, die man einfach darstellen könnte – denn die Ursachen für die Flucht sind sehr unterschiedlich. Die Ursachen können bittere Armut sein, brutale politische Verfolgung oder schlicht und einfach auch Verbrechen. Auf diese Ursachen müssen wir eine Antwort geben. Wir müssen Antwort geben durch gelebte und praktizierte Humanität, durch stabilisierende Entwicklungspolitik – und natürlich auch durch harte Strafverfolgung dort, wo Verbrechen begangen worden sind.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das muss unsere Antwort sein. Deswegen ist sie nicht sehr einfach.

Wenn Herr Schäfer-Gümbel in diesem Kontext davon spricht, dass er die Antwort – und damit meint er den Zehn-Punkte-Plan der EU – beschämend findet, so mag

das eine eigene Wertung sein. Ich habe eine andere Auffassung.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Es ging um einen Punkt!)

Bitte?

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ich habe mich auf einen Punkt bezogen!)

Gut, okay. Wenn Sie das Thema „Triton“ als Nachfolge von „Mare Nostrum“ meinen, dann mag das eine Wertung sein.

Insgesamt ist der Zehn-Punkte-Plan eine erste gute Antwort, und so ist sie auch zu sehen. Was ich allerdings überhaupt nicht akzeptieren kann, ist die Aussage von Herrn Schäfer-Gümbel, Europa sei mitverantwortlich für die Katastrophe. Das ist nicht der Fall, sondern wir tun im Rahmen unserer Möglichkeiten das, was wir können, um Katastrophen zu verhindern und Menschen zu helfen.

(Beifall bei der CDU)

Genau diese Fragestellungen – die Beachtung von Menschenrechten und gelebte Humanität – stehen letztendlich im Mittelpunkt hessischer Asyl- und Flüchtlingspolitik. Ich betone noch einmal: Das Land und insbesondere unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger haben in den letzten Jahren eine große Solidarität und Menschlichkeit bei der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen gezeigt. Nach wie vor sind auch eine menschenwürdige Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen auf Dauer sichergestellt.