Protocol of the Session on March 26, 2015

Zur dritten Lesung des Gesetzentwurfes von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Modernisierung des Dienstrechts der kommunalen Wahlbeamtinnen und -beamten und zur Änderung wahlrechtlicher Vorschriften im Hessischen Landtag erklärt die Vorsitzende des DGB-Bezirkes Hessen-Thüringen, Gabriele Kailing: „CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verstecken die Änderung der Beihilfe für alle Beamtinnen und Beamten des Landes und der Kommunen in den Änderungen für die Wahlbeamtinnen und -beamten. Es bedarf nur noch einer Rechtsverordnung. In Kombination mit der geplanten Nullrunde ist das eine deftige Reallohnkürzung. Mit Wertschätzung hat diese Vorgehensweise nichts zu tun und ist ein Schlag in die Gesichter der Beamtinnen und Beamten.

(Minister Boris Rhein: Lassen Sie doch die Presse- meldung des DGB zu Herrn Wilken hören!)

Das wollen Sie alles nicht hören, gell?

Damit sind Einschnitten bei der Gesundheitsvorsorge der Landes- und Kommunalbeamten Tür und Tor geöffnet.“

Herr Rhein, der DGB ist ein Spitzenverband und vertritt die Mehrheit der Beamtinnen und Beamten in Hessen. Ich weiß nicht, mit wem Sie hierzu Verhandlungen geführt haben, aber jedenfalls nicht mit dem DGB als Spitzenverband. Das ist, finde ich, eine unmögliche Vorgehensweise.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich zitiere weiter:

Die Landesregierung rudere zwar zurück und plane nicht mehr die drastischen Einschnitte, die vor der Jahreswende angekündigt wurden. Schlecht kaschierte Trostpflästerchen jedoch helfen in dieser Situation niemandem weiter, so Kailing, dies zeige aber, dass der bisherige Widerstand der DGB-Gewerkschaften bereits Früchte trägt.

(Minister Boris Rhein: Was sagt die Gewerkschaft zu Herrn Wilken und Blockupy?)

„Das ist ein starkes Signal an die Gewerkschaften und an den DGB, hier nicht nachzugeben und den Druck zu erhöhen. Die Auseinandersetzung um Lohnerhöhungen für Tarifbeschäftigte und die Besoldung der Beamten wird jetzt erst richtig losgehen.“

So weit der DGB, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schaus. – Mir liegen keine Wortmeldungen mehr vor.

Damit kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Fassung der vorgetragenen Beschlussempfehlung. Wer diesem Gesetzentwurf zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. – Das sind die Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Fraktion der SPD und Fraktion DIE LINKE. Enthaltungen? – Das ist die Fraktion der Freien Demokraten. Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen von SPD und DIE LINKE bei Enthaltung der FDP angenommen worden und wird damit zum Gesetz erhoben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Gleichstellung der kurdischen Minderheit in Hessen voranbringen – Drucks. 19/1185 –

Zur Begründung hat sich Abgeordnetenkollegin Cárdenas, Fraktion DIE LINKE, zu Wort gemeldet. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir wollen mit unserem heutigen Antrag die Aufmerksamkeit auf die Lebenswirklichkeit der in Hessen lebenden Kurdinnen und Kurden lenken, deren spezifische Situation kaum Berücksichtigung findet, weder in den zahlreichen Migrations- und Integrationsstudien noch in den Integrationsprogrammen von Bund und Ländern.

(Vizepräsidentin Heike Habermann übernimmt den Vorsitz.)

Dieser Zustand ist unseres Erachtens mehr als unbefriedigend, insbesondere im Hinblick auf die Tatsache, dass Kurdinnen und Kurden nicht nur auf eine jahrzehntelange Migrationsgeschichte in Deutschland zurückblicken können, sondern nach den Türkinnen und Türken die größte ethnische Minderheit bei uns in Deutschland bilden.

Es ist eine bis heute kaum hinterfragte Selbstverständlichkeit der Einwanderungspolitik des Bundes und der Länder, dass Kurdinnen und Kurden ihren Herkunftsländern zugerechnet werden, obgleich es die politische Verfolgung und die kulturelle Unterdrückung in eben diesen Ländern war und ist, warum diese Menschen zu uns kamen und weiterhin kommen. Als eigenständige Bevölkerungsgruppe werden Kurdinnen und Kurden aber selten wahrgenommen. So wurden beispielsweise kurdische Kinder in Deutschland in den 1970er- und 1980er-Jahren in sogenannten Türkenklassen auf Türkisch beschult, und zwar selbst dann, wenn sie kein Wort Türkisch sprachen.

Damit setzte sich die Diskriminierungserfahrung aus den Herkunftsländern nicht nur hier fort; die Bildungsdiskriminierung, die alle Migrantenkinder betraf, war für kurdische Migrantenkinder jahrzehntelang doppelt spürbar. Noch heute sucht man an hessischen Schulen den muttersprachlichen Unterricht, der, wenn auch in unzureichender Form,

in den Amtssprachen der ehemaligen Gastarbeiteranwerbestaaten angeboten wird, in kurdischer Sprache vergeblich. Was aber in Bremen, in Hamburg, in Nordrhein-Westfalen und in Niedersachsen möglich ist, muss auch in Hessen machbar sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb fordern wir: Ein kurdisches Kind muss ebenso in seiner Muttersprache unterrichtet werden können, wie es für Kinder mit anderen Herkunftssprachen schon immer möglich ist.

Ein weiterer Punkt. Kaum jemand weist darauf hin, dass drei von den zehn Opfern der faschistischen Terrorbande NSU offensichtlich kurdischer Herkunft waren. Meine Damen und Herren, die Achtung vor den Opfern würde es gebieten, diese Opfer nicht schlicht als türkischstämmig einzuordnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ebenso sollte man unseres Erachtens auch kurdischen Medien eine Akkreditierung zum Prozess ermöglichen. Das ist bisher noch nicht der Fall.

Ein weiteres Problemfeld, das ich ansprechen möchte, betrifft die politische Betätigung von Kurdinnen und Kurden und ihren Organisationen. Kurdinnen und Kurden, die sich gesellschaftlich oder politisch engagieren, werden oftmals kriminalisiert und verfolgt. Kurdische Vereine erhalten oftmals keine staatliche Unterstützung. Ihren Vertreterinnen und Vertretern wird häufig sogar die Einbürgerung verweigert. Stets steht der Verdacht der verfassungsfeindlichen Betätigung im Raum.

Das PKK-Verbot aus dem Jahr 1993 hat die Kurdinnen und Kurden derart stigmatisiert, dass allein das Wort „Kurde“ oder „Kurdin“ Assoziationen zu Terrorismus hervorruft.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Die PKK ist keine Friedensbewegung!)

Der Verteidigungskampf der Kurdinnen und Kurden in Kobane gegen das Terrorregime des sogenannten Islamischen Staats hat nun geholfen, ein anderes Licht auf die Kurdinnen und Kurden zu werfen. Auch die Situation in der Türkei ist heute eine andere. Heute führt die türkische Regierung ganz offiziell mit dem PKK-Chef Abdullah Öcalan Friedensgespräche. Dieser rief anlässlich des kurdischen Neujahrsfestes Newroz seine Anhänger dazu auf, den Kampf gegen die Türkei einzustellen.

(Zuruf des Abg. Ismail Tipi (CDU))

Während aber Volker Kauder, der Chef der Unionsfraktion im Bundestag, laut darüber nachdenkt, der PKK für ihren Kampf gegen den Islamischen Staat Waffen zu liefern, prüft die Bundesanwaltschaft, ob sie die Personen, die die PKK in ihrem Kampf gegen den IS aktiv unterstützen, wegen der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung belangen kann. Meine Damen und Herren, das verdeutlicht, welch einen Anachronismus das PKKVerbot heute noch darstellt.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich weiß, dass das PKK-Verbot nicht in Hessen entschieden wird. Ich appelliere an die Landesregierung: Setzen Sie sich im Bund dafür ein, dass das Verbot aufgehoben wird, und sorgen Sie in Hessen dafür, dass sich Kurdinnen und Kurden ohne Angst vor strafrechtlicher Verfolgung

engagieren und organisieren können. – Ich danke Ihnen und freue mich auf die Diskussion im Ausschuss.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Kollege Tipi für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Cárdenas, die Kurdinnen und Kurden in unserem Land sind Bürger erster Klasse. Sie sind hier willkommen und sind gut integriert. Sie sind mündig genug und brauchen keinen Rechtsanwalt von eurer Seite.

(Beifall bei der CDU – Willi van Ooyen (DIE LIN- KE): Sie wissen genau, dass sie keine Bürger erster Klasse sind!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der uns vorliegende Antrag der Linkspartei hat bereits deutlich an Aktualität verloren. Der Kampf der Kurden in Kobane bzw. in Rojava ist inzwischen erfolgreich gewesen. Der IS konnte aus den Städten fast vollständig zurückgedrängt werden. Den mutigen Menschen vor Ort zolle ich meinen Respekt und meine Anerkennung.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mein Dank gilt auch unserer Landesregierung. Sie war von Beginn an auf der Seite der verfolgten Minderheiten in Syrien und im Irak. Wir haben den Kurden und ihren Partnern bereits frühzeitig unsere Unterstützung zugesagt. Als wirtschaftlich starkes Land in Europa, als ein Land, das dankbar für die Verantwortung ist, die andere Länder für uns getragen haben, dürfen wir heute nicht wegschauen, wenn sich Terror breitmacht, der Millionen von Menschen in dieser Region bedroht.

Wir begrüßen es ausdrücklich, dass die Bundesregierung humanitäre Hilfe für die betroffenen Regionen leistet. Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten in Syrien und aus dem Irak empfängt Hessen ebenso wie Deutschland ganz freundlich und mit offenen Armen.

Wir haben in Hessen eine überaus großzügige und herzliche Willkommenskultur. Gegenüber Flüchtlingen aus Kriegsgebieten zeigt unsere Gesellschaft, dass wir für eine Willkommens- und Anerkennungskultur stehen. Menschenrechte und Humanität stehen im Mittelpunkt hessischer Asyl- und Flüchtlingspolitik. Flüchtlinge sollen in Hessen eine humane Lebensperspektive und Schutz finden. Auch dafür gilt mein Dank den Menschen in unserem Land. Ich bin auch jedem, der sich im Ehrenamt für diese Menschen einsetzt, sehr dankbar.

Die Zahl von Flüchtlingen, die Schutz in Hessen suchen, steigt an. Angesichts der aktuell weltweiten Kriege und Krisen gehen die Prognosen für Hessen von mindestens 40.000 Flüchtlingen für das Jahr 2015 aus.

Die Landesregierung hat mit dem Haushalt für 2015 schnell reagiert und mit dem Maßnahmenpaket Asyl viele Verbesserungen geschaffen. In einem ersten Schritt wurde die Pauschale für Asylbewerberinnen und -bewerber zum 01.01.2015 um 15 % erhöht. Das bedeutet einen Mehrbe

trag von rund 30 Millionen €. Im Jahr 2015 werden in Hessen insgesamt über 380 Millionen € in der Asyl- und Flüchtlingspolitik zur Verfügung gestellt.

Wir begrüßen bei diesem Thema den konstruktiven Austausch zwischen Kommunen, Regierungspräsidien, der freien Wohlfahrtspflege, den Kirchen, den Vertretern der Fraktionen im Hessischen Landtag sowie dem hessischen Sozial- und Integrationsministerium.