Protocol of the Session on November 27, 2014

Ich will abschließend noch eine persönliche Erfahrung mit Ihnen teilen. Heute – anders noch als vor ein paar Jahren – erntet man als Opel-Fahrer glücklicherweise nicht mehr vor allem mitleidige Blicke und Spott, sondern echtes Interesse. Opel hat konsequent an seinem größten Problem gearbeitet, dem schlechten Image. Das Umparken im Kopf funktioniert endlich. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Danke schön. – Als Nächste spricht Kollegin Wissler, DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Industrie – speziell die Automobilindustrie – hat eine wichtige Bedeutung für Hessen. Es ist richtig, das hier im Landtag anzuerkennen und industrielle Arbeitsplätze zu erhalten. Durch das Gerede von der Dienstleistungsgesellschaft und der Wissensökonomie in den letzten Jahren wurde oft der Eindruck erweckt, man bräuchte die Industrieproduktion eigentlich gar nicht mehr. Ich will sagen: Das ist definitiv nicht so. Denn materielle Werte werden immer noch in Fabriken erarbeitet und nicht an der Börse geschaffen.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Lothar Quanz (SPD))

Nun hat General Motors in der vergangenen Woche mitgeteilt, dass man in den nächsten Jahren am Opel-Standort Rüsselsheim 245 Millionen € investieren will. Natürlich sind die Beschäftigten dort erleichtert – das kann ich sehr gut nachvollziehen – wegen der angekündigten Investition, gerade nach der Hängepartie der letzten Jahre. Aber ich

frage mich, ehrlich gesagt, schon ein bisschen, was der Anteil der Landesregierung an dieser unternehmerischen Entscheidung sein soll, wenn die CDU hierzu eine Aktuelle Stunde beantragt. Da Sie ja um Eigenlob in der Regel nicht verlegen sind, war ich mir sicher, dass die CDU jeden Handschlag, den die Landesregierung dazu beigetragen hätte, in ihrer Presseerklärung am Montag verwurstet hätte. Aber dazu stand dort kein Wort.

(Manfred Pentz (CDU): Was war denn Ihr Anteil?)

Da frage ich mich schon, Herr Pentz, warum uns LINKEN immer gesagt wird, wir sollten betriebliche Missstände, Massenentlassungen und Tarifverhandlungen nicht im Landtag thematisieren, weil der Landtag dazu nichts zu sagen habe. Wenn Sie eine solche unternehmerische Entscheidung zum Gegenstand einer Aktuellen Stunde machen, dann finde ich das zumindest bemerkenswert. Ich werde Sie daran erinnern, wenn wir beim nächsten Mal die betrieblichen Missstände thematisieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will aber auch inhaltlich etwas sagen: Die hier vorgetragenen Lobpreisungen können wir so nicht mittragen. Zum einen – der Kollege Klose hat es angesprochen – will GM in Rüsselsheim ein großes SUV entwickeln und produzieren lassen. Das soll das Flaggschiff werden. Mittlerweile ist jeder fünfte Neuwagen ein solcher Geländewagen, der ja in der Regel nie im Gelände fährt.

(Zurufe von der SPD)

Das ist schon eine ziemlich nutzlose Platz- und Ressourcenverschwendung. Das sollte man nicht einfach bejubeln, sondern Strategien entwickeln, um hier umzusteuern. Mittlerweile werden vielerorts Parkplätze vergrößert, statt zusätzliche Parkplätze für Kleinwagen auszuweisen, um so knappen Parkraum besser zu nutzen. Das geht angesichts des Klimawandels und der Ziele zur CO2-Reduzierung in die völlig falsche Richtung. Daher kann ich mich hier den GRÜNEN anschließen, die dazu durchaus kritische Worte gefunden haben.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir brauchen gesetzliche Regelungen, die die Bevorzugung der vielen spritschluckenden, angeblichen „PremiumAutos“ beenden. Es ist notwendig, dass es ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen gibt. All das könnte in den Markt hineinwirken und dafür sorgen, dass die deutsche Automobilindustrie bei der Entwicklung neuer Antriebe nicht den Anschluss verliert und dass effizienter werdende Motoren für Kraftstoffeinsparungen sorgen, statt immer größere und völlig übermotorisierte Fahrzeuge herzustellen.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Die deutsche Automobilindustrie sollte nicht auf das falsche Pferd setzen. Die Spritschleudern werden langfristig einfach keine Zukunft haben. Deswegen finde ich die Investitionen Opels in den Kleinwagen Adam, der in Eisenach produziert wird, besser.

(Clemens Reif (CDU): Aber mit dem kann man kein Geld verdienen!)

Generell brauchen wir im Rahmen einer Verkehrswende ein Umsteuern – und zwar nicht zu immer größeren Autos,

sondern zu kleineren Autos, und zu einer Abkehr vom Individualverkehr. Dazu muss der ÖPNV ausgebaut werden. Es müssen Verkehrskonzepte entwickelt werden. Meine Damen und Herren, darüber müssen wir uns unterhalten, wenn wir über die Zukunftsfähigkeit der Mobilität reden wollen.

Aber auch sonst ist das Agieren von GM in Deutschland aus unserer Sicht kein Grund zum Jubeln. Die GM-Zentrale hat in Europa die Belegschaften dreist gegeneinander ausgespielt und dazu staatliche Beihilfen für den Erhalt von Arbeitsplätzen kassiert. Wenn Sie sich hier freuen, dass die geplanten Investitionen den Wirtschaftsstandort Hessen stärken und Arbeitsplätze sichern, dann darf man nicht außer Acht lassen, dass nächste Woche im OpelWerk Bochum nach 52 Jahren für immer die Lichter ausgehen. Dort haben in Hochzeiten über 20.000 Menschen gearbeitet. Hier muss man ein Zeichen der Solidarität an die Kolleginnen und Kollegen setzen, die dort jetzt ihren Job verlieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Bochumer Opelaner sind im Schnitt 50 Jahre alt und 20 Jahre im Betrieb. Ihre Vermittlungschancen im Ruhrgebiet sind trotz guter Ausbildung und zweijähriger Transfergesellschaft nicht gerade rosig. Wenn man sich über den Erhalt von Arbeitsplätzen in Rüsselsheim freut, dann darf man über den Arbeitsplatzabbau an anderen Standorten nicht schweigen.

An dieser Stelle will ich auch der SPD widersprechen. Opel und GM sind in Deutschland gerade kein gutes Beispiel für eine funktionierende Sozialpartnerschaft, sondern ein Beispiel dafür, wie man Belegschaften gegeneinander ausspielt und sie erpresst.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss.

Ich meine, im Jahr 2008 hätte es eine Möglichkeit gegeben, sowohl Opel aus GM herauszulösen als auch die Arbeitsplätze zu erhalten – wenn man damals die Landesbürgschaft an Bedingungen geknüpft und nicht einfach so an GM gegeben hätte. Angesichts der globalen Überkapazitäten, die wir haben, müssen Automobilhersteller weiter über sinnvolle Konversionsmöglichkeiten nachdenken. Das ist eine politische Frage. Das Opel-Werk Bochum entstand damals auf einer ehemaligen Zeche – –

Frau Kollegin, Sie sollten auch tun, was Sie sagen, und zum Schluss kommen.

Frau Präsidentin, letzter Satz.

Das Opel-Werk Bochum entstand damals auf einer ehemaligen Zeche mitten in der Stadt und sollte ein Vorzeigeprojekt des Strukturwandels sein. Der nächste Strukturwandel steht angesichts von Klimaschutz und Energiewende an. Nur wenn wir den schaffen, kann man auch langfristig die Arbeitsplätze in der Automobilindustrie halten und sichern. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Kollege Hahn, FDPFraktion.

Frau Präsidentin, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Liberalen sind der Union sehr dankbar dafür, dass sie diese Aktuelle Stunde in dieser Form beantragt hat. Denn damit gibt sie uns die Möglichkeit, einmal intensiv über das Thema soziale Marktwirtschaft, Erfolge in Hessen zu diskutieren.

Sozusagen vor der Klammer will ich darauf hinweisen, dass wir offensichtlich alle heute – bei Kollegin Wissler bin ich mir nicht mehr ganz so sicher – die Investition von 245 Millionen € in Rüsselsheim goutieren, gut finden. Auf der anderen Seite aber führen wir in diesem Haus gerade eine Debatte darüber, dass ein anderes, privates, im MDAX notiertes Unternehmen bereit ist, aus eigenen Mitteln eine Investition von über 2 Milliarden € vorzunehmen. Da bildet sich die Politik, die Landesregierung ein, dass sie darüber noch einmal nachdenken muss.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Marktwirtschaftsbild, das die Christdemokraten in Hessen, jedenfalls in dieser Legislaturperiode, vorlegen, ist ein bisschen diffus: Jubel über 245 Millionen € GM-Geld in Rüsselsheim – ja, als Liberale jubeln wir mit –, auf der anderen Seite aber ganz, ganz große Skepsis und ganz, ganz große Vorbehalte, wenn die Fraport AG 1,5 bis 2 Milliarden € in das Terminal 3 investieren will. Das ist widersprüchlich.

(Beifall bei der FDP)

Wir jubeln bei allen privaten Investitionen, die in Hessen getätigt werden. Denn für alle gilt dasselbe: Erstens muss man kein staatliches Geld in die Hand nehmen, und zum Zweiten werden Arbeitsplätze gesichert oder neue geschaffen. Das gilt bei Opel in Rüsselsheim genauso wie bei der Fraport in Frankfurt am Main.

(Beifall bei der FDP)

Ein besseres Kontrastprogramm als zwischen Frau Wissler auf der einen Seite und mir auf der anderen Seite kann es von der Choreografie her gar nicht geben.

(Lachen und Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE): Nicht nur von der Choreografie her, auch inhaltlich bei diesem Thema!)

Wir sind der Meinung, Politik soll nicht in den Markt hineinwirken. Frau Wissler, hätte sich nämlich – und jetzt komme ich zu Opel – die Politik, die im Jahr 2010 sogar teilweise eine Mehrheit in diesem Hause haben wollte, durchgesetzt, dann gäbe es heute keine Investition von 245 Millionen € aus Detroit nach Rüsselsheim.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Was Sie so alles wissen!)

Ich will daran erinnern, und lesen Sie es nach: Es gibt eine, wie immer brillant vorgetragene,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ist das eine Kritik am ehemaligen Kollegen Posch?)

leider von einem hohen Zynismus getragene, Rede des heutigen stellvertretenden Ministerpräsidenten, die er am 17. September 2009 zu diesem Thema gehalten hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will sie nicht zitieren, aber auf zwei – wie hat Frau Wissler so schön gesagt? – Dinge hinweisen, bei denen der Kollege Al-Wazir in den Markt hineinwirken wollte. Ich verrate kein Geheimnis, denn Sie alle wissen das: Über diese Themen hat es auch in der damaligen Koalition jedenfalls Diskussionen gegeben.

(Michael Boddenberg (CDU): Das stimmt!)

Ansonsten halte ich mich weiter daran, dass das, was wir intern besprochen haben, intern bleibt.

(Lachen des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Zwei Botschaften waren dieser Rede zu entnehmen. Die eine Botschaft des Kollegen Al-Wazir, der ja alles immer unheimlich gut weiß: Opel muss aus GM herausgenommen werden. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, wäre dieser unkluge Rat des damaligen Oppositionsführers beachtet worden, dann gäbe es heute kein Geld aus Detroit für Rüsselsheim.

(Beifall bei der FDP)