Protocol of the Session on August 30, 2017

Bleiben Sie bei dem, was Sie wirklich beschließen: eine sozialpolitische Maßnahme, die Familien entlastet. Das

kann man gut vertreten. Aber sagen Sie den Eltern nicht vorsätzlich nur die halbe Wahrheit.

(Beifall bei der FDP, der SPD und der LINKEN – Holger Bellino (CDU): Wir haben es doch gesagt!)

Sie stellen rund zwei Drittel der Kindergartenplätze kostenfrei. Ein Drittel, die Ganztagsplätze, wird nicht kostenfrei gestellt. Sie lassen die Krippen, in denen wir die großen Probleme mit 700 € monatlich pro Krippenplatz haben, links liegen. Sie werden dort niemanden entlasten, und Sie werden die Familien auch nicht um 5.000 € netto in drei Jahre entlasten. – Wenn man nur kurz drüberliest, kann man das auch für eine Entlastung in einem Jahr halten, was Sie wahrscheinlich total von sich weisen.

Sie wissen ganz genau, dass man zwei Drittel der Kindergartengebühren steuerlich anrechnen lassen kann. Sie wissen ganz genau, Herr Boddenberg, dass es keine Nettoentlastung um 5.000 € ist. Das wissen Sie doch. Warum sagen Sie es hier denn? Bleiben Sie doch bei dem, was es ist.

(Beifall bei der FDP, der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Es sind im Durchschnitt vielleicht 70 € Nettoentlastung im Monat pro Kind pro Familie. Darum geht es. Das ist eine gute familienpolitische Maßnahme, für die man eintreten kann. Aber treten Sie bitte für das ein, was Sie tun, und streuen Sie den Eltern keinen Sand in die Augen. Denn dann werden Sie nachher eine Quittung kriegen, und am Ende wird wieder die ganze Politik beschädigt sein. Bleiben Sie bei dem, was Sie tun.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Michael Bod- denberg (CDU))

Für gute Politik wäre es wichtig, dass man sich die Bedarfe anschaut, das, was Eltern wirklich wollen. Sie haben erklärt, was Studien so ergeben. Was Wissenschaftler bei Eltern abfragen, das interessiert Sie nicht so, das finden Sie auch nicht in Ordnung. Wenn Bertelsmann etwas feststellt – die machen das wissenschaftlich –, kann man sagen, sie machen es vielleicht etwas pauschal, etwa 10 % hoch oder runter. Aber es sind deutliche Hinweise.

Wenn die sagen – das gilt für Hessen wie für Deutschland –, 72 % der Eltern meinen, es gibt nicht genug Kitaplätze, 69 % wollen eine bessere Ausstattung in ihren Kitas, und 33 % der Eltern sagen, die Öffnungszeiten sind für sie nicht ausreichend, dann zeigt sich doch, wo der Handlungsbedarf ist: Wir brauchen mehr Kapazitäten.

Herr Wagner geht jetzt hierher und sagt, es gibt 80 Millionen € vom Bund, daher geht es richtig voran. Aber wenn es stimmt, was wir hören, dass Sie dem KFA 155 Millionen € für diese Maßnahme entziehen, dann haben die Kommunen nachher für den quantitativen Ausbau weniger zur Verfügung als jetzt.

(Beifall bei der FDP, der SPD und der LINKEN)

Uns fehlen 23.000 Krippenplätze in Hessen. Vielleicht sind es auch nur 15.000, Herr Minister. Aber das sind ganz entscheidende Größenordnungen. Da muss man sich nicht um 1.000 Plätze streiten, aber daran erkennt man den absoluten Handlungsbedarf für diese Regierung.

(Beifall bei der FDP)

Für uns, für die Freien Demokraten, gibt es eine andere Prioritätensetzung als für die CDU und die SPD in diesem Hause. Sie haben eine wichtige, gute sozial- und familien

politische Maßnahme nach vorne gestellt, die ich im Grundsatz für richtig halte. Aber ich sage Ihnen: Momentan ist es mindestens so wichtig – aus unserer Sicht sogar wichtiger –, dass wir die Qualität in den Einrichtungen verbessern.

(Beifall bei der FDP)

Wir wären für den Fokus auf eine bildungspolitische Maßnahme. Wenn Sie die Eltern in unserem Land abstimmen lassen würden, ob sie 70 € Nettoentlastung im Monat wollen oder ob sie wollen, dass es in ihrer Kindertagesstätte, wo es acht Erzieher gibt, künftig zehn geben wird, die mehr Zeit haben werden, die Kinder zu fördern, die mehr Zeit für Betreuung haben, die mehr Zeit haben, pädagogische Konzepte auf den Weg zu bringen, die Zeit für Fortbildung haben – ich frage Sie, was sie wählen würden.

Herr Boddenberg, ich weiß auch nicht, ob den Kindern 70 € mehr in der Familienkasse wichtiger sind oder Erzieher, die Zeit für sie haben.

(Beifall bei der FDP)

Wenn Sie die Kinder fragen würden, dann kann ich Ihnen genau sagen, wie sie sich entscheiden würden. Ich glaube, mit dem Geld, das Sie jetzt in die Hand nehmen werden, das Sie in den Haushalt schreiben wollen, hätten Sie 7.400 zusätzliche Erzieherstellen finanzieren und einen optimalen Betreuungsschlüssel in unseren Kindertagesstätten einführen können.

(Beifall bei der FDP)

Sie haben sich dafür entschieden, die Familien zu entlasten – akzeptiert. Aber unser Schwerpunkt wäre eine Steigerung der Qualität. Ich glaube schon, dass es da unglaublich viel zu tun gibt. Der Übergang zwischen Kindertagesstätte und Schule ist eine Herausforderung. Hessen hat ein super Konzept. Das könnten wir hessenweit ausweiten. Aber Sie haben es beerdigt. Sie waren in der letzten Haushaltsdebatte noch nicht einmal bereit, dafür 20 Millionen € zur Verfügung zu stellen, nicht einmal das. Das war Ihnen die Qualität der Bildung nicht wert, wenn wir einmal über Haushaltsanträge sprechen wollen.

Dann kommt der nächste Schritt. Wir haben einen Bildungs- und Erziehungsplan. Der müsste fortgeschrieben werden. Wir bräuchten stärkere wissenschaftliche Evaluierung und Unterstützung in diesem Bereich. Wir bräuchten eine bessere Stärkung der Umsetzung der Qualität in unseren Einrichtungen, eine Unterstützung in den Einrichtungen vor Ort. Es gibt unfassbar viel zu tun. Wir müssen überlegen, wie wir die Eltern besser einbeziehen können. Wir müssen eine Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und Einrichtungen stärken. Das fängt aber hier beim Gesetzgeber an, bei einer Elternvertretung für die Kitas in Hessen. Das fängt bei uns an, aber bei alldem gibt es Fehlanzeige.

Ich glaube, es ist unglaublich gut, dass Sie – wer hat vorhin gesagt, dass die Nerven blank liegen? –, einen Wahltermin vor Augen, gesagt haben: Okay, wir haben es auch verstanden. Das entscheidende Thema, das die Eltern in Hessen umtreibt, sind ihre Kinder. Wir müssen da etwas tun.

Die Debatte wird Sie jetzt bis zur Wahl begleiten. Es gibt ganz viele Initiativen. Da können Sie beweisen, ob Ihnen die Kinder in Hessen wirklich etwas wert sind. Wir werden Sie da stellen,

(Michael Boddenberg (CDU): Aber immer mit Gegenfinanzierungsvorschlägen!)

und zwar in der Qualität und mit guten Vorschlägen. Dann können Sie, Herr Boddenberg, beweisen, was Ihnen die Kinder in Hessen wert sind. Bei den Familien haben Sie jetzt ein Signal gesetzt. Wir wollen auch, dass die Kinder davon profitieren. Dann können Sie unsere Initiativen unterstützen. Wir freuen uns schon darauf. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank.

Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße auf der Besuchertribüne den Bischof von Limburg, Herrn Dr. Georg Bätzing. Sie haben heute die Andacht hier im Haus gehalten. Herzlichen Dank dafür.

(Allgemeiner Beifall)

Als Nächster hat Herr Staatsminister Grüttner das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ab dem Kindergartenjahr 2018 werden Eltern von Kindern, die den Kindergarten besuchen, beitragsfrei gestellt für sechs Stunden im ersten Kindergartenjahr, im zweiten Kindergartenjahr und im dritten Kindergartenjahr. Das ist eine gute Nachricht für die Eltern in Hessen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist insofern eine gute Nachricht für die Eltern, weil mit dieser Maßnahme eine deutliche Entlastung verbunden ist. Es ist das Schöne, dass man sich natürlich auf Durchschnittszahlen bewegt. Aber klar ist auch: In dem Moment, in dem eine Kommune die Vereinbarung mit dem Land trifft, dass die Beitragsfreiheit in ihrem Gebiet gilt, dann gilt die Beitragsfreiheit für sechs Stunden unabhängig davon, ob die Eltern 70, 80, 90, 100, 500 oder 700 € für diese sechs Stunden bezahlt haben. Deswegen ist der individuelle Einsparbetrag bei den Eltern immer unterschiedlich. In der Durchschnittsbetrachtung werden Eltern 5.000 € pro Kind einsparen, wenn wir die Beitragsfreiheit in Angriff nehmen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Gegensatz zu vielen anderen Vorschlägen nehmen wir das System, das sich seit zehn Jahren bewährt hat, zur Grundlage für ein neues System, und zwar die Vereinbarung zwischen den Kommunen und dem Land und damit verbunden auch, dass man entsprechende Fördermittel seitens des Landes bekommt. Insofern bleibt es jeder Kommune selbst überlassen, ob sie diesen Weg mitgeht oder nicht.

Vor zehn Jahren haben das 426 Kommunen gemacht. Sie haben das freiwillig erklärt.

(Michael Boddenberg (CDU): Von?)

Herr Fraktionsvorsitzender, von 426 Kommunen. Also alle haben es erklärt. – Ich bin der festen Überzeugung, dass auch dieses Mal alle Kommunen erklären werden, dass die Kinder, die in ihrem Stadtgebiet oder Gemeinde

gebiet in den Kindergarten gehen, für sechs Stunden beitragsfrei gestellt werden.

Ich sage dauernd „sechs Stunden“, um aufzuklären, dass damit nicht die tatsächliche Betreuungszeit gemeint ist. Wir wissen, was Betreuungszeiten sind. Wir haben in allen Kindertagesstätten in Hessen eine Erhebung zu der Fragestellung gemacht, wie hoch das durchschnittliche Betreuungsangebot der Kindergärten für ein Kind ist, das halbtags dorthin geht. Es sind 5,2 bzw. 5,4 Stunden. Das ist das durchschnittliche Betreuungsangebot, nicht die tatsächliche durchschnittliche Betreuungszeit. Dieses Betreuungsangebot haben wir zur Grundlage einer Durchschnittsberechnung genommen.

(Lachen des Abg. Gerhard Merz (SPD))

Jeder, der an dieser Stelle versucht, irgendetwas anderes zu sagen, was die Frage der Beitragsfreiheit anbelangt, irrt. Ich finde, Herr Wagner hat das vollkommen richtig gesagt. In Hamburg werden fünf Stunden beitragsfrei gestellt. Aber auch in Hamburg wird die Betreuungszeit pro Kind deutlich mehr als fünf Stunden sein. Es gibt einen Unterschied zwischen den angebotenen und den tatsächlich in Anspruch genommenen Betreuungszeiten. Das sollte irgendwann einfach einmal auch von den Mitgliedern der Opposition kapiert werden.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die ganze Aufregung bei der SPD vorhin habe ich überhaupt nicht verstanden.

(Gerhard Merz (SPD): Ach ja!)

Das Schöne ist: Die SPD-Fraktion kann so viele Vorschläge unterbreiten, wie sie will. Sie wird nie in die Lage versetzt werden, sie umzusetzen.

(Timon Gremmels (SPD): Hochmut kommt vor dem Fall! – Weitere Zurufe von der SPD)

Insofern ist es relativ einfach, damit umzugehen.