Protocol of the Session on August 30, 2017

Insofern ist es relativ einfach, damit umzugehen.

(Zurufe von der SPD – Glockenzeichen der Präsi- dentin)

Sie mögen sich darüber aufregen. Sie werden nie in die Lage versetzt werden, sie umzusetzen. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe. Das geschieht nicht nur, weil Sie dafür keine Mehrheit haben. Vielmehr ist das schlicht und einfach auch ein Vorhaben, das jenseits der realistischen Chance der Umsetzung liegt.

Man muss es sich schlicht und einfach einmal auf der Zunge zergehen lassen, was die SPD momentan vorschlägt. Sie haben – das ist auch in Ordnung, das wurde abgelehnt – Beitragsfreiheit in vier Schritten für fünf Stunden, beginnend ab 2019, vorgeschlagen. Das war der Inhalt Ihres Antrags aus dem Jahr 2017. Den kann man immer noch auf Ihrer Homepage lesen. Da gibt es Antworten zu so schönen Fragen wie die, warum Beitragsfreiheit für alle Eltern gelten soll und warum keine Sondergebühren von einkommensstarken Eltern erhoben werden sollen. Das sei alles dahingestellt. Das haben Sie schön veröffentlicht. Ich finde, das ist in Ordnung.

(Gerhard Merz (SPD): Sie hätten zustimmen können!)

Daran haben Sie sich gehalten. Das wurde Ihnen abgelehnt.

Jetzt kam am letzten Montag völlig überraschend ein Rundumschlag der SPD. Sie wollen jetzt die komplette Beitragsfreiheit für einen ganztägigen Platz bei U 3 und Ü 3. Und Sie wollen eine gesetzliche Regelung zu Leitungszeiten, mittelbaren pädagogischen Zeiten, erhöhten Ausfallzeiten und nicht zuletzt die Übernahme der laufenden Betriebskosten aller hessischen Kindertagesstätten zu zwei Dritteln durch das Land.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das haben wir auf dem Landesparteitag beschlossen! Das ist sechs Monate alt!)

Das alles soll mit zusätzlichen Mitteln in Höhe von 1 Milliarde € finanziert werden.

(Gerhard Merz (SPD): Ja!)

5 Prozentpunkte Steigerung der Ausfallzeiten oder der mittelbaren pädagogischen Zeiten bedeuten ein höheres Kostenvolumen von jeweils 68 Millionen €. Ich sage das nur, damit Sie wissen, in welcher Größenordnung das liegt. Das alles ist ein Wunschkonzert. Das hat mit solider Gestaltung überhaupt nichts zu tun. Das wurde einfach mit heißer Nadel gestrickt, um letztendlich dem, was die Landesregierung vorgestellt hatte, etwas entgegenzusetzen.

Es ist ganz einfach, sich hinsichtlich der Finanzierung auf den Bund zu beziehen, indem man schlicht und einfach sagt: Irgendwann wird der Bund möglicherweise ein Gesetz erlassen – –

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Wenn Sie Ihre Blockade aufgeben, schon!)

Meine Blockade hat damit nichts zu tun. Ich will erst einmal den Gesetzentwurf des Bundes sehen. Wir werden dann sehen, wie die anderen Länder reagieren, wenn es darum geht, dass der Bund möglicherweise Geld zur Verfügung stellt. Man weiß aber auch nicht, wie viel. Frau Barley spricht, aufwachsend, von 5 Milliarden €. Es ist auch ein Wunschkonzert, das entsprechend darzustellen.

Dann gibt es auch noch die Überzeugung, dass der Bund keine Anforderungen an die Länder bei der Umsetzung stellen will. Ich habe noch nie erlebt, dass der Bund Finanzmittel zur Verfügung gestellt hat und nicht gleichzeitig den Ländern erklärt hat, wie und für was sie sie einsetzen sollen. Das betrifft zutiefst die Gestaltungsfreiheit nicht nur der Kommunen, sondern auch der Länder.

Wir gestalten gemeinsam mit den Kommunen. Wir wollen frühpädagogische Arbeit und Bildung in unseren Kindertagesstätten einrichten. Das soll nicht der Bund tun.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das hat damit zu tun, dass die Ausgangslage in jedem Land anders ist. Das hat damit zu tun, dass die Ausgangslage innerhalb des Landes an den verschiedensten Stellen unterschiedlich ist.

Insofern ist das alles ein Eingriff in die Gestaltungshoheit der Länder. Um das sehr deutlich zu sagen: Mit mir wird es nicht passieren, dass der Bund in unsere Gestaltungshoheit einbricht. – Da Sie mit mir noch länger leben müssen, werden Sie dies schlicht und einfach in der Umsetzung nicht erleben.

(Gerhard Merz (SPD): Übernächstes Jahr werden wir Sie nicht mehr als Minister haben! – Gegenruf des Abg. Holger Bellino (CDU): Das erzählen Sie seit 1999!)

Herr Merz, Sie werden doch gleich die Gelegenheit haben, hier noch einmal das Wort zu ergreifen. – Insofern ist das ein Schritt, von dem wir sagen, dass er der Entlastung der Eltern dient.

Das darf man an der Stelle nicht vergessen. Das kommt ein Stück weit dem entgegen, was Herr Rock gesagt hat. Zusätzlich zu der Beitragsfreistellung der Eltern werden wir in den Jahren 2018 und 2019, aufwachsend, insgesamt 50 Millionen € und anschließend jeweils jährlich 50 Millionen € Mittel aus dem Staatshaushalt zur Verbesserung der Qualität aufwenden. Zum jetzigen Zeitpunkt unterstützen wir das schon mit 460 Millionen €. Das heißt, ab dem Jahr 2020, also im Endausbau, aber schon im nächsten und übernächsten Jahr aufwachsend, nimmt das Land über eine halbe Milliarde Euro nicht für die Beitragsfreistellung und nicht für Investitionen in die Hand, sondern ausschließlich zur Unterstützung der Kommunen, damit dort eine qualitativ hochwertige Kinderbetreuung angeboten werden kann. Das ist eine gewaltige Kraftanstrengung.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist vor allen Dingen unter dem Gesichtspunkt eine gewaltige Kraftanstrengung, dass, wenn man es so macht, wie es in der Systematik bisher angelegt ist, man auch vor Ort die Chance hat, über die Qualitätspauschale, die es bisher schon gibt, die Mittel so zu verwenden, wie es vor Ort für die jeweilige Struktur der Kindertagesstätte, die von den Kindern besucht wird, das Richtige ist.

Diesen Weg gehen wir. Deswegen habe ich gesagt: Das werden wir machen. – Die Mittel sind vorhanden. Wir wollen eine Qualitätssteigerung, aber auch möglichst große Flexibilität für die Kindertagesstätten vor Ort haben.

Ich möchte noch eine Zahl nennen. Herr Rock, Sie haben gesagt, die FDP fordere 100 Millionen € jährlich für die Qualitätsverbesserung. Das war die letzte Zahl, die ich einer Veröffentlichung entnehmen konnte. Gleichzeitig haben Sie ebenfalls ein Wunschkonzert hinsichtlich dessen aufgemacht, was man damit machen kann.

Ich will Ihnen eine Berechnung nennen. Wenn Sie im Kindergarten den Fachkraftfaktor von momentan 0,07 Fachkraft pro Kind auf 0,08 Fachkraft pro Kind erhöhen, bedeutet das, dass pro Fachkraft zwei Kinder weniger betreut werden können. Dann haben Sie Aufwendungen von 108 Millionen € jährlich. Daran sehen Sie, dass auch Sie gefordert sind, einen soliden Finanzierungsvorschlag zu machen, wenn Sie entsprechende Vorschläge machen.

Das, was die Landesregierung mit dem Landeshaushalt vorlegen wird und von dem ich ausgehe, dass es der Gesetzgeber dann auch beschließen wird, wird ein Dreiklang sein: Qualitätsverbesserung, Quantitätsverbesserung und Beitragsfreistellung. Das alles wird solide finanziert sein. Das ist solide und verantwortungsvolle Politik.

(Lang anhaltender Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Herr Kollege Merz für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist mehr Freude im Himmel über einen Sünder, der Buße tut, als über 99 Gerechte, so heißt es bei Lukas in Kapitel 15, Vers 7.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Insofern bin ich froh, dass einer der Bußfertigen hier und heute das Wort ergriffen hat, während die Unbußfertigen offensichtlich auf der Armesünderbank sitzen geblieben sind und heute nichts sagen dürfen.

(Beifall bei der SPD)

Der Bischof ist schon weg, daher kann ich es gefahrlos sagen: Nach der katholischen Rechtfertigungslehre geschieht Bußetun durch das Tun guter Werke. Insofern begrüße ich es sehr, dass die Landesregierung – nachdem sie es noch im Juni dieses Jahres durch Sie, Herr Minister, und auch durch andere Vertreter der Koalition als Unsinn zurückgewiesen hat – nunmehr zu der Einsicht gekommen ist, dass es höchste Zeit ist, Familien, insbesondere Familien mit kleinen und mittleren Einkommen, finanziell auch dadurch zu entlasten, dass man sie beim Besuch von Kindertagesstätten zumindest teilweise beitragsfrei stellt.

Lassen Sie mich, bevor ich auf unsere Vorschläge eingehe, noch ein paar Worte zur Genese der Debatte sagen. Hier war viel von unserem Gesetzentwurf aus dem letzten Jahr die Rede. Ja, wir hatten im letzten Jahr – genauer gesagt, im vorletzten Jahr – einen Gesetzentwurf vorgelegt, der in einem ersten Schritt das zweite Kindergartenjahr im Umfang von fünf Stunden beitragsfrei stellen sollte. Darf ich Sie daran erinnern, in welchem finanzpolitischen Kontext dieser Antrag seinerzeit gestellt worden ist?

(Zuruf von der SPD: Richtig!)

Wir hatten es mit dem ersten Haushalt zu tun, der im Zeichen der Flüchtlingskrise stand, wo das Land mit unserer Unterstützung Gelder in Milliardenhöhe zusätzlich aufbringen musste und aufgebracht hat.

(Zuruf von der SPD: Ja!)

In dieser Situation waren die Regelungen zum Länderausgleich, die erst seit Frühjahr dieses Jahres gelten, noch nicht wirklich absehbar. Auf diese Finanzlage hat sich dieser Gesetzentwurf bezogen. Herr Kollege Wagner, dieser Gesetzentwurf ist mit einem Antrag zum Haushalt 2017 unterlegt worden. Darin beantragen wir 50 Millionen € zusätzlich, und zwar mit der ausdrücklichen Zweckbestimmung „Mehrbedarf für die Freistellung von Elternbeiträgen für den Ganztagsplatz im letzten und vorletzten Kindergartenjahr ab Beginn des neuen Kindergartenjahrs“.

(Zurufe von der SPD)

Hätten Sie diesem Antrag zugestimmt, könnten Eltern schon in diesem Kindergartenjahr beitragsfrei gestellt worden sein.

(Beifall bei der SPD)

So viel zur Vorgeschichte und zum Wahrheitsgehalt Ihrer Aussagen vorhin.

(Zurufe von der FDP)

Was will die SPD? – Die SPD hat auch einen Dreiklang, und dazu gehört die Entlastung von Familien mit kleinen und mittleren Einkommen. Ja, wir haben uns aufgrund Ih

rer obstinaten Haltung in der Frage der Gebührenfreiheit auf einen Zeitraum bezogen, in dem wir regieren werden – worauf sollten wir uns auch sonst beziehen? –, und das ist die nächste Legislaturperiode.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Lachen bei der CDU)

Selbstverständlich haben wir für dieses Ziel, das zugegebenermaßen sehr ehrgeizig ist, ein schrittweises Vorgehen vorgesehen. Was denn sonst? Was hätten Sie denn gesagt, wenn wir das auf einen Schlag gemacht hätten? Was hätten Sie dann gesagt?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen bleibt es dabei: Wir wollen in vier Schritten, beginnend mit der Beitragsfreistellung des Ganztagsplatzes, der der Betreuungsrealität entspricht, zur vollständigen Gebührenfreiheit über alle Betreuungszeiten und für alle Eltern – insbesondere aber mit Blick auf die Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen – kommen. Das wollen wir, und das werden wir auch. Das unterscheidet uns fundamental von dem, was Sie hier vorgelegt haben; denn darin steckt keinerlei Perspektive.