Protocol of the Session on June 1, 2017

(Zuruf der Abg. Sabine Waschke (SPD))

Es gab keinerlei Bereitschaft der SPD mehr, auf die Vorschläge der CDU/CSU einzugehen und die Regelung vor allen Dingen erst für Betriebe ab 200 Mitarbeitern anzuwenden. Diese Grenze ist aus sehr gutem Grund vorgeschlagen worden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Widerspruch bei der SPD – Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer wäre denn betroffen, wenn die Schwelle, wie Sie es wollen, bei 15 Mitarbeitern liegen würde? Darauf haben Sie nämlich beharrt. Betroffen wären dann das Handwerk und der kleine Mittelstand, also Betriebe, die aufgrund ihrer Größe diese Arbeitsplätze gar nicht freihalten und das Gesetz gar nicht umsetzen könnten.

(Norbert Schmitt (SPD): So ein Unsinn!)

Dann wirft die SPD uns auch noch vor, wir würden diese Bedenken des Handwerks nicht ernst nehmen. – Das ist absurd; denn auch Frau Nahles kennt sehr genau die großen Bedenken des Handwerks und der kleinen Betriebe. Trotz

dieser Erkenntnisse ignoriert die SPD die Bedenken. Ja, Sie stellen sich eindeutig gegen das Handwerk und gegen den kleinen Mittelstand.

(Sabine Waschke (SPD): Und Sie sich gegen die Frauen!)

Sie wollen eben schon Betrieben mit 15 Mitarbeitern zumuten, auch noch beweisen zu müssen, keine freien Vollzeitstellen zu haben.

(Günter Rudolph (SPD): Da klatschen nicht einmal mehr die eigenen Leute!)

Ich frage Sie: Welcher Handwerker wird dann noch Frauen einstellen?

(Janine Wissler (DIE LINKE): Wie bitte?)

Das ist dann nämlich auch noch frauenfeindlich.

(Lachen bei der SPD – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Jetzt wird es schräg! – Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Wir wollen, dass Frauen, die Eltern gepflegt haben, die Kinder erzogen haben, bessere Chancen auf Rückkehr in Vollzeit erhalten. Darüber streiten wir uns überhaupt nicht, darin sind wir uns einig.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das stand in unserem Wahlprogramm, und das ist auch Vereinbarung in der Koalition. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für uns ein entscheidendes Thema der Frauen- und Familienpolitik. Deshalb unternehmen wir auf Bundes- und auf Landesebene erhebliche Anstrengungen, um Vereinbarkeit von Familie und Beruf wie auch von Familie und Karriere zu verbessern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Zuruf von der SPD: Falsch!)

Ich will an dieser Stelle auch klar sagen und daran erinnern, dass bereits bei der Elternzeit und auch bei der Familienpflegezeit die Rückkehrmöglichkeit fest verankert ist. Wir sollten auch zur Kenntnis nehmen, dass sich der Arbeitsmarkt aufgrund des Fachkräftemangels längst ändert. Viele Arbeitnehmer sind familienfreundlich, sie haben längst erkannt, dass dies ein entscheidender Faktor im Wettbewerb um Fachkräfte ist, und bieten bereits jetzt individuelle und flexible Arbeitszeitregelungen an – auch die Handwerksunternehmen.

Schließlich will ich daran erinnern, dass auch Hessen vorbildlich vorangeht. Wir haben erst kürzlich die Debatte über das HGlG geführt. Wir bieten flexible und individuelle Arbeitszeitregelungen, wir treffen viele Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Karriere im öffentlichen Dienst, wir brauchen uns nicht zu verstecken.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Deshalb sage ich abschließend noch einmal ganz klar: Die CDU will die Rückkehrmöglichkeiten von Teilzeit in Vollzeit weiter verbessern, auch wenn Sie heute Morgen einen anderen Eindruck erwecken wollen. Aber solche Regelungen können nur gemeinsam mit den Arbeitgebern, gemeinsam mit den Sozialpartnern und nicht gegen sie umgesetzt werden.

(Beifall bei der CDU – Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Dazu müsste die SPD kompromissbereit sein, und das will sie zurzeit eben nicht; denn am 24. September ist Bundestagswahl.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Ravensburg. – Das Wort hat Abg. René Rock, Seligenstadt, Fraktionsvorsitzender der FDP.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Gesetzlich verankerte Rückkehr aus der Teilzeit zurück in die Vollzeit – damit haben wir einen großen Eingriff in die Freiheit der Unternehmen. Sie haben hier – das hat Frau Ravensburg richtig zitiert – die Grenze der Beschäftigten bei 15 festgelegt. Was das bedeutet, ist klar, nämlich, dass schon kleine Unternehmen betroffen sein werden.

Wie wir die Ausgestaltung solcher Gesetze kennen, werden diese wohl auch mit einem nicht unerheblichen Maß an Bürokratie verbunden sein. Darum ist es ein enormer Eingriff in die Freiheit dieser Unternehmen. Ich sage nicht, dass das kein Problem ist, dass man aus der Teilzeit wieder verlässlich in die Vollzeitbeschäftigung zurückkehren kann. Ich streite auch nicht ab – das ist auch gar nicht abzustreiten –, dass es vor allem Frauen betrifft.

Die Teilzeitbeschäftigung in den letzten 20 Jahren ist von rund 5 Millionen Mitarbeitern auf über 10 Millionen Mitarbeiter in den Unternehmen gestiegen. Davon sind über 80 % Frauen. Das ist ein Thema, das vor allem Frauen betrifft. Wenn man die Abwägung zwischen diesem Interesse, einem gesetzlichen Anspruch auf Rückkehr von Teilzeit in Vollzeit, und einem Eingriff in die Freiheit der Unternehmen – und zwar schon bei kleinen Unternehmen – vornehmen will, dann muss man sich auch einmal mit den Zahlen und den Befindlichkeiten der Betroffenen auseinandersetzen.

Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat 2016 eine Studie dazu durchgeführt, was denn die Befindlichkeit von Frauen ist und was in ihrem Ranking eine entscheidende Rolle spielt. Vonseiten der Politik, die ja oft zu wissen glaubt, was die Menschen wollen, sollte häufiger geschaut werden, was in solchen Studien steht. Genannt werden ungleiche Bezahlung und die Gleichstellung an sich – man ist manchmal verwundert, aber über die Hälfte aller Frauen in Deutschland sagten, dass die Gleichstellung noch lange nicht erreicht sei.

(Zuruf von der SPD: Stimmt ja auch!)

An Platz 3 kommt schon die Frage: Wie ist die Versorgung mit Kitaplätzen, wie ist die Möglichkeit, seinen eigenen Arbeitsentwurf leben zu können? Dort sagen die Frauen, dass der größte Handlungsbedarf vor allem in der Frage liegt, wie sich Betreuungszeiten und Flexibilität in den Betreuungseinrichtungen zu entwickeln haben.

Sie stellen auch fest, dass die Mehrheit der Frauen mit Kindern eine Arbeitszeit zwischen 30 und 35 Stunden bevorzugen würde. Da sollte man vielleicht als Grundlage überlegen: Was ist die Priorität derer, die betroffen sind?

(Lisa Gnadl (SPD): Aber es muss doch die Möglichkeit geben, wieder in Vollzeit zurückzukehren!)

Dann muss man abwägen, ob man in Betriebe ab 15 Beschäftigten eingreifen will. Jetzt kann ich immer noch sagen, es geht mir um den Grundsatz. Ich habe mir aber erlaubt, anzusehen, wie sich die Anzahl der Frauen entwickelt hat, die sagen, sie würden gerne längere Zeit arbeiten. Das heißt dann noch lange nicht, dass die Frauen, die gerne mehr arbeiten würden, sagen, dass sie Vollzeit arbeiten wollen. Aber sie wollen ihre Arbeitszeit aufstocken.

Wie hat sich das entwickelt? 2015 haben 14 % der Frauen, die in Teilzeit beschäftigt sind, gesagt, sie würden gerne mehr arbeiten. Vor wenigen Jahren waren das noch 19 %.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Wir haben gleichzeitig eine Ausweitung der Teilzeitstellen. Aus meiner Sicht ist das ein Thema, dem man sich stellen soll. Man darf aber auch die Interessen der Unternehmen nicht vergessen. Wir diskutieren über ein Thema, das sich, zumindest statistisch gesehen, in die richtige Richtung entwickelt. Das entwickelt sich in die Richtung, dass die Frauen, die mehr Stunden arbeiten wollen, das auch tun können.

Es ist aber immer noch so, dass 14 % der Frauen, die teilzeitbeschäftigt sind, eben nicht die Zeit arbeiten können, die sie gerne arbeiten möchten.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

In der Abwägung glaube ich, dass die harte gesetzliche Regelung, mit der immer bekannten Bürokratie bei Unternehmen mit 15 Mitarbeitern einzusetzen, einen Schritt zu weit geht. Auch deshalb könnten wir einen solchen Gesetzentwurf nicht mittragen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe der Abg. Norbert Schmitt und Lisa Gnadl (SPD))

Vielen Dank, Herr Kollege Rock. – Das Wort hat Frau Abg. Wissler, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frauen tragen nach wie vor nicht nur einen Großteil der familiären Arbeit wie die Betreuung von Kindern oder Pflege von Angehörigen. Sie tragen auch überproportional die damit verbundenen Risiken und Einbußen.

Rund 8,8 Millionen der 11,1 Millionen Teilzeitbeschäftigten in Deutschland sind weiblich. Für viele berufstätige Mütter bedeutet verkürztes Arbeiten das Karriere-Ende oder zumindest einen beruflichen Dämpfer. Das ist die sogenannte Teilzeitfalle: einmal Teilzeit, immer Teilzeit. Viele davon arbeiten nicht freiwillig in der Teilzeit, sondern weil sie Angehörige pflegen müssen, weil es nicht genug Betreuungsplätze, gerade Ganztagsbetreuungsplätze, für Kinder gibt oder weil es einfach kein Rückkehrrecht in die Vollzeit gibt.

Teilzeitjobs sind häufig in Bereichen, die schlecht bezahlt werden. In Teilzeitjobs verdient man im Schnitt 4 € weniger pro Stunde als in Vollzeitjobs. So trägt die Teilzeit in

erheblichem Maße zum Gender Pay Gap bei, also dem erheblichen Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern.

Selbst wenn die Rückkehr in die Vollzeit gelingt, sind die Einbußen immer noch groß. Jahrelang niedriger Lohn bedeutet später niedrige Renten. Das verstärkt die Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern.

Meine Damen und Herren, das Rückkehrrecht in die Vollzeit ist nicht die Lösung für alle Lohnungerechtigkeiten zwischen den Geschlechtern. Aber es wäre zumindest ein Schritt in die richtige Richtung.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Natürlich würden auch Männer von einem solchen Recht auf vorübergehende Teilzeitarbeit profitieren. 60 % der berufstätigen Väter würden gerne vorübergehend in Teilzeit gehen, sofern es das Rückkehrrecht gäbe. Von den erwerbstätigen Männern arbeiten zwar nur 9 % in Teilzeit, aber davon immerhin auch ein Viertel unfreiwillig. Gegen diese erzwungene, unfreiwillige Teilzeitarbeit brauchen wir ein wirksames Rückkehrrecht.