Protocol of the Session on June 1, 2017

Natürlich würden auch Männer von einem solchen Recht auf vorübergehende Teilzeitarbeit profitieren. 60 % der berufstätigen Väter würden gerne vorübergehend in Teilzeit gehen, sofern es das Rückkehrrecht gäbe. Von den erwerbstätigen Männern arbeiten zwar nur 9 % in Teilzeit, aber davon immerhin auch ein Viertel unfreiwillig. Gegen diese erzwungene, unfreiwillige Teilzeitarbeit brauchen wir ein wirksames Rückkehrrecht.

Frau Ravensburg, da muss ich sagen: All diese Horrorszenarien, die Sie eben beschworen haben – Unternehmen würden dann keine Frauen mehr einstellen –, gab es vor der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns auch, und keines dieser Horrorszenarien ist am Ende wahr geworden.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Wir haben durch die Einführung des Mindestlohns nicht Hunderttausende Arbeitslose mehr, wie das einige prognostiziert haben, sondern wir haben einen echten Beitrag dazu geleistet, dass weniger Menschen zu Niedrigstlöhnen arbeiten müssen. Deshalb finde ich auch hier diese Horrorszenarien völlig unangemessen.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Ich will noch einmal deutlich machen: Auch kinderlose ledige Beschäftigte jeden Geschlechts können natürlich in Lebenssituationen sein, in denen sie von dem Recht auf vorübergehende Teilzeit profitieren könnten. So ließe sich auch das Stigma, das die Teilzeitarbeit hat, lockern.

Jetzt muss ich aber doch ein Wort an die SPD sagen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Aber sicher!)

Die SPD hat der CDU den Bruch des Koalitionsvertrags vorgeworfen. Das ist ein harter Vorwurf. Ich finde, wenn es ernst gemeint wäre, müssten die Konsequenzen klar sein:

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Wenn sich die CDU nicht mehr an den Koalitionsvertrag hält, warum dann die SPD? Es gäbe doch sofort eine rotrot-grüne Mehrheit im Bundestag für dieses Gesetz.

(Zurufe von der SPD – Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Wir könnten sofort konkrete Verbesserungen für Hunderttausende Menschen im Land erreichen. Lassen Sie es uns doch einfach durchsetzen, wenn die CDU sich nicht an den Koalitionsvertrag hält.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Hans- Jürgen Irmer (CDU))

Meine Damen und Herren, natürlich muss auch die Frage erlaubt sein, mit welchem Koalitionspartner Sie glauben

nach der Bundestagswahl ein solches Gesetz umsetzen zu können.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Mit einem, der regierungsfähig ist, Frau Kollegin Wissler!)

Ich habe eben herausgehört: Mit CDU und FDP wird es eher schwierig.

Meine Damen und Herren, das Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit fordert DIE LINKE schon lange. Um junge Familien aber noch besser zu unterstützen, bräuchten wir noch weiter gehende Rechte. Wir brauchen ein Rückkehrrecht, das sich auch auf den Wechsel bei der Schichtarbeit bezieht, z. B. von der Nachtschicht in die Normalschicht und zurück. Junge Eltern brauchen einen besonderen Kündigungsschutz, und natürlich brauchen wir einen Ausbau der Kitaplätze, der Ganztagsschulen, insbesondere im Grundschulbereich.

Die andere Seite der Medaille ist auch klar: Bei Vollzeitstellen muss die Stundenzahl gesenkt werden, bei vollem Lohn- und Stellenausgleich, statt die Grenzen der täglichen Arbeitszeit noch auszuweiten. Wer Beschäftigte entlasten möchte, muss vielmehr die Wochenhöchstarbeitszeit gesetzlich reduzieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen finde ich, das Thema Arbeitszeitverkürzung muss dringend wieder auf die Tagesordnung der Gesellschaft. Die Gewerkschaften diskutieren das seit geraumer Zeit unter dem Begriff „kurze Vollzeit“. Das ist wichtig; denn der unfreiwilligen Teilzeit der einen steht die Überlastung der anderen gegenüber. Hier brauchen wir eine Umverteilung von Arbeit und eine Debatte über Arbeitszeitverkürzung.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Kollegin Wissler, bitte kommen Sie zum Schluss.

Das tue ich, Herr Präsident. – Es gäbe also viel zu tun, um die Arbeitswelt menschlicher zu gestalten, geschlechtergerechter und familienfreundlicher. Das Rückkehrrecht aus der Teilzeit wäre ein wichtiger Schritt dazu. Unsere Bundestagsfraktion würde dem liebend gerne zustimmen. Deshalb: Lassen Sie uns das durchsetzen, liebe SPD.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wissler. – Das Wort hat Frau Kollegin Erfurth, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) unterhält sich mit Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD).)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! – Sind Sie mit Ihren Erörterungen fertig?

(Glockenzeichen des Präsidenten)

Dann können wir hier fortfahren.

(Claudia Ravensburg (CDU): Die sind in Koalitionsverhandlungen!)

Wir haben einmal mehr Bundestagswahlkampf im Hessischen Landtag. Die SPD konnte ein wichtiges frauenpolitisches Anliegen beim Koalitionspartner, der CDU, im Bund nicht durchdrücken. Jetzt diskutieren wir das Rückkehrrecht aus der Teilzeit in die Vollzeit also noch einmal im Hessischen Landtag.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Wir haben zwar keine Regelungskompetenz bei diesem Bundesgesetz, aber wir haben alle eine politische Meinung, und die können wir hier kundtun. Das machen wir auch.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): So ist das manchmal!)

Auch das möchte ich in Richtung SPD sagen: Da, wo wir in Hessen Regelungskompetenz haben, da haben wir es recht anständig gelöst.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir haben immer unter dem Primat, das sich die Koalitionsfraktionen von CDU und GRÜNEN gestellt haben – wir wollen Beruf und Familienaufgaben bestmöglich vereinbaren –, dort, wo wir Regelungskompetenz haben, auch gehandelt. Dabei ging es uns nicht um Symbole, sondern um ganz praktische Schritte, um ganz praktische Politik zum Wohl der betroffenen Gruppe.

Die Vereinbarkeit von Familienaufgaben und Beruf ist für viele Familien nach wie vor eine große Herausforderung. Frau Gnadl, das haben Sie sehr zutreffend beschrieben. Auch Frau Kollegin Wissler hat sich dazu geäußert.

Es geht einfach darum, den Familienalltag zu bewältigen, und zwar für die Familie als Ganzes, also für Männer und Frauen sowie für Mütter und Väter. Es geht darum, das nötige Geld für den Familienunterhalt zu verdienen. Es geht auch darum, in einem Beruf zu arbeiten, der einem Freude macht. Hin und wieder soll es vorkommen, dass Männer und Frauen auch gerne in ihrem Beruf arbeiten.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der CDU)

Auch das ist eine Entwicklung, die wir vielleicht nicht ausblenden dürfen: Es wird für Frauen und Männer immer wichtiger, dass auch der schönste Beruf nicht so zeitraubend sein darf, dass für die Familie keine Zeit mehr übrig bleibt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Claudia Ravensburg (CDU))

Deswegen ist Flexibilität ein wichtiges Stichwort, oder, anders gesagt, es geht um das Wiedererlangen der Zeitsouveränität. Das kann gut gelingen, wenn die Beschäftigten und die Unternehmen oder die öffentlichen Verwaltungen und die Beschäftigten gemeinsam nach Wegen suchen, diese Herausforderung zu bewältigen. Dafür braucht es gesetzliche Rahmenbedingungen. Das ist völlig klar. Das geht nicht alles freiwillig.

Ich habe auf meinen eigenen Wunsch hin lange Zeit Teilzeit gearbeitet. Das ging gut. Ich war im öffentlichen Dienst beschäftigt. Ich konnte bestimmen, wie lange ich

Teilzeitarbeit haben wollte. Ich hätte auch immer wieder zur Vollzeitarbeit zurückkehren können.

Das ging aber lange Zeit nicht, weil ich keine Kinder habe. Das galt damals nur für Frauen. Teilzeit war für Frauen möglich, die in Erziehungszeit waren. Dann durften auch die Männer Erziehungszeit nehmen. Dann endlich durfte man, auch ohne Kinder zu haben, in Teilzeit arbeiten. Das habe ich freiwillig genutzt. Aber ich brauchte dafür den gesetzlichen Rahmen. Deshalb ist es wichtig, dass es einen solchen gesetzlichen Rahmen gibt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der CDU und der SPD)

Eines möchte ich aber auch klar zum Ausdruck bringen: Nicht jede Teilzeitarbeit ist unfreiwillig. Es gibt durchaus Menschen, die nicht immer 40 Stunden pro Woche arbeiten wollen. Da brauchen wir mehr Flexibilität und mehr Durchlässigkeit.

Natürlich stimmt das, was Frau Kollegin Gnadl und auch Frau Kollegin Ravensburg hier vorgetragen haben. Die Mehrzahl der Teilzeitbeschäftigten sind Frauen. Nicht alle können aus freien Stücken so flexibel wie im öffentlichen Dienst arbeiten. Dort ist die Rückkehr gar nicht so ein Problem. Das kriegen wir in Hessen gut hin. Das bekommen andere Länder gut hin. Im öffentlichen Dienst kann man das relativ gut in Absprache mit dem Arbeitgeber und den Verwaltungen lösen. Aber es muss sich natürlich noch etwas auf der Bundesebene ändern, damit dieses frauenpolitisch sinnvolle Projekt, ein Rückkehrrecht gesetzlich zu verankern, auch durchgesetzt wird.