Protocol of the Session on September 13, 2011

Da zeigt sich doch die Hochschulpolitik des Bundes und auch der Länder. Da zeigt sich, worin das Problem besteht. Man kann doch nicht erst einmal, ohne nachzudenken, einen funktionierenden Mechanismus abschaffen. Die Hochschulen wurden damit ins Chaos entlassen. Nachdem man das Chaos erkannt hat, hat man es noch nicht einmal richtig in den Griff bekommen. Spätestens diese Probleme sind hausgemacht. Zumindest diese Probleme müssen gelöst werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Dann möchte ich noch einmal ein paar Worte zu der immer wieder hier vorgetragenen Behauptung sagen, der Haushalt für die Hochschulen sei so hoch wie nie. Wir müssen uns doch wirklich an dem messen, was pro Studierender und pro Studierendem ausgegeben wird. Dazu gibt es eine aktuelle Statistik des Statistischen Bundesamtes. Der zufolge liegt das Land Hessen bei den Ausgaben für die Universitäten pro Studierendem in der Mitte der Bundesländer, nämlich auf Platz 8.

Herr Irmer, Sie haben mich gerade eben so angeschaut. Mehr zahlen beispielsweise die von Ihnen eher als Negativbeispiele herangezogenen Länder Bremen und Hamburg.

Bei den Fachhochschulen sieht es noch viel schlechter aus. Da befinden sich die Ausgaben pro Studierendem wirklich im unteren Drittel.

Ich sage: Auch hier haben Sie Ihre Hausaufgabe nicht gemacht. Sie müssen sich an den Ausgaben pro Studierendem und nicht an den Gesamtausgaben messen lassen. Denn ansonsten sind die Zahlen einfach verzerrt. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Frau Sorge, danke. – Ich habe eine Wortmeldung von Frau Wissler. – Frau Kühne-Hörmann, warten Sie dann den Beitrag der Frau Wissler ab? – Frau Wissler, bitte sprechen Sie zunächst.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Ministerin, ich stelle erst einmal fest: Zu unserem Antrag haben Sie kein kritisches Wort verloren. Das kann ich gut verstehen. Denn es ist ein guter Antrag. Da haben Sie offensichtlich keine Kritikpunkte gefunden, an denen Sie sich hätten abarbeiten können.

(Beifall des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Ich nehme an, dass sich die die Landesregierung tragenden Fraktionen dann während der Ausschusssitzung dementsprechend verhalten und unserem Antrag zustimmen werden.

Auch ich möchte noch einmal ein paar Sätze zur Hochschulzulassung sagen. Zu der Neuregelung haben wir, ich glaube, das war im Jahr 2009, eine Anhörung gehabt. Ich will Sie noch einmal daran erinnern, dass die Hochschulen vor dieser Neuregelung sehr gewarnt haben. Sie haben das Chaos beschrieben, das wir jetzt haben.

Frau Ministerin, Sie haben recht, dass Sie sagen – ich gebe Ihnen jetzt einmal recht –, Bewerber seien nicht gleich Studierende. Das stimmt natürlich. Wir haben z. B. an der Technischen Universität Darmstadt die Situation, dass es 25.000 Bewerber für etwa 5.000 Studienplätze gibt. Das klingt natürlich sehr dramatisch. Ganz so dramatisch ist es aber nicht, weil sich die Menschen in der Tat auf mehrere Plätze an mehreren Hochschulen beworben haben.

Aber das kommt nicht etwa dadurch, dass Studierende nicht gern an einer bestimmten Hochschule studieren wollten, sondern daher, dass es eine enorme Unsicherheit gibt. Die Studieninteressierten sind unsicher, ob sie an einer Hochschule genommen werden, und bewerben sich daher gleich an zehn oder 15 Hochschulen. Das Problem ist dann, dass etwa eine TU Darmstadt nicht weiß, welcher ihrer Bewerber noch Zusagen von wie vielen anderen Hochschulen bekommt. Damit wird ein Chaos geschaffen, in dem Studienplätze unbesetzt bleiben und gleichzeitig Bewerbern abgesagt wird. Als wir die Anhörung abgehalten haben, haben die Hochschulen darauf hingewiesen, dass dies hoch problematisch sei.

Frau Ministerin, was Sie zusätzlich in Hessen gemacht haben – auch das hat große Kritik seitens der Hochschulen hervorgerufen –: Sie haben sie verpflichtet, neben der Abiturnote ein weiteres Auswahlkriterium bei der Auswahl ihrer Studierenden berücksichtigen zu müssen. Damals haben Ihnen die Hochschulen gesagt, dass es mit der derzeitigen Personalausstattung kaum zu schaffen sei, die ohnehin nicht ausreiche, jetzt auch noch aufwändige Auswahlverfahren durchzuführen. Das haben Sie damals gegen den Willen der Hochschulen beschlossen. Natürlich trägt auch das zu dem enormen Aufwand bei, den Sie jetzt beklagen, aber durch Ihre Gesetzgebung selbst geschaffen haben.

Zur Finanzierung will ich noch einmal sagen – Kollege Grumbach und Frau Kollegin Sorge haben es auch angesprochen –, dass man sich die Zahlen immer im Verhältnis zu den Studierenden anschauen muss. Ich will aber auch auf einen weiteren Punkt hinweisen, Frau Ministerin, nämlich die besondere Situation der Fachhochschulen, aber auch der Musik- oder Kunsthochschulen. Diese haben überhaupt nicht die Möglichkeit, auf einen dieser Töpfe, die Sie gerade genannt haben – etwa LOEWE –, zuzugreifen, und sind deswegen in der Finanzierung besonders benachteiligt.

Zur Frage des Wohnraums. Das haben Sie ja innerhalb von drei oder vier Sätzen relativ kurz abgehandelt. Ich will dazu noch einmal sagen, dass wir hier wirklich eine sehr dramatische Situation haben. Das wissen Sie auch, Frau Ministerin. Ja, es gibt neue Studentenwohnheime, es ist neuer Platz geschaffen worden. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass wir in Frankfurt die Situation haben, dass gerade einmal jeder dreizehnte Student mit einem Platz in einem Studentenwohnheim versorgt ist. Nur für die wäre theoretisch der Platz da. Wir haben aber eine große Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum, und wir wissen, dass gerade in Frankfurt die Mieten so hoch sind, dass ein Student sie nur schwer zahlen kann.

Frau Ministerin, wir haben gerade in der letzten Woche im Ausschuss auch das Gespräch mit den Präsidenten zur Frage der Auslandsstudenten geführt. Sie betonen immer wieder, wir würden das für die Internationalisierung der Hochschulen brauchen. Auch an der Stelle ist mal wieder von den Hochschulen darauf hingewiesen worden, dass sich die Frage nach bezahlbarem Wohnraum bzw. Studentenwohnheimen stellt. Gerade wenn man dafür sorgen möchte, dass auch ausländische Studierende nach Hessen kommen, um hier zu studieren, ist das natürlich eine ganz drängende Frage; denn diese Studierenden müssen hier irgendwo untergebracht werden. – Frau Ministerin, da tun Sie einfach nichts. Wir kennen die Situationen, in denen Feldbetten im AStA oder den Studierendenhäusern aufgestellt werden und die Hochschulen immer dramatischere Appelle an die Bürgerinnen und Bürger richten, ob nicht irgendwo privater Wohnraum zur Verfügung steht.

Ich bin schon der Meinung, dass Sie das nicht einfach so abtun können, Frau Ministerin. Ich glaube nicht, dass wir es hier mit hysterischen Hochschulpräsidenten zu tun haben, sondern dass sie hier auf eine sehr ernsthafte Situation hinweisen, die ein Problem ist. Deswegen sollten Sie mit Blick auf den Haushalt für nächstes Jahr noch einmal schauen, wie viel Sie darin für studentischen Wohnraum und die Studentenwerke zur Verfügung stellen. Wir haben die Situation, dass gerade die Studenten aus finanzschwachen Familien auf Studentenwohnheime angewiesen sind, weil sie sich keine teuren Wohnungen leisten können; die sind darauf angewiesen, in der Mensa zu essen. Diese Studierenden treffen Sie, denen erschweren Sie das Studium,

wenn Sie eben nicht die Möglichkeit bezahlbaren Wohnraums und guter Versorgung auch jenseits ihres Studiums schaffen, etwa durch die Studentenwerke.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Frau Wissler. – Als Nächster spricht Herr Dr. Büger für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin nach den letzten Wortmeldungen doch noch einmal nach vorn gekommen. Es wurde einiges durcheinandergebracht, was man geraderücken muss.

Erst einmal stelle ich fest, Herr Grumbach: An unseren hessischen Hochschulen bricht überhaupt nichts zusammen, und es gibt auch keinen Kollaps. Ich glaube, unsere Hochschulen auf diese Art und Weise schlechtzureden, ist alles andere als glücklich und trifft die Situation nicht.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Zweiter Punkt. Unsere Situation ist durchaus besser als die in den Neunzigerjahren. Das hängt auch ganz stark damit zusammen, dass wir einen massiven Investitionsstau in unseren Hochschulgebäuden hatten, den die letzten drei Landesregierungen seit 1999 aufgelöst haben. Das haben wir vorhin gesehen: 460 Millionen € aktuell noch Investitionsbudget,

(Zuruf des Abg. Gernot Grumbach (SPD))

66 Millionen € in Ihrem letzten Jahr. Da können Sie hundertmal die Inflation bereinigen oder wahrscheinlich 300 Jahre Inflation abwarten, bis aus den 66 Millionen € die 460 Millionen € geworden sind.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Zu dem Thema Studentenberg, und dass es an dieser Stelle gar keinen Berg gebe: Wir wissen nicht, wie genau sich die Studierendenquoten entwickeln; das ist zutreffend. Wir hoffen auch – und das ist auch ein Erfolg dieser Regierung –, dass wir mehr junge Menschen haben, die das Abitur machen, und dass der Anteil derer, die studieren, steigt. Das wollen wir auch alles, und das ist ein Erfolg. Aber es ist doch unbestreitbar, dass die Umstellung von G 8 auf G 9 – auch wenn es bei uns keine doppelten, sondern mehrfache Jahrgänge gibt, wie die Ministerin richtig gesagt hat, aber in anderen Ländern waren es doppelte Jahrgänge, die auf uns zurückgefallen sind – und gleichzeitig die Abschaffung der Wehrpflicht natürlich Einmaleffekte sind. Es sind Einmaleffekte bei einem demografischen Wandel, der sich auch nicht wegreden lässt; denn die Personen, die später an die Hochschulen gehen, sind heute schon geboren oder eben noch nicht. Wir haben diese Einmaleffekte und müssen darauf reagieren.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Damit will ich zuletzt zu Ihrem Punkt kommen, Frau Sorge. Sie sagen so schön: „Geld folgt Student“, richtig. Im Übrigen: Wer hats eingeführt? – Auch die Schweizer, ja. Aber hier in Hessen haben es Ruth Wagner und eine schwarz-gelbe Regierung eingeführt, auch das muss man an dieser Stelle sagen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Es ist richtig, dass Sie sagen, die Ausgaben pro Student seien wichtig. Das ist richtig, das ist eine ganz wichtige Seite der Medaille. Da sind wir im Mittelfeld, zwar über dem Schnitt, aber nur leicht. Dass im Übrigen die Stadtstaaten bei den Einwohnern so weit oben sind, erklärt sich durch deren geringe Einwohnerzahl. Dafür bekommen sie aber auch 30 % mehr aus dem Länderfinanzausgleich.

Die andere Seite der Medaille, die wir uns auch ansehen müssen, sind die Ausgaben pro Einwohner. Danach werden wir immer im Länderfinanzausgleich gemessen, das sind die Zahlen, die der Finanzminister an der Stelle zugrunde legen muss. Deshalb ist es einfach unredlich, wenn man diese Zahlen hier weglässt. Und warum sind wir bei den Ausgaben pro Einwohner ganz oben und bei denen pro Student im guten Mittelfeld, aber noch nicht ganz oben? – Weil wir so attraktiv sind und so viele Studenten zu uns kommen.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen halte ich es auch für fair und für richtig, dass man hier sagt: Da, wo die Studenten hinkommen und den Wettbewerb positiv aufnehmen – Sie waren ja vorhin gegen Wettbewerb, interessanterweise gemeinsam mit der Linkspartei –, muss auch das entsprechende Geld folgen. Wir sind für Wettbewerb.

Im Übrigen freue ich mich auch – deswegen freue ich mich auch über die Kurzintervention von Herrn Grumbach –, wenn das Land Rheinland-Pfalz dort offensichtlich mitgehen will, aber gerne. Ich hoffe aber nicht, dass es damals nur ein PR-Gag war, in einer Zeit, während der es hier Studiengebühren gegeben hat. Wenn Sie sich nämlich die heutigen Zahlen anschauen, dann stellen Sie fest, Rheinland-Pfalz ist bei den Zahlen pro Einwohner unter den letzten fünf Ländern, und wir sind unter den zwei ersten. Dann ist völlig klar, wie die Finanzströme an dieser Stelle wären. Ich hoffe, dass man es hier inhaltlich ehrlich meint. Dann können wir hierbei gerne zusammenkommen, das würde unseren Studenten und natürlich auch unserem Land helfen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Danke, Herr Dr. Büger. – Ich darf Frau Staatsministerin Kühne-Hörmann das Wort erteilen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf einen Punkt will ich noch hinweisen: Man kann ja das Dialogorientierte Serviceverfahren kritisieren und auch, dass es noch nicht da ist. Aber ich habe noch nie gehört – und das haben Herr Grumbach und Frau Sorge heute wieder bewiesen –, dass man sich die ZVS zurückwünscht. Ich finde, das ist schon ein einmaliger Vorgang.

(Zuruf der Abg. Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wenn man sich die ZVS zurückwünscht, dann müsste man eigentlich wissen, Frau Kollegin Sorge, dass in dem ZVSVerfahren weniger Studienplätze besetzt werden konnten, als das derzeit auch ohne Dialogorientiertes Service

verfahren der Fall ist. In diesem Sinne ist die Politik von Grün und Rot in diesem Haus rückwärtsgewandt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Ich gehe davon aus, dass der Antrag der Fraktion der SPD betreffend neuer Höchststand von Studierenden – Hochschulen unterstützen, der Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend den Studierendenansturm an den hessischen Hochschulen und der Dringliche Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend landespolitische Verantwortung wahrnehmen, Hochschulen für Studentenansturm rüsten, also alle, dem Ausschuss für Wissenschaft und Kunst überwiesen werden. – So beschlossen.

Ich rufe vereinbarungsgemäß Tagesordnungspunkt 33

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend nach „rechtswidrigen“ Vergaben jetzt „schwarzer Filz und Vetternwirtschaft“ in der Landesregierung? – Drucks. 18/4426 –

gemeinsam mit Tagesordnungspunkt 59 auf:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend energisch eingeleitetes Umsteuern zeigt Erfolg – Steigerung der fachlichen und rechtlichen Effizienz durch die Optimierung der Abläufe und Strukturen bei IT-Beschaffungsprozessen – Drucks. 18/4467 –