Protocol of the Session on April 1, 2009

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werfen Ihnen vor, dass Sie noch immer nicht im Jetzt angekommen sind. Sie hängen in der Energie- und Klimapolitik alten Rezepten nach. Das sind Rezepte, die klimaund energiepolitisch nicht zu verdauen sind. Unter „im Jetzt angekommen“ verstehen wir auch etwas anderes.Da darf es nicht heißen, weitere Konzepte in Auftrag zu geben. Dabei muss ich zugestehen: Sie haben noch gar keine eigenen Konzepte dazu.

Im Jetzt angekommen zu sein heißt zu handeln; denn Konzepte gibt es im Grunde genug. Es gilt jetzt zu handeln, um der Klimakatastrophe entgegenzuwirken und um eine sichere Energieversorgung auch in Hessen – das wollen wir auch – zu haben.

Meine Damen und Herren, das bedeutet, man muss die Bereiche politisch stärken, die dies garantieren können. Das sind nun einmal die erneuerbaren Energien, das ist die Energieeffizienz, und das ist die Energieeinsparung. Dazu gehört auch der Verkehr. Hier werfe ich Ihnen vor, dass Sie mit Ihrem Antrag den Verkehr außen vor gelassen haben, obwohl gerade der Verkehr ein Drittel aller Kohlendioxidemissionen verursacht. Ich sage Ihnen, Sie gehen halbherzig an dieses Thema heran.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man ein Konzept erstellt, dann müssen alle Facetten mit hinein. Das ist der Anspruch, den wir an eine Landesregierung haben. Ihr Beharren auf Atomenergie und auf dem Neubau von Giga-Kohlekraftwerksblöcken wie Staudinger ist falsch; denn sie passen nicht in die neue Politik der erneuerbaren Energien. Atomkraftwerke und auch Giga-Kohlekraftwerke haben keinen Dimmer. Sie können nicht schnell zurückreguliert werden, wenn z. B. das Windangebot zunimmt.

Frau Kollegin Hammann, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Herr Kollege Wiegel möchte Ihnen eine Frage stellen.

Vielleicht am Ende, Herr Kollege. Denn ich glaube, dass ich sonst mit der Zeit nicht hinkomme.

„Vielleicht am Ende“ ist gut. Wir sind am Ende. Das war das Angebot, dass noch etwas laufen könnte. Der Kollege Wiegel hat sich bereit erklärt, mitzumachen.

(Allgemeine Heiterkeit und Beifall)

Dann machen wir erst einmal die Zwischenfrage, dann sehen wir weiter.

Herr Kollege Wiegel, bitte am Ende. Ich fasse mich jetzt ganz kurz.

(Heiterkeit)

Herr Präsident, ich möchte noch einen Satz zu Bundesumweltminister Gabriel sagen: Eine größere Verzagtheit als die, die er an den Tag gelegt hat, indem er auf Kohlekraftwerksblöcke in Mainz und in Mannheim gesetzt hat, ist uns noch nicht untergekommen.Ich sage Ihnen,wir teilen diese Haltung von Herrn Gabriel ausdrücklich nicht. Es gibt aktuelle Studien aus seinem Ministerium, die belegen, dass die Klimaziele nur ohne den weiteren Neubau von Kohlekraftwerken zu erreichen sind.

Herr Präsident,bitte noch ein Zitat.In der Leitstudie 2008 des BMU heißt es wörtlich:

gemeint ist der Zubau von neuer Kraftwerksleistung in den nächsten Jahren –

sollten 9 GW in Kohlekraftwerken nicht überschritten werden, die übrigen 20 GW sind mit Erdgas zu betreiben, wenn die im Leitszenario 2008 ermittelte CO2-Reduktion von 36 % nicht gefährdet werden soll.

Meine Damen und Herren,diese 9 GW sind längst in Bau, und deshalb brauchen wir keine neuen Kohlekraftwerke.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin, das war ein langes Zitat. Ich habe es nicht verstanden,aber es ist sehr lang.– Jetzt lassen wir den Kollegen Wiegel noch sprechen, dann kommen wir bitte zum Abschluss.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Herr Präsident, ich würde gerne mit Herrn Wiegel – –)

Nein, Sie dürfen jetzt nicht. Gestehen Sie Herrn Kollegen Wiegel die Schlussfrage zu?

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Bitte!)

Frau Kollegin, eine Frage. Gilt dasselbe, was Sie für Staudinger sagen, auch für Hamburg-Moorburg? Oder gilt das dort nicht?

(Zuruf von der SPD:Sind Sie auch für Hamburg zu- ständig?)

Herr Kollege, das ist unteilbar. Das gilt für alle.Wir brauchen diese Kohlekraftwerksblöcke nicht, und ich sage Ihnen, gerade die Energie- und Klimaschutzpolitik der CDU ist und bleibt ein Aprilscherz.Wenn die Sache nicht so ernst wäre, könnte man darüber lachen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hammann. Wir waren sehr nachsichtig. – Ich erteile nun dem Kollegen René Rock von der FDP-Fraktion das Wort.

(Norbert Schmitt (SPD):Jetzt müssen wir bei seiner Redezeit kürzen, was Frau Hammann zu lange geredet hat!)

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema Energiepolitik trifft nicht nur den Nerv der Gesellschaft, sondern auch, wie immer hier, den Nerv des Hauses. Das sieht man an den zahlreichen Anträgen, die heute vorliegen.

Nach meiner Ansicht gibt es kaum ein Thema, das weniger geeignet ist als die Energiepolitik, ideologisch motivierte Debatten und Entscheidungen herbeizuführen.

(Lachen bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Wenn Sie, Frau Kollegin Hammann, Äußerungen aus der Anhörung zu Staudinger hier ins Feld führen, kann ich nur sagen: Zufällig war ich bei der Debatte über das Thema Fernwärme anwesend, und ich habe das anders wahrgenommen.Wir werden im Protokoll nachlesen können, wie die Äußerung genau lautete. Ich habe in der Debatte allerdings auch wahrgenommen, dass die Studie über BHKWs, die von der Bürgerinitiative vorgelegt wurde, von den Fachleuten sehr kritisch gesehen worden ist, weil man nämlich in der Studie zu BHKWs die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung außen vor gelassen hat und nur deshalb auf so hohe Potenziale gekommen ist.

Mit Sicherheit ist die Frage der Fernwärmeauskoppelung kritisch zu betrachten. Staudinger ist ein stromgeführtes Kraftwerk. Natürlich werden die Wirkungsgrade wärmegeführter Kraftwerke von einem stromgeführten Kraftwerk nicht erreicht. Da haben Sie absolut recht.Aber das ist bei dem geplanten Kraftwerksblock nicht das Ziel,sondern es geht um eine Optimierung des Wirkungsgrades durch die Auskoppelung von mehr Wärme.

Wer sich – das als Einschub zu diesem Thema – mit der Wirtschafts- und Gesellschaftsgeschichte auseinandergesetzt hat, erkennt schnell, dass die Verfügbarkeit von Energie entscheidend für die Wohlfahrt und den Wohlstand einer Gesellschaft ist. Was bedeutet Verfügbarkeit von Energie? Verfügbarkeit bedeutet, jederzeit Zugang zu Energie zu haben. Dies heißt natürlich auch, jederzeit Zugang zu bezahlbarer Energie zu haben. Deshalb sollten Sie einmal genau überlegen, welche Folgen das für Ihre Politik hat. Natürlich muss der Nachhaltigkeit Rechnung getragen werden. Das ist auch in dem Koalitionsvertrag zwischen der CDU und der FDP deutlich nachlesbar hinterlegt. Der Einstieg in regenerative Energien muss verstärkt betrieben werden. Dazu hat auch die zuständige Ministerin schon Ausführungen in der Öffentlichkeit gemacht. Damit ist wohl jedem klar, dass es sich hier nicht nur um eine technische, sondern auch um eine wichtige gesellschafts- und sozialpolitische Frage handelt.

(Beifall bei der FDP)

An der Energiepolitik entscheidet sich auch eine Zukunftsfrage der Gesellschaft. Zumindest darin sind wir

uns sicher einig. Bei einem für jede Gesellschaft lebenswichtigen Thema ist nach meiner Ansicht kein Platz für Experimente, sondern da gilt immer Sicherheit vor Risiko.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Bitte behalten Sie diese Aussage im Hinterkopf. Ich komme später noch einmal darauf zurück.

Der Antrag der Koalitionsfraktionen macht einen verlässlichen Kurs in der Energiepolitik deutlich. Er macht deutlich, dass wir in diesen verlässlichen Kurs mit einem Energiemix gehen wollen, bei dem die generativen Energien eine immer wichtigere Rolle spielen werden. Damit wir eine preiswerte und umweltverträgliche Versorgungssicherheit garantieren können, sind wir auf alle Energieträger angewiesen, in einer Übergangszeit also auch auf die Kernenergie. Bei der Kernenergie muss und wird immer die Sicherheit das Maß aller Dinge sein – um das hier noch einmal geradezurücken.

(Beifall bei der FDP)

Natürlich werden wir den weiteren Ausbau der regenerativen Energien vorantreiben, damit ihr Anteil kontinuierlich steigt. Ob es uns allerdings bis zum Jahr 2020 gelingt, 20 % des Energieverbrauchs aus regenerativen Energien zu decken, da bin ich mir nicht wirklich sicher.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für diese Skepsis gibt es aus meiner Sicht Gründe. Die Einsparungs- und Effizienzpotenziale sind womöglich nicht in dem Maße zu heben, wie wir das erwarten, und wir können das künftige Konsumverhalten nicht vorhersehen. Auch die technische Entwicklung ist fraglich, also z. B. die Frage, ob ein marktfähiges Elektroauto irgendwann tatsächlich Realität wird. All das sind Entwicklungen,die können wir nicht vorhersehen.Auch die Frage der Akzeptanz regenerativer Energien spielt hier eine wichtige Rolle. Ich stelle z. B. immer wieder fest, auf wie viel Widerstand die Windkraft vor Ort trifft. Das können Sie nicht bestreiten.

(Zurufe von der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Momentan gilt für die Genehmigung von Windkraftanlagen § 35 Baugesetzbuch.Sie können theoretisch überall in Hessen Windkraftanlagen errichten. Ich vermisse aber 6.000 Anträge auf Bau von Windkraftanlagen. Ich sehe sie nicht, ich kann nicht feststellen, dass es sie gibt. Mir wird davon nicht berichtet.

(Beifall bei der FDP)

Natürlich ist uns allen klar, dass ohne eine ausreichende Einbindung der Windkraft das angestrebte Ziel, zumindest zurzeit, nicht erreicht werden kann.

(Beifall des Abg.Torsten Warnecke (SPD))