Protocol of the Session on April 1, 2009

Wir haben keine Stromlücke, wie von Ihnen formuliert; wir haben ganz einfach eine Handlungslücke, und die füllen Sie nicht aus. Meine Damen und Herren, Ihre Energiepolitik ist von gestern, und sie gehört, um es ganz deutlich zu sagen, in ein sicheres Endlager. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Kollegin Hammann, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Stephan, ich schätze Sie persönlich als Mensch, aber die Inhalte Ihrer Rede und die Zielrichtung des Antrags schätze ich natürlich nicht.

Was haben wir denn? Wir haben seit zehn Jahren eine CDU-Regierung im Land Hessen. Seit zehn Jahren tut sich nichts in der Energiepolitik, es tut sich nichts in der Klimaschutzpolitik.

(Axel Wintermeyer (CDU): Das stimmt doch gar nicht!)

Die Bilanz ist doch absolut miserabel.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, schauen Sie doch einmal in andere Bundesländer. Vergleichen Sie, was die alles tun. Da muss man doch sagen, in Hessen wird nichts getan, Sie liegen in dieser Statistik ganz am Ende. Das zeigt doch, dass Sie sehr viel reden, aber in Hessen nicht handeln.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Axel Winter- meyer (CDU): Hessen liegt nicht an der Nordsee!)

Nun haben wir wieder einen Antrag vorliegen, der die übliche Masche beinhaltet:Wir begrüßen einmal das,was die Landesregierung künftig vorhat.– Mich hat überrascht,zu sehen: Man will ein Energiekonzept für das Jahr 2020, 20 %.

(Norbert Schmitt (SPD): Stark!)

Ich glaube mich erinnern zu können, dass vor einigen Jahren schon einmal die Devise ausgegeben worden ist: „Wir wollen 2015 15 % erreichen.“ Man merkt, man hat es nicht geschafft, und man ist immer noch weit entfernt. Dann verschiebt man halt ein bisschen den Zeitraum. – Meine Damen und Herren, das kann nicht funktionieren. Wir müssen handeln. Sie sind aufgefordert zum Handeln, und Sie sind nicht aufgefordert,Luftblasen mit politischen Inhalten in den Raum zu setzen, die Sie dann nicht konsequent angehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage daher ganz deutlich:Die Ankündigung an diesem Tag ist wohl dem 1. April geschuldet. Aber wir lassen uns von Ihnen eben nicht in den 1.April schicken. Diese Themen sind viel zu wichtig, um Spielchen zu treiben.

(Clemens Reif (CDU): Das würde niemand machen, der Humor hat!)

Meine Damen und Herren, trotz der dreitägigen Anhörung zur Energiepolitik im letzten Jahr sind Sie doch immer noch der Überzeugung,dass man die Atomenergie im Lande Hessen braucht. Die risikoreichen Atomkraft

werksblöcke Biblis A und B sollen weiter am Netz bleiben. Sie setzen auf den Neubau von E.ON in Großkrotzenburg, das ist Block 6 mit 1.100 MW, also ein Giga-Kohlekraftwerksblock, der enorm zur CO2-Belastung beitragen wird.

(Axel Wintermeyer (CDU):Der produziert viel weniger pro Kilowattstunde als die alten!)

Das macht für uns ganz deutlich: Sie sind den Herausforderungen dieser Zeit in keiner Weise gewachsen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun haben Sie eine neue Umweltministerin, Frau Lautenschläger.Aber wer glaubt, neue Besen kehren gut, der sieht sich durch die Ankündigungen der neuen Umweltministerin Frau Lautenschläger massiv enttäuscht.

(Axel Wintermeyer (CDU): Sie wollen die Ministerin doch nicht mit einem Besen vergleichen!)

Vor Kurzem konnten Sie lesen, Frau Lautenschläger setzt auch auf den Weiterbetrieb dieses alten, hoch riskanten Atomkraftwerks in Biblis. Sie will die dadurch entstehenden Gewinne in einen Fonds geben.

(Axel Wintermeyer (CDU): Sehr gut!)

Sie unterstützt den Weiterbetrieb dieser beiden Blöcke, und sie glaubt wirklich, dass die Energiewirtschaft auf ihren Vorschlag eingehen wird. Sehen wir uns doch einmal an,was die Energiewirtschaft bisher getan hat:Steuerfreie Rückstellungen – man hat die Preise erhöht. Hat man irgendwann in den letzten Jahren erkennen können, dass die Energiewirtschaft bereit war, das auch bei den Verbrauchern ankommen zu lassen, z. B. über die Senkung der Preise? Meine Damen und Herren, wir nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gerade der Fall Asse zeigt deutlich, wie die Energiewirtschaft in diesem Bereich denkt. Da werden atomare Abfälle erzeugt, aber die Allgemeinheit soll die Kosten für die Sicherung von Asse tragen, obwohl man ganz genau weiß,dass 74 % der atomaren Abfälle direkt oder indirekt mit dem Betrieb von Atomkraftwerken zusammenhängen. Aber die Unternehmen wollen nicht finanzieren, sie wollen die Gelder nicht in diese Bereiche lenken.

Frau Lautenschläger, ich sage ganz deutlich, damit reden Sie der Atomlobby das Wort.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Sie machen das Geschäft der großen Atomkonzerne. Wenn die Atomwirtschaft wirklich das Wohl der Bevölkerung im Auge gehabt hätte, jedenfalls von der finanziellen Seite her, dann hätte sie vor Jahren schon viel dazu beitragen können. Das hat sie aber niemals getan, und das wird sie auch künftig nicht tun. Denn die wollen ihre alten Schrottmühlen weiterlaufen lassen. Der Antrag von RWE zeigt das doch ganz deutlich. Man versucht, entgegen einer Vereinbarung, die von den großen Stromversorgungsunternehmen unterschrieben wurde, und gegen den Atomausstiegsvertrag eine Übertragung von Reststrommengen auf den abgeschriebenen alten Reaktorblock Biblis A vorzunehmen.

Meine Damen und Herren, nennt man das redlich? Ich sage Ihnen: Das ist unredlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin froh darüber, dass nach dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof nun auch das Bundesverwaltungsgericht RWE ganz klar die rote Karte gezeigt hat. Es hat gesagt, eine Strommengenübertragung auf diesen Reaktorblock ist laut Gesetz nicht machbar. – RWE hat es trotzdem versucht. RWE hat versucht, diese Strommengen zu übertragen, um dieses riskante Kraftwerk weiter am Netz zu halten.

(Heinrich Heidel (FDP): Warum schaltet Herr Gabriel das nicht ab, wenn es so riskant ist?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind gegen die Atomkraft. Das ist nichts Neues. Wir wissen aufgrund der vielen Vorfälle, die weltweit zu verzeichnen sind – ich erinnere an Harrisburg, das ist jetzt immerhin der 30. Jahrestag; ich erinnere an Tschernobyl 1986 –, dass wir gigantische Probleme haben. Diese Ministerin will offensichtlich nicht erkennen, dass der Mensch immer ein Risikofaktor in dieser Hochrisikotechnologie bleiben wird. Er ist ein Faktor, den man niemals ausschließen kann, und daher ist in jedem Kraftwerk immer die Gefahr eines Super-GAUs vorhanden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kommen wir zu dem, was Sie ebenfalls favorisieren. Darauf möchte ich näher eingehen: den Zubau von Kohlekraftwerksblöcken und hier explizit das Kraftwerk, das von E.ON am Standort Großkrotzenburg mit 1.100 MW geplant wird, also ein Giga-Kohlekraftwerk in dieser Region mit unglaublich hohen CO2-Emissionen und weiteren Emissionen, die zur Feinstaubbelastung der angrenzenden Kommunen beitragen werden.

(Axel Wintermeyer (CDU): Aber pro Kilowattstunde viel weniger als die alten Kraftwerke! – Gegenruf des Abg.Willi van Ooyen (DIE LINKE): Dennoch insgesamt mehr!)

Meine Damen und Herren, ich schaue mir Ihren Antrag an. Darin steht, Sie fordern „eine umfassende KraftWärme-Kopplung bei allen Neubauvorhaben... als wesentliche Genehmigungsvoraussetzung“. Damit meinen Sie natürlich auch Staudinger. Ich betone: „eine umfassende Kraft-Wärme-Kopplung“.

Meine Damen und Herren, Sie müssten eigentlich wissen, dass das nur erfolgen kann, wenn das ein wärmegeführtes Kraftwerk ist. Das ist aber nicht die Planung, die von E.ON für den Standort betrieben wird. Das ist die Sachlage, die Sie zu verdrängen versuchen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Axel Wintermeyer (CDU): Das stimmt doch gar nicht!)

Damit versuchen Sie, der Öffentlichkeit etwas zu suggerieren, was in der Realität niemals umzusetzen sein wird.

Sie wissen, momentan findet die Anhörung zum Raumordnungsverfahren statt. Dort hat E.ON zugegeben, dass der von ihr immer wieder kommunizierte Wirkungsgrad von 57 %, den sie erreichen will, nicht erreichbar sein wird. Realistischerweise wird man bei 45 % liegen. Und warum? Es wurde das erste Mal von E.ON zugegeben, dass die Fernwärmeschiene im Rhein-Main-Gebiet schon gesättigt sei.

Meine Damen und Herren,so viel zur Klarheit und zur Information von E.ON. Es wird etwas suggeriert, was in der Realität niemals eintreten wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Axel Wintermeyer (CDU): Das können Sie für die Zukunft nicht behaupten!)

Ich möchte Ihnen das an einem sehr verständlichen Beispiel deutlich machen.Sie kaufen einen Laib Brot,und bevor Sie ihn essen,schneiden Sie ihn in der Mitte durch und werfen eine Hälfte in den Müll. Das ist Ihr Verständnis von Effizienz, wenn Sie dieses Kraftwerk unterstützen.

(Axel Wintermeyer (CDU): Nein, wir tun das Brot in die Kühltruhe, um es wieder aufzutauen!)

Aber das ist nicht das unsrige.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)