Protocol of the Session on April 1, 2009

Lieber Kollege Stephan, Ihre Schlagworte „sauber, sicher und preisgünstig“ haben Sie in weiser Voraussicht der heutigen Debatte in „umweltverträglich und preiswert“ umgetauft. Atomenergie ist nicht sauber und auch nicht umweltverträglich. Es ist absurd, sie so zu bezeichnen. Atommüll ist das Schmutzigste,

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Was es gibt!)

was es gibt, und eine strahlende Hinterlassenschaft. Ich nenne die Stichworte Morsleben, Asse und Zwischenlager: Dort wird Atommüll für zig Generationen angehäuft.

(Beifall bei der SPD,bei Abgeordneten des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Clemens Reif (CDU):Wer hat mit dem Schmutz angefangen? – Axel Wintermeyer (CDU): SPD-Ministerpräsident!)

Meine Damen und Herren, schmutziger geht es nicht. Also hören Sie auf, in der Atomenergie von „sauber und umweltverträglich“ zu reden.

Preisgünstig: Die Kosten werden dem Steuerzahler auferlegt. Die Sanierung von Morsleben kostet 2,2 Milliarden c. Die Sanierung von Asse wird einige Milliarden c kosten. Mindestens 45 Milliarden c – manche reden von 100 Milliarden c; dazu will ich mich gar nicht versteigen – an Subventionen kommen dazu.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Herr Kollege, Sie sind immer gegen Subventionen. Sie sind sehr stark subventioniert worden.Das bedeutet unter dem Strich: Atomstrom ist, alles mitgerechnet, teurer als alle erneuerbaren Energien nach dem EEG. Auch das muss deutlich gesagt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, es ist eben nicht preisgünstig, und es ist schon lange nicht preiswert.

(Zuruf des Abg.Axel Wintermeyer (CDU))

Noch ein Märchen sollten Sie nicht weitererzählen:Atomstrom halte die Preise niedrig. – Seit dem Jahr 2000 sind die Strompreise um sage und schreibe 53 % gestiegen.

(Zuruf des Abg.Axel Wintermeyer (CDU))

Ich wusste, dass das Stichwort kommt, danke. – Das EEG macht nur etwa 10 % davon aus.Auf Dauer ist kein Atomkraftwerk abgeschaltet worden. Die Atomanlagen sind längst abgeschrieben,und auch die Kosten haben sich nicht wesentlich verändert.

Meine Damen und Herren, ich frage Sie: Warum ist der Strom nicht billiger geblieben? – Ganz einfach:Auch hier geht es nach Angebot und Nachfrage. Gerade das sollten Sie auf der rechten Seite besser wissen. Es ist auch klar, dass die vier Großen, die über 80 % des Stroms erzeugen, ihre Marktmacht gnadenlos ausgenutzt haben, um über Jahre satte Gewinne einzufahren.Das ist die Wahrheit.Sie werden dies weiterhin tun – mit Ihrer Schützenhilfe.Wichtiger als der Fonds, den Sie vorschlagen, wären eine kartellrechtliche Prüfung des Marktgebarens dieser vier Erzeuger und,daraus resultierend,eine Regulierung der Gewinne, ähnlich der Netzregulierung bei der Bundesnetzagentur. Dann hätten wir wirklich die Möglichkeit, zu schauen, wer wie viel am Strom verdient.

Wichtig ist aus unserer Sicht auch eine Brennelementesteuer, damit die billige Entsorgung in den Atomlagern nicht von der Allgemeinheit und dem Steuerzahler bezahlt wird, sondern von der Stromwirtschaft, die den Atommüll dorthin geliefert hat.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)

Meine Damen und Herren, das Thema Sicherheit will ich heute aus Zeitgründen nicht ansprechen. Auch hier gäbe es zu Biblis einige Fragen zu stellen, insbesondere zu dem Lager Asse, das sicherheitstechnisch hoch problematisch und mit Sicherheit zu sanieren ist.

(Heinrich Heidel (FDP): Was sagt denn Herr Gabriel dazu?)

Kommt. Kollege Heidel, ich habe das nicht vergessen.

(Leif Blum (FDP): Der war doch schon da!)

Sie versuchen uns heute mit den Aussagen unseres Bundesumweltministers vorzuführen. Herr Kollege Stephan, das ist Ihnen an dem Punkt auch nicht ansatzweise gelungen. Der Kollege Sigmar Gabriel und wir sind in der Energiediskussion nicht wirklich auseinander.

(Axel Wintermeyer (CDU):Aha!)

Es gibt einen Unterschied in der Einschätzung, den ich auch darlegen will. Gabriel sagt:Wir regeln den CO2-Ausstoß über den Emissionshandel, und wer unter diesen Bedingungen ein Kohlekraftwerk bauen will, der soll es tun. – Wir sagen: Der Emissionshandel kann nicht alles regeln.

(Axel Wintermeyer (CDU): Das ist Haarspalterei!)

Der Druck auf den Emissionshandel wird enorm zunehmen, wenn drei Braunkohlekraftwerke, 20 Steinkohlekraftwerke und sieben Gaskraftwerke in dem Maß, wie sie geplant sind,dazugebaut werden.In der nächsten Handelsperiode müsste eine riesige Menge Zertifikate vom Markt genommen werden, und das Klimaziel der Bundesregierung von CDU und SPD, 40 % weniger CO2 im Jahr 2020, wäre überhaupt nicht mehr zu erreichen. Auch dies sollten Sie zur Kenntnis nehmen. Herr Kollege Heidel, da wäre die FDP die Erste, die fordern würde, es müsse Ausnahmen geben,damit unsere Industrie nicht belastet wird, und sie würde diese Ausnahmen beim Zertifikatehandel auch bekommen. Deshalb unsere Meinung: Der Handel kann nicht alles regeln.

Meine Damen und Herren, auch das sei klargelegt: Die SPD hat klare Beschlüsse zur Kohle.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was? – Martin Häusling (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dafür oder dagegen?)

Es ist erstaunlich, dass ich im Vorfeld weiß, wer wann antwortet. Jetzt war klar, dass die GRÜNEN antworten.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Wie ist denn die Meinung zurzeit? – Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die ist wie immer eindeutig, Herr Kollege Häusling. Machen Sie sich keine Gedanken. Ihr Einwurf gibt wenigstens etwas Applaus von der Seite. Das ist auch etwas wert.

Meine Damen und Herren, die SPD hat auf ihrem Bundesparteitag 2007 klar beschlossen: Kohle ist nur mit KWK möglich, und dies auch nur, wenn die Wärme gesichert abgenommen wird. Für uns in Hessen ist zusätzlich die Abschaltung alter Anlagen in der Größe des Neubaus notwendig.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was heißt denn das jetzt für Staudinger?)

Kleinere Einheiten als Staudinger – –

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Kleiner? – Weitere Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Meine Damen und Herren, seien Sie so lieb: Der Redner hat das Wort, wenn er sprechen will.

(Leif Blum (FDP): Er sagt doch nichts!)

Sie können nachher reden.

(Clemens Reif (CDU): So ist das, wenn man sich alles aufschreiben lässt!)

Herr Kollege Görig, der Kollege Wagner möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen.Wollen Sie das?

(Manfred Görig (SPD): Nein!)

Dann lassen wir es.

Meine Damen und Herren, das sind wichtige klimapolitische Forderungen, ohne deren Erfüllung wir bei der Kohle nicht dabei sind.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann ist die Beschlusslage doch nicht so eindeutig!)

Dazu gehört auch die deutliche Schadstoffreduzierung. Für uns gilt, so viel wie möglich und so schnell wie möglich erneuerbare Energien auszubauen. Ganz am Ende muss stehen: Unser Energiesystem ist höchst effizient und basiert zu 100 % auf erneuerbaren Energien. Die Frage des Zeitraums, die Sie sicher ansprechen werden, wann die 100 % erreicht sein müssen, diktiert uns im Übrigen nicht Hermann Scheer, sondern die Wissenschaft und die eindeutigen Erkenntnisse zum Klimawandel.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gut, dass das ein Unterschied ist! – Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Damit dieses Ziel erreicht werden kann, sind Motivation, Innovation und Abkehr vom Atomstrom notwendig. Genau diese Punkte sind bei CDU und FDP nicht zu erkennen. Ihr Motto lautet immer noch: so viel Atomkraft wie möglich, so wenig erneuerbare Energien wie möglich und Verhinderung an jeder Stelle, wo es möglich ist.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Herr Kollege Görig, Sie müssen zum Schluss kommen.

Wir haben keine Stromlücke, wie von Ihnen formuliert; wir haben ganz einfach eine Handlungslücke, und die füllen Sie nicht aus. Meine Damen und Herren, Ihre Energiepolitik ist von gestern, und sie gehört, um es ganz deutlich zu sagen, in ein sicheres Endlager. – Danke schön.