Protocol of the Session on April 1, 2009

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU)

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss Ihrer Rede kommen.

Ich komme zum Schluss meiner Rede. – Insofern kann ich valide Daten von anderen unterscheiden. Ich will uns alle aufrufen, hier mit validen Daten und nicht mit starken Vermutungen zu arbeiten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Frau Fuhrmann, danke schön. – Für die Fraktion DIE LINKE erhält nun Frau Schott das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das mit den validen Daten scheint eines der Probleme zu sein.

(Petra Fuhrmann (SPD): Ja, natürlich!)

Zur Einführung von Hartz IV gab die Hartz-Kommission die Empfehlung zur Einrichtung einer Anlaufstelle für alle Erwerbslosen. Mit den Hartz-Reformen sollte die vor 2005 bestehende Unübersichtlichkeit bei den Arbeitslosengeldempfängerinnen und -empfängern, bei der Arbeitslosenhilfe und bei den Arbeitsfähigen, die sich in der Sozialhilfe befanden, überwunden werden. Dieses Ziel wurde nicht erreicht. Statt, wie noch im Regierungsentwurf zu Hartz IV vorgesehen, die Verantwortung für das, was im Sozialgesetzbuch II steht, bei der Bundesagentur für Arbeit anzusiedeln, wurde im Vermittlungsausschuss mit einem Mitternachtsbierdeckelkompromiss eine höchst problematische Regelung gefunden.

Die Landschaft der zuständigen Träger der Arbeitsmarktpolitik ist nunmehr hochgradig fragmentiert.Es existieren Doppelstrukturen sowie Konkurrenzen zwischen den Trägern.Die Erwerbslosen werden in zwei Klassen eingeteilt.

Wenn das Ziel der Reform tatsächlich darin bestanden haben sollte, Hilfe aus einer Hand zu schaffen, dann kann ich dazu nur sagen: Ziel verfehlt. – Anstatt jetzt aber das einzulösen, was vom Bundesverfassungsgericht gefordert wird,soll der Missstand in Verfassungsrecht gegossen werden.

DIE LINKE erwartet eine bundesweit einheitliche aktive Arbeitsmarktpolitik. Das ist mit diesem fragmentierten Institutionensystem ebenso wenig vorstellbar wie bundesweit einheitliche Standards in der Rechtsanwendung. Sinnvolle arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, wie z. B. längerfristige Qualifizierungsmaßnahmen, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen oder die kostenintensive Förde

rung definierter Zielgruppen, werden während des Bezugs des Arbeitslosengeldes I häufig nicht realisiert, weil die betreffenden Personen nach kurzer Zeit in ein anderes System wechseln.

Umgekehrt gilt, dass Bezieher des Arbeitslosengeldes II keine ausreichenden Chancen und Rechtsansprüche auf Fördermaßnahmen nach dem Sozialgesetzbuch III haben. Auf diese Weise verhindern wir das Entstehen von Synergieeffekten. Im schlimmeren Fall entstehen Doppelstrukturen.

Einer Reform, die diese Zersplitterung nicht einmal als Problem erkennt, kann nach Ansicht der LINKEN nicht zugestimmt werden. Es wird behauptet, die Grundsicherung für Arbeitsuchende in den Arbeitsgemeinschaften habe sich bewährt.Das ist an keiner Stelle eindeutig nachgewiesen. Die Erfolge der Argen, der Optionskommunen und der Bundesanstalt müssen, um angemessen bewertet werden zu können, immer in den Umgebungszusammenhang gesetzt werden. Das heißt, die dort herrschenden wirtschaftlichen Strukturen haben maßgeblichen Einfluss auf das Ergebnis der jeweils Vermittelten. Das muss man realistisch berücksichtigen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir wollen die Situation der Beschäftigten der Arbeitsvermittlung verbessern.Aber auch das wird mit der neuen Lösung nicht garantiert. Nicht ohne Grund lehnen DGB und ver.di den Gesetzentwurf ab. ver.di schreibt zu dem Gesetzentwurf:

Es muss sichergestellt werden, dass Erwerbslose in vergleichbarer Lebenslage gleich behandelt werden und gleiche Förderchancen erhalten, egal von welchem Organisations- oder Finanzierungssystem sie betreut werden.

Sozial- und Rechtsstaatlichkeit müssen gestärkt und transparent gestaltet werden. Dies gilt für das Versicherungs- und Fürsorgesystem gleichermaßen.

Präziser kann man die Kritik am Verwirrspiel nicht formulieren. Nach wie vor bleiben wesentliche Probleme bestehen. Doppelzuarbeit, Doppelstrukturen und Hierarchien in der Arbeitsmarktpolitik müssen abgeschafft werden, damit es endlich eine Anlaufstelle für alle Arbeitslosen gibt.

Herr Rentsch, ich habe in der zweiten Klasse gelernt, dass man zuhört oder rausgeht, wenigstens leise redet. Das ist unmöglich.

(Florian Rentsch (FDP): Ich habe gerade mit Kollegen Wagner gesprochen!)

Die Vermittlung in Arbeit muss allen Arbeitslosen Chancen bieten, ohne dabei nach Regelkreisen zu fragen, die die Art der Förderung bestimmen. Natürlich sind die Kommunen und die Länderkompetenzen sinnvoll in diese Lösung einzubeziehen. Es ist nicht so, als ob man vor Ort nicht wüsste, wie die Dinge gehen.

Dem vorliegenden Antrag können wir daher nicht zustimmen. Wir erwarten von der Bundesregierung einen neuen Anlauf,um die gegebenen Probleme zu lösen.Nach den Erfahrungen der letzten Wochen müssen wir allerdings davon ausgehen, dass es hier nicht mehr um Lösungsorientierung geht, sondern darum, einmal mehr auf dem Rücken der Arbeitslosen Wahlkampf zu betreiben. Wir fordern die Bundesregierung auf, entweder ihrer Verantwortung nachzukommen oder offen zuzugeben, dass

eine Lösung in dieser Legislaturperiode nicht möglich ist. Dann können wenigstens die Scheingefechte beendet werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Schönen Dank, Frau Schott. – Zu einer Kurzintervention hat sich Herr Dr. Jürgens gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Schott, ich habe mich zu einer Kurzintervention gemeldet,um anzumerken:Was Sie gesagt haben, geht im Grunde genommen am Thema vollkommen vorbei,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

belegt aber, dass Ihnen – was ich immer befürchtet habe – der Personenkreis, dem Sie immer vorgeben besonders verbunden zu sein, nämlich die Langzeitarbeitslosen, im Grunde genommen vollkommen schnurzegal ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Es geht doch nicht um die Frage, ob die Situation im Augenblick schlecht oder verbesserungswürdig ist, sondern es geht um die Frage,ob wir tatenlos zusehen,wie sie noch schlechter wird. Das ist doch der Punkt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht nicht um die Frage, ob wir ALG I und ALG II in eine Hand zusammen bekommen können, sondern darum, ob wir die ehemalige Sozialhilfe und die ehemalige Arbeitslosenhilfe in einer Hand zusammen behalten oder ob wir den Langzeitarbeitslosen künftig den Sozialslalom zumuten, für den Regelsatz zur Arbeitsagentur zu gehen, für die Wohnungskosten zum Sozialamt, für die Eingliederungsleistung wieder zurück zur Arbeitsagentur und für die ergänzende Hilfe – z. B. Schuldnerberatung – wieder zurück zur Kommune.

Das wäre nämlich die notwendige Folge, wenn es zu keiner Grundgesetzänderung und keiner Hilfe aus einer Hand kommt. Im Grunde genommen ist es ganz einfach: Wollen Sie die Hilfe aus einer Hand – ja oder nein? Wollen Sie eine Förderung von Langzeitarbeitslosen – ja oder nein? Wollen Sie das Vermeiden von Sozialslalom für Langzeitarbeitslose – ja oder nein? Wenn Sie Ja sagen, müssen Sie auch Ja zu einer Grundgesetzänderung sagen, und zwar schnell, damit wir das noch rechtzeitig hinbekommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin Schott, Sie können antworten.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dr. Jürgens, die Unverschämtheit liegt an der Stelle auf Ihrer Seite; denn zu behaupten, dass es uns nicht um Langzeitarbeitslose geht, ist eine wirkliche Unverschämtheit.

(Beifall bei der LINKEN)

Es geht hier nicht darum, wie irgendetwas schlechter werden kann, sondern es geht darum, wie es noch besser werden könnte. Selbstverständlich wollen wir Hilfe aus einer Hand. Aber so, wie es jetzt geändert wird, wird es nicht Hilfe aus einer Hand, sondern aus drei, vier, fünf verschiedenen Händen werden.

(Marcus Bocklet, Jürgen Frömmrich und Dr. An- dreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Genau das Gegenteil ist richtig!)

Unter Umständen muss man an irgendeiner Stelle tatsächlich das Grundgesetz ändern. Das kann durchaus sein – aber nicht so. Wie die Planung im Moment aussieht, ist es wieder ein einziges Verwirrspiel. Und das kann es auf keinen Fall sein.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schott. – Das Wort hat der Kollege René Rock, Seligenstadt, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Nicht eine Fraktion hat das Thema „Verfassungsmäßigkeit der Argen – Gleichbehandlung der Option“ heute auf die Tagesordnung gesetzt, sondern die Unfähigkeit der Großen Koalition in Berlin, verantwortungsvoll im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu handeln, hat das auf die Tagesordnung gesetzt. Um gleich einmal auf einige Einwürfe der Vorredner einzugehen: FDP und CDU sind sich in diesem Punkt inhaltlich absolut einig,

(Lachen des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD))

wie in Hessen eine Lösung aussehen muss.

(Lachen des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD))

Wir haben in der letzten Plenarsitzung ausführlich über Schuld und Verantwortung für die momentane Situation diskutiert. Naturgemäß sind die Fraktionen zu unterschiedlichen Bewertungen gekommen. Einige haben das wiederholt und erneut vorgetragen, zum Teil etwas ermüdend. Zu diesem Thema will ich mich deshalb auch gar nicht auslassen,auch wenn es mir ein bisschen schwerfällt. Aber dauerhafte Wiederholungen machen die Argumente nicht besser.

Vielmehr möchte ich in dieser Frage auf die Gemeinsamkeit der meisten Fraktionen in diesem Hause abheben. Die vier Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt – allgemein die Hartz-Reform genannt – sind ein mutiges Reformwerk gewesen, welches allerdings in einigen Bereichen inhaltlich nachgebessert und weiterentwickelt werden muss. Manches von dem, was nachgebessert werden muss, war allerdings schon sehr früh bekannt bzw. lag für die FDP-Fraktion auf der Hand.

Die FDP hat diesem Gesetz nicht zugestimmt, weil klar war, dass es diese Probleme mit der Verfassung gibt, und hat immer darauf hingewiesen – nur einmal zur Erinnerung an der Stelle.

(Beifall bei der FDP)