Protocol of the Session on March 3, 2011

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Krüger, wenn man dann noch Weniges über die Geschichte der Vereinigung der New York Stock Exchange mit Euronext weiß, welche Illusionen, Versprechen und Chancen damals formuliert wurden und was daraus geworden ist – dass jetzt, Sie haben es selbst dargestellt, die Marktkapitalisierung der New York Stock Exchange einschließlich Euronext geringer ist, als es die der Deutschen Börse damals war; es gab Verhandlungen zur Deutschen Börse, damals waren die Verhältnisse umgekehrt –, dann kann man doch nur eines feststellen: Am meisten Erfahrungen damit, andere zu schlucken und anschließend kleinzukriegen, hat die Wallstreet. Das sollte man bei diesem Prozess sehr deutlich beachten.

(Clemens Reif (CDU): Man sollte mehr Selbstbewusstsein haben!)

Deswegen wird mir ein bisschen angst und bange, wenn ich mir anschaue, wie die Landesregierung im Begriff ist, sich über den Tisch ziehen zu lassen und dabei noch stolz lächelt, nur weil Reto Francioni mit dem Ministerpräsidenten telefoniert hat oder ihm sogar die Hand schüttelt.

Letzte Woche war ein Dringlicher Berichtsantrag im Haushaltsausschuss. Das, was die Regierung – in dem Fall

in Person des Staatssekretärs Saebisch – vortragen konnte, war so dürftig, dass sie sich anschließend geweigert hat, uns das schriftlich zukommen zu lassen, nach dem Motto, das sei doch nicht üblich.

Meine Damen und Herren, leider muss ich dem Kollegen Grumbach an einer Stelle ein bisschen widersprechen. Wenn der ehemalige Ministerpräsident noch Ministerpräsident wäre, hätten Sie recht. Wie wir wissen, ist er mittlerweile aber Bankmanager, Aufsichtsratschef von UBS. Zu diesem Thema, das wir gerade diskutieren, kann man eine geradezu kryptische Formulierung bei der „FTD“ lesen:

Man muss sich bei allen kritischen Bemerkungen bewusst machen, dass vor Jahren auch mal mit Paris eine Fusion auf Augenhöhe diskutiert wurde.

Was will er uns jetzt damit sagen? Die Überschrift lautet: „UBS-Aufsichtsratschef Roland Koch verteidigt Börsenfusion“. Er ist also dafür. Als Manager der Finanzbranche muss einen das nicht besonders wundern. Aber als Interessenvertreter des Landes Hessen, des Bankenplatzes und Finanzstandorts Frankfurt muss einen schon sehr wundern, was die Landesregierung dazu bisher abgesondert hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Aufgaben der Landesregierung, in diesem Fall des Wirtschafts- und Verkehrsministers als Börsenaufsicht, sind im Börsengesetz relativ klar und eindeutig geregelt. Danach gibt es große Möglichkeiten. Es geht insbesondere immer um die – ich zitiere das Wort aus dem Gesetz – „Fortentwicklung“ der Börse und die Einschätzung, ob mit den Prozessen, die stattfinden, eine Fortentwicklung der Börse positiv oder negativ beurteilt werden kann. Insofern ist alles im Rahmen von Recht und Gesetz – damit Sie sich keine Sorgen machen müssen, Herr Kollege Krüger.

Aber es kommt auf eine intelligente Beurteilung der Situation an. Die können wir leider aus Ihren Ausführungen nicht und aus dem, was bisher öffentlich von der Landesregierung, insbesondere auch vom Ministerpräsidenten verkündet wurde, noch weniger entnehmen. Da ist allergrößte Sorge am Platz, dass Sie den Strahlemann machen und sagen: „Wunderbar!“ und: „Größer ist besser“. Am Ende ist der Finanzplatz Frankfurt kaputt. Ich sage Ihnen: Wir wollen eine Fortentwicklung der Börse, aber eine Fortentwicklung zum Kasino wollen wir nicht. Die nächs te Blase platzt bestimmt. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank, Kollege Kaufmann. – Das Wort hat der Staatsminister Posch.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fusionsvorhaben der Deutschen Börse haben in den letzten elf Jahren häufig die politische Diskussion beeinflusst. Wir alle wissen, ich selbst war bei der Diskussion um die Fusion mit der London Stock Exchange dabei. Wir haben damals bewiesen, dass wir die Interessen des Finanzplatzes Frankfurt und der Deutschen Börse zu sichern gewusst haben. Diese Maxime gilt auch jetzt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Dieser Finanzplatz Frankfurt ist für uns von sehr großer Bedeutung. Die jetzige Situation – ich drücke mich sehr vorsichtig aus – basiert auf Vereinbarungen, die bereits einen gewissen Grad an Verbindlichkeit erreicht haben. Dennoch ist die Umsetzung der Fusion keineswegs sicher. Es ist schon darauf hingewiesen worden; ich will es aber wiederholen: Die Aktionäre der Deutschen Börse AG und der New York Stock Exchange müssen in hinreichender Zahl das ihnen unterbreitete Übernahmeangebot annehmen.

Zum anderen haben noch verschiedene Aufsichtsbehörden das Vorhaben zu prüfen. Es geht darum, diese unterschiedlichen Prüfungsvorhaben zu verknüpfen. Das ist auf amerikanischer Seite die dortige Börsenaufsicht, die SEC. Die EU-Kommission muss der Fusion aus kartellrechtlicher Hinsicht zustimmen. In Deutschland ist das Übernahmeangebot von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zu genehmigen und nicht zuletzt von der hessischen Börsenaufsicht.

Herr Kollege Kaufmann hat die Bestimmung schon zitiert. Es geht in der Tat um eine angemessene Fortentwicklung am Standort in Frankfurt. Herr Kollege Grumbach, wenn Sie allerdings einen Blick ins Gesetz gewagt hätten, wäre das, was Sie gesagt hätten, nicht nötig gewesen, denn dieses Gesetz gibt uns als Börsenaufsichtsbehörde ganz bestimmte Aufgaben vor. Im Rahmen dieses Rechts und Gesetzes werden wir unseren Spielraum nutzen, wie wir das in der Vergangenheit gemacht haben, um den Finanzplatz Frankfurt nicht zu schwächen, sondern, wie es das Börsengesetz vorschreibt, angemessen fortzuentwickeln.

Deswegen lassen Sie mich ein paar Dinge zum gegenwärtigen Stand sagen. Ich kann verstehen, dass Sie versuchen, uns zu drängen. Das wird aber der Sach- und Rechtslage nicht gerecht. Zurzeit liegen weder der Landesregierung noch, wie ich weiß, anderen Aufsichtsbehörden hinreichend detaillierte Informationen über die Struktur, mit der die Fusion geplant ist, vor. Wir können deswegen noch keine konkreten Aussagen über die Auswirkung der Fusion auf den Finanzplatz Frankfurt machen. Das heißt, vieles, was heute gesagt wird – darauf hat Kollege Krüger zu Recht hingewiesen –, kann nur vorläufigen Charakter haben.

Meine Damen und Herren, das Fusionsvorhaben birgt nicht nur für die beteiligten Unternehmen selbst Chancen und Risiken, sondern auch für die Standorte, an denen sie bisher ihre Geschäftstätigkeit ausüben. Sollte – ich muss mich im Konjunktiv ausdrücken – das Übernahmeangebot, das die hierfür in Amsterdam gegründete Gesellschaft abgeben will, erfolgreich sein, wird die Deutsche Börse AG mit ihrem bisherigen Sitz in Frankfurt bestehen bleiben. Dies gilt insbesondere auch für die von ihrer Tochtergesellschaft getragenen Börsen, die Frankfurter Wertpapierbörse und die Eurex Deutschland.

Die künftige Holding soll ihre operativen Geschäftssitze in Frankfurt und in New York haben. Eine Chance der geplanten Fusion mit der NYSE Euronext besteht darin, dass der Finanzplatz Frankfurt seine Stellung im Börsenhandel in Europa verstärken könnte. Auch hier spreche ich im Konjunktiv. Zugleich würde die Verbindung mit der NYSE Euronext, eine Gesellschaft mit großen Marktanteilen, auch in den Vereinigten Staaten entstehen. Die beiden Gesellschaften wollen durch den Zusammenschluss ihre Stellung in den sich schnell entwickelnden Umstän

den des Börsen- und außerbörslichen Handels – darauf ist zu Recht hingewiesen – schützen und ausbauen.

Diese Zielsetzung steht grundsätzlich in Einklang mit der Förderung des Finanzplatzes Frankfurt. Auf diese Aspekte haben die beiden Kollegen von der CDU- und der FDP-Fraktion bereits hingewiesen. Nicht auszuschließen ist allerdings, dass es unabhängig von heutigen Festlegungen über die zukünftigen Geschäftsstandorte des Unternehmens zu einer Verlagerung insbesondere der Managementaktivitäten nach New York kommen kann. Dies kann man aufgrund der ungleich größeren Bedeutung New Yorks als Finanzplatz schlussfolgern. Auch werden wesentliche Aktionäre und große Kunden des künftigen Unternehmens in New York ansässig sein.

(Beifall des Abg. Dr. Ralf-Norbert Bartelt (CDU) und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, bei einer Bewertung von Chancen und Risiken geht es trotzdem um zwei Fragen:

Erstens. Wie kann der Standort Frankfurt gestärkt werden? – Darauf ist in der Diskussion zu Recht hingewiesen worden.

Zweitens. Wir müssen aber auch überlegen, wohin sich Frankfurt als Börsenstandort ohne einen starken internationalen Partner entwickelt. Das verbirgt sich hinter dem Satz, dass dort Chancen und Risiken bestehen.

Sowohl durch die außerbörslichen Handelsplattformen als auch durch die Internationalisierung von Orderflow bei großen Marktteilnehmern ist den Börsen ein sehr ernst zu nehmender Wettbewerb entstanden, und auf diese neue Wettbewerbssituation will sich die Deutsche Börse AG einstellen.

Der Ministerpräsident und ich haben mehrfach öffentlich und auch gegenüber dem Vorstand der Deutschen Börse AG deutlich gemacht, dass bei der Börsenaufsicht das Fusionsvorhaben sehr genau und ergebnisoffen geprüft wird. Im Mittelpunkt wird dabei die Frage nach den Auswirkungen auf den künftigen Betrieb und die angemessene Weiterentwicklung der Börsen in Frankfurt stehen. Ich weiß nicht, wer es war – Herr Kollege Kaufmann, ich glaube, Sie haben gesagt, das sei ein „sehr eindeutiger Begriff“. Unter Juristen ist der Begriff der „angemessenen Weiterentwicklung“ in vielfältiger Hinsicht interpretierbar. Genau das müssen wir jetzt beurteilen, wenn wir die Unterlagen haben.

Herr Staatsminister, denken Sie an die vereinbarte Redezeit.

Die Struktur der Börsen in Deutschland – das will ich noch der Klarstellung halber sagen – sieht mit der Börse als öffentlich-rechtlicher Anstalt und ihrer privatrechtlichen Trägergesellschaft zwei rechtlich zu unterscheidende Institutionen vor. Dies bietet der Börsenaufsicht des Landes grundsätzlich die rechtliche Möglichkeit, den Fortbestand der Börsen in Frankfurt und des hiesigen Standorts in ihrer jeweiligen Trägerschaft zu sichern.

Meine Damen und Herren, der Ministerpräsident und ich haben mit der Deutschen Börse ein Gespräch geführt. Wir haben vereinbart, dass wir in den Gesprächen sämtliche

Problembereiche aus beiderlei Sicht erörtern wollen. Dies wird morgen beginnen. Ich bin sicher, dass die Börsenaufsicht, so wie sie das in der Vergangenheit gemacht hat, dafür sorgen wird, die Chancen und die Möglichkeiten, die sich aus dem Gesetz ergeben, im Interesse des Standorts des Finanzplatzes Frankfurt zu nutzen. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Staatsminister, vielen Dank. – Damit ist die erste Aktuelle Stunde besprochen.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 65 auf:

Antrag der Fraktion der FDP betreffend eine Aktuelle Stunde (Zentrum für Islamstudien – wichtiger Baustein moderner Integrationspolitik in Hessen) – Drucks. 18/3794 –

Das Wort hat Herr Kollege Mick, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Die Goethe-Universität Frankfurt hat letzte Woche, gemeinsam mit der Universität Gießen, den Zuschlag zum Aufbau eines Zentrums für islamische Studien bekommen, das vom Bund gefördert wird. Das sind ein toller Erfolg und ein großer Grund zur Freude.

(Beifall bei der FDP)

Dieses Thema hat aus gesellschafts- und integrationspolitischer Sicht gleich mehrere Facetten. Wir alle wissen, dass der Religion des Islam gerade in den letzten Monaten und Jahren insgesamt sehr viel Aufmerksamkeit zuteil und dass zum Teil sehr kontrovers diskutiert wurde. Wir müssen feststellen, dass auf beiden Seiten viele Vorurteile und Missverständnisse bestehen, was diese Religion angeht. Deswegen ist es aus meiner Sicht wichtig, dass wir in dieser Debatte mehr Gelassenheit, aber auch mehr Sachlichkeit und Information zum Tragen kommen lassen. Dazu kann dieses Zentrum für Islamstudien einen großen Beitrag leisten.

(Beifall bei der FDP)

Deswegen ist es nicht nur wichtig und richtig, dass die Hessische Landesregierung plant, an hessischen Schulen einen bekenntnisorientierten Islamunterricht zu erteilen, damit die muslimischen Schulkinder ebenso wie ihre christlichen und beispielsweise jüdischen Schulkameradinnen und -kameraden an Hessens Schulen in ihrer Religion unterrichtet werden und dass die Religionslehrer an diesem Zentrum entsprechend ausgebildet werden.

Das Ganze hat auch noch eine andere Facette. Es ist nämlich wichtig, dass wir einen Raum für den akademischen Diskurs über die Religion des Islam schaffen. Wir sehen momentan, dass beispielsweise auch die Menschen in Maghreb Demokratie und Freiheit wollen. Wir haben mit diesem „Cluster für Islamstudien“ – neudeutsch ausgedrückt – die Chance, diese Debatte über die Rolle des Islam, den sogenannten Euroislam, in den westlichen, in demokratischen Gesellschaften weiter Nahrung zu geben und zu unterstützen.

(Beifall bei der FDP)

Das klingt jetzt alles hoch abstrakt, sehr intellektuell und theoretisch. Aber ich bin der Überzeugung, dass wir in ein paar Jahren, wenn der universitäre Diskurs über diese Fragen angelaufen ist, auch das Zusammenleben der Menschen in Hessen und in Deutschland nachhaltig werden beeinflussen können. Ich glaube, dies ist ein sehr positiver Aspekt der ganzen Debatte, den man auch erwähnen sollte.

Deswegen ist es richtig, dass die Bundesregierung die Errichtung dieser vier Zentren für Islamstudien unterstützt; 4 Millionen € werden der Universität Frankfurt und der Universität Gießen zuteil, die eine Kooperation eingegangen sind. In Frankfurt wird dabei an eine bereits seit acht Jahren bestehende Tradition angeknüpft. Es gibt seit dem letzten Wintersemester den ersten Bachelorstudiengang für Islamstudien. Sie sehen also, die Universität Frankfurt hat ihre Hausaufgaben gemacht. Mit der Unterstützung dieses Projekts hat auch die Hessische Landesregierung ihre Hausaufgaben gemacht. Ich denke, das ist für uns alle ein großer Tag und Anlass zur Freude.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich denke, die Ziele, die ich Ihnen gerade geschildert habe, sind natürlich sehr ambitioniert. Ich bin aber sehr optimistisch, dass dieses Zentrum für Islamstudien ein Erfolg wird. Insofern können wir sagen: Dieses Zentrum für Islamstudien an der Universität Frankfurt ist ein weiterer Baustein der erfolgreichen Integrationspolitik dieser Landesregierung. – Danke.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Mick. – Bevor wir in der Debatte fortfahren, begrüße ich auf der Besuchertribüne den Vorsitzenden der SPD-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, unseren Kollegen Ralf Stegner. Herzlich willkommen im Hessischen Landtag.