Protocol of the Session on November 16, 2010

Frau Wissler, bitte kurz, denn Ihre Redezeit ist um.

Ganz kurz. Das ist nur ein Satz: „Der Kindersicherheit wird damit Vorrang vor Deregulierung und Handelserleichterungen eingeräumt.“ – Wir teilen diese Ansicht,finden es aber schade, dass die Landesregierung diese doch sehr einfache Wahrheit nicht von alleine ins Gesetz geschrieben hat, sondern dass sie die Fraktionen von CDU und FDP dafür brauchte. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Frau Wissler. – Als Nächster spricht Herr Grumbach für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident,meine Damen und Herren! Wie hat sich in Hessen eigentlich die Energiepolitik in den letzten Jahren entwickelt? Sie hat sich in den Kommunen entwickelt. Unabhängig davon, was die Landesregierung gemacht hat,haben sich die Kommunen auf den Weg gemacht,eine vernünftige Energiepolitik zu machen, weil sie das Handeln der Landesregierung ersetzen wollten.

(Beifall bei der SPD)

Das ist ihnen gelungen. Es gibt eine ganze Reihe von Kommunen, die bereits neue Konzepte entwickelt haben und damit inzwischen Geld verdienen. Das Land zieht langsam nach.Was ist die Reaktion der Mehrheitsfraktionen dieses Landtags? Sie versuchen, die Entwicklung, die zum Erfolg der in Hessen existierenden Initiativen geführt hat, zu blockieren – und das mit einer ganzen Reihe von Neusprechformulierungen; anders kann man das nicht bezeichnen. Auf diese will ich gleich im Einzelnen eingehen.

Damit mir nicht das gleiche Versäumnis passiert wie den GRÜNEN, würde ich gerne am Anfang darauf hinweisen: Dieser Gesetzentwurf ist so gestrickt, dass er eine dritte Lesung verdient. Die sollten wir auch machen. Die Zeit sollten wir uns nehmen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Denn im Kern geht es um die kommunale Selbstverwaltung. Ich finde es schon ganz spannend, wie hier die Rollen vertauscht werden. Ich finde es z. B. ganz spannend, dass ich als Abgeordneter der Opposition, anders als der Frankfurter Abgeordnete der Regierungsfraktion, die Position der Stadt Frankfurt vertreten darf, sowohl zu § 81 als auch zur Frage der Stellplatzsatzung.Denn in der Stadt Frankfurt sind in der Tat ein paar Entscheidungen anders. An dieser Entscheidung wird deutlich, dass es hier um Ideologie und nicht um die Sache geht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Argumentation mit den Investitionshemmnissen, die Frau Wissler zur Änderung der Stellplatzsatzung angeführt hat, hat zwei Ebenen. Die eine hat sie genannt, nämlich dass eine Stadt in der Tat in der Lage sein muss, ihren ruhenden Verkehr zu regeln. Das ist völlig unbestritten. Das ist in allen Großstädten Debatte.Das wird in anderen Städten über Citymaut und Ähnliches geregelt. In Frankfurt wird das strukturell darüber geregelt, dass die Zahl der Stellplätze reduziert, somit der einströmende Verkehr verringert und dafür der Nahverkehr ausgebaut wird. Das ist gut so.

Ich komme jetzt zur Begründung.Da steht:Wenn man das anders machen würde, d. h. wenn weiterhin in der Stellplatzsatzung geregelt wird, dass die Bauten der Tiefgaragen erfolgen müssten, dann sei das ein Investitionshemmnis. – Der Mensch, der diesen Satz geschrieben hat, hat von Baukosten keine Ahnung; denn unter ein Hochhaus – um die ging es bei der Frage der Ausnahme von der Stellplatzsatzung – ein drittes, viertes, fünftes, sechstes und siebtes Tiefgaragenstockwerk zu bauen, ist allemal um ein Mehrfaches teurer, als die Ablösesumme an die Stadt zu bezahlen. Das heißt, es ist offensichtlich nicht von der Sache die Rede, sondern es ist nur davon die Rede, dass eine ideologische Entscheidung getroffen wird. Oder aber es ist beabsichtigt,gar keine Ablöse oder gar keine Regelung für Stellplätze zu schaffen. Das ist dann schlicht eine Förderung von Investitionen durch Steuergeld.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Das Zweite ist: § 81 ist von Frau Wissler in vielen Punkten schon hinreichend beschrieben worden. Es geht um die Frage:Wie entsteht Reform, wie entsteht Veränderung? – Veränderung entsteht durch Vielfalt.Vielfalt ist in Hessen politisch gestaltet in der Kommunalpolitik. Da haben sich Hunderte von Kommunen auf verschiedene Wege begeben und haben ganz unterschiedliche Lösungen gefunden, unter denen wir aussuchen können.

Jetzt kommen wir zu einer faszinierenden Variante. Herr Lenders hat das auf den Punkt gebracht mit dem Satz:„Es ist die falsche Entscheidung.“ – Das ist der Unterschied zwischen Demokratie von unten und Demokratie von oben.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Das ist der Unterschied zwischen dezentraler Verantwortung und demokratischem Zentralismus. Wer das Wort nicht kennt: Es ist entwickelt worden im Politbüro der KPdSU. – Ich sage das mit der Härte, weil es genau die Struktur ist, mit der von oben herab jemand, der demokratische Entscheidungen vor Ort nicht akzeptieren will, diese demokratischen Entscheidungen kaputt macht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Präsident Norbert Kartmann über- nimmt den Vorsitz.)

Ich finde es schon erstaunlich, dass die Partei, die das F im Namen führt,in dieser Frage als Partei der Unfreiheit auftritt.Anders kann man das nicht bezeichnen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

An diesem Punkt muss man gar nicht mehr über die Sache reden; denn die Sache ist klar. Die Sache lautet, Kommunen haben bewiesen, dass sie es besser können; also sollten wir sie lassen. Kommunen haben sich bewiesen in der

Energiepolitik.Kommunen haben bewiesen,dass sie neue Ideen bei der Ordnung des Verkehrs haben; also sollten wir sie auch da lassen. Wer sie nicht lassen will, verfolgt andere Interessen; die sollte er dann aber auch auf den Tisch legen. – Danke.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Herr Abg. Lenders.

(Günter Rudolph (SPD): Hat er noch Redezeit?)

Die FDP hat noch 2:16 Minuten.

Herr Präsident! Es sind schon einige Vorwürfe gekommen, von wegen Demokratieverständnis. Ich möchte es einmal umdrehen:Welches Demokratieverständnis haben Sie denn? Sie rechtfertigen die Marburger Solarsatzung und akzeptieren damit, dass viele Bürgerinnen und Bürger, Hauseigentümer, mit dieser Satzung verpflichtet werden,obwohl sie das vielleicht gar nicht wollen.Sie machen damit eine Zwangsbeglückung, die bei den GRÜNEN normal ist.

(Manfred Görig (SPD): Lächerlich! – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist bei Ihnen politisch so angesetzt: Bist du nicht willig, so gebrauche ich Gewalt.

(Beifall bei der FDP)

Da ist Ihnen das Mittel der kommunalen Satzung nur recht und billig. Das ist mit der FDP nicht zu machen.Wer ein Solardach bauen will,soll es freiwillig machen.Wer ein Blockheizkraftwerk bauen will, soll es machen.Wer Fernwärme haben will, soll es machen. Wer dämmen will, soll es machen. Aber bitte freiwillig, meine Damen und Herren, und nicht per Zwang nach grüner Ideologie.

(Beifall bei der FDP – Zurufe der Abg. Timon Gremmels und Manfred Görig (SPD))

Herr Kollege Grumbach hat das Wort für die SPD-Fraktion. Er hat noch drei Minuten.

Herr Lenders, die Antwort ist ganz einfach. Wenn Sie in einer Stadt wie Marburg leben und eine andere Entscheidung wollen,dann müssen Sie ein anderes Stadtparlament wählen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber Sie müssen nicht von oben versuchen, diese Entscheidung zu torpedieren. Das ist der Unterschied zwischen Demokratie und Herrschaft von oben.

(Anhaltender Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Wortmel- dung)

Nein, Herr Kollege, das geht nicht. Sie müssen sich während der Rede melden – Geschäftsordnung.

Das Wort hat Herr Minister Posch. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will diese Diskussion nicht fortsetzen, nur um einen Aspekt erweitern. Herr Grumbach, es gibt auch noch eine Alternative für den Bürger in Marburg,

(Gernot Grumbach (SPD): Bürgerentscheid!)

nämlich die Stadt zu verlassen.

(Beifall bei der FDP – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, wenn Sie schon über Alternativen reden, dann bitte schön auch über diese. Denn nach dieser Regelung ist es so, dass Sie zwangsweise angehalten werden, wenn Sie etwas verändern, dann auch eine Solaranlage installieren zu müssen. Das basiert nicht auf einer freiwilligen Entscheidung, sondern ist satzungsrechtlich vorgegeben.

(Manfred Görig (SPD): Das ist doch bei jedem Gesetz so!)

Ich sage Ihnen nur Folgendes. Schauen Sie sich bitte einmal den Grundstücksmarkt an, wenn es um gebrauchte Häuser geht. Sie werden künftig eine Vielzahl von Häusern nicht mehr verkaufen können, wenn der Käufer von vornherein weiß, welche zusätzliche Verpflichtung er auf sich nehmen muss. Diese Situation wird bei der Diskussion völlig außer Acht gelassen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP – Manfred Görig (SPD): Das ist doch jetzt schon so!)

Aber abgesehen davon: Wir haben zu § 81 unterschiedliche Auffassungen. Diese unterschiedlichen Auffassungen kommen eben dadurch zum Ausdruck, dass wir die Satzungsermächtigung aus diesem Gesetz herausnehmen.

Meine Damen und Herren, jeder interpretiert das Gesetz vor dem Hintergrund seiner politischen Zielvorstellungen. Deswegen möchte ich noch einmal auf etwas eingehen, was bei dieser HBO zunehmend in den Hintergrund gerät.

Wir haben in der Legislaturperiode von 1999 bis 2003 erstmals damit begonnen, baugenehmigungsfrei arbeiten zu können. Es ist ein tolles Ergebnis, wenn wir heute feststellen können, dass jedes zehnte Vorhaben ohne förmliche Baugenehmigung errichtet wird und damit bei den Bauherren Ersparnisse zwischen 170 und 12.000 c zu verzeichnen sind. 65 % der Bauvorhaben werden im sogenannten vereinfachten Verfahren durchgeführt. Wir haben es dort mit der Genehmigungsfiktion nach drei Monaten zu tun. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit von 58 Tagen im Jahr 2004 ist auf 46 Tage im Jahr 2007 reduziert worden. Das heißt, wir haben es mit einer Reduktion der Genehmigungszeit um 20 % zu tun.