Protocol of the Session on January 28, 2010

Frau Kollegin Lannert, vielen Dank. – Das Wort hat nun Herr Abg. Lenders für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Bei der FDP und der CDU kümmern sich um das Thema Arbeitsplätze die Abteilungen Wirtschaft. Das ist auch richtig. Da gehört das hin. Fakt ist nämlich, dass die Politik direkt keine Arbeitsplätze schafft, es sei denn, in ihrem unmittelbaren Umfeld als Arbeitgeber.

Die Politik muss die entsprechenden Rahmenbedingungen setzen, damit die Unternehmen Arbeitsplätze schaffen und erhalten können.Wir müssen auf die Wachstumskräfte setzen, damit in Hessen Arbeitsplätze entstehen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN und der SPD, gerade die Flexibilisierung am Arbeitsmarkt hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass in dieser Krise die Instrumente wirklich gegriffen haben. Das hat dazu geführt, dass wir unter anderem auch in Hessen die Arbeitsplätze wirklich haben sichern können. Dazu hat der Gesetzgeber, auch bei Rot-Grün, einiges auf den Weg gebracht. Es gibt einige Diskussionen darüber – das wird gerne ins Feld geführt –, dass das wieder zurückgedreht werden soll. Das wäre aber kontraproduktive Gestaltung.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Die Unternehmen haben in der Krise gehandelt. Es wurden Urlaub und Überstunden abgebaut. Aber vor allen Dingen hat sich das Instrument der Kurzarbeit wirklich bewährt. Die Unternehmen haben diese Möglichkeit sehr umfänglich ausgeschöpft.

Das muss man auch sagen: Die Bundesagentur für Arbeit hat in dieser Krise sehr unbürokratisch gehandelt. Es wäre sehr wünschenswert, wenn diese Handhabung auch nach Bewältigung der Krise beibehalten würde. Denn das erleichtert den Unternehmen die Arbeit wirklich deutlich.

In der Krise hat sich gezeigt, dass die Unternehmen – vor allem die mittelständischen Unternehmen – Verantwortung für ihre Mitarbeiter tragen. Entgegen allen Unterstellungen, die gerne auch einmal von den LINKEN kommen, halten die Unternehmen an ihren Mitarbeitern fest. Herr van Ooyen, das mit „hire and fire“ ist ein Gerücht. Gerade in der Krise kann man sehen, dass die Unternehmen für ihre Mitarbeiter Verantwortung tragen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Die Unternehmen wissen genau, warum sie das tun. Denn es droht uns nach der Krise – in Teilen ist das jetzt schon der Fall – eher ein Mangel an Fachkräften. Die Frau Kollegin hat eben schon darauf hingewiesen: Es ist deswegen besonders wichtig, dass wir bei der Bildung starke Akzente setzen,um zukünftig ausgebildete Fachkräfte für die Unternehmen zu haben.

Herr van Ooyen, fahren Sie einmal in den Industriepark Höchst. Wenn Sie sich mit den Vertretern der Unternehmen unterhalten, dann werden Sie jetzt schon feststellen, dass wir bereits einen akuten Mangel an Fachkräften haben. Ein Mangel an Fachkräften behindert unter Umständen das Wirtschaftswachstum in Hessen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU)

Für Hessen ist festzustellen, dass aufgrund der wirtschaftlichen Struktur die Wirtschaftskrise keine tiefen Spuren hinterlassen hat. Es gilt, auf diesem Wege weiter voranzuschreiten. Für Hessen wird für das Jahr 2010 ein Wirtschaftswachstum in Höhe von 1,5 % angenommen. Damit liegen wir wieder über dem Bundestrend.

(Beifall bei der FDP – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das ist einfach toll!)

Herr van Ooyen, in der Gesellschaft, in der wir leben, ist eine Wachstumsrate in Höhe von 2 % schon ein Erfolg. Die Wirtschaft in Deutschland kann nicht viel stärker wachsen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Axel Wintermeyer (CDU))

Die Unternehmen in Hessen sind gut aufgestellt und fühlen sich für ihre Mitarbeiter verantwortlich. Gute Mitarbeiter in den Unternehmen werden einen erheblichen Anteil daran haben, dass wir gut aus der Krise herauskommen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herzlichen Dank. – Das Wort hat Herr Dr. Spies, SPDFraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Kollege, Ihren letzten Satz darf ich doch gern aufgreifen: Mehr als 2 % Wachstum sind nicht möglich. – Es ist ein Defizit erzeugt worden,das 7 % Wachstum braucht,um es zu bezahlen, und die FDP will Steuersenkungen. Das ist des Wahnsinns fette Beute.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie des Abg. Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Ich danke Ihnen, dass Sie genau das noch einmal deutlich gemacht haben. Vorweg möchte ich mich auch bei der Kollegin Lannert bedanken, weil – ich gebe es zu – ich, als ich mich auf diese Aktuelle Stunde vorbereitete, verzweifelt gesucht habe, wo denn die Statistik ist, in der man die Rekordmarke bei Erwerbstätigen finden kann.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Ich auch!)

Wo ist diese Statistik, und was hat sie mit dem Jahr 2009 zu tun? – Frau Kollegin Lannert, das möchte ich ausdrücklich rühmen, war so freundlich, mich auf die Presse

meldung Nr. 14/2010 des Statistischen Landesamtes hinzuweisen – vielen Dank. In der steht tatsächlich, dass der Beschäftigungsstand nur minimal zurückgegangen ist, weil – jetzt kommt es – „durch die Nutzung von Arbeitsflexibilität (Abbau von Überstunden,... Reduzierung von Arbeitszeiten) und durch die massive Ausweitung der Kurzarbeit“ das Beschäftigungsniveau gehalten werden konnte.

(Demonstrativer Beifall der Abg. Judith Lannert und Axel Wintermeyer (CDU))

Meine Damen und Herren, wir alle wissen, erstens gebührt an dieser Stelle der Dank des ganzen Hauses dem ehemaligen Bundesarbeitsminister Olaf Scholz; denn wenn einer dafür gesorgt hat, dass das klappt, dann war es Olaf Scholz.

(Beifall bei der SPD – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Wer hat die Kurzarbeiterregelung verlängert?)

Zweitens So zu tun, als sei der formale Fortbestand der Zahl der Erwerbstätigen aufgrund von Kurzarbeit ein Jubeltag, um von einer Rekordmarke bei Erwerbstätigen zu sprechen, ist allerdings eine grobe Beschönigung der Wirklichkeit. Viele, viele, viele von diesen Menschen befinden sich in einer ganz realen Angst, was mit ihrem Arbeitsplatz wird, wenn diese Kurzarbeitsregelungen irgendwann nicht mehr tragen oder wenn sich Unternehmen aus der Krise heraus nicht dafür entscheiden können, weiter Kurzarbeit zu fahren, weil sie die Perspektive nicht so günstig sehen. Meine Damen und Herren, diese Art von Selbstbeweihräucherung ist schamlos im Umgang mit der Angst der Erwerbstätigen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Schauen wir doch einmal einen Moment in eine Woche, in der wir diese Arbeitsmarktdebatten hatten, wie wir sie hatten, darauf, wie sich diese Höchstmarke an Erwerbstätigen zusammensetzt. Dann stellen wir fest, dass die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse seit 2001 zurückgegangen ist.

Dann stellen wir auch fest, dass aber die Zahl der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse – die, von denen man nicht leben kann, sondern die man als Hobby obendrauf nimmt oder die einen in die Notlage bringen, zusätzliche staatliche Hilfen zu beanspruchen – um 15 % zugenommen hat. Auch dieser Höchststand an Erwerbstätigen ist ja besser, als wenn es weniger wäre, aber beim besten Willen keine Situation zum Selbstbejubeln.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir diese aktuelle Höchstmarke anschauen und einen Moment berücksichtigen, bin ich dem Kollegen von der FDP für den Hinweis auf das zu erwartende Wachstum in diesem Jahr und die zu erwartende Entwicklung des Bruttosozialproduktes dankbar; denn der Blick auf das letzte Jahr besagt, wir haben diese Erwerbstätigkeit bei einem spürbaren Einbruch des Bruttoinlandsproduktes hingenommen. Diese hohe Erwerbstätigkeit ist vor allen Dingen von denjenigen bezahlt worden, die in Kurzarbeit, und, und, und, ein geringeres Einkommen hatten. Auch das gehört dazu, dass der Verzicht auf Einkommen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern dafür gesorgt hat, dass zumindest die Erwerbstätigkeit so hoch blieb. Das ist immer noch kein Grund für Selbstbeweihräucherung der Hessischen Landesregierung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir wollen froh sein, dass Olaf Scholz ein so kluges Konzept zur Intensivierung der Kurzarbeit und zur Chance der Qualifikation in dieser Zeit entwickelt hat.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Na ja! – Zurufe von der CDU: Oh!)

Wir wollen froh sein,

(Beifall bei der SPD)

dass Unternehmen aus klugem Eigennutzen ihre Facharbeiter behalten haben. In Klammern: Die Leiharbeiter wurden natürlich in erheblichem Umfang freigesetzt, das Thema hatten wir gestern schon. – Wenn wir uns zum Thema Erwerbstätigenbestand und der Perspektive äußern, dann glaube ich, die Situation der Menschen, deren Angst vor Arbeitsplatzverlust und deren Bedrohung ihres Arbeitsplatzes noch lange nicht ausgestanden sind, verlangt im Hessischen Landtag ein bisschen mehr Respekt und ein bisschen weniger Selbstbelobigung. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Vielen Dank, Kollege Dr. Spies. – Das Wort hat Abg. Klose, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst eine generelle Vorbemerkung.Wir GRÜNE freuen uns für jede Bürgerin und für jeden Bürger, die und der im Jahr 2009 in Hessen erwerbstätig waren,vor allem auch für diejenigen, die es wieder geworden sind. Frau Lannert, insofern ist es tatsächlich eine gute Nachricht, die das Statistische Landesamt verkündet hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der FDP)

Dies vorausschickend, muss ich aber leider feststellen, dass wir es einmal mehr mit einer Aktuellen Stunde nach dem beliebten Strickmuster „Entnehme einer Statistik eine Zahl, presse sie in deine bekannte Argumentationslinie, fertig ist die Aktuelle Stunde“ zu tun haben.

(Clemens Reif (CDU): Die könnte ja von euch sein!)

Wir wissen es ja alle besser. Um wirklich belastbare Aussagen zur Wirtschaftslage zu treffen, sind viele Daten in einer Gesamtschau zu betrachten und seriös zu interpretieren. Eine isolierte Zahl zum Anlass einer solchen Lobhudelei zu nehmen, spricht leider nicht für eine ernsthafte Herangehensweise an das Thema und den Umgang mit den Betroffenen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zur Sache.Es ist bereits erwähnt worden,vor einer Woche vermeldete das Statistische Landesamt, in Hessen habe es 2009 im Jahresdurchschnitt 3,11 Millionen Erwerbstätige gegeben. Die Überschrift der Pressemeldung des Statistischen Landesamtes lautet – den Sachverhalt völlig kor

rekt beschreibend –: „Entwicklung der Erwerbstätigkeit 2009 in Hessen stabil“.