Protocol of the Session on October 8, 2009

Dann, liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, verirrt man sich auch nicht in die Verästelungen unterschiedlicher Glaubensrichtungen des Christentums, sondern man bleibt bei dem, was Menschen, die Christen oder Muslime waren oder ganz anderen Religionen angehört haben, nach dem Zweiten Weltkrieg als Maßstab für alle Menschen gesetzt haben. Das sind die Maßstäbe für uns alle. Ich glaube, wenn wir das als Maßstab beherzigen, dann haben wir ein paar Probleme weniger, und ein paar Debatten laufen rationaler. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der FDP und der LINKEN)

Vielen Dank.– Das Wort hat Herr Kollege Greilich für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die GRÜNEN haben unter anderem den Kollegen Dr. Christean Wagner zum Thema dieser Aktuellen Stunde gemacht.Ich weiß nicht so recht,warum.Vielleicht kriegen wir das noch raus. Wir kennen Herrn Dr. Wagner als bekennenden Christen. Er hat sich in einem Interview, das Sie offensichtlich als Grundlage genommen haben, auch wieder zu einem Bekenntnis zu Vaterlandsliebe und Patriotismus bekannt. Er ist ein bekennender Konservativer.Ich glaube,das kann man sagen,ohne dass dies ihm zu nahe tritt und ohne dass man damit irgendetwas falsch bewertet. Ich akzeptiere das. Ich finde, jeder andere hier im Haus sollte das auch akzeptieren und sich, wenn er anderer Auffassung ist, offensiv damit auseinandersetzen. Diese Auseinandersetzung habe ich über weite Strecken vermisst.

Es wird dann aufgehängt – Herr Kollege Dr. Jürgens hat das ausführlich getan – an Äußerungen des Kollegen Dr.

Wagner zum Thema Lebenspartnerschaftsgesetz. Auch dort hat er sehr dezidierte klare Auffassungen. Es ist auch bekannt, dass es zwischen den Koalitionsfraktionen zu diesem Thema durchaus Diskussionsbedarf gibt. Diese Diskussion führen wir. Sie preschen hier im Parlament gern immer einmal vor. Das ist auch die Aufgabe einer Opposition. Manchmal fällt Ihnen auch ein, dass Sie sie ausfüllen wollen. Es ist Ihre Aufgabe, die Mehrheit vor sich herzutreiben. Deswegen setzen Sie die Themen etwas früher.Wir arbeiten sie ordentlich aus.Wir verhandeln das miteinander.

(Axel Wintermeyer (CDU): Richtig! Substanz geht vor Schnelligkeit!)

Wenn wir damit fertig sind, werden wir auch der überraschten Opposition vorführen, wie wir das Thema lösen und bewältigen werden.Über das Thema wird verhandelt. Ich kann Ihnen nur sagen: Haben Sie etwas Geduld, dann werden Sie gute Früchte sehen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Das wäre eigentlich alles,wenn wir nicht die unerträgliche Art und Weise hier hätten zur Kenntnis nehmen müssen, wie insbesondere Herr Dr. Jürgens mit der so gesetzten Aktuellen Stunde umgegangen ist.

Herr Dr. Jürgens, Belehrungen über christliche Werte, vorgetragen mit einer Arroganz ohne Ende, wie Sie uns das hier geboten haben, sind schlichtweg unerträglich.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Was Sie aus dem Kontext des Antrags zu dieser Aktuellen Stunde und Ihrem Vortrag hier gemacht haben, war der Versuch, Herrn Dr. Wagner und anderen den Einsatz für christliche Werte und letztlich moralische Integrität abzusprechen. Das, Herr Dr. Jürgens, ist unerträglich.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Lassen Sie mich noch eines ergänzen. Sie haben mit dem, was Sie hier veranstaltet haben, nicht nur Herrn Dr.Wagner getroffen. Ich kann das in aller Kürze begründen, indem ich mich auf das beziehe, was Herr Dr. Müller hier schon ausgeführt hat. Das, was Sie hier, schon mit der Antragstellung zu dieser Aktuellen Stunde, gemacht haben, ist ein Tritt vors Schienbein aller bekennenden Christen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und bei der CDU – Zuruf des Abg. Ernst-Ewald Roth (SPD) – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Könnten Sie das bitte den Christen selbst überlassen, Sie Anmaßer?)

Meine Damen und Herren, in einem Punkt hat mein Vorredner, Herr Kollege Grumbach, mit Sicherheit Recht gehabt. Es ist, wie ich aus der Unruhe der GRÜNEN-Fraktion merke,

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Unruhe kommt wegen dem Unsinn! – Zuruf des Abg.Axel Wintermeyer (CDU))

dort mittlerweile auch zur Erkenntnis gelangt, dass das, was sie hier gemacht haben, hier garantiert nicht hingehört.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Schon als ich dieses Thema gelesen habe, habe ich mich gefragt:Was wollen Sie eigentlich? Was ist die Absicht, die

hinter diesem Antrag auf Aktuelle Stunde steht? In der Sache offensichtlich nichts, null. Es ist nichts dergleichen gekommen. Dann habe ich mir überlegt: Was kann politisch dahinterstecken? Da passt es sich ein Stück weit in die letzten zwei Plenartage ein und in das, was Sie hier geboten haben, meine Damen und Herren von den GRÜNEN. Es ist bedauerlich, das festzustellen. Sie waren einmal als Premiumopposition angetreten.

(Zuruf der Abg.Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Was Sie uns jetzt vorführen, ist der Abschied von jeglicher seriöser Politik.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Frau Schulz-Asche, Sie und Ihre Kollegen – das ist das, was wir hier merken – sind auf dem Weg weg von seriöser Politik. Sie gehen zurück zu den Wurzeln, zu den Wurzeln, aus denen Sie kommen, zu den Wurzeln der Achtzigerjahre, zur Klamaukpartei.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Das ist das Problem, mit dem wir in diesem Parlament zu arbeiten haben. Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, besinnen Sie sich darauf, dass Sie einmal Premiumopposition sein wollten, und versuchen Sie wenigstens, diesem Anspruch gerecht zu werden.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Dann ist diese Aktuelle Stunde ebenfalls behandelt und Tagesordnungspunkt 60 erledigt.

Sie haben jetzt noch zu dem Tagesordnungspunkt 24 einen Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Drucks. 18/ 1204,zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Studie und Maßnahmen gegen Jugendgewalt in Hessen, Drucks. 18/1071, erhalten. Den haben Sie alle? – Der Änderungsantrag wird mit diesem Punkt behandelt.

Dann rufe ich jetzt den Tagesordnungspunkt 37 auf:

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend durch Kursänderung in der Finanzpolitik die Verschuldungsorgie beenden – Drucks. 18/1156 –

mit dem Tagesordnungspunkt 69:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend haushaltspolitische Verantwortung übernehmen – Drucks. 18/1201 –

Die Redezeit beträgt zehn Minuten je Fraktion. Es beginnt Frau Kollegin Erfurth für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Themenwechsel. Die dramatische Verschuldungssituation in unserem Land erfordert, dass wir uns auch in dieser Plenarrunde mit großem Ernst dieser Situation widmen und die Regierungsfraktionen auffordern, eine Alternativrechnung zum Finanzplan vorzulegen – eine Alternativrechnung zu dem bisher untauglichen Finanzplan, die uns aufzeigt, wie die Neuverschuldung schrittweise zurückgeführt werden kann und wie die steuerpolitischen Rahmenbedingungen dazu konkretisiert werden.

Ich möchte zuvor einen Blick auf die gesetzlichen Grundlagen der Finanzpolitik werfen. Der Blick zeigt, dass die Begrenzung der öffentlichen Verschuldung durch eine Vielzahl von Rechtsvorschriften gewährleistet werden soll – ich betone: gewährleistet werden soll. Da ist zunächst die Hessische Verfassung, die Sie als Abgeordnete des Hessischen Landtags alle sehr gut kennen. Unser Thema für heute ist Art. 141. Dort heißt es – ich zitiere –:

Im Wege des Kredits dürfen Geldmittel nur bei außerordentlichem Bedarf und in der Regel nur für Ausgaben zu werbenden Zwecken beschafft werden.

Wir haben uns in der Vergangenheit schon öfter darüber gestritten, wie diese Regelung auszulegen ist. Der hessische Finanzminister hatte immer einmal wieder den Anspruch, diese Regelung weiter auszulegen und die Investitionen der Kommunen mit in die Verfassungsgrenze einzubeziehen, weil er dann die Chance hatte, ab und zu die Verschuldungsgrenze einzuhalten. Diese Frage stellt sich für die Haushalte 2009 und 2010 gar nicht mehr. Die geplante Nettoneuverschuldung 2009 überschreitet die hessische Verschuldungsgrenze um fast 100 %, und die geplante Neuverschuldung für 2010 überschreitet die hessische Verfassungsgrenze um mehr als 100 %. Dazu die Zahlen: Die geplante Neuverschuldung liegt bei gut 3,3 Milliarden c und die hessische Verfassungsgrenze bei 1,5 Milliarden c. So sind die Zahlen in der aktuellen Situation, mit der Verfassung abgeglichen.

Unabhängig davon, wie wir den Investitionsbegriff definieren, hat sich gezeigt: Die Festschreibung der Verschuldungsgrenze in der Hessischen Verfassung war bisher nicht das Steuerungsinstrument, das dazu führen sollte, dass die Verfassungsgrenze eingehalten wird. 1967 hat die damalige Große Koalition das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft eingeführt. Dieses Gesetz verpflichtet uns bis heute, eine mittelfristige Finanzplanung vorzunehmen. Dort heißt es:

Der Haushaltswirtschaft des Bundes ist eine fünfjährige Finanzplanung zugrunde zu legen. In ihr sind Umfang und Zusammensetzung der voraussichtlichen Ausgaben und die Deckungsmöglichkeiten in ihren Wechselbeziehungen zu der mutmaßlichen Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Leistungsvermögens darzustellen,...

Diese Verpflichtung gilt genauso für die Länder. Damals gab es den Optimismus, durch die fünfjährige Finanzplanung würde man Konjunkturschwankungen besser ausgleichen können und auch das Wirtschaftswachstum verstetigen.

Außerdem haben wir § 31 der Hessischen Landeshaushaltsordnung, der den Finanzminister dazu verpflichtet, „im Zusammenhang mit der Vorlage des Entwurfs des Haushaltsplans sowie des Finanzplans den Landtag über... die voraussichtliche Entwicklung der Finanzwirtschaft... zu unterrichten“.

Dann haben wir noch § 50 des Haushaltsgrundsätzegesetzes. Dort heißt es in Abs. 3: „Die gesetzgebenden Körperschaften können die Vorlage von Alternativrechnungen verlangen.“ Eben diese Alternativrechnung ist es, meine Damen und Herren,die wir jetzt einfordern und die es unseres Wissens bisher so nicht gegeben hat.Wir denken,wir sollten versuchen, die vorhandenen Instrumente zu nutzen, um die Verschuldung der öffentlichen Hand einzudämmen.

Als neues Instrument kommt jetzt noch die Grundgesetzänderung hinzu,die im Frühjahr dieses Jahres beschlossen worden ist, die wir auch schon diskutiert haben. Danach sollen die Länder ab 2020 Haushalte ohne neue Schulden vorlegen.

Wenn wir also einen Strich darunter ziehen, stellen wir fest: Vor dem Hintergrund der bisherigen Erfahrungen mit dem umfangreichen gesetzlichen Regelwerk, das ich Ihnen dargestellt habe, ist es nicht gelungen, öffentliche Verschuldungen einzudämmen. Daher ist unser Vorschlag, noch einmal zu versuchen, mit dieser Alternativrechnung einen Vorstoß zu machen, wie wir die Neuverschuldung künftig schrittweise zurückführen und wie wir darstellen, wie sich die steuerpolitischen Rahmenbedingungen konkretisieren lassen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte daran erinnern:Wir haben einen amtierenden Finanzminister. Karlheinz Weimar ist zehn Jahre im Amt. Er hat in keinem Jahr, in dem er einen Haushalt vorgelegt hat – ob er in der schwarz-gelben Regierung Finanzminister war oder in einer rein schwarzen Landesregierung –, einen Haushalt ohne neue Schulden vorgelegt. Auch in den vergleichsweise guten Jahren 2006 und 2007 gab es neue Schulden.

Ich möchte noch einmal aus der Einbringungsrede des Finanzministers zum Haushalt 2007 zitieren. Dort erklärte der Finanzminister am 04.10.2006:

Trotz der deutlich verbesserten Einnahmesituation der öffentlichen Haushalte darf dies über eines nicht hinwegtäuschen: Die Lage bleibt angespannt.