Vielen Dank, Herr Kollege Schäfer-Gümbel. – Das Wort hat der Abg. Al-Wazir, Fraktionsvorsitzender die GRÜNEN.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Justizminister und stellvertretende Ministerpräsident hat es gerade eben als etwas Großartiges dargestellt, dass der Deutsche Bundestag voraussichtlich am heutigen Tage die Gleichstellung der eingetragenen Partnerschaften im Steuerrecht beschließen wird. Herr Hahn, ich muss Ihnen sagen, ich finde, das ist nichts Großartiges, sondern eigentlich ist es beschämend, dass der Deutsche Bundestag wegen der schwarz-gelben Mehrheit, die in dieser Frage niemals die Kraft gefunden hat, die Diskriminierungspolitik zu beenden, immer erst das Bundesverfassungsgericht gebraucht hat,
um offensichtliche Diskriminierungen, die im deutschen Recht bestehen, zu beenden. Herr Hahn, ich finde, das ist nichts Großartiges, sondern eigentlich ist es eine gewisse Bankrotterklärung der Politik, wenn man sehenden Auges und wissend, wie das Verfassungsgericht entscheiden wird – weil es wirklich viele Punkte gab, wo das Verfassungsgericht eine klare Linie gehabt hat –, eine Situation hat,
dass die größte Fraktion im Deutschen Bundestag wegen interner Verwerfungen nicht in der Lage ist, verfassungsmäßige Gesetze zu machen, sondern immer erst vom Verfassungsgericht zur Einhaltung dieser Verfassung und zur Beendigung von Diskriminierung gezwungen wird.
Herr Ministerpräsident, ich finde, das war schon in ruhigem Ton vorgetragen, aber etwas ziemlich Einzigartiges, was wir hier erlebt haben. Sie gehen nämlich am Beginn einer Aktuellen Stunde einer Oppositionsfraktion, die gar nicht wegen Ihnen beantragt wurde, sondern wegen Äußerungen Ihres Stellvertreters, anstelle des Stellvertreters hierhin und sagen im Prinzip: Der Mann hat für irgendwen geredet, aber nicht für die Regierung.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Heiterkeit des Abg. Günter Rudolph (SPD))
Das finde ich spannend. Aber worin das Problem besteht, das hat man daran gesehen, was der Kollege Bartelt hier gesagt hat. Herr Ministerpräsident, Sie haben noch so schön gesagt, Sie brauchten noch Erkenntnisse. Herr Bartelt braucht offensichtlich keine Erkenntnisse mehr,
weil Sie ganz offensichtlich in Ihrer Ideologie der Auffassung sind, dass Sie die Diskriminierung gern fortbestehen lassen wollen. Und das ist ein Problem. Herr Bartelt, wenn Sie recht hätten und Adoptionen nur dann dem Kindeswohl dienen würden, wenn es eine Adoption in eine Vater-Mutter-Familie ist, dann müssten Sie konsequenterweise jetzt schon mögliche Adoptionen von Einzelpersonen, von Alleinerziehenden genauso verbieten, wie Sie gegen das Adoptionsrecht für eingetragene Partnerschaften sind.
Da Sie das – das findet ja statt, das ist heutzutage möglich – aber nicht fordern, geht es Ihnen wohl ganz offensichtlich am Ende dann doch um eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung. Damit werden Sie wieder vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern.
Es ist schade, dass es immer wieder wegen der Unfähigkeit einer Fraktion, in der Moderne anzukommen, einen Ersatz von Politik durch das Verfassungsgericht geben muss.
Ein letzter Satz, Herr Präsident. – Aus meiner Sicht steht das Kindeswohl und einzig und allein das Kindeswohl im Vordergrund. Es geht darum, ob ein Kind behütet und geachtet, gefördert und geliebt wird. Das hat nichts damit zu tun, wie die sexuelle Orientierung der Eltern ist. Das müssen Sie endlich verstehen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf der Abg. Judith Lan- nert (CDU))
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dr. Bartelt, ich finde, das, was Sie hier vorgetragen haben, ist schon bemerkenswert. Was Sie hier gesagt haben, war mit Vorurteilen gespickt. Das waren unhaltbare Behauptungen. Das waren alles Ausführungen, um irgendwie zu rechtfertigen, dass Sie an einem Familienbild aus den Fünfzigerjahren festhalten. Ich finde, dieser Auftritt ist in Zeiten, in denen wir darüber diskutieren, Diskriminierung abzubauen, wirklich vollkommen daneben gewesen.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))
Das Problem ist, dass Sie die Lebensrealität der Menschen überhaupt nicht zur Kenntnis nehmen. In Wahrheit ist die Gesellschaft doch viel weiter als Sie. Sie ziehen sich auf angebliche Vorurteile, Vorbehalte in der Gesellschaft zurück, die doch am stärksten in Ihrer eigenen Fraktion beheimatet sind. Es sind doch Ihre Vorurteile. Es sind doch Ihre Vorbehalte und nicht die der Gesellschaft, auf die Sie sich beziehen.
Ich habe den Auftritt von Frau Steinbach bei Anne Will gesehen. Sie ist ein Aushängeschild der hessischen CDU. Sie steht auch vorne auf Ihrer Landesliste. Und ich muss sagen: Ich habe es nicht für möglich gehalten, dass sich jemand in eine Fernsehsendung setzt und das Adoptionsrecht von gleichgeschlechtlichen Partnern mit dem Anbau von Schnittlauch und Petersilie in ihrem Garten vergleicht. Ein solcher Auftritt von Frau Steinbach – dafür sollte sich die hessische CDU wirklich schämen, was diese Frau dort erzählt hat.
Wenn ich mir dann auch vorstelle, dass Frau Steinbach immer noch die menschenrechtspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion ist, dann schlägt das wirklich dem Fass den Boden aus. Über Menschenrechte reden, aber den Menschen hier in Deutschland gleiche Rechte vorenthalten – wie heuchlerisch ist das denn, meine Damen und Herren?
Es darf nicht sein, dass gleichgeschlechtlichen Partnern gleiche Rechte verwehrt werden. Dann macht der stellvertretende Ministerpräsident einmal einen sinnvollen Vorstoß, da blitzt einmal etwas Liberales auf, und schon erklärt der Ministerpräsident, der stellvertretende Ministerpräsident spricht an diesem Punkt nicht für die Regierung.
Ich finde, bei der heute stattfindenden Abstimmung kann man von den Mitgliedern der FDP-Fraktion ein einziges
Mal erwarten, dass sie einmal einem liberalen Entschließungsantrag zustimmen und sich für die Bürger- und Menschenrechte in diesem Land stark machen.
Herr Ministerpräsident, ich komme jetzt auf Ihre Ausführungen zu sprechen. Ich finde, es kann nicht sein, dass sich der Ministerpräsident hierhin stellt und sich bei einer Frage, die nicht neu ist, sondern die seit Jahren diskutiert wird, darauf beschränkt, Fragen zu stellen und zu sagen, man bräuchte mehr Erkenntnisse. Das ist überhaupt nicht das Problem. Das Problem besteht nicht darin, dass die Erkenntnisse fehlen. Das Problem besteht darin, dass der politische Wille fehlt.
Stellen Sie sich hierhin, und sagen Sie, Sie wollen das nicht. Erzählen Sie nicht, dass Sie mehr Erkenntnisse bräuchten.
Gegenüber der Presse haben Sie ein nebulöses Unwohlsein artikuliert. Das ist irgendwie nichts Richtiges. Das ist überhaupt nicht greifbar.
Sie können natürlich auch keine Fakten nennen. Die gibt es auch nicht. Denn es gibt keine Untersuchung darüber, die besagt, dass Kinder gleichgeschlechtlicher Paare in irgendeiner Form gegenüber Kindern aus heterosexuellen Beziehungen benachteiligt wären. Dazu gibt es überhaupt keine Untersuchungen.
Herr Ministerpräsident, weil Sie das genau wissen, verstecken Sie sich hinter einem nebulösen Unwohlsein. Das führt einfach nur dazu, dass die Vorurteile in der Gesellschaft geschürt werden.
Sie stellen Fragen. Die Kanzlerin wartet ab. Es ist das Bundesverfassungsgericht, das in diesem Land die Aufgabe hat, Politik zu machen. Es ist schon ein Problem, dass das Bundesverfassungsgericht das immer wieder mit Urteilen klarstellen muss. Es muss die Gleichberechtigung auf den Weg bringen.
Herr Ministerpräsident, es ist die Aufgabe der Politik, Diskriminierung zu beenden und endlich gleiche Rechte für alle zu schaffen. Es ist eine Schande, dass Sie das nur machen, wenn das Bundesverfassungsgericht Sie dazu zwingt.
Bevor wir zu der namentlichen Abstimmung kommen, möchte ich auf der Besuchertribüne ganz herzlich Herrn Brigadegeneral Klink mit weiteren Vertretern der Bundeswehr vom Landeskommando Hessen begrüßen. Herzlich willkommen.
Jetzt kommen wir zur namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend volles Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften, Drucks. 18/7502.
Meine Damen und Herren, ich gebe Ihnen das Ergebnis der Abstimmung bekannt. 113 Kollegen haben sich an der Abstimmung beteiligt. 51 haben mit Ja, 62 mit Nein gestimmt. Damit wurde der Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in namentlicher Abstimmung abgelehnt.
Ich rufe den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend verfassungsrechtlich gebotene Gleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnerschaften umfassend umsetzen, Drucks. 18/7518, zur Abstimmung auf. Wer stimmt zu? – Das sind die Abgeordneten der Fraktionen der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Mitglieder der Fraktionen der CDU und der FDP. Damit ist der Entschließungsantrag mehrheitlich abgelehnt.