Protocol of the Session on June 27, 2013

Vielen Dank, Herr Dr. Bartelt. – Das Wort hat Herr Staatsminister Jörg-Uwe Hahn.

Sehr verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 28. Februar – das ist noch nicht einmal vier Monate her – haben wir uns im Hessischen Landtag mit der Thematik der Gleichstellung von homosexuellen Paaren auseinandergesetzt. Das Wort „auseinandergesetzt“ ist schon falsch, weil ich das Gefühl hatte, dass wir in dieser Debatte sehr deutlich die verschiedenen rechtlichen und auch die verschiedenen politischen Auffassungen zu Protokoll gegeben haben.

Ich darf daran erinnern, dass ich damals darauf hingewiesen habe, dass ich lange Zeit ein Vertreter der Rechtsauffassung war, dass Art. 6 etwas ganz Besonderes ist. Ich erinnere mich noch an die Diskussion, die ich danach mit Christean Wagner geführt habe. Art. 6 Abs. 1 heißt:

Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, das macht zunächst deutlich, dass die Väter und Mütter des Grundgesetzes einen besonderen Schutz – ich nenne es ein Privileg – für Ehe und Familie festgeschrieben haben.

(Beifall des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Deswegen habe ich über viele Jahre – ich glaube, Frau Hofmann hat gesagt, ich hätte endlich meine Meinung geändert – die Rechtsauffassung vertreten: Wenn etwas privilegiert ist, dann kann etwas anderes nicht genauso privilegiert sein. Das ist eine Auffassung, die nicht nur unter Juristen besteht, sondern auch weit verbreitet ist.

Ich musste jetzt, viele von uns mussten jetzt durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lernen, dass das Bundesverfassungsgericht das anders sieht. Das Bundesverfassungsgericht sagt, das Privileg – ich bleibe einmal bei diesem Wort – von Ehe und Familie ist verfassungsgemäßes Gebot. Das Privileg wird aber nicht dadurch behindert, dass aufgrund eines anderen Rechtsgrundes etwas anderes genauso privilegiert ist. – Etwas scherzhaft gesagt: Unter Juristen kann man das verstehen; das dem normalen Menschen zu erklären ist relativ schwierig.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, aber darüber haben wir uns zu unterhalten. Wir haben dann weiter diskutiert, dass die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – der Ministerpräsident hat darauf hingewiesen –

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

zum Thema Gleichstellung einen abschließenden Hinweis gegeben hat. Damals, vor knapp vier Monaten, haben Sie mir auch persönlich vorgeworfen, wir würden nichts tun. Ich darf Ihnen sagen, dass am heutigen Abend der Deutsche Bundestag das Thema, das wir hier vor vier Monaten besprochen haben, lösen wird, dass es heute Abend eine Veränderung beim Thema Steuersplitting geben wird und dass es eine Angleichung der Lebenspartnerschaften mit der Ehe ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, hauptsächlich deshalb habe ich mich gemeldet. Sie merken doch, liebe GRÜNE, dass Sie gerade eine Aktion durchführen.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nee!)

Es ist schade, wenn der Kollege Frömmrich das nicht merkt. – Es findet heute im Deutschen Bundestag eine genauso von den GRÜNEN aufgesetzte Diskussion statt wie jetzt im Hessischen Landtag, genau dasselbe Strickmuster.

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was ist die Position des Landes Hessen im Bundesrat?)

Für mich als Person ist das Thema Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Lebenspartner so wichtig, dass ich es auf keinen Fall in einem parteipolitischen Scharmützel sehen möchte. Deshalb werde ich Ihren Antrag auch ablehnen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Das Wort hat Herr Abg. Schäfer-Gümbel, Vorsitzender der SPD-Fraktion. Sie haben 6:20 Minuten Redezeit.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, Herr Ministerpräsident! Herr Hahn, Sie haben eben davon gesprochen, diese Debatte sei aufgesetzt. Diese Debatte ist deswegen nicht aufgesetzt, weil erstens eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts getroffen wurde, die die Debatte um die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare in Deutschland noch einmal neu und im Übrigen mit einer glasklaren Entscheidung befördert hat.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens ist diese Debatte nicht aufgesetzt, Herr Justizminister und stellvertretender Ministerpräsident, weil Sie und nicht die Opposition dazu dezidiert Position bezogen haben, was ich in der Sache ausdrücklich begrüße.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich ist es dann auch die Aufgabe aller Fraktionen in einem Parlament wie dem Hessischen Landtag, wenn in der Gesellschaft eine Debatte in der Tat sehr kontrovers geführt wird – zur Sache komme ich gleich –, diese auch in den Parlamenten zu führen. Sie als stellvertretender Ministerpräsident und als Justizminister haben dazu glasklar in der Sache Position bezogen. Herr Mick hat das eben seitens der FDP-Fraktion inhaltlich noch einmal untermauert, indem er Ihre Position ausdrücklich getragen hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist der Grund, warum wir diese Debatte führen: weil wir wissen wollen, ob Ihre Meinung als stellvertretender Ministerpräsident auch die Meinung der Hessischen Landesregierung ist.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann mir, offen gesagt, gut vorstellen und habe eine Fantasie dazu, wie bestimmte Kolleginnen und Kollegen in der hessischen Union – ich will namentlich Herrn Irmer nennen, aber auch andere – auf Ihre Erklärungen intern reagiert haben. Dazu habe ich eine Vorstellung.

(Holger Bellino (CDU): Die kann aber falsch sein!)

Deshalb hat der Ministerpräsident aus meiner Sicht einen Versuch gemacht, die Debatte von vorne anders auszurichten, indem er darauf hingewiesen hat, dass es in der Regierung dazu einen Dissens gibt. Das hat er klar gesagt. Aus seiner Sicht ist dazu noch eine Debatte notwendig, die man nicht in dieser Phase führen darf, nachdem die Entscheidung jetzt so gefallen ist.

Das ist aus Sicht des Ministerpräsidenten völlig in Ordnung. Ich sage nur: Ein Ministerpräsident – da wiederhole ich das, was Heike Hofmann gesagt hat –, der mittlerweile seit zwei Jahren in nahezu jeder Debatte nur Fragen stellt und keine einzige Antwort gibt, der ist fertig.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Natürlich war die Erklärung des Ministerpräsidenten am heutigen Vormittag auch die Klarstellung, dass der stellvertretende Ministerpräsident hier ausdrücklich nicht für die Landesregierung gesprochen hat. Auch das darf der Ministerpräsident tun. Das ist in Ordnung. Als Ministerpräsident darf er das. – Nun komme ich zur Sache.

(Peter Beuth (CDU): Nach vier Minuten!)

In der Tat, es geht um den besonderen Schutz von Ehe und Familie nach dem Grundgesetz. Das ist der Kern, um den es gerade geht. Die Frage ist: Was ist Ehe und Familie? Ich halte es da sehr mit dem ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder und denen, die das weiterentwickelt haben: Familie ist dort, wo Menschen Verantwortung füreinander übernehmen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

Ich sage es ausdrücklich: Das gilt für die Generationen ebenso.

Deswegen ist der zweite inhaltliche Hinweis, den der Ministerpräsident gegeben hat, in der Sache auch völlig richtig.

(Zurufe von der CDU)

Gehts wieder? Gut. – Es geht zum einen um die Frage des Kindeswohls. Aber auch dazu hat meine Kollegin Heike Hofmann das Entscheidende gesagt: Das Kindeswohl steht bei jeder Adoption im Vordergrund

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

ohne Ausnahme. Deswegen müssen Sie sich hier erklären. Da eiern Sie doch um diese Frage.

(Günter Rudolph (SPD): Aber kräftig!)

Das Einzige, was es auf den Punkt gebracht hat, sind die letzten Sätze von Herrn Bartelt, der etwas dazu gesagt hat, eine Einschätzung, die ich für völlig abwegig und absurd

halte. Die ist aus meiner Sicht nicht begründbar. Deswegen geht es hier zweitens um ein Diskriminierungsthema.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen haben der stellvertretende Ministerpräsident Jörg-Uwe Hahn und die FDP-Fraktion mit dem, was sie hier inhaltlich in der Debatte gesagt und in ihrem Wahlprogramm stehen haben, ausdrücklich recht:

(Minister Jörg-Uwe Hahn: Vielen Dank!)

Gleichstellung bedeutet umfassende Gleichstellung. Es ist nicht richtig, dann bestimmte Teilrechte und Pflichten herauszunehmen.

Ich kann nachvollziehen – Herr Bartelt hat das deutlich auf den Punkt gebracht –, dass es in der Union dagegen offensichtlich Vorbehalte gibt. Das darf er auch sagen. Aber ich sage noch einmal: Eine Landesregierung hat bei einem Diskriminierungsthema klar Position zu beziehen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Das ist die letzte Bemerkung, die ich in Richtung Ministerpräsident machen will. Es mag sein, dass das Thema gerade in diesen Tagen schwieriger zu diskutieren ist und dass Sie einen Modernisierungsprozess in einem solchen Tempo machen müssen, das Sie nicht gewohnt sind. Dieses Thema ist nicht neu. Wir diskutieren das seit Jahren, und Sie verweigern seit Jahren die Aufnahme dieser Debatte. Wenn es jetzt beginnt, soll es uns recht sein.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))