Frau Kollegin Wissler, die Daten liegen ja vor. Es gibt Flugdaten, die bestimmten Zeiten zugerechnet werden können. Diese Daten sind die Grundlage für das, was Fraport anzugeben hat. Insofern gibt es Daten, aber es macht sicherlich Sinn – das ist ein Punkt, über den wir mit Fraport schon diskutiert haben, über den wir nachdenken –, für die Zukunft ein Kataster anzulegen, eine Dokumentation über die Flüge, die stattgefunden haben.
Sie wissen, dass Fraport nach dem Planfeststellungsbeschluss verpflichtet ist, nachzuweisen, dass Schäden, die an Gebäudedächern aufgetreten sind, nicht durch Wirbelschleppen von Flugzeugen verursacht worden sind. Fraport hat Schäden in dem Sinne in den letzten Jahren sehr schnell und zeitnah reguliert. Darüber wurde aber keine Dokumentation geführt. Das erschwert natürlich das Verfahren, einen Nachweis zu führen und auch zu prüfen, ob es möglicherweise Kausalitäten gibt. Insofern gehen wir davon aus, dass in Zukunft auch in den Fällen dokumentiert werden muss, wo Fraport eigenständig Schäden reguliert.
Herr Minister, wenn bisher nicht dokumentiert wurde, obwohl es in Raunheim bekanntermaßen schon seit Jahren Probleme mit Wirbelschleppen gibt, worauf ist denn das zurückzuführen?
Herr Kollege Schaus, das ist darauf zurückzuführen, dass es dafür bisher deshalb keine Regelung gab, weil keine Kausalität nachgewiesen war – nach dem Motto „Ein Flugzeug hat eine Wirbelschleppe erzeugt, deshalb ist das Dach abgedeckt worden“.
Wir haben als Land Hessen in dem Verfahren über den Planfeststellungsbeschluss die Prozesserklärung hinterlegt, durch die an dieser Stelle im Sinne der Bürgerinnen und Bürger eine Beweislastumkehr verankert worden ist. Diese Beweislastumkehr führt dazu, dass Fraport den Beweis antreten muss, dass die Ereignisse nicht durch Flugzeuge verursacht worden sind. In dem Sinne hat Fraport in den letzten Jahren aus meiner Sicht sehr zeitnah Schäden reguliert und darüber eine eigene Schadensdokumentation geführt. Die Zuordnung von Flügen zu diesen Schadensregulierungen macht natürlich Sinn, auch und gerade für Fraport. Deshalb wird Fraport aus meiner Sicht das auch in Zukunft so durchführen. Das Unternehmen hat natürlich ein Interesse daran hat, den Nachweis zu führen, dass es möglicherweise bei bestimmten Flugzeugtypen zu bestimmten Ereignissen kommt.
Herr Minister, meine vorherige Frage bezog sich nicht auf die Dokumentation der Flugbewegungen. Es ist mir schon klar, dass diese dokumentiert werden. Meine Frage bezog sich vielmehr auf die Dokumentation der Schäden. Eine solche Dokumentation gibt es ja nicht. Deshalb noch einmal die Frage: Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie jetzt von einem Kataster gesprochen hab? Habe ich Sie richtig verstanden, dass das Ministerium plant, in Zukunft eine von Fraport unabhängige Dokumentation und Aufarbeitung der Wirbelschleppenschäden vorzunehmen?
Frau Abgeordnete, wir haben darüber keine abschließende Entscheidung getroffen, werden sie aber treffen.
Vielen Dank. – Meine Damen und Herren, wenn ich gewusst hätte, dass es so viele Fragen und Zusatzfragen gibt, dann hätte ich die Punkte andersherum aufgerufen.
Jetzt treten wir in die eigentliche Debatte zur Aktuellen Stunde ein, die DIE LINKE beantragt hat. Als erste Rednerin hat sich Frau Kollegin Wissler zu Wort gemeldet. Sie
Herr Präsident, meine Damen und Herren! DIE LINKE hat diese Aktuelle Stunde beantragt, weil die Landesregierung ihrer Verantwortung nicht nachkommt, die Menschen in der Einflugschneise des Frankfurter Flughafens wirksam zu schützen.
(Dr. Walter Arnold (CDU): Da haben wir eben etwas anderes gehört! – Vizepräsident Lothar Quanz übernimmt den Vorsitz.)
Die Anwohner sind Lärm und Schadstoffen ausgesetzt. Sie werden mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen, wenn das Nachtflugverbot wieder einmal gebrochen wird. Diese Menschen wollen keine Wegzugsprämie; diese Menschen wollen ihr Leben zurück.
Es geht nicht nur um Lärm, sondern auch um die Gefahr der Wirbelschleppen. Immer wieder nämlich verursachen die Luftwirbel landender Flugzeuge Schäden an Dächern; es fallen z. B. Ziegel herab. Nach Angaben von Fraport passiert das fünf- bis 15-mal im Jahr. Aber alleine in Flörsheim gab es in diesem Jahr schon mehr als zehn solcher Vorfälle. Ich will einige nennen:
Am 21. Februar hat eine Wirbelschleppe Löcher in die Dächer zweier Häuser in der Eppsteiner Straße geschlagen. Ziegel landeten im Vorgarten.
Am 5. April schleuderte eine Wirbelschleppe 50 Ziegel vom Dach eines Hauses in der Plattstraße bis auf die andere Straßenseite und in den Garten. Das Vordach über der Haustür wurde zerschlagen. In den angrenzenden Gärten spielten Kinder, und ein fünfjähriger Nachbarsjunge stand nur wenige Meter entfernt.
Meine Damen und Herren, die Wirbelschleppen bedeuten Lebensgefahr. Es ist reiner Zufall, dass es bisher bei Sachschäden geblieben ist und kein Mensch verletzt wurde. Die Menschen in Flörsheim haben mittlerweile Angst, ihre Kinder im Freien spielen zu lassen. Herr Minister, da frage ich mich: Wie können Sie noch ruhig schlafen?
Mein Eindruck ist: Die Luftverkehrswirtschaft genießt offenbar Narrenfreiheit in diesem Land. Das Verkehrsministerium ist für die Sicherheit im Luftverkehr zuständig, aber statt zu handeln, wollen Sie erst einmal langwierige Gutachten anfertigen lassen. Im Planfeststellungsbeschluss zum Bau der neuen Landebahn ist nachzulesen:
Durch Wirbelschleppen sind keine Gefahren oder nicht hinnehmbare Risiken für die öffentliche Sicherheit zu befürchten.
Diese Annahme ist eindeutig widerlegt, und das ist ein Grund mehr, den gesamten Planfeststellungsbeschluss noch einmal auf den Prüfstand zu stellen.
Bisher hat die Fraport zwar alle Schäden beglichen – das ist richtig, Herr Minister –; aber das hat sie nicht ohne Eigennutz getan. Dass die Schäden aus „Kulanz“ und „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ bezahlt wurden, hat einzig und allein den Zweck, eine gerichtsverwertbare Dokumentation zu verhindern. Kein einziger Wirbelschleppenschaden wurde untersucht oder dokumentiert. Es gibt keine offizielle Registrierung der Schäden, und es gibt keine Ermittlung der Verursacher.
Nun heißt es, die Dächer sollten überprüft und die Ziegel geklammert werden. Aber es ist nicht so, dass nur Ziegel von Wirbelschleppen erfasst werden. Auch Blumenkübel werden durch die Luft geschleudert; sie gefährden Menschen. Ruderer auf dem Main gerieten in eine Wirbelschleppe. Auch Kinder, Kinderwagen, Fahrräder oder Fußgänger können erfasst werden. Da sage ich: Kinder kann man nicht festklammern, und Flörsheims Einwohner kann man bei Ostwind nicht unter Hausarrest stellen.
Auch der Vorschlag, die Landebahn bei Ostwind einfach für schwerere Flugzeuge zu sperren, ist nicht hilfreich. Zum einen landen die ganz schweren Flugzeuge nämlich gar nicht auf der Nordwest-Landebahn, und zum anderen ist es reine Spekulation, dass es einen Zusammenhang zwischen der Größe der Flugzeuge und den Schäden durch eine Wirbelschleppe gibt. Augenzeugen berichteten, dass auch kleine Flugzeuge Wirbelschleppen ausgelöst haben. Auch der Wirtschaftsminister erklärt, man stochere völlig im Nebel, was die Kausalität angeht. Oftmals ist es auch gar nicht mehr nachzuvollziehen, welches Flugzeug die Beschädigungen verursacht hat.
Herr Minister, dreist finde ich aber, dass Sie öffentlich infrage stellen, dass die Schäden überhaupt durch Wirbelschleppen entstehen. Glauben Sie allen Ernstes, die Flörsheimer sitzen bei Ostwind auf ihren Dächern und werfen mit Ziegeln, wenn sich ein Flugzeug nähert? Oder was glauben Sie? Das ist doch absurd. Woran soll es sonst liegen?
Es gibt nur eine sinnvolle Lösung: Der neuen Landebahn muss nach § 6 Luftverkehrsgesetz die Betriebsgenehmigung entzogen werden. Nur so können die Anwohner geschützt werden.
Ich finde es perfide – auch das will ich an der Stelle sagen –, wenn jetzt versucht wird, sogenannte Neubetroffene und sogenannte Altbetroffene gegeneinander auszuspielen. Die Wirbelschleppengefahr in Flörsheim wird doch nicht dadurch erträglicher, dass sie in Raunheim ebenfalls besteht. Für beide Städte muss eine Lösung gefunden werden. Alles andere ist so, als ob man russisches Roulette mit dem Leben und der Gesundheit der Anwohner spielte. Herr Minister, ich finde es zynisch, dass Sie ausgerechnet den Begriff „Restrisiko“ verwenden, wenn es um die Gesundheit der Anwohner geht.
Ich komme zum Schluss. – Die Ausbauparteien CDU, FDP und SPD haben die Menschen getäuscht. Wir kämpfen dafür, dass die Gesundheit der Menschen Vorrang hat vor den Profitinteressen von Lufthansa und Fraport. Wir setzen uns für die Schließung der Landebahn ein. Mein Kollege Hermann Schaus hat einen Dachziegel mitgebracht.
Herr Kollege Schaus, ich darf Sie bitten, ihn herunterzunehmen. Sie wissen, dass Sie im Moment gegen die Geschäftsordnung verstoßen. Legen Sie ihn bitte runter.
(Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE) hält den Dachziegel weiterhin hoch. – Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Herr Schaus, haben Sie den an den Kopf bekommen, oder was?)