Deswegen muss ich sagen: Erst die öffentlichen Kassen leeren und dann einen Schuldenberg beklagen – das ist einfach eine absurde Politik. Da wird Ihnen die Schuldenbremse auch überhaupt nicht helfen.
Sie haben die Kommunen angesprochen, und dass Sie jetzt den Schutzschirm ins Leben gerufen haben. Wenn mir jemand 100 € wegnimmt und am Ende des Tages 50 € wiedergibt und dann auch noch Dankbarkeit erwartet, ist das einfach eine ziemlich abenteuerliche Vorstellung; nichts anderes tun Sie. Sie haben den Kommunen die Mittel gekürzt. Das ist erst einmal Fakt. Und nicht nur das: Sie gängeln die Kommunen, wo immer Sie können. Sie beschneiden die kommunale Selbstverwaltung, ob es nun an
der Frage der Hessischen Gemeindeordnung oder anderen Punkte liegt. Sich hier also als kommunalfreundliche Regierung darzustellen ist doch wirklich ein Witz.
Herr Ministerpräsident, mehr als Durchhalteparolen und Beleidigungen der Opposition fällt Ihnen hier nicht ein, und das ist schon verdammt wenig.
Danke, Frau Wissler. – Als Nächster spricht Herr Al-Wazir, Vorsitzender der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Plenarwoche hat schon am Dienstag abenteuerlich begonnen und setzt sich in der Debatte über die Vertrauensabstimmung zum Kabinett abenteuerlich fort.
Sehen Sie es mir nach, aber die Redebeiträge des Fraktionsvorsitzenden der größten Koalitionsfraktion und des Ministerpräsidenten verliefen eher nach dem Motto „Zurück in die Zukunft, Teil 4“.
Wir führen gerade eine Aussprache über eine Vertrauenserklärung und über die Frage, ob dieses Parlament mit Mehrheit der Regierung das Vertrauen ausspricht. Der Vorsitzende der CDU-Fraktion sagt dazu, dass er kein Vertrauen in die Opposition habe, aber das war nicht die Frage, Herr Wagner.
(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das hat Sie aber nicht überrascht!)
Das hat uns auch nicht überrascht. – Und der Ministerpräsident sagt, in der Linkspartei sei es noch schlimmer.
Ich will nur noch etwas zu einem Punkt sagen. Wenn man einen Strich daruntersetzt, ist das Einzige, was Volker Bouffier vorträgt, dass die wirtschaftliche Entwicklung in Hessen toll sei. An dieser Stelle nützt etwas, was man neudeutsch einen Faktencheck nennt; das hilft.
Der Ministerpräsident hat gerade gesagt, die wirtschaftliche Entwicklung in Hessen sei in Deutschland spitze, und, ich glaube, er hat sogar gesagt: europaweit.
Schauen wir uns das einmal an. Sie haben auch in Ihrer CDU-Kampagne mit dem schönen Titel „Hessen blüht“ den schönen Satz stehen: Erfolgreiche Arbeitsmarktentwicklung seit 1999. – Dann schauen wir uns einmal an, wie sich die Arbeitslosenquoten in den letzten zehn Jahren entwickelt haben.
Ich akzeptiere das ja. Ich freue mich auch, dass die Arbeitslosenquoten zurückgehen. – Was aber nicht funktioniert, ist, dass man sagt, wir seien deutschlandweit spitze, und dabei alle anderen Bundesländer übersieht, Herr Ministerpräsident.
Im Jahr 2000 sind wir mit 7 % nämlich gleichauf mit Rheinland-Pfalz gewesen. Inzwischen sind wir in der Situation, dass Rheinland-Pfalz bei der Arbeitslosenquote fast einen vollen Prozentpunkt weniger aufweist als Hessen.
Wir sind so weit, dass uns Baden-Württemberg und Bayern inzwischen deutlich abgehängt haben. Ich kann mich erinnern, dass Roland Koch 1999 in seiner ersten Regierungserklärung gesagt hat: Wir wollen ein Land des Südens werden. – Wenn ich einmal vergleiche, wie sich Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz im Vergleich zu Hessen entwickelt haben, dann stelle ich fest, wir sind von diesen drei Ländern abgehängt worden. Von wegen „deutschlandweit und europaweit spitze“.
Auch die war noch nie so hoch wie heute, das ist ausdrücklich richtig, Herr Ministerpräsident. Sie war auch in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt noch nie so hoch wie heute; auch das ist richtig. Aber die Frage, wo wir stehen, kann man nur beurteilen, wenn man sich die Nachbarländer anschaut.
Auch dazu ein Faktencheck: Wenn wir im Jahr 2000 von dem bei allen Ländern gleichen Faktor 100 ausgehen, dann ist es inzwischen so, dass Bayern mit 107 ganz weit vorne ist. Auf dem zweiten Platz bei der Entwicklung der Zahl von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liegt Rheinland-Pfalz. Auf dem dritten Platz folgt Baden-Württemberg. Und wir in Hessen sind, wenn man sich diese Entwicklung der Zahlen von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten anschaut, schlechter als der Durchschnitt in Westdeutschland. Da kann man doch nicht sagen, dass wir deutschlandweit spitze sind, Herr Ministerpräsident.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Zuruf des Ministerpräsidenten Volker Bouffier)
In Ihrer Kampagne haben Sie noch vieles andere angesprochen, etwa das reale Bruttoinlandsprodukt, also das Wachstum, von dem die FDP immer redet. Wir stellen fest: In den letzten zehn Jahren lag auf Platz 1 Sachsen, auf Platz 2 Bayern, auf Platz 3 Bremen, auf Platz 4 Thüringen, auf Platz 5 Baden-Württemberg, auf Platz 6 Hessen. Da kann man doch nicht behaupten, dass wir spitze seien.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Vielleicht ist es auch so, dass diese Fixierung auf Autobahnen und Flughäfen, dass auch der Flughafen Frankfurt und der Finanzplatz die Wirtschaftspolitik in diesem Land träge gemacht haben.
Wir werden uns über die Frage auseinandersetzen, was eigentlich kreative und erfolgreiche Wirtschaftspolitik ist. Was wir hier in den letzten Jahren erlebt haben, ist es im Vergleich zu den anderen Bundesländern auf keinen Fall.
Danke, Herr Al-Wazir. – Als Nächster spricht der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Herr Bellino.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nochmals, wir danken ausdrücklich den ausgeschiedenen Ministern und dem Staatssekretär für ihr erfolgreiches Wirken.
Der Fraktionsvorsitzende hatte darauf bereits ausführlich hingewiesen. – Nochmals, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition: Wir sind sicher, dass die Regierung, das Kabinett, nachher nicht nur das Vertrauen ausgesprochen bekommt, sondern dass sie weiter erfolgreich arbeiten wird, zum Wohle unseres Bundeslandes.
Die von Ihnen hier geforderte Neuausrichtung ist nicht nötig, da diese Regierung erfolgreich gearbeitet hat, da die regierungstragenden Fraktionen hier entsprechend erfolgreich helfen und da neue Entwicklungen, die in einer sich ändernden Gesellschaft natürlich auftreten, erfolgreich aufgegriffen werden und nicht – im Gegensatz zu Ihnen – mit Krawall, mit Klamauk, mit Skandalisierungen, sondern, wo es eben geht, im Konsens. Ich nenne hier den Energiegipfel und andere Themen.
Wenn wir hier vom Faktencheck sprechen, ist es vielleicht hilfreich, als Oppositionspolitiker darauf hinzuweisen, warum wir als Hessen immer noch die größten Zuwendungen in den Länderfinanzausgleich zu leisten haben. Das hat doch etwas mit der Wirtschaftskraft dieses Landes zu tun. Das hat auch etwas damit zu tun, dass andere nicht so erfolgreich sind wie wir.
Wenn Sie in Ihrem Faktencheck auf die Arbeitsmarktsituation hinweisen, dann vergessen Sie doch nicht, zu erwähnen, dass aufgrund unserer Attraktivität 100.000 Rheinland-Pfälzer in Hessen arbeiten. Die sind uns herzlich willkommen.
(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP – Zu- ruf der Abg. Mürvet Öztürk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))