Protocol of the Session on May 8, 2012

Dabei muss die hiesige Tradition nicht notwendigerweise alle Veränderungen ausschließen. Jedoch ist auch nicht auszuschließen, dass eine Anpassung an gewisse Ansprüche der hiesigen Begräbniskultur erfolgen kann, ohne dass die eigene kulturelle Identität dabei zu Grabe getragen werden muss.

Herr von Zech, ich möchte Ihnen einen Hinweis geben. Vielleicht sollten Sie das Rednerpult etwas nach oben fahren. Sie werden von einigen Abgeordneten nicht so wahrgenommen, wie es eigentlich der Fall sein sollte. Vielen Dank.

Dabei muss die hiesige Tradition nicht notwendigerweise alle Veränderungen ausschließen. Jedoch ist auch nicht

auszuschließen, dass eine Anpassung an gewisse Ansprüche an die hiesige Begräbniskultur erfolgen kann, ohne dass die eigene kulturelle Identität deswegen zu Grabe getragen werden muss.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Holger Bellino (CDU))

Schon längst hat sich auch auf den Friedhöfen Hessens über die Jahrzehnte hinweg eine – verzeihen Sie mir die etwas laxe Wortwahl – lebendige Sepulkralkultur entwickelt. Was früher im Rahmen der Grabgestaltung undenkbar schien, ist im Wandel der Zeit inzwischen weitgehend akzeptiert und normal. Menschen lassen sich inzwischen in speziell gewidmeten Begräbniswäldern inmitten der lebenden Natur beisetzen. Auf den Grabsteinen ist es möglich, das Bild der Verstorbenen anzubringen. Viele Wünsche der Menschen, wie sie nach ihrem Tod beigesetzt werden wollen, können heute schon im Rahmen der bestehenden Gesetze erfüllt werden.

Der Umgang mit dem Tod gehört selbstverständlich zum Leben. Gerade für die Hinterbliebenen ist es wichtig, dass die Verstorbenen in Würde begraben werden können und der Zugang zur Begräbnisstätte für die Trauernden gewährleistet bleiben soll. Deshalb ist es richtig, über Veränderungen von Zeit zu Zeit zu diskutieren.

Über zwei Drittel aller Muslime lassen sich nach wie vor in ihrem Heimatland beerdigen. Sie sagen, das Bestattungsrecht sei mit ihrem Glauben nicht vereinbar. Für die Muslime und auch für die Juden ist das Grab ein Platz für die Ewigkeit. Dies ist für sie mindestens ebenso wichtig wie die Beerdigung im Leichentuch.

Ich will vorab sagen, dass ich wenig Sinn darin sehe, wie es im Gesetzentwurf der SPD-Fraktion vorgesehen ist, stets nur einzelne Aspekte aufzugreifen. Da geht es um die Sargpflicht. Morgen könnte es um den Friedhofszwang bei der Urnenbestattung gehen. Übermorgen könnte es um ein anderes Thema gehen.

Meine Kolleginnen und Kollegen, bereits vor einigen Jahren hat der Landtag eine umfassende Anhörung dazu durchgeführt. Vieles von dem, was damals gesagt wurde, gilt in der Tat auch heute noch. Wir sollten im Ausschuss die Diskussion nicht scheuen und klären, ob umfassender Handlungsbedarf besteht oder nicht. Ich bin der Meinung, dass wir an dieses sensible Thema mit Sorgfalt und Bedacht herangehen sollten, ohne uns wegen einzelner Fragen leichtfertig treiben zu lassen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Herr von Zech, danke sehr. – Als Nächste wird Frau Enslin für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu uns sprechen.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion greift mit ihrer Initiative einen wichtigen Aspekt auf. Wir GRÜNE unterstützen den Vorstoß der SPD-Fraktion, dass Menschen, die in Hessen leben, nach ihrer religiösen und weltanschaulichen Tradition und Überzeugung bestattet werden können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Es wurde auch schon ausgeführt, wie wichtig das ist: Wenn wir die Menschen in unserem Land integrieren wollen, dann gehören auch deren Traditionen am Ende des Leben, deren Trauerkultur und deren Bestattungstraditionen mit dazu. Ich denke, die Gesellschaft zeigt, wenn sie da endlich Regelungen eröffnen würde, auch, wie offen sie ist und wie sie diese Menschen aufnimmt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Franz hat ausgeführt, dass das derzeit geltende Friedhofs- und Bestattungsgesetz Bestattungen ohne Sarg nicht zulässt. Schon im Juni 2007 haben wir GRÜNEN Entsprechendes gefordert. Zum damals vorliegenden Gesetzentwurf haben wir einen entsprechenden Änderungsantrag eingebracht. Die SPD-Fraktion hat deshalb hierfür unsere volle Unterstützung.

In vielen Kommunen gibt es Anfragen nach muslimischen Grabfeldern. Das geschieht natürlich aus dem Bedürfnis heraus, die Toten nach muslimischer Tradition ohne Sarg und nur in einem Leinentuch zu beerdigen. Diese Möglichkeit sollten wir in Hessen endlich eröffnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielleicht kann ich Ihnen gerade aus meiner Heimatkommune Usingen erzählen. Wir haben gestern in Usingen eine Satzungsänderung unserer Friedhofs- und Bestattungssatzung beschlossen. Wir wären gerne über das hinausgegangen; denn die muslimische Gemeinschaft hätte natürlich gerne neben den Waschungen, die vorgesehen sind, die Bestattung ohne Sarg, im Leinentuch. Das konnten wir ihr leider nicht zusagen, weil das Recht in Hessen derzeit noch dagegen steht. Deshalb denke ich, wir sollten darüber nachdenken und das ändern, damit wir solche Anfragen positiv bescheiden können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vor dem Hintergrund, dass das Friedhofs- und Bestattungsgesetz zum Ende des Jahres ausläuft, wäre es eine gute Gelegenheit. Allerdings mussten wir auf dem 8. Hessischen Bestattertag erfahren, dass es hierzu zwar schon eine Regierungsanhörung gegeben hat. Allerdings soll sich die Evaluierung nur auf redaktionelle Änderungen beschränken, wie der Sprecher des Innenministeriums dem verblüfften Publikum mitteilte. Denn neben der geforderten Aufhebung des Sargzwangs müssen auch andere Themen wie z. B. die Leichenschau und die damit verbundene Ausbildung der Beschauer neu geregelt werden.

Außerdem brauchen wir endlich eine Rechtsgrundlage für die Kommunen, damit diese durch kommunale Satzung z. B. festlegen können, dass nur noch Grabsteine und Einfassungen verwendet werden dürfen, die ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt wurden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich erinnere daran, dass der Sozialpolitische Ausschuss auf die Initiative von uns GRÜNEN im September 2010 dazu einen einstimmigen Beschluss gefasst hat und dass hier ein Vorschlag vorgelegt werden soll. Sie sehen also, das Friedhofs- und Bestattungsgesetz muss endlich an die Realitäten, wie sie heute sind, angepasst werden. Ich bin optimistisch, dass die Anhörung im Gesetzgebungsverfah

ren uns bestätigen wird. Ich habe die Hoffnung, dass die FDP sich wieder besinnt und offener damit umgeht. Denn wenn man sich die alten Anhörungsunterlagen anschaut und die Reden, die damals im Parlament zum Gesetzentwurf gefallen sind, dann kann man sehen, dass die FDP damals offener war, als es um den Sargzwang ging. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Danke, Frau Enslin. – Für die CDU-Fraktion hat sich Herr Kollege Heinz zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Einen Verstorbenen würdig zu bestatten, das heißt, ihm seine Würde als Mensch über den Tod hinaus zuzugestehen. Seit Menschengedenken ist die würdige Bestattung eine besondere Pflicht. Denken Sie nur daran, wie es die Ägypter gehalten haben. Auch in der griechischen Mythologie spielt dieses Thema eine große Rolle. Die breiter gebildeten Kollegen wie Dr. Müller und andere würden jetzt vielleicht Ausführungen zu Sophokles und Antigone machen. Das werde ich in Anbetracht der Redezeit unterlassen. Kümmern wir uns um die heutige Situation.

Kollege von Zech hat schon vieles ausgeführt. Das Friedhofs- und Bestattungsrecht war in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer schon Änderungen unterlegen. Es ist eine Anpassung an die Bedürfnisse der Menschen erfolgt, aber immer unter Berücksichtigung der verschiedenen Religionen, die in diesem Land heimisch sind. Wir gehen aus von dem christlichen Kulturkreis, der unser Land in besonderem Maße geprägt hat. Im Christentum gehört die Sorge um die Toten sogar zu den sieben Werken der Barmherzigkeit. Eine ähnlich große Rolle spielt die Sorge um die Toten auch in den anderen großen Buchreligionen wie dem Judentum und selbstverständlich dem Islam.

Der Wandel der letzten Jahre und Jahrzehnte – ich hatte es bereits gesagt – hat verschiedene Änderungen mit sich gebracht. Man sollte, wenn man in einem solchen Gesetzentwurf nur einen Einzelaspekt regeln will, nicht so tun, als wäre dieser veränderten Zusammensetzung der Bevölkerung, die wir heute haben, in den vergangenen Jahren nicht schon Rechnung getragen worden.

(Mürvet Öztürk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie denn?)

Schon heute sieht das hessische Friedhofs- und Bestattungsgesetz Ausnahmemöglichkeiten vor.

(Mürvet Öztürk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Welche?)

So kann die Bestattungsfrist verkürzt werden. Es ist auch möglich, eine Ausnahmegenehmigung zu erhalten, damit der Sargdeckel abgenommen werden kann, sodass es Muslimen möglich ist, ohne Sargdeckel bestattet zu werden.

Wenn hier behauptet wird, die einzig zulässige Bestattungsform bei den Muslimen sei die Bestattung ohne Sarg, ist das auch nicht richtig. Zu diesem Thema gibt es vielfältige Meinungen. Es gibt Einzelne, die das so vortragen, die das für sich so für richtig halten. Es gibt aber ge

nauso gut ein Gutachten der Akademie für islamisches Recht in Mekka, sozusagen dem Rom der Muslime. Dieses erklärt die Bestattung im Sarg ausdrücklich für zulässig. Auch in anderen Publikationen wird zumindest für den Fall, dass man sich als Moslem in Ländern aufhält, in denen die Sargpflicht gegeben ist, eine Bestattung im Sarg mit dem islamischen Recht für vereinbar erklärt.

Das Problem ist vielschichtig. Es ist nicht so einfach, wie es eben von der einbringenden Fraktion vorgetragen wurde. Ihr Entwurf greift auch – das muss man hier sagen – zu kurz. Er greift einen Einzelaspekt heraus. Ziel ist, billig nach Effekten zu heischen, Zustimmung zu erheischen. Da werden wir sicher nicht mitmachen.

Wir werden das im Ausschuss gründlich beraten. Wir werden uns des Themas breiter annehmen und dann sehen, was die beste Lösung ist, die zum einen der gewachsenen Kultur in unserem Land Rechnung trägt, die aber auch den Interessen derjenigen Menschen, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten nach Deutschland eingewandert sind, Rechnung trägt. In diesem Sinne sollten wir nicht vorschnell mit Einzelaspekten vorpreschen, sondern das Thema in aller Ruhe und Fachlichkeit beraten. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Günter Ru- dolph (SPD): Die Rede ist abenteuerlich!)

Danke, Herr Heinz. – Für die Fraktion DIE LINKE wird jetzt Herr Schaus zu uns sprechen.

(Günter Rudolph (SPD): Vielleicht sollte man den Integrationsminister fragen, was er davon hält! Aber der hat andere Sachen zu tun im Moment!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

So lautet Art. 1 Abs. 1 unseres Grundgesetzes.

Da stellt sich mir die Frage: Endet diese Würde des Menschen mit dem Tod, oder besteht sie darüber hinaus? – Ich denke: Ja, sie besteht auch nach dem Ableben und bezieht selbstverständlich auch die Würde der Hinterbliebenen, der Trauernden mit ein.

In Art. 3 Satz 3 des Grundgesetzes heißt es:

Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.

Aber was bedeutet „Benachteiligung“? Die Literatur sagt dazu: jemanden in einen Nachteil bringen, indem man ihm nicht die gleichen Rechte zugesteht wie anderen.

Im Duden finden wir zu „Benachteiligung“ unter anderem die Begriffe: zurücksetzen, unterschiedliche Behandlung, Unrecht und Diskriminierung.

Worin besteht also beim Friedhofs- und Bestattungsgesetz der Nachteil, die Benachteiligung? Ich sehe sie z. B., wenn eine der religiösen Tradition angemessene, würdige