Protocol of the Session on May 14, 2008

(Axel Wintermeyer (CDU): Das ist unglaublich!)

Wenn wir der Meinung sind, dass wir in diesem Land eine soziale Gerechtigkeit brauchen, dann brauchen wir auch Formen, diesen sozialen Ausgleich zu schaffen. Wenn an der sozialen Gerechtigkeit der soziale Frieden in diesem Land hängt, dann ist es wichtig, dass wir genau dafür sorgen. Deswegen brauchen wir einen Armuts- und Reichtumsbericht – sehr wohl auch einen Reichtumsbericht.Ich glaube, deswegen brauchen wir auch ein Gesetz dafür; denn sonst bekommen wir ihn in diesem Landtag nicht. – Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN – Axel Wintermeyer (CDU): Unglaublich!)

Das Wort hat Frau Ministerin Lautenschläger.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist richtig, dass wir in der vergangenen Legislaturperiode gesagt haben, wir brauchen keinen extra Armutsund Reichtumsbericht. Es ist auch richtig, dass die Hessische Landesregierung sich mit der Liga der Freien Wohlfahrtspflege daraufhin abgestimmt hat. Wir wollen gemeinsam einen Bericht aus drei Teilen erstellen. Der erste Teil betrifft die Kinder- und Familienarbeit, der zweite Teil das Thema Arbeitslosigkeit und Armut mit dem Schwerpunkt Jugendarbeitslosigkeit, und der dritte Teil betrifft das Thema Sozialräume. Der erste Teil dieses Berichts sollte in diesem Jahr vorgelegt werden.

Nun befassen wir uns in dem neuen Hessischen Landtag mit einem Grundsatzbeschluss für einen Armuts- und Reichtumsbericht.Dabei möchte ich durchaus darauf hinweisen, weil es heute Morgen von den verschiedenen Fraktionen noch nicht erwähnt worden ist, dass der Ministerpräsident alle Fraktionsvorsitzenden angeschrieben hat und deutlich gemacht hat, dass, wenn der Landtag einen Armuts- und Reichtumsbericht beschließt, die Hessische Landesregierung diesen selbstverständlich auch ohne ein Gesetz vorlegen wird, wie das in der Vergangenheit auch der Fall war, wenn die Fraktionen z. B. schon vor einigen Legislaturperioden mit der Mehrheit des Hauses beschlossen haben, einen Familienbericht vorzulegen. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass wir uns an diese Beschlüsse des Hessischen Landtags halten.

Ich möchte Ihnen nahelegen, dass das die einfachste Verfahrensweise ist, um regelmäßig einen Armuts- und Reichtumsbericht zu erhalten. Über die Abstände kann man sich unterhalten. Wir halten vier Jahre für sinnvoll. Wenn andere zwei Jahre für sinnvoll halten, kann man darüber reden. Die Datenlage gilt es selbstverständlich auszuwerten.

Herr Kollege Spies, bei Ihrer Kurzintervention hat mich etwas überrascht. Denn eines ist klar: Alleine die Beratung dieses Gesetzentwurfs braucht zumindest länger, als diese Hessische Landesregierung nach Ihrer Auffassung überhaupt im Amt bleiben wird, wie Sie das einmal angekündigt haben. Insofern können Sie auch gerne einen Gesetzentwurf beraten.Aber ich glaube nicht, dass das in der Sache zielführend ist.

(Zurufe der Abg. Petra Fuhrmann und Dr.Thomas Spies (SPD))

Selbstverständlich können wir in einem einfachen Verfahren beschließen, ohne Anhörungen, die dann für einen Gesetzentwurf mit drei Lesungen notwendig sind, dass wir uns auf ein Verfahren für einen Armuts- und Reichtumsbericht verständigen, auch mit bestimmten Inhalten. Wenn die Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN der Auffassung sind,dass nur bestimmte Daten notwendig sind,

(Zuruf des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD))

dann kann man über kürzere Zeiträume reden.Wenn man längere Zeiträume betrachten will, dann ist es sinnvoll, keinen Zweijahresrhythmus zu nehmen, sondern selbstverständlich einen längeren Rhythmus aufzugreifen, wie es im Übrigen in fast allen Bundesländern üblich ist.

Eines will ich hier sehr deutlich festhalten. Wir haben in den vergangenen Jahren die freiwilligen Leistungen und damit gerade die Leistungen im Rahmen des Sozialhaushalts deutlich ausgebaut. Es ist heute weit mehr an freiwilligen Leistungen und Maßnahmen des Landes im Sozialhaushalt, als dies 1999 der Fall war. Wir haben dort Schwerpunkte gesetzt in den Bereichen, wo man den Familien am schnellsten helfen kann, aus prekären Familienverhältnissen und Armutsverhältnissen herauszukommen.

Dazu gehört genauso der Bereich der Kinderbetreuung, über den wir vorhin gesprochen haben, wie die Frage der frühzeitigen Teilhabe an der Bildung. Das ist nicht nur der Bildungs- und Erziehungsplan, sondern das ist auch die Sprachförderung für Mütter und Väter wie auch die Sprachförderung für die Kinder im Kleinkindalter,um Familien ganz gezielt aus prekären Situationen herauszubringen und ihren Kindern bessere Chancen zu geben. Denn wie es der Kollege Bauer schon angesprochen hat, kennen wir natürlich die Datenlage. Wir setzten dort Mittel ein oder lenken sie um. Über die Sozialberichterstattung, die wir im Wege der Kommunalisierung der Mittel begonnen haben, haben wir erstmals einen vernünftigen Überblick dafür bekommen, wie Mittel eingesetzt wurden und was mit den Mitteln erzielt wurde.

Ich darf Sie vielleicht auch daran erinnern, dass es all diese Maßnahmen vor 1999 nicht gegeben hat und dass es ein schwieriger Schritt war, das überhaupt aufzubauen, um die Erkenntnisse über Sozialräume im Detail zu haben und die Mittel so zu lenken, dass sie genau in diesen Bereichen ankommen – gezielt für bestimmte Lebenslagen Mittel einzusetzen.

Wir haben auch im letzten Plenum darüber diskutiert. Einer der wichtigsten Gründe, warum z. B. Kinder in Armut sind, ist die Arbeitslosigkeit der Eltern. Noch schwerwiegender ist es, wenn Elternteile alleinerziehend sind. Dort ist der Anteil derjenigen, die in Armut leben, noch deutlich höher. Deswegen spielt aus unserer Sicht gerade dort der gezielte Einsatz von Kinderbetreuungsmaßnahmen, der Ausbau landesseits, eine wichtige Rolle, auf der anderen Seite aber auch die Zusammenarbeit mit den kommunalen Trägern, mit den Arbeitsgemeinschaften im SGB-II-Bereich, um dort schnellstmöglich vorzubeugen.

Ich darf Sie noch einmal darauf hinweisen: Aus unserer Sicht ist der Gesetzgebungsvorgang nicht nötig. Ein einziger Beschluss des Landtags würde dafür auch ausreichen. Der Ministerpräsident hat Ihnen zugesichert, dass wir einen solchen Bericht, wenn die Mehrheit es so haben

möchte, vorlegen werden und dass wir uns selbstverständlich über Inhalte verständigen können. Wir halten uns an Beschlüsse dieses Landtags. Aber wir halten es nicht für nötig,

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

für jede Sozialberichterstattung ein Gesetzgebungsverfahren zu machen. Es ist eine Selbstverständlichkeit: Wenn wir zusagen, einen solchen Bericht vorzulegen, dann werden wir es selbstverständlich machen.

Eine Zwischenfrage, Frau Kollegin Sorge.

Frau Ministerin, können Sie bitte erläutern, warum die Wohlfahrtsverbände wie Caritas, Diakonie usw. weiterhin einen Armutsbericht fordern, wenn Sie doch sagen, dass es ausreichen würde?

Ich erläutere es gerne noch einmal.Wir waren damals der Auffassung, einen eigenen Armuts- und Reichtumsbericht braucht man nicht. Das hat die Mehrheit dieses Landtags in der vergangenen Legislaturperiode beschlossen.Wir haben uns darauf verständigt,Teilberichte vorzulegen. Wenn die Mehrheit das heute anders sieht, sagen wir klar zu, diesen Bericht vorzulegen. Die Wohlfahrtsverbände haben sich mit uns auf einen Teilbereich verständigt, der ein gemeinsam gangbarer Weg war. Es ist völlig unstreitig,dass die Wohlfahrtsverbände immer noch mehr wollten.Wir persönlich sind der Auffassung,dass wir lieber schneller und zielgerichteter schauen sollten: Wie kann man Armut und prekäre Lebenslagen abstellen?

Dazu gehören bestimmte Schwerpunktsetzungen, die wir in den vergangenen Jahren vorgenommen haben. Ich nenne beispielhaft die deutliche Verbesserung der Bildungschancen von Kindern, von Schülern mit Hauptschulabschluss, den Ausbau der Bildungsplanung und Frühförderung von Kleinkindern, die Intensivierung der Sprachförderung und die Erweiterung der Elternbeteiligung. Einer der Schwerpunkte ist und bleibt das Thema Alleinerziehende. Dort müssen wir weiterhin unterstützend tätig werden.Wenn der Landtag aber der Auffassung ist, dass man dafür einen zusätzlichen Armuts- und Reichtumsbericht braucht, werden wir diesem Wunsch selbstverständlich nachkommen.

(Beifall bei der CDU)

Ich halte fest, dass keine weiteren Wortmeldungen vorliegen. Die Aussprache ist damit beendet.

Vereinbarungsgemäß ist damit die erste Lesung erfolgt, und wir überweisen die aufgerufenen Punkte zur Vorbereitung der zweiten Lesung an den Sozialpolitischen Ausschuss. – Dem widerspricht keiner. Dann ist das bezüglich der Tagesordnungspunkte 6 und 52 so beschlossen.

Meine Damen und Herren, wir treten in die Mittagspause ein.Wir sehen uns um 15 Uhr pünktlich wieder.

(Unterbrechung von 13.01 bis 15.03 Uhr)

Meine Damen und Herren, ich hoffe, Sie haben bei dem schönen Wetter die Mittagspause genossen.Wir fahren in der Sitzung fort.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 36 auf:

Antrag der Fraktion der FDP betreffend Erbschaft- und Schenkungsteuer – Drucks. 17/149 –

Dieser Punkt wird gemeinsam mit Tagesordnungspunkt 58 beraten:

Dringlicher Antrag der Fraktion der CDU betreffend Neuregelung der Erbschaftsteuer – Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umsetzten – Drucks. 17/190 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt 15 Minuten je Fraktion. Erster Redner ist Herr Kollege Blum für die FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die FDP-Fraktion ist der Überzeugung – der Ihnen vorliegende Antrag soll dafür die Grundlage bieten –,dass es dringend geboten ist, dass sich der Hessische Landtag noch einmal mit der anstehenden Reform des Erbschaftund Schenkungsteuergesetzes befasst.

Wir sind dieser Auffassung nicht nur deshalb, weil Bundesrat und Bundestag in der Endphase ihrer Beratungen über mögliche Reformvorschläge stehen und weil das Land Hessen unter Ministerpräsident Koch federführend an diesen Beratungen mitgewirkt hat, sondern auch deshalb, weil dieses Gesetzesvorhaben ganz konkrete Auswirkungen auf die hessischen Unternehmerinnen und Unternehmer und auch auf alle Bürgerinnen und Bürger unseres Landes haben wird. Deshalb haben die Menschen in unserem Lande einen Anspruch darauf, genau zu wissen und zu erfahren, wie sich die Fraktionen in diesem Hause zu dem Thema positionieren.

(Beifall bei der FDP)

Ich will zu Beginn noch einmal kurz darauf zurückkommen, warum wir diese Reformdebatte überhaupt führen. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht in seiner geltenden Ausprägung mit der Verfassung nicht in Einklang zu bringen ist. Das ist eine Grundaussage, die zunächst einmal keinen deutschen Finanzpolitiker in irgendeiner Form erschüttern kann, denn das Schicksal der Verfassungswidrigkeit teilen sämtliche Steuergesetzgebungsvorhaben der letzten Jahre, sodass wir insoweit nicht über einen Einzelfall reden müssen.

(Beifall bei der FDP)

Wir reden aber insoweit über etwas Besonderes, als dieses Mal ein ganzes Gesetz auf den verfassungsrechtlichen Prüfstand gekommen ist, ein ganzes Gesetz als verfassungswidrig deklariert wurde. Das erinnert an die Diskussion, die über das Verfassungsgerichtsurteil zur Vermögensteuer geführt worden ist, mit dem das Gericht auch dieses Gesetz in seiner damaligen Ausgestaltung für verfassungswidrig erklärt hat. Allerdings haben die politisch Verantwortlichen damals den Mut und die Entscheidungskraft aufgebracht, an diesem Gesetz nicht festzuhalten, sondern in der Tat zu sagen: Nein, wir wollen das Vermögensteuergesetz nicht weiter im Vollzug lassen,wir verzichten zukünftig auf die Erhebung der Vermögensteuer.

Das war in der Tat eine richtige und vor allem von politischer Tatkraft geprägte Entscheidung. Heute erleben wir, dass es an dieser Entscheidungs- und Tatkraft in Fragen der Erbschaft- und Schenkungsteuer fehlt.

(Beifall bei der FDP)

Die Große Koalition in Berlin will oder kann das aus politischen Gründen offenkundig nicht. Die einen wollen nicht, und die anderen haben, aus welchen Gründen auch immer, offensichtlich leider nicht die Kraft, eine solche Entscheidung auch bezüglich des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes durchzusetzen.

(Beifall bei der FDP)

Worauf hat man sich verständigt? Zunächst einmal gehen alle darin einig, dass ein bestimmter Vermögensgrundstock – vielfach als „Omas kleines Häuschen“ bezeichnet, die CDU geht in ihrem Antrag auf dieses Wortspiel ein –, der von der politischen Mehrheit offensichtlich als angemessen erachtet wird, denn er wird im Gesetz politisch festgeschrieben, von der Schenkungs- und Erbschaftsbesteuerung ausgenommen sein soll. Das bedeutet aber im Umkehrschluss, dass die Zeche ganz offensichtlich von anderen Personengruppen bezahlt werden soll, da das Steueraufkommen nach der Reform des Gesetzes unverändert bleiben soll.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Hier trifft es ganz konkret den hessischen und den deutschen Mittelstand. Sie machen hier eine Reform zulasten derjenigen, die wie keine zweite Gruppe in Deutschland für Ausbildungs- und Arbeitsplätze und die immer wieder angemahnte regionale Verantwortung der heimischen Wirtschaft stehen. Diese Gruppe wird mit dem in der jetzigen Fassung vorliegenden Gesetzentwurf auf das Heftigste bestraft.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von der CDU)

Ich sage in Richtung der Kolleginnen und Kollegen der Union ganz deutlich: Es ist eben nicht ausreichend, sich in Sonntagsreden lobend über den heimischen Mittelstand zu äußern, wenn man bei der erstbesten Möglichkeit den Schwanz einzieht und sich vom Koalitionspartner zurückpfeifen lässt, obwohl man mit einem entsprechenden Gesetzgebungsvorhaben wirklich Politik für den Mittelstand hätte machen können.

(Beifall bei der FDP)